JudikaturOLG Wien

18Bs147/25m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
05. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 8. Mai 2025, GZ **, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche, begründete Entscheidung aufgetragen wird.

Text

Begründung:

Der am ** geborene slowakische Staatsangehörige A* verbüßt in der Justizanstalt ** eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. Dezember 2023, rechtskräftig seit 27. Juni 2024, AZ **, wegen §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 zweiter Fall, 15 StGB verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren.

Das errechnete Strafende fällt auf den 15. Dezember 2026. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG werden am 15. Juni 2025 vorliegen, zwei Drittel der Freiheitsstrafe werden am 15. Dezember 2025 verbüßt sein.

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 14) lehnte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.2) – den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG aus generalpräventiven Erwägungen ab.

Dagegen richtet sich die nach Zustellung des Beschlusses erhobene (ON 15, 1), in der Folge unausgeführt gebliebene Beschwerde des A*.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.

Gerichtliche Entscheidungen (§ 35 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StPO) sind rechtsfehlerhaft, wenn die Ableitung der Rechtsfolge aus dem vom Entscheidungsträger zugrunde gelegten Sachverhaltssubstrat das Gesetz verletzt oder die Sachverhaltsannahmen entweder in einem rechtlich mangelhaften Verfahren zustande gekommen oder mit einem formalen Begründungsmangel behaftet und demnach willkürlich getroffen sind (RIS-Justiz RS0126648; Ratz , WK StPO § 292 Rz 17).

Ein Beschluss hat gemäß § 86 Abs 1 StPO neben Spruch und Rechtsmittelbelehrung eine Begründung zu enthalten (§ 86 Abs 1 erster und vierter Satz StPO). Die Pflicht zur Angabe des rechtlich als entscheidend beurteilten Sachverhalts umfasst auch jene zur Darlegung der Tatsachen (Beweisergebnisse), auf denen diese Sachverhaltsannahmen beruhen. Erst dadurch wird die Tatsachengrundlage der Entscheidung (§ 35 Abs 2 erster Fall StPO) dahin überprüfbar, ob sie in formal einwandfreier Weise – also ohne Begründungsmängel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO und demnach nicht willkürlich – geschaffen worden ist (siehe auch § 89 Abs 2a Z 3 StPO; RIS-Justiz RS0126648). Demzufolge verletzen die Tatsachenannahmen eines Beschlusses das Gesetz, wenn sie ein Begründungsdefizit iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufweisen und solcherart als willkürlich zu beurteilen sind (RIS Justiz RS0132725; Kirchbacher , StPO 15 § 86 Rz 1/1). Letzteres ist hier der Fall.

Das Erstgericht hat überhaupt nicht dargelegt, aus welchen konkreten Umständen fallbezogen ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG aus generalpräventiven Erwägungen scheitert.

Die Wortfolge „Schwere der Tat“ (§ 133a Abs 2 StVG) stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung [RIS-Justiz RS0091863]) einer Tat ab, der durch Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Die Verweigerung des vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots aus generalpräventiven, sich aus der Schwere der Taten ergebenden Gründen setzt gewichtige Umstände voraus, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern (im Sinne positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Taten ableitbar sein ( Jerabek/Ropper , WK² StGB § 46 Rz 16; Pieber , WK² StVG § 133a Rz 18). Bezugspunkt der generalpräventiven Erforderlichkeitsprüfung ist somit nicht nur die auf die Anlasstaten angewendete rechtliche Kategorie, sondern es sind auch die konkreten tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen.

Das Erstgericht hat bei seiner Entscheidung die konkreten tatsächlichen Umstände der Taten, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben, überhaupt nicht erwogen und lediglich festgehalten (BS 3): „Im Hinblick auf die immer deutlichere Zunahme dieser Art von Vermögensdelinquenz insbesondere auch im Zusammenhang mit Kriminaltourismus ergibt sich das Erfordernis des weiteren Vollzuges der Freiheitsstrafe, wenn man einen Bagatellisierungseffekt gegenüber potentiellen Nachahmungstätern vermeiden will.“

Damit ist der angefochtene Beschluss mit einem Begründungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO; Kirchbacher , aaO § 89 Rz 3/3) behaftet, weshalb mit einer Kassation vorzugehen und dem Erstgericht die neuerliche, begründete Entscheidung aufzutragen ist.

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