32Bs60/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Marchart und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 11. Februar 2025, GZ **, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .
Text
B e g r ü n d u n g:
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht eine Beschwerde des A* vom 18. Oktober 2024 (ON 1) gegen die Mitteilung des Leiters des forensisch-therapeutischen Zentrums (FTZ) ** vom 10. Oktober 2024 (ON 15 S 15ff) als unzulässig zurück.
Begründend führte das Erstgericht aus, dass die Mitteilung des Leiters des FTZ ** vom 10. Oktober 2024 in Erledigung einer vom Anstaltsleiter als Aufsichtsbeschwerde behandelten Eingabe des Beschwerdeführers vom 5. August 2024 ergangen und diesem am 14. Oktober 2024 verkündet worden sei. Der Anstaltsleiter habe die genannte Beschwerde des A* vom 5. August 2024, mit der dieser die Untersagung des Verfassens von Schreiben für andere Insassen moniert habe, zu Recht als Aufsichtsbeschwerde behandelt, da dieser inhaltlich – ungeachtet der allgemein gehaltenen, formalen Behauptung einer Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte – keine bestimmte Betroffenheit in seinen konkreten Rechten iSd § 120 Abs 1 stVG geltend gemacht habe. Zwar gewähre § 89 Abs 3 StVG Strafgefangenen (und strafrechtlich Untergebrachten), die nicht lesen und schreiben können, ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schreibhilfe durch einen Strafvollzugsbediensteten, ein subjektiv-öffentliches Recht des Beschwerdeführers, anderen Insassen Schreibhilfe zu leisten, lasse sich daraus aber nicht ableiten.
Aufsichtsbeschwerden würden gemäß § 122 StVG keine Erledigung mit Bescheid erfordern und Beschwerden gegen die Ablehnung einer aufsichtsbehördlichen Verfügung seien ohne Rücksicht auf die Form der Erledigung zurückzuweisen.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 20), in der dieser neuerlich ausführt, dass die Anordnung des Anstaltsleiters rechtswidrig sei, da dieser keine Schreibhilfe zur Verfügung stelle. Daher komme § 89 Abs 3 StVG zum Tragen. Da ein der deutschen Sprache nicht Mächtiger die Beschwerde nicht in verständlicher deutscher Sprache zu Papier bringen könne, sei dies ein rechtswidriger Ausschluss vom Recht garantiert durch EGMR und Verfassung sowie der übrigen verba legalis, eine wirksame Beschwerde zu Papier zu bringen und das Gericht um Prüfung des Sachverhaltes zu ersuchen. Folglich sei die Anordnung, keine Schreibhilfe nach § 89 Abs 3 StVG zu leisten, ein Ausschluss vom Beschwerderecht der Untergebrachten, noch dazu wo der Anstaltsleiter keine ordentlichen Deutschkurse für Ausländer anbiete. Selbstverständlich sei der Anstaltsleiter nicht gewillt bei einer Selbstüberprüfung sein eigenes Fehlverhalten zu erkennen oder gar zu ahnden. Alles andere würde ja der Lebensrealität zuwider laufen. Nicht die Verlesung der Anstaltsleiteranordnung durch den Justizwachebeamten B* sei Thema dieser Beschwerde, sondern die Anordnung des Anstaltsleiters als solche sei bereits rechtswidrig. Genauso sei das Geschwurbel des Anstaltsleiters von wegen Verstoß gegen § 30 StVG widersinnig, denn die Schreibhilfe stelle kein Geschäft, egal in welcher Form dar. Sohin sei dieser Beschwerde stattzugeben, um den rechtskonformen Zustand und seine subjektiven-öffentlichen Rechte wieder herzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.
Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Gemäß § 16 Abs 3 StVG entscheidet das Vollzugsgericht über Beschwerden (1.) gegen eine Entscheidung oder Anordnung des Anstaltsleiters, (2.) wegen Verletzung eines subjektiven Rechts durch ein Verhalten des Anstaltsleiters und (3.) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Anstaltsleiter.
Über Beschwerden gegen das Verhalten von Strafvollzugsbediensteten oder deren Anordnungen hat gemäß § 121 Abs 1 StVG hingegen der Anstaltsleiter zu entscheiden. Eine direkte Anrufung des Vollzugsgerichts in dieser Angelegenheit ist nicht zulässig ( Pieber in WK 2 StVG § 121 Rz 1; OLG Wien 32 Bs 292/22h, 32 Bs 229/24x, 132 Bs 162/17v, 132 Bs 301/17k, 132 Bs 275/17m ua). Erst ein allfälliges Beschwerdeerkenntnis des Anstaltsleiters über eine Administrativbeschwerde des Strafgefangenen ermöglicht einen Rechtszug zum Vollzugsgericht.
Demgegenüber erfordern Aufsichtsbeschwerden gemäß § 122 StVG keine Erledigung mit Bescheid, vielmehr fehlt einer Mitteilung der Behörde, dass sie sich zu einer begehrten aufsichtsbehördlichen Verfügung nicht veranlasst gefunden habe, jeder rechtsgestaltende oder feststellende Inhalt. Da unter dieser Voraussetzung selbst die Wahl der äußeren Form eines Bescheides nicht zu einer Verletzung subjektiver Rechte führen würde - folglich ebensowenig die bloße (irrige) Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung -, sind Beschwerden gegen die Ablehnung einer aufsichtsbehördlichen Verfügung ohne Rücksicht auf die Form der Erledigung zurückzuweisen ( Drexler/Weger , StVG 5 § 122 Rz 4).
In Fällen, in denen fraglich ist, welchen Rechtsbehelfes sich der Strafgefangene bedient, ist für die Qualifizierung eines Anbringens als Administrativbeschwerde oder als Aufsichtsbeschwerde deren Inhalt entscheidend. Dabei handelt es sich um eine Frage der Auslegung im Einzelfall. Es kommt darauf an, ob der Beschwerdeführer erkennbar darauf abzielt, dass eine jeweils bereits individuell eingetretene Rechtsverletzung bescheidmäßig festgestellt wird, oder ob er damit die Einleitung aufsichtsbehördlicher Maßnahmen durch die übergeordnete Behörde anstrebt, um etwa künftige allgemeine Missstände abzustellen oder generelle Anordnungen für den Strafvollzug zu bekämpfen. Es kommt nicht darauf an, ob die Behauptung der Verletzung subjektiver Rechte letztlich zu Recht besteht oder nicht. Eine Beschwerde darf aber auch nicht schon allein deshalb, weil das damit verfolgte Anliegen auch subjektiv-öffentliche Rechte der Strafgefangenen betreffen könnte, als Administrativbeschwerde verstanden werden. Wird nur ganz allgemein beantragt, (vermeintlichen) Missständen ein Ende zu bereiten und keine bestimmte Betroffenheit des Strafgefangenen in seinen konkreten Rechten iSd § 120 Abs 1 StVG geltend gemacht, handelt es sich um eine Aufsichtsbeschwerde iSd § 122 StVG ( Drexler/Weger, StVG 5 § 120 Rz 7f mwN).
Fallkonkret machte A* mit seinem Antragsbegehren vom 5. August 2024 (ON 15 S 6ff), mit dem er zusammengefasst - infolge einer ihm durch einen Justizwachebeamten erteilten Belehrung, wonach er es zu unterlassen habe, Eingaben für andere Insassen zu verfassen – monierte, dass der Anstaltsleiter indem er die von ihm geleisteten Hilfstätigkeiten falsch darstelle, die Tätigkeit der „Union für die Rechte von Gefangenen“ rechtswidrig beschneiden wolle, obwohl diese Vereinigung vom LVwG gestattet und deren Tätigkeit als rechtskonform bestätigt worden sei und die ihm erteilte – eine falsche Darstellung enthaltende – Belehrung als Einschüchterungsversuch und Drohung zu werten sei, um ihn zu zwingen, seine rechtskonformen Handlungen zu unterlassen, keine bereits eingetretene Verletzung eines ihm zukommenden subjektiv-öffentlichen Rechts (im Sinne des StVG) geltend, zumal ein solches subjektiv-öffentliches Recht, Mitinsassen Schreibhilfe zu leisten, dem StVG nicht zu entnehmen ist. Vielmehr kritisierte der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen - trotz des wiederholten unsubstantiierten Verweises auf seine subjektiv-öffentlichen Rechte, und Einschüchterungsversuche bzw Drohungen – seines Erachtens nach bestehende Missstände zum Nachteil eines bestimmten Vereins („Union für die Rechte von Gefangenen“) sowie zum Nachteil von anderen Untergebrachten, nämlich jenen welche Schreibhilfe benötigen würden, zu welchen er selbst schon nach seinem eigenen Vorbringen nicht zählt. Solcherart wurde sein Anbringen inhaltlich zu Recht als (bloße) Aufsichtsbeschwerde qualifiziert (vgl Drexler/Weger , StVG 5 § 120 Rz 7).
Daran vermögen auch die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach Gegenstand seiner Beschwerde schon ursprünglich nicht das Verhalten des Justizwachebeamten, sondern die Anordnung des Anstaltsleiters gewesen sei, nichts zu ändern, zumal dies nichts an der grundsätzlichen Einordnung als Aufsichtsbeschwerde zu ändern vermag, weshalb jedenfalls keine Zuständigkeit des Vollzugsgerichts gemäß § 16 Abs 3 StVG gegeben ist. Aus diesem Grund kann für das gegenständliche Verfahren auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei der dem Beschwerdeführer erteilten Belehrung um eine im Auftrag des Anstaltsleiters von einem Justizwachebeamten erteilte Anordnung (wie vom Landesgericht Linz im Verfahren AZ 60 Bl 90/24g angenommen) oder um eine von einem Justizwachebeamten verkündete Anordnung des Anstaltsleiters handelt, wobei im letzteren Fall allerdings die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Aufsichtsbeschwerde dem Bundesministerium für Justiz zukommt ( Drexler/Weger , StVG 5 § 11 Rz 4).
Die gegen die - als aufsichtsbehördliche Erledigung anzusehende - Entscheidung des Leiters des FTZ ** vom 10. Oktober 2024 (ON 15 S 15ff) gerichtete Beschwerde des A* vom 18. Oktober 2024 (ON 1) wurde vom Landesgericht Linz als Vollzugsgericht daher zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
Da der angefochtene Beschluss sohin der Sach- und Rechtslage entspricht, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.