19Bs108/25h – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Strafe und des Ausspruchs über den Verfall gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 14. Jänner 2025, GZ **-86.2, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Baumgartner, im Beisein der Richterinnen Mag. Wilder und Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Verena Strnad, ferner in Anwesenheit des Angeklagten A* und dessen Verteidigers Dr. Christoph Greil, durchgeführten Berufungsverhandlung am 19. Mai 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe auf dreißig Monate erhöht sowie der Ausspruch über das Absehen vom Verfall aufgehoben und gemäß § 20 Abs 3 StGB ein Betrag von 900 Euro für verfallen erklärt.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch ein in Rechtskraft erwachsenes Konfiskationserkenntnis enthält, wurde der ukrainische Staatsangehörige A* der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG (zu 1./ und teilweise 2./) und der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG (zu 2./ ab der 3. Schlepperfahrt; vgl RIS-Justiz RS0130603) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und aktenkonformer Vorhaftanrechnung nach § 114 Abs 4 FPG zu einer Freiheitsstrafe von zweiundzwanzig Monaten verurteilt. Gemäß § 20a Abs 3 StGB wurde vom Ausspruch eines Verfallsbetrages abgesehen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* zwischen September und Oktober 2023 an nicht mehr festzustellenden Orten gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) mit dem hiefür bereits durch das Landesgericht Eisenstadt zu ** rechtskräftig verurteilten Schlepperfahrer B* und weiteren bislang unbekannten Mittätern im Rahmen einer aus diesen Personen gebildeten kriminellen Vereinigung, darunter der unbekannte Auftraggeber alias „C*“ und weitere unbekannte Fußschlepper, Schlepper-, Voraus- und Begleitfahrer und Organisatoren, die rechtswidrige Einreise bzw Durchreise in Bezug auf mindestens drei Fremde, die nicht zum Aufenthalt auf österreichischem Staatsgebiet berechtigt sind und bereits zuvor schlepperunterstützt gegen ein Entgelt von 4.500 Euro bis 25.000 Euro bis nach Ungarn gelangt waren, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes bzw in Aussicht gestelltes Entgelt von zumindest 100 Euro pro geschleppten Fremden unrechtmäßig zu bereichern, gefördert, indem er
1./ B* eine Schleppung vermittelte, sodass dieser auftragsgemäß am 22. September 2023 zumindest 4 Fremde (türkische und syrische Staatsangehörige) in einem nahe der ungarisch-serbischen Grenze liegenden Ort, in den ihm von der Schleppervereinigung zur Verfügung gestellten PKW der Marke **, ungarisches Kennzeichen **, aufnahm und durch Ungarn und Österreich bis nach Deutschland, Frankreich und Holland transportieren wollte, wobei er im Zuge einer Grenzkontrolle in Österreich auf frischer Tat betreten festgenommen wurde (Faktum 1);
2./ in vier Angriffen jeweils zumindest 4 bis 5 Fremde mit nicht mehr festzustellender Staatsangehörigkeit mit ihm von der kriminellen Schleppervereinigung zur Verfügung gestellten Fahrzeugen, darunter ein PKW der Marke **, von der serbisch-ungarischen Grenze abholte und über die österreichische Grenze beförderte, wobei die Schleppungen stets von Vorausfahrzeugen begleitet wurden (Fakten 2./ bis 5./).
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen, die hohe Anzahl der geschleppten Personen und die Erfüllung mehrfacher Deliktsqualifikation (RIS-Justiz RS0100027) als erschwerend, das reumütige Geständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel als mildernd.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 1.81), fristgerecht zu ON 93 ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft Eisenstadt wegen Strafe und des Ausspruchs über das Absehen vom Verfall.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Das Erstgericht hat die besonderen Strafzumessungsgründe im Wesentlichen vollständig erfasst.
Zutreffend zeigt die Staatsanwaltschaft auf, dass dem Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 17 StGB kein volles Gewicht zuzubilligen ist. Denn der Angeklagte verantwortete sich – nach seiner aufgrund eines Europäischen Haftbefehls, der in Folge der belastenden Angaben des B* (vgl Faktum 1./) erlassen wurde, erfolgten Festnahme in der Slowakei und Auslieferung an die österreichischen Behörden (vgl ON 18 f, ON 35.2) – vorerst durchwegs leugnend (vgl ON 44.5 [polizeiliche Vernehmung], ON 42 [Vernehmung durch die Haft- und Rechtsschutzrichterin], ON 50 [erste Haftverhandlung] und ON 55 [zweite Haftverhandlung]). Erst nach der Konfrontation mit den ihn belastenden Ergebnissen der Auswertung seines Mobiltelefons fand sich der Angeklagten anlässlich seiner weiteren Vernehmungen (ON 60.3, ON 62) zu einem Geständnis bereit, das er in der Hauptverhandlung aufrecht erhielt (vgl zur Auswertung des Mobiltelefons den Abschlussbericht ON 57.2 iVm insbesondere den Chatverläufen ON 57.6 iVm ON 57.9, den Internetsuchverläufen ON 57.2, 9 und den Lichtbildern ON 57.7). Demzufolge hatte aber sein anfängliches Leugnen wenig Aussicht auf Erfolg (RIS-Justiz RS0091512). Weiters zeigt die Staatsanwaltschaft zutreffend auf, dass in der Verantwortung des Angeklagten, sich der Verbotenheit seines Tuns anlässlich seiner ersten Schleppung nicht bewusst gewesen zu sein (ON 86.1, 6), bloß ein Beitrag zur Wahrheitsfindung liegt. Soweit der Angeklagte in seiner Gegenausführung zur Berufung darauf verweist, bloß als Fahrer und einmal als Vermittler von Schleppungen aufgetreten zu sein, er also das letzte Glied der Kette gewesen sei, verkennt er das gemeinschaftliche Zusammenwirken innerhalb einer kriminellen Organisation (vgl insoweit auch Riffel in WK² StGB § 34 Rz 16). Allein letztgenannter Aspekt lässt die vom Angeklagten ins Treffen geführte prekäre finanzielle Situation und familiäre Notwenigkeit (Begräbniskosten) seines dolosen Tuns unverständlich erscheinen.
Bei rechtbesehener Abwägung der vorliegenden Strafzumessungslage war insbesondere auch unter stärkere Gewichtung des Erschwerungsgrundes des Zusammentreffens von Verbrechen (§ 33 Abs 1 erster Fall StGB) bei dem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren (§ 114 Abs 4 erster Fall FPG) die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf das spruchgemäße Ausmaß zu erhöhen, auch um den erheblichen sozialen Unwert derartiger gewinnorientierter Delinquenz angemessen zu begegnen.
In den vergangenen Jahren haben sich illegale Schleppungen in Europa zunehmend zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und somit zu einem gesellschaftlichen Destabilisierungsfaktor entwickelt, dessen wirksame Bekämpfung mit Blick auf das internationale Operationsfeld der Schlepperorganisationen auf immer größere Schwierigkeiten stößt. Zu einer einigermaßen aussichtsreichen Eindämmung dieser auch mit hohen kriminellen Erlösen einhergehenden Verbrechensform bedarf es konsequenter Wahrnehmung der verfügbaren Abwehrmöglichkeiten, von denen der Strafübelswirkung ganz wesentliche Bedeutung zukommt (zu den Belangen der Generalprävention vgl Leukauf/Steininger/ Tipold , StGB 4 § 32 Rz 9 f, Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari StGB 14 § 32 Rz 7).
Zum Verfall:
Gemäß § 20 Abs 1 StGB hat das Gericht Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären. Soweit diese Vermögenswerte nicht sichergestellt oder beschlagnahmt sind, hat das Gericht einen Geldbetrag für verfallen zu erklären, der den Vermögenswerten entspricht (Abs 3). Der Verfall ist nach dem Bruttoprinzip zu berechnen, sodass Aufwendungen des Täters bei Berechnung der Höhe des Verfalls nicht in Abzug zu bringen sind. Maßgeblich ist daher jener Vermögenswert, den der Täter unmittelbar durch oder für die Begehung der Straftat erlangt hat (vgl Fabrizy/Michel-Kwapinsky/Oshidari, StGB 14 § 20 Rz 2).
Gemäß § 20a Abs 3 StGB ist vom Verfall abzusehen, soweit der für verfallen zu erklärende Vermögenswert oder die Aussicht auf dessen Einbringung außer Verhältnis zum Verfahrensaufwand steht, den der Verfall oder die Einbringung erfordern würde. Die Unverhältnismäßigkeit nach dieser Bestimmung bezieht sich allein auf den Ermittlungsaufwand, nicht jedoch auf die geringe Wahrscheinlichkeit der erst im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens zu prüfenden Einbringung des jeweiligen Vermögenswerts (RIS-Justiz RS0131561). Die Vermögenslosigkeit des Angeklagten stellt – entsprechend dem Berufungsvorbringen (ON 93, 6) - somit keinen Anwendungsfall dieser Bestimmung dar.
Ausgehend von Punkt 2./ des Schuldspruchs und den bezughabenden Konstatierungen (vgl US 4), die in den Verfahrensergebnissen Deckung finden (ON 86.1, 7), erlangte der Angeklagte durch Begehung der mit Strafe bedrohten Handlungen einen Gesamtbetrag von zumindest 900 Euro. Da dieser dem Verfall unterliegende Vermögenswert nach § 20 Abs 1 StGB nicht sichergestellt oder beschlagnahmt wurde und die Voraussetzungen für ein Absehen vom Verfall wegen unverhältnismäßig hohem Verfahrensaufwand nach § 20a Abs 3 StGB (RIS-Justiz RS0131561; Fuchs/Tipold aaO § 20a Rz 38) nicht vorliegen, war ein betragsmäßig korrespondierender Wertersatzverfall auszusprechen.
In Stattgebung der Berufung der Anklagebehörde war somit das Verfallserkenntnis aufzuheben und gemäß § 20 Abs 3 StGB ein Geldbetrag in Höhe von 900 Euro für verfallen zu erklären.
Die Kostenentscheidung ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der zitierten gesetzlichen Bestimmung nach § 390a Abs 1 StPO.