JudikaturOLG Wien

18Bs113/25m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Heindl als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Medienrechtssache des Antragstellers Ing. Mag. A* gegen die Antragsgegnerin B* GmbH wegen § 7a MedienG über die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2. April 2025, GZ **-8.3, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen .

Text

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens ist eine Veröffentlichung des C*-Dokumentarfilms „**“ in den Medien der Antragsgegnerin am 13. Dezember 2024, nämlich die Ausstrahlung via Satellit über den freeTV-Fernsehsender D*, die parallele Ausstrahlung im Livestream auf ** sowie die Einstellung in die Online-Videothek ** , aufgrund der der Antragsteller die Zahlung einer Entschädigung nach § 7a MedienG begehrt.

Nach Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags ON 2 an die Antragsgegnerin zur allfälligen Äußerung, Einlangen dieser Äußerung mit Schriftsatz vom 19. März 2025 (ON 4), Erstattung einer weiteren Eingabe des Antragstellers am 27. März 2025 (ON 6) sowie einer Duplik der Antragsgegnerin am 31. März 2025 (ON 7) wies das Erstgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 41 Abs 5 MedienG (ON 8.2) mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. April 2025 den Entschädigungsantrag in Bezug auf die Veröffentlichung im Livestream auf ** und in der Online-Videothek ** gemäß § 485 Abs 1 Z 3 StPO iVm §§ 8a Abs 1, 41 Abs 1 und 5 MedienG aus dem Grunde des § 212 Z 1 StPO zurück, stellte das Verfahren in diesem Umfang ein und verpflichtete den Antragsteller zur Tragung der Verfahrenskosten (ON 8.2, 3; ON 8.3).

In seiner Begründung führte der Erstrichter aus, dass die Antragsgegnerin ihren Sitz in Deutschland habe und die Internetveröffentlichungen (Livestream und Mediathek) in ihrer Empfangbarkeit im Wege des Geoblockings auf das deutsche Staatsgebiet eingeschränkt worden seien. Eine Verbreitung der inkriminierten Veröffentlichung über das Internet auch in Österreich sei vom Antragsgegner sohin gerade nicht vorgenommen, sondern willentlich verhindert worden. Dass eine Umgehung dieser räumlichen Beschränkung der Verbreitung über VPN-Netzwerkdienste möglich sei, tue diesem Umstand keinen Abbruch. Eine Verbreitung (Abrufbarkeit) in Österreich sei daher gerade nicht der Fall, sondern eine solche könne erst durch gezielte Umgehung der diesbezüglichen Beschränkungen erreicht werden.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Antragstellers (ON 9), der einerseits moniert, dass für die Beurteilung der Zuständigkeitsfrage nur die in der Privatanklage aufgestellten Tatsachenbehauptungen maßgebend seien und eine a-limine-Zurückweisung somit unzulässig gewesen sei, und andererseits, dass es für die Möglichkeit der Abrufbarkeit der Sendung in Österreich unerheblich sei, ob das Geoblocking umgangen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist berechtigt.

Gemäß § 485 Abs 1 StPO iVm §§ 8a Abs 1, 41 Abs 1 und 5 MedienG hat das Gericht vor Anordnung der Hauptverhandlung die Anklage (den selbständigen Entschädigungsantrag) zu prüfen und - fallkonkret - so die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe (die inkriminierte Veröffentlichung nicht mit dem Zuspruch einer Entschädigung nach §§ 6 bis 7c MedienG) bedroht ist oder ein Grund vorliegt, der der die Verurteilung des Angeklagten (die Stattgebung der Anträge) aus rechtlichen Gründen ausschließt, aus dem Grund des § 212 Z 1 StPO mit Zurückweisung des selbständigen Antrags und Einstellung des Verfahrens vorzugehen. Dies ist etwa bei Nichterfüllung eines materiellrechtlichen Tatbestands oder bei Vorliegen eines Rechtsfertigungs-, Schuldausschließungs- oder Strafaufhebungs-/Strafausschließungsgrundes oder bei fehlender Verurteilungsmöglichkeit aus prozessualen Gründen der Fall. Zur Erfüllung eines materiellrechtlichen Tatbestands gehört auch, dass der sich aus der Anklage (hier: dem verfahrenseinleitenden Antrag) ergebende Sachverhalt in die Entscheidungskompetenz eines inländischen Gerichts fällt (vgl Birklbauer, WK-StPO § 212 Rz 5). Die Beurteilung erfolgt anhand der Aktenlage ( Birklbauer , aaO Rz 6). Tatumstände, die der kontroversiellen Aufbereitung durch die Prozessparteien unterliegen und solcherart der richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten sind, dürfen bei einer derartigen Entscheidung nicht vorweggenommen werden (OGH 12 Os 60/01 [zu § 485 Abs 1 Z 4 iVm § 486 Abs 3 StPO aF, den Vorläuferbestimmungen des § 485 Abs 1 Z 3 StPO]). Vielmehr bildet die Hauptverhandlung den Schwerpunkt des Verfahrens; in ihr sind die Beweise aufzunehmen, auf Grund derer das Urteil zu fällen ist. Bloße Zweifel an dem von Antragsteller vorgebrachten Sachverhalt berechtigen nicht zur Einstellung ( Rami, WK² MedienG § 41 Rz 16/1 mwN; RIS-Justiz RS0118411).

§ 51 MedienG regelt die Grenzen der Anwendbarkeit des österreichischen Medienrechts insbesondere für medienrechtliche Entschädigungsansprüche ( Salimi, WK² StGB § 67 Rz 73). Nach dieser Bestimmung sind über § 50 Z 1 MedienG hinaus die §§ 6-21, 23 sowie 28 bis 42 MedienG auf Mitteilungen oder Darbietungen in einem Medium, dessen Medieninhaber seinen Sitz im Ausland hat (ausländisches Medium), anzuwenden, wenn das Medium im Inland verbreitet worden ist, empfangen oder abgerufen werden konnte (Z 1), soweit der Verletzte oder Betroffene zur Zeit der Verbreitung Österreicher war oder seinen Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland hatte oder sonst schwerwiegende österreichische Interessen verletzt worden sind (Z 2) und soweit durch die Mitteilung oder Darbietung eines der folgenden Rechtsgüter verletzt worden ist: a) Ehre und wirtschaftlicher Ruf, b) Privat- und Geheimsphäre, c) sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, d) Sicherheit der Staates oder e) öffentlicher Friede (Z 3). Nach dem Vorbringen des Antragstellers in seinem selbständigen Entschädigungsantrag (ON 2) konnten die beschwerdegegenständlichen Veröffentlichungen (Livestream und Mediathek) in Österreich empfangen werden. Dem erwiderte die Antragsgegnerin in ihrer Äußerung (ON 4), dass sie bezüglich dieser Veröffentlichungen ein sogenanntes Geoblocking veranlasst habe, wodurch die Programme in Österreich nicht empfangen werden könnten. Dem hielt der Antragsteller in seiner Replik (ON 6) wiederum entgegen, dass Geoblocking auf einfache Weise durch die Nutzung eines Proxy-Servers, den Einsatz von Virtuellen Privaten Netzen (VPN) oder Anonymisierern umgangen werden könne, womit ein Empfang in Österreich ermöglicht werde.

Es ist somit strittig, ob und bejahendenfalls wie die inkriminierten Veröffentlichungen via Livestream und Mediathek in Österreich empfangen werden konnten. Denn es gibt notorischerweise auch Schutzmechanismen, die IP-Adressen von VPN-Servern erkennen und damit den Empfang und die Abrufbarkeit blockieren können, was üblicherweise bei großen Unternehmen und möglicherweise auch bei der Antragsgegnerin der Fall ist.

Die Beantwortung dieser kontroversiellen Frage ist daher der Hauptverhandlung vorbehalten.

Im Übrigen ist der Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach ein allfälliger Einsatz von Geoblocking durch die Antragsgegnerin deren medienrechtliche Haftung gleichsam automatisch ausschließe, nicht zu folgen. Denn bei – wie hier – ausländischen Medien sind die §§ 6 bis 7c MedienG wie oben dargestellt – neben weiteren Voraussetzungen – anwendbar, wenn das Medium im Inland verbreitet worden ist bzw empfangen oder abgerufen werden konnte . Das liegt lege non distinguente auch dann vor, wenn der Empfang oder die Abrufbarkeit erst unter Einsatz von technischen Hilfsmitteln möglich wird, zumal es im Anwendungsbereich der §§ 6 bis 7c MedienG für die grundsätzliche Haftung des Medieninhabers (§ 1 Abs 1 Z 8 MedienG) nicht auf schuldhaftes Verhalten iSv § 4 StGB ankommt ( Rami , WK² StGB Vor §§ 6-7c MedienG Rz 11 mwN).

Der Beschwerde ist daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

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