32Bs2/25s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Marchart und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* über dessen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens AZ * des Oberlandesgerichts Wien in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens AZ * des Oberlandesgerichts Wien wird abgewiesen .
Begründung
Text
Zum besseren Verständnis ist zunächst auf den bisherigen Gang des Verfahrens einzugehen:
Mit Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht vom 20. März 2024, GZ *-14, wurden Beschwerden des A* gegen
(1.) die Entscheidung der Leiterin der Justizanstalt ** vom 14. November 2023 auf Ablehnung des Ausgangsansuchens für den Zeitraum 17. November 2023 bis 19. November 2023,
(2.) die Änderung des Vollzugsorts gemäß § 10 StVG und
(3.) die Aberkennung von Vollzugslockerungen zurückgewiesen.
Der Beschwerde gegen die Verlegung in einen videoüberwachten Haftraum wurde nicht Folge gegeben (4.).
In Folge einer von A* dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat mit Beschluss vom 16. Juli 2024, AZ *, aus Anlass der Beschwerde der angefochtene Beschluss in seinem Spruchpunkt 2. ersatzlos aufgehoben; im Übrigen wurde die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.
Zu Punkt 1.) des Beschlusses des Landesgericht Linz als Vollzugsgericht wurde festgehalten, dass die sorgfältig begründete Entscheidung des Vollzugsgerichts, das sich umfassend mit dem Akteninhalt und auch mit dem Beschwerdevorbringen auseinandergesetzt und nachvoll ziehbare Schlussfolgerungen getroffen habe, nicht zu beanstanden sei.
Bezüglich der Zurückziehung der Beschwerde moniere der Beschwerdeführer auch im nunmehr erhobenen Rechtsmittel, die Beschwerde nur „vorerst“ zurückgenommen zu haben. Gerade mit der Behauptung, die Beschwerde unter einer Bedingung zurückgenommen zu haben, habe sich das Erstgericht auseinandergesetzt, ebenso mit seiner zeitnahen Verlegung in die Justizanstalt **. Sein Vorbringen sei daher nicht geeignet, einen Fehler in der sorgfältigen Entscheidungsfindung des Erstgerichts aufzuzeigen.
Das Oberlandesgericht Wien erwog zu 2.) des Beschlusses des Landesgericht Linz als Vollzugsgericht, dass dem Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG nur die Entscheidung über Beschwerden gegen eine Entscheidung oder Anordnung des Anstaltsleiters oder dessen Verhalten bzw wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Anstaltsleiter zustehe (§ 16 Abs 3 Z 1 bis 3 StVG), nicht aber eine Entscheidung über einen Akt der Generaldirektion des Bundesministeriums für Justiz. Der Beschluss sei daher in seinem Punkt 2.) ersatzlos aufzuheben. Die diesbezügliche Beschwerde des A* werde der Generaldirektion zur weiteren zuständigen Veranlassung zu überweisen sein (§ 6 AVG). Das Vorbringen des Beschwerdeführers in Ansehung dieses Spruchpunktes könne daher auf sich beruhen.
Zu den erstgerichtlichen Beschlusspunkten 3.) und 4.) sei kein inhaltlich zuordenbares Vorbringen erstattet worden und würden sich dem Oberlandesgericht Wien keine amtswegig aufzugreifenden Mängel erschließen.
Das Erstgericht habe überdies zutreffend festgehalten, nicht zur Entscheidung über einen Antrag auf Vollzugsuntauglichkeit zuständig zu sein.
Mit beim Oberlandesgericht Wien eingebrachter Eingabe vom 8. August 2024 beantragte A* schließlich die Wiederaufnahme nach § 69 AVG „zu AZ *“, wobei sich sein Vorbringen nur auf die Spruchpunkte 1.) und 2.) des Landesgerichts Linz als Vollzugsgericht bezog.
Der Antrag wurde vom Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat mit Beschluss vom 17. September 2024, AZ *, abgewiesen. Begründend erwog das Oberlandesgericht, dass der Antrag kein iSd § 69 Abs 1 AVG relevantes Tatsachensubstrat – insbesondere keine den Gesetzesvorgaben entsprechenden neuen Tatsachen und Beweismittel – enthalte.
Mit beim Oberlandesgericht Wien eingebrachter Eingabe vom 25. Dezember 2024 beantragt A* nunmehr die Wiederaufnahme dieses zu AZ * geführten Wiederaufnahmeverfahrens. Dazu führt der Antragsteller aus, dass die (Anm: vorsitzende) Richterin Mag. B* von der Entscheidung über seinen Wiederaufnahmeantrag auszuschließen gewesen wäre, weil sie im Verfahren AZ * bereits als Richterin tätig gewesen sei. Demnach hätte sich die Richterin amtswegig für befangen erklären sollen, da sonst ihre Funktion amtsmissbräuchlich ausgeübt worden sein könnte. Neben § 19 JN und § 43 StPO stützt der Antragsteller seine Ausführungen auf § 22 Abs 1 GOG, welchem seinen Ausführungen zufolge Schutzgesetzcharakter zugunsten der Verfahrensparteien zukomme.
Er führt weiters aus, er habe nicht zuletzt in seinem Antrag vom 8. August 2024 erläutert, dass die Zurückziehung seiner Beschwerde vom Justizwachkommandanten erschlichen worden sei. Dennoch habe die Richterin die Verletzung des § 69 Abs 1 Z 1 und 2 AVG nicht erkennen wollen.
Er erachte die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung für dringend geboten.
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag ist nicht berechtigt.
Die Beurteilung einer möglichen Wiederaufnahme des Verfahrens richtet sich in Verfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG nach § 69 AVG, der aufgrund der Bestimmung des § 17 Abs 2 Z 1 StVG sinngemäß zur Anwendung kommt.
Demnach ist einem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder 2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
Nur wenn eine Tatbestandsvoraussetzung des § 69 Abs 1 AVG erfüllt ist, darf die seinerzeitige Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren neu aufgerollt werden.
Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist auch die Wiederaufnahme eines Wiederaufnahmeverfahrens grundsätzlich möglich ( Hengstschläger/Leeb, AVG § 70 Rz 4).
Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich der Antrag des A* jedoch als nicht berechtigt, zumal diesem kein unter einen der Wiederaufnahmegründe des § 69 Abs 1 AVG subsumierbares Tatsachensubstrat zu entnehmen ist.
Soweit der Antragsteller die vermeintliche Befangenheit der Vorsitzenden des Vollzugssenats des Oberlandesgerichts Wien moniert, ist er zunächst darauf hinzuweisen, dass weder die – Zivilverfahren betreffende – JN, noch die – Strafverfahren betreffende – StPO in Verfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG zur Anwendung kommen, sondern die in § 17 Abs 2 StVG vorgesehenen Normen des AVG und des VStG. Auch die Bestimmung des § 22 Abs 1 GOG nimmt lediglich auf die entsprechenden Regelungen in den jeweiligen Verfahrensordnungen Bezug, ohne selbst Regeln zur Beurteilung einer möglichen Ausgeschlossenheit aufzustellen.
Im konkreten Fall ist die Frage einer möglichen Befangenheit eines beteiligten Entscheidungsorgans folglich (ausschließlich) nach § 7 AVG zu beurteilen, der aufgrund der Bestimmung des § 17 Abs 2 Z 1 StVG sinngemäß zur Anwendung kommt.
Gemäß § 7 Abs 1 AVG haben Verwaltungsorgane sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen
1. in Sachen, an denen sie selbst, einer ihrer Angehörigen (§ 36a) oder eine von ihnen vertretene schutzberechtigte Person beteiligt sind;
2. in Sachen, in denen sie als Bevollmächtigte einer Partei bestellt waren oder noch bestellt sind;
3. wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen;
4. im Berufungsverfahren, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides oder der Berufungsvorentscheidung (§ 64a) mitgewirkt haben.
Der Umstand, dass ein Organwalter, der an der Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides mitgewirkt hat, über die Wiederaufnahme entscheidet, stellt jedoch keinen Grund dar, die Unbefangenheit der betreffenden Person in Zweifel zu ziehen (VwGH 91/10/0107, VwGH 2000/03/0369; Hengstschläger/Leeb, AVG § 7 Rz 15).
Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller sich ausschließlich darauf stützt, dass die vorsitzende Richterin des Vollzugssenats an der letztinstanzlichen Beschlussfassung in jenem Verfahren, dessen Wiederaufnahme er ursprünglich beantragt hat, mitgewirkt hat, vermag er deren Befangenheit demnach nicht aufzuzeigen. Darüber hinaus wäre aber auch die Mitwirkung eines befangenen Entscheidungsorgans kein iSd § 69 Abs 1 AVG relevanter Wiederaufnahmegrund.
Auch mit seinen – sich auf substratlose Mutmaßungen beschränkenden - Ausführungen, wonach die Mitwirkung an der Entscheidung bei unterlassener Befangenheitsanzeige amtsmissbräuchlich erfolgt sein könnte, ist der Antragsteller darauf zu verweisen, dass keine Anhaltspunkte für eine solche Befangenheit vorliegen.
Die weiteren, sich ausschließlich aufs „Grundverfahren“ (AZ * des Landesgerichts Linz bzw AZ * des Oberlandesgerichts Wien) beziehenden Ausführungen des Antragstellers, wonach (unter anderem) seine Beschwerderückziehung erschlichen worden sei, sind für die Beurteilung der Wiederaufnahme des Verfahrens AZ *, sohin des Verfahrens über seinen Wiederaufnahmeantrag vom 8. August 2024, ohne Relevanz, zumal die oben angeführten Wiederaufnahmegründe gerade bezogen auf die dort ergangene Entscheidung vorliegen müssten.
Da der Antragsteller sohin kein den Wiederaufnahmegründen des § 69 Abs 1 AVG entsprechendes Tatsachensubstrat zur Darstellung bringt, war dessen Antrag ein Erfolg zu versagen.
Dem Begehren auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung steht letztlich entgegen, dass ein solches Vorgehen gemäß § 39 Abs 2 zweiter Satz AVG, der gemäß § 17 Abs 2 Z 1 StVG zur Anwendung kommt, im Ermessen der Behörde liegt. Fallkonkret ist aber weder aus dem Vorbringen noch dem Akteninhalt abzuleiten, dass dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs dadurch besser und effizienter entsprochen werden kann (vgl Hengstschläger/Leeb , AVG § 39 Rz 26 mwN).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.