23Bs136/25f – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Aichinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Staribacher und den Richter Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus Freiheitsstrafen über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. April 2025, GZ **-5, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der 28-jährige A* verbüßt in der Justizanstalt ** unmittelbar aufeinanderfolgend Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von acht Monaten, zwei Wochen und 21 Tagen mit dem errechneten Strafende am 12. Oktober 2025. Derzeit steht - nach Widerruf bedingter Entlassung – der Strafrest von acht Monaten und 21 Tagen zweier vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ ** wegen §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall, 15 StGB (18 Monate) und AZ ** wegen § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG und § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (8 Monate) verhängter Freiheitsstrafen in Vollzug. Im Anschluss daran wird er eine vom Bezirksgericht Meidling zu AZ ** wegen § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG verhängte Freiheitsstrafe von zwei Wochen zu verbüßen haben. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB werden am 25. Mai 2025 vorliegen, zwei Drittel der Strafzeit am 10. Juli 2025 verbüßt sein.
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht für Strafsachen Wien als zuständiges Vollzugsgericht - in Übereinstimmung mit den Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft (ON 1.2) und der Anstaltsleitung (ON 2.1) - die bedingte Entlassung des A* zu beiden Stichtagen aus spezialpräventiven Erwägungen ab.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Strafgefangenen rechtzeitig erhobenen Beschwerde (ON 7) kommt keine Berechtigung zu.
Das Erstgericht stellte im bekämpften Beschluss die für die bedingte Entlassung maßgebliche Norm (§ 46 Abs 1 StGB) sowie die Stellungnahmen der Anstaltsleitung und der Staatsanwaltschaft treffend fest, weshalb zunächst darauf identifizierend verwiesen wird (zur Zulässigkeit vgl 12 Os 137/07z; RIS-Justiz RS0098568).
Die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln soll aus Sicht des Gesetzgebers der Regelfall sein, der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe hingegen auf (Ausnahme-)Fälle evidenten Rückfallrisikos beschränkt bleiben ( Jerabek/Ropper , in WK² StGB § 46 Rz 17).
Beim vierfach vorbestraften Beschwerdeführer ist - unter Einbeziehung von der Verfahrensautomation Justiz (VJ) zu entnehmenden Erkenntnissen - von solch einem Ausnahmefall evidenten Rückfallrisikos auszugehen.
A* wurde zunächst vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu oberwähnter AZ ** zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Laut VJ wurde ihm mit seinem Einverständnis die Weisung erteilt, sich einer gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen, weil das dem Schuldspruch zugrundeliegende Verhalten seinen Ursprung in seiner Suchtmittelergebenheit hatte, diesfalls eine Therapie das mit Abstand beste Mittel zur Hintanhaltung zukünftiger Delinquenz und Erreichung einer Besserung seiner Lage sei und er sich reuig gezeigt habe. Auch wurde Bewährungshilfe angeordnet.
Ungeachtet der ihm gewährten Resozialisierungschance wurde er rückfällig, am 20. November 2018 verhaftet und vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ ** wegen §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall StGB zu einer fünfzehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, auch die offene Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Laut VJ wurde ihm am 21. Jänner 2019 ein Strafaufschub gemäß § 39 Abs 1 SMG gewährt, um sich einer sechsmonatigen stationären und im Anschluss daran 12- bis 18-monatigen ambulanten Therapie zu unterziehen. Wenngleich sich der Therapieverlauf holprig gestaltet hatte und A* auch mehrmals gemahnt werden musste, wurde die Freiheitsstrafe letztlich am 27. Jänner 2021 gemäß § 40 Abs 1 SMG unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, und zwar mit der Weisung, sich weiterhin für die Dauer der Probezeit gesundheitsbezogenen Maßnahmen nach § 11 Abs 2 SMG zu unterziehen.
Spätestens ab März 2019 wurde er wieder straffällig und folgte eine Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ ** wegen §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten; die bedingte Nachsicht seiner ersten Verurteilung wurde in einem widerrufen. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde ihm – trotz attestierter schlechter Prognose (Risikofaktoren: u.a. Fehlen einer Berufsausbildung, Fehlen einer Erwerbsbiographie, subkulturelle Sozialisierung seit dem Jugendalter, Fehlen eines sozialen Netzes und soziale Distanz zur im Ausland aufhältigen schwangeren Lebensgefährtin) – am 21. Juni 2019 abermals ein Strafaufschub gemäß § 39 Abs 1 SMG gewährt, um sich der notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahmen zunächst stationär für bis zu sechs Monate und danach ambulant zu unterziehen. Diesmal konnte mit Blick auf den Therapieabschlussbericht des Vereins Grüner Kreis, wonach bei A* ein starker Suchtdruck, im Hinblick auf seine Suchterkrankung Instabilität und ein stagnierender Therapieverlauf gegeben war, und vor dem Hintergrund der ihm ursprünglich attestierten starken Abhängigkeit durch Opiate und Cannabis von einem während der zweijährigen Aufschubsfrist eingetretenen Therapieerfolg jedoch keine Rede sein und die Strafe nicht nach § 40 Abs 1 SMG bedingt nachgesehen werden.
Am 15. Februar 2023 wurde er – unter Anordnung der Bewährungshilfe und der Weisung, eine ambulante Psychotherapie bzw. Suchtmittelentwöhnungstherapie zu absolvieren - bedingt entlassen. Im Zuge seiner Mahnung ersuchte er um Umwandlung in eine stationäre Therapie, welchem Wunsch auch nachgekommen wurde. In der Folge hielt er den Kontakt zum Bewährungshelfer nicht ein, kam auch der Therapieweisung nicht nach und hatte einen Absturz, sodass die bedingte Entlassung letztlich widerrufen wurde.
Der Strafgefangene nahm von 4. bis 19. Februar 2025 an einer freiwilligen Entwöhnungsbehandlung gemäß § 68a StVG teil, wurde aufgrund der Legung einer Ordnungswidrigkeit sowie seines von Beginn an schwierigen Verhaltens jedoch wieder von der Entwöhnungsbehandlungsabteilung abgelöst (ON 2.5 S 2).
Dem Beschwerdeführer ist dahin beizupflichten, dass er ein schwerwiegendes Suchtproblem hat. Auch wäre die Absolvierung einer Suchtgifttherapie dringend geboten, um ihn von der Begehung neuerlicher strafbarer Handlungen abzuhalten. A* wurden in den letzten sieben Jahren jedoch wiederholt (kostenintensive) Resozialisierungschancen gewährt, die er nicht zu nutzen verstanden hat. Da er zuletzt nach knapp mehr als zwei Wochen bereits von der Entwöhnungsbehandlungsabteilung abgelöst werden musste, eine seiner Ordnungswidrigkeiten mit seiner Sucht in einen Zusammenhang gebracht werden kann (ON 2.1 S 5: am 20. Februar 2025 nicht ordnungsgemäß überlassene Gegenstände [1x runde Tablette weiß; 1x ovale Tablette weiß, weißes Pulver – BUP]) und sich an den oberwähnten Risikoparametern kaum etwas geändert haben kann, besteht in seinem Fall absolut kein Grund zur Annahme, die bedingte Entlassung werde ihn - selbst unter Anordnung von (schon bisher nicht deliktsverhindernd wirkenden) Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB - ebenso wirksam vor einem Rückfall in einschlägige Delinquenz bewahren wie der weitere Vollzug der über ihn verhängten Strafen.
Da einer bedingten Entlassung somit spezialpräventive Erwägungen unüberwindbar entgegenstehen, entspricht der angefochtene Beschluss der Sach- und Rechtslage.