21Bs92/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden und die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen §§ 127, 129 Abs 1 Z 3, 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 13. November 2024, GZ **-73.1, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Mit dem angefochtenen Beschluss widerrief das Erstgericht gemäß § 495 Abs 1 StPO iVm § 53 Abs 2 StGB die A* mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 26. September 2023, AZ **-29.3, gewährte bedingte Nachsicht des Vollzugs der mit diesem Urteil verhängten Freiheitsstrafe.
Begründend führte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass der Verurteilte ungeachtet mehrmals erfolgter förmlicher Mahnungen weder ausreichend Bereitschaft zur Einhaltung der ihm mit dem genannten Urteil erteilten Weisung noch zur Kooperation mit dem bestellten Bewährungshelfer signalisiert habe, woraus eine absolut gleichgültige Einstellung bezüglich seines weiteren Werdegangs und eine äußerst problematische Persönlichkeit des Verurteilten hervorgehe. Im Hinblick auf die erfolglos gebliebenen zahlreichen und regelmäßigen Versuche der Mitarbeiter der Bewährungshilfe **, Kontakt mit A* aufzunehmen und ihn zur Weisungseinhaltung zu motivieren, sei festzustellen, dass er sich nunmehr gänzlich dem Einfluss seines Bewährungshelfers entzogen habe und auch die ihm auferlegte Weisung mutwillig nicht befolge. Angesichts der wiederholten Verurteilungen des A* sei der Widerruf der ihm gewährten bedingten Strafnachsichten nunmehr dringend geboten, um ihn zu einem straffreien Leben zu motivieren.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss, der A* erst nach Fahndung zwecks Aufenthaltsermittlung (siehe ON 76, 78, 80) am 21. Februar 2025 in der Justizanstalt ** (wo er sich seit 18. Februar in Untersuchungshaft befindet [ON 91, 2]) zugestellt werden konnte (siehe den zugehörigen Zustellnachweis), richtet sich dessen rechtzeitige Beschwerde. Mit dieser beantragt er unter Hinweis darauf, seit seiner Haftentlassung am 24. Jänner 2024 nicht mehr über eine feste Meldeadresse verfügt zu haben, aufgrund der Wegnahme seines Mobiltelefons durch seine damalige Partnerin keine Möglichkeit zur telefonischen Kontaktaufnahme gehabt zu haben, nach der förmlichen Mahnung durch das Landesgericht St. Pölten aus Angst vor einem Haftbefehl „untergetaucht“ zu sein, nunmehr eine Lehre als Speditionskaufmann anzustreben und das Haftübel bereits verspürt zu haben, erkennbar die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses (ON 101).
Gemäß § 53 Abs 2 StGB hat das Gericht die bedingte Strafnachsicht oder eine bedingte Entlassung zu widerrufen und die Strafe oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn der Rechtsbrecher während des vom Gericht bestimmten Zeitraums eine Weisung trotz förmlicher Mahnung mutwillig nicht befolgt oder sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzieht, und der Widerruf nach den Umständen geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.
Die bloße Nichtbefolgung einer Weisung berechtigt in der Regel noch nicht zu dem Schluss, dass die Resozialisierungsmaßnahme erfolglos geblieben ist. Es müssen konkrete Anhaltspunkte Anlass zur Besorgnis geben, dass der Verurteilte seine soziale Integration nicht anstrebt und sich ohne Einwirkung des Strafvollzugs nicht straffrei verhalten werde (vgl Jerabek / Ropper in WK 2 StGB § 53 Rz 9). Die Nichtbefolgung der Weisung auch nach förmlicher Mahnung kann nur unter der weiteren Prämisse zum Widerruf führen, dass dies mutwillig geschieht, womit jede Art von Vorsatz einschließlich des dolus eventualis erfasst ist. Die bloß nachlässige (das heißt fahrlässige) Nichtbefolgung einer Weisung reicht nicht aus (OGH 12 Os 162/78; Jerabek / Ropper , aaO Rz 10, siehe dazu auch RIS-Justiz RS0092796).
Sich beharrlich dem Bewährungshelfer zu entziehen bedeutet, dass der Verurteilte die Einflussmöglichkeiten des Bewährungshelfers durch wiederholtes oder andauerndes Verhalten ausschaltet und solcherart zu erkennen gibt, Beratung und Hilfe des Bewährungshelfers nicht annehmen zu wollen (vgl Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 53 Rz 11 mwN).
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* wurde mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 26. September 2023, GZ **-73.1, wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil im Ausmaß von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen wurde. Unter einem wurde gemäß § 50 Abs 1 StGB für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und ihm gemäß § 51 Abs 1, Abs 3 StGB die Weisung erteilt, für die Dauer der Probezeit eine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch zu nehmen und die Einhaltung dieser Weisung dem Gericht unaufgefordert vierteljährlich nachzuweisen.
Am 24. Jänner 2024 hatte A* den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe verbüßt (ON 44).
Mit Erstbericht vom 2. April 2024 (ON 47) teilte die Bewährungshelferin mit, dass A*, der zu diesem Zeitpunkt bereits in Folge von Anordnungen aufgrund vorangegangener Urteile des Landesgericht St. Pölten (AZ ** und **) seit 2022 von der Bewährungshilfe betreut wurde, mit etwas Unterstützung die alle zwei bis drei Wochen stattfindenden Termine einhalten würde. Da keine Bestätigungen über Psychotherapiesitzungen einlangten, wurde der Verurteilte am 8. Mai 2024 erstmalig zwecks förmlicher Mahnung durch die Erstrichterin angehört (ON 49.2). Dabei wurde ihm eine Frist zur Vorlage eines Nachweises über die Einhaltung der Weisung bis 1. Juli 2024 gesetzt.
Da die Frist ungenützt verstrich, beantragte die Staatsanwaltschaft am 10. Juli 2024 den Widerruf der A* mit Urteil vom (zutreffend:) 26. September 2023 gewährten bedingten Strafnachsicht gemäß § 53 Abs 2 StGB in Verbindung mit § 495 Abs 1 StPO (ON 54).
Mit Schreiben vom 31. Juli 2024 (ON 58) teilte die Bewährungshelferin mit, dass sich der Verurteilte trotz ihrer intensiven Bemühungen nicht an die vereinbarten Termine halte, weshalb es seit 5. Juni 2024 keine persönlichen Kontakte mehr gegeben habe. Die Weisung zur Psychotherapie halte er nicht ein, es sei lediglich zu lückenhaften Kontakten, zuletzt am 10. Juli 2024, gekommen.
An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Staatsanwaltschaft St. Pölten am 1. August 2024 auch den Widerruf der dem Verurteilten anlässlich zweier vorangegangener Urteile gewährten bedingten Strafnachsichten mit der Begründung beantragte, er entziehe sich dort beharrlich dem Einfluss der Bewährungshilfe und befolge auch ungeachtet förmlicher Mahnung die Weisung zur Psychotherapie nicht (GZ **-31, **-69).
Bei dem Termin zur Anhörung (ON 63.3) zum Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft am 19. August 2024, der am selben Tag wie die Anhörung zu weiteren Widerrufsanträgen in den weiteren Strafverfahren, GZ **-34 und GZ **-72, stattfand, gab A* an, am 13. August 2024 ein Erstgespräch bei einer Psychotherapeutin in ** wahrgenommen zu haben, wobei er die Bestätigung darüber dem Gericht vorlegte (ON 63.2). Die Bewährungshelferin legte weiters eine Rechnung einer Psychotherapiepraxis in ** vor, aus der sich allerdings ergibt, dass A* bei insgesamt sechs Sitzungen im Juni 2023 zu dreien nicht erschienen und bei einer um 20 Minuten zu spät gekommen sei (ON 63.4). Letztlich legte die Erstrichterin A* nochmals nahe, die Termine mit seinem Bewährungshelfer wahrzunehmen und die Weisung zur Psychotherapie einzuhalten und sagte ihm zu, mit der Entscheidung über den Widerruf bis längstens 29. September 2024 zuzuwarten.
Allerdings war dem weiteren Zwischenbericht vom 24. Oktober 2024 (ON 68) wieder kein regelmäßiger Kontakt des A* zur Bewährungshilfe zu entnehmen, vielmehr habe er seit 9. September 2024 nicht mehr telefonisch erreicht werden können und sei einer schriftlichen Einladung zu Terminen am 25. September sowie am 24. Oktober 2024 nicht nachgekommen. Der letzte persönliche Kontakt zu seiner früheren Bewährungshelferin habe am 22. August 2024 stattgefunden.
Gemäß dem Bericht vom 31. Oktober 2024 (ON 72) sei A* nach wie vor für den Bewährungshelfer nicht mehr greifbar, insbesondere sei er über die von ihm angegebene Telefonnummer nicht mehr erreichbar gewesen und habe außerdem auch nicht versucht, anderweitig Kontakt aufzunehmen. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Verurteilten sei davon auszugehen, dass er auch in Zukunft Termine nicht wahrnehmen werde, weshalb gegen einen Widerruf der bedingten Strafnachsicht keine Gründe vorgebracht werden könnten.
Im Akt erliegen auch seither keine weiteren Berichte über die Wiederaufnahme des Kontakts zur Bewährungshilfe oder über die Einhaltung der dem Verurteilten erteilten Weisung zur Psychotherapie.
Aus all dem lässt sich in Übereinstimmung mit dem Erstgericht zwanglos ableiten, dass sich der Verurteilte ungeachtet vorangegangener kurzer Phasen unregelmäßiger Frequenz nunmehr seit mittlerweile über neun Monaten bzw acht Monaten (die letzten persönlichen Kontakte bestanden am 5. Juni 2024 und am 22. August 2024, der letzte telefonische Kontakt am 9. September 2024 [ON 58, 68 und 72]) beharrlich dem Einfluss seines Bewährungshelfers entzogen hat.
Trotz Verdeutlichung der Notwendigkeit der Einhaltung der Termine mit der Bewährungshilfe anlässlich seiner förmlichen Mahnung am 8. Mai 2024 (ON 49.2) sowie anlässlich der Anhörung zum Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft St. Pölten am 19. August 2024 (ON 63.3) zeigte sich A* lediglich jeweils eine kurze Zeit schleppend compliant und hielt in weiterer Folge nicht nur die Termine nicht ein, sondern war für die Bewährungshilfe immer wieder nicht und dann seit 9. September 2024 nicht einmal telefonisch erreichbar (ON 58, 68 und 72), wobei er auch nicht versuchte, selbst Kontakt mit der Bewährungshilfe aufzunehmen. Das Argument des A*, seine Partnerin habe ihm sein Mobiltelefon bzw die SIM-Karte weggenommen, ist angesichts der langen Zeiträume, in denen es keine Kontaktaufnahme seinerseits gab, nicht überzeugend.
Wenngleich es seit der Anordnung von Bewährungshilfe am 26. September 2023 (ON 29.3) immer wieder, jedoch sporadisch zu Kontakten mit der Bewährungshilfe kam, so ist insgesamt und aufgrund des Abbruchs des Kontakts seit 22. August 2024 und somit seit nunmehr über neun Monaten davon auszugehen, dass sich A* der Bewährungshilfe beharrlich entzieht, zumal ein sinnvoller deliktsabhaltender Einfluss der Bewährungshilfe auf diese Weise nicht möglich ist.
Aber auch hinsichtlich der mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 26. September 2023 aufgetragenen Weisung zur Psychotherapie ist in Übereinstimmung mit dem Erstgericht deren mutwillige Nichtbefolgung anzunehmen. Trotz förmlicher Mahnung zur Weisungseinhaltung im Rahmen der persönlichen Anhörung am 8. Mai 2024 (ON 49.2) ließ der Verurteilte eine ihm bis Ende Mai 2024 zur Vorlage einer entsprechenden Bestätigung gewährte Frist ungenützt verstreichen. Einen Termin bei dem Psychotherapeuten Mag. B* habe laut dessen Mitteilung vom 10. Juni 2024 (siehe dazu GZ **-62) die Großmutter des A* vereinbart, beiden Terminen sei der Verurteilte aber unentschuldigt ferngeblieben, und auch in der Folge hielt er die wenigen Termine bei diesem Psychotherapeuten im Juni 2024 kaum ein (ON 63.4).
Erst am 19. August 2024 übermittelte A* dem Gericht anlässlicher seiner Anhörung zum Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft eine Bestätigung (ON 63.2), wonach er am 13. August 2024 ein psychotherapeutisches Erstgespräch in der psychotherapeutischen Ambulanz in ** (Mag. C*) absolviert habe. Mangels Vorlage weiterer Bestätigungen durch A* ist jedoch nicht davon auszugehen, dass er den vereinbarten Folgetermin eingehalten hat.
Weitere Aktivitäten bezüglich der Einhaltung seiner Weisung zur Psychotherapie sind dem Akt nicht zu entnehmen.
Da sich die Bemühungen des A* zur Einhaltung der ihm aufgetragenen Psychotherapie im Zeitraum vom 3. April 2023 bis dato, und somit in über zwei Jahren, in der Absolvierung weniger Termine bei Mag. B* im Juni 2024 und einem Erstgespräch an der psychotherapeutischen Ambulanz in ** am 13. August 2024 erschöpften, ist in einer Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Verurteilten von Mutwilligkeit und nicht von einer bloß nachlässigen Nichtbefolgung der ihm aufgetragenen Weisung auszugehen.
In Übereinstimmung mit dem Erstgericht zeigen die wiederholten Verurteilungen des A*, und zwar je durch das Landesgericht St. Pölten, zunächst am 17. November 2022 (AZ **) ungeachtet der mit seiner ersten Verurteilung am 6. September 2022 (AZ **) angeordneten Bewährungshilfe, neuerlich am 3. April 2023 (AZ **), somit bereits etwa viereinhalb Monate nach der vorangegangenen Anordnung von Bewährungshilfe, sowie - ungeachtet der nächsten Anordnung von Bewährungshilfe sowie einer Weisung zur Psychotherapie – zuletzt neuerlich am 26. September 2023 (AZ **), deutlich auf, dass bei dem nunmehr neunzehnjährigen A* sowohl Bewährungshilfe und Psychotherapie dringend angezeigt wären, um ihn von der weiteren Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Da er diese Resozialisierungshilfen ungeachtet des Verspürens des Haftübels ablehnt bzw zu selten in Anspruch nimmt und vielmehr innerhalb kurzer Zeit wieder straffällig wurde, ist der Widerruf der A* bisher gewährten bedingten Strafnachsichten spezialpräventiv erforderlich, um ihn durch den Vollzug der verhängten Freiheitstrafen effektiver von der Begehung weiterer strafbarer Tathandlungen abzuhalten. Im Übrigen ist bei der Staatsanwaltschaft Wien nunmehr neuerlich ein Ermittlungsverfahren anhängig, zu dem sich A* seit 18. Februar 2025 in Untersuchungshaft befindet (AZ **). Die weiteren Versuche, ihn zur Inanspruchnahme von Bewährungshilfe und von Psychotherapie zu bewegen, sind daher auch im Hinblick auf die Zeiten, die er sich immer wieder in Haft befindet und durch die eine durchgehende Bearbeitung seiner Persönlichkeitsdefizite kaum möglich ist, nicht sinnvoll durchführbar.
Da der angefochtene Beschluss somit der Sach- und Rechtslage entspricht, ist der dagegen gerichteten Beschwerde ein Erfolg zu versagen.