JudikaturOLG Wien

31Bs97/25d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
16. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. Februar 2025, GZ ** 22, nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Dr. Schwab, im Beisein der Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Riener, in Anwesenheit des Angeklagten A* und seines Verteidigers Mag. Amin Zadeh Abbas Benam durchgeführten Berufungsverhandlung am 16. Mai 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Berufung wird die Freiheitsstrafe auf drei Jahre und sechs Monate erhöht.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen, auch ein Einziehungserkenntnis enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und „hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB“ unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 18. Dezember 2024, AZ B*, nach § 143 Abs 1 StGB unter Vorhaftanrechnung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat A* am 11. Dezember 2024 in ** durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) und unter Verwendung einer Waffe, und zwar einer Gasdruckpistole der Marke Carl Walther, Typ P22, dem Bankangestellten C* zum Nachteil der D* Aktiengesellschaft fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in Höhe von 4.795 Euro, mit dem Vorsatz abgenötigt, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem er dem Bankangestellten einen Erlagschein mit dem Schriftzug „Geld her, ruhig, ohne Alarm“ vorlegte und in der linken Hand die Pistole in Richtung des Angestellten hielt, woraufhin C* ihm das Bargeld in genannter Höhe übergab.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht als erschwerend die Tatbegehung während offenen Strafverfahrens und das Zusammentreffen von Vergehen und Verbrechen, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, das reumütige Geständnis und die Sicherstellung der Beute.

Dagegen richtet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft, die aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen eine Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe anstrebt (ON 25.1).

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung kommt auch Berechtigung zu.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 18. Dezember 2024 zu B* war A* wegen § 133 Abs 1 Abs 2 erster Fall StGB zu einer - unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat A* am 23. September 2024 in ** in der Bankfiliale E* ein ihm anvertrautes Gut, dessen Wert 5.000 Euro übersteigt, nämlich Bargeld in Höhe von 13.338,25 Euro, welches er als Mitarbeiter selbstständig und unbeaufsichtigt in einen Tresor bringen sollte, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er das Geld in seine Tasche einsteckte und die Filiale verließ.

Wird jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt wurde, wegen einer anderen Tat verurteilt, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können, so ist gemäß § 31 Abs 1 StGB innerhalb der dort normierten Grenzen eine Zusatzstrafe zu verhängen, deren Bemessung (samt Möglichkeit, von einer Zusatzstrafe abzusehen) in § 40 StGB geregelt ist.

Da bei Verhängung einer Zusatzstrafe zu ermitteln ist, welche Strafe bei gemeinsamer Aburteilung zu verhängen gewesen wäre, sind bei der vorzunehmenden gedanklichen Ermittlung der Strafhöhe für den Fall der Aburteilung sämtlicher Taten in einem Urteil auch alle Strafzumessungsgründe miteinzubeziehen, die das Vor-Urteil betrafen (RIS-Justiz RS0091425). Die Strafzumessung ist daher – innerhalb der im § 31 StGB bestimmten Grenzen nach den Kriterien des § 40 StGB – mit Rücksicht auf die neu hinzugekommenen Strafzumessungsgründe nach Maßgabe jener vorzunehmen, die im damaligen Verfahren richtigerweise heranzuziehen waren ( Ratz in Höpfel/Ratz WK² StGB § 40 Rz 2).

Das Erstgericht hat die vorliegenden Strafzumessungsgründe vollständig gelistet.

Im Verfahren des Landesgerichtes Korneuburg zu B* wurde A* ein reumütiges Geständnis zugute gehalten. Auch im gegenständlichen Verfahren gestand der Angeklagte bereits ab seiner ersten Einvernahme die Tat zu, schilderte seine Tatplanung und -ausführung detailreich und im Einklang mit den übrigen Beweisergebnissen. Dass er sich dabei nicht der juristischen Fachbegriffe bediente, sondern bloß sein faktisches Handeln („Geld holen von der Bank“ – ON 22,5) schilderte, ist offenbar der Täterpersönlichkeit geschuldet und kann ihm nicht zum Nachteil gereichen. Die Abweichung seiner Verantwortung zu Ergebnissen der Videoüberwachung etwa im Bezug auf die genaue Verwendung der Waffe erklärte er – nicht unplausibel - mit einer fehlenden genauen Erinnerung daran („das ist alles schnell gegangen“ – ON 22,6). In Verwendung stand tatsächlich eine Gaspistole, die der Angeklagte als „Schreckschusspistole“ bezeichnete. Zu Recht wurde ihm daher der Milderungsgrund des reumütigen und umfassenden Geständnisses zuteil. Gemäß § 34 Abs 1 Z 17 StGB kann entweder ein reumütiges Geständnis oder eine wesentlich zur Wahrheitsfindung beitragende Aussage mildernd sein. Zur Wahrheitsfindung trug die Aussage des Angeklagten infolge der klaren Beweislage (Videoüberwachung, Fingerabdruckspuren an am Tatort sichergestellten Gegenständen, Zeugenaussagen der Bankangestellten, Ergebnisse der Hausdurchsuchung – Sicherstellung der Kleidung, Tatwaffe und Beute) aber nur marginal bei.

Dem Berufungsvorbringen zuwider kommt auch dem Umstand, dass die Beute im Zuge einer Hausdurchsuchung sichergestellt werden konnte (objektive Schadensgutmachung), tatsächlich mildernde Wirkung zu, weil dadurch jedenfalls das objektive Gewicht der Tat vermindert wird ( Leukauf/Steininger/Tipold , StGB 4 § 34 Rz 23 mwN).

Auch erweist sich die Forderung nach zusätzlicher erschwerender Berücksichtigung der ausgeklügelten Tatplanung als nicht berechtigt. Zwar stimmt es, dass sich der Angeklagte zur Begehung des Raubes mit Kleidungsstücken (Schal, dunkler Sonnenbrille) verhüllte und sich – unter Mitnahme einer Gaspistole - gezielt zum „Holen von Bargeld“ in eine Bankfiliale seines ehemaligen Dienstgebers begab. Dieses geplante Vorgehen hebt sich vom gewöhnlichen mit schweren Raubtaten verbundenen Handlungsunwert jedoch nicht so deutlich ab, dass darin eine besonders hohe kriminelle Energie des Angeklagten zum Ausdruck kommt, die bei der Strafzumessung im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen des § 32 StGB entsprechend zu beachten ist (vgl Riffel in Höpfel/Ratz, WK 2 StGB § 32 Rz 87). Vielmehr folgt der Berufungssenat der Behauptung des Angeklagten, dass nicht bloß die schlechte wirtschaftliche Situation nach Entlassung durch den ehemaligen Dienstgeber, sondern die „Wut und Enttäuschung“ tatkausal für das durchaus emotional gesteuerte Tatgeschehen war (vgl ON 22.1,2 – „aus Hass an der D*“, weil er seinen Job verloren hatte) und nicht eine tief verankerte kriminelle Energie.

Andererseits kann der Angeklagte den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 10 StGB nicht für sich gewinnen, weil die dort genannte drückende Notlage allein wirtschaftlich zu definieren ist und nur bei einem bestehenden oder drohenden Mangel am notwendigen Lebensunterhalt zur Tatzeit anzunehmen ist, daher dann nicht, wenn ein aufrechtes Arbeitsverhältnis oder Anspruch auf Sozialleistungen besteht ( Riffel aaO § 34 Rz 24). Die Voraussetzungen dieses Milderungsgrundes liegen bereits ausgehend von den jeweiligen Angaben des Angeklagten zu seinen Einkommensverhältnissen nicht vor. Dieser gab nämlich sowohl bei seinen Befragungen im Ermittlungsverfahren (ON 6; ON 9), als auch in der Hauptverhandlung an, eine monatliche Unterstützung des AMS in Höhe von 1.300 Euro empfangen zu haben (ON 22,2).

Auch der Umstand, dass er als Motiv für den Raub Schulden in Höhe von 40.000 Euro nannte (ON 6,6,2f; ON 22,11), wird im Sinne des begehrten Milderungsgrundes nicht schlagend. Arbeitslosigkeit allein bewirkt im Hinblick auf die sozialstaatlichen Einrichtungen, die in einer Notlage jedenfalls die dringendste Hilfe gewähren, noch nicht den genannten Milderungsgrund (13 Os 65/85; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 34 Rz 16).

Bei objektiver Abwägung der vorliegenden Strafzumessungslage und allgemeiner Strafzumessungserwägungen im Sinne des § 32 Abs 2 und 3 StGB erweist sich aber die vom Erstgericht verhängte Sanktion angesichts des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe tatsächlich als zu gering bemessen und bedurfte es einer moderaten Erhöhung der Sanktion, um dem hohen sozialen Störwert der Straftat und spezial- und generalpräventiven Erfordernissen gerecht zu werden.

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