JudikaturOLG Wien

20Bs53/25b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
13. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 erster Satz StGB und eines weiteren Delikts über die Berufung der Staatsanwaltschaft Korneuburg wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Geschworenengericht vom 28. Oktober 2024, GZ **-133.9, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski, in Anwesenheit des Angeklagten A* sowie dessen Verteidiger Dr. Peter Philipp durchgeführten Berufungsverhandlung am 13. Mai 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben und die über A* verhängte Freiheitsstrafe auf zehn Jahre erhöht .

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene bulgarische Staatsangehörige A* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 erster Satz StGB und des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch und mit Waffen nach §§ 15, 127, 129 Abs 1 Z 1 Abs 2 Z 1 und 2 StGB schuldig erkannt und unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Plovdiv Regional Court in Bulgarien vom 15. August 2018, AZ **, nach dem ersten Strafsatz des § 143 Abs 2 StGB unter Anwendung des § 39 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von neun Jahren verurteilt. Gemäß § 366 Abs 2 iVm § 369 Abs 1 StPO wurde er verpflichtet, dem Privatbeteiligten B* C* 28.000 Euro und der Privatbeteiligten D* E*-C* 700 Euro binnen 14 Tagen zu bezahlen. Mit ihren sonstigen Ansprüchen wurden die Privatbeteiligten (ergänze:) gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Nach dem Wahrspruch der Geschworenen hat A* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zumindest einem unbekannten Mittäter mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannten fremde bewegliche Sachen

A) mit Gewalt gegen Personen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe am 22.November 2017 in ** der D* E*-C* und dem B* C* 350 Euro weggenommen bzw. abgenötigt, indem er und zumindest ein Mittäter durch Einbruch in Gebäude in deren Grundstück gelangten und in Folge in deren unversperrtes Wohnhaus eindrangen, die Opfer schlugen, dabei teils schwer verletzten und mit einem Messer bedrohten, woraufhin D* E*-C* ihnen 350 Euro in bar aushändigte, wobei B* C* bei der Tat schwere Verletzungen, nämlich einen beidseitigen Augenhöhlenbodenbruch mit Fettgewebseinklemmung rechtsseitig, einen mehrfragmentären Nasenbeinbruch mit teils verlagerten Fragmenten sowie einen Bruch der Außenwand der rechten Kieferhöhle erlitt;

B) am 12. Juli 2018 in ** dem F* bzw. dessen Söhnen diverse Wertgegenstände durch Einbruch in eine Wohnstätte wegzunehmen versucht, indem er mit zumindest einem Mittäter die Tür zu deren Wohnung aufzubrechen versuchte, um in die Wohnung zu gelangen, und einer der Täter mit dem Wissen des Angeklagten eine Waffe, und zwar einen Pfefferspray bei sich führte, um den Widerstand einer Person zu überwinden bzw. zu verhindern.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht das „massiv einschlägig getrübte Vorleben“, das Zusammentreffen „mehrerer“ Verbrechen und die besonders brutale Tatausführung als erschwerend, mildernd hingegen die zu Punkt B) des Spruchs geständige Verantwortung sowie den Umstand, dass es zu Punkt B) beim Versuch geblieben sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 133.8, 30) und zu ON 139 ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe, die eine Erhöhung der Sanktion begehrt.

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schuld des Täters, wobei das Gericht die Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen hat. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte. Im Allgemeinen ist die Strafe umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können. Belange der Generalprävention sind bei der auszumessenden Strafe ebenso zu berücksichtigen(Tipold in Leukauf/Steininger, StGB 4 § 32 Rz 9 f; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 14 § 32 Rz 7).

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.

Vorab ist festzuhalten, dass sich der dem Schuldspruch zu Faktum A) zugrunde liegende qualifizierte Raub vorsätzlich und geplanterweise gegen ein offenbar über bulgarische Arbeiter zuvor ausgekundschaftetes schlafendes, keinerlei Widerstand leistendes Ehepaar richtete, und die Tat unter Einsatz eines außergewöhnlich hohen Ausmaßes von Gewalt begangen wurde (vgl. US 5f: „sehr brutal verübte Home Invasion“). Mit Blick auf die rücksichtslosen und brutalen Aggressionshandlungen insbesondere gegenüber dem Zeugen B* C* (wiederholte kräftige Faustschläge auf Gesicht und Kopf, wobei ein Täter den Zeugen festhielt, während der andere weiter auf ihn einschlug; Verschütten von Putzmittel über den am Boden Liegenden verbunden mit der Drohung, ihn anzuzünden; Versetzen von Fußtritten gegen den Oberkörper (ON 125.2, 27, 42f, 47), mit denen in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, handelt es sich um eine Straftat von besonderer Intensität und außerordentlichem Risiko für das Leben dieses Opfers. Die vom Erstgericht angeführten Strafzumessungsgründe sind daher dahingehend zu präzisieren, dass der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 2 Z 5 StGB heranzuziehen sind (vgl. Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 14 § 33 Rz 11).

Der Strafzumessungskatalog ist weiters insofern korrekturbedürftig, als mit Blick auf die bulgarische ECRIS-Auskunft von sechs einschlägigen Vorstrafen auszugehen ist (ON 106).

Zum Nachteil des Berufungswerbers ist die Strafzumessungslage außerdem um die mehrfache Qualifikation des schweren Raubes und des Einbruchsdiebstahls als erschwerend zu werten ist (RIS-Justiz RS0091058; RS0116020 [T1 und T2]).

Hingegen liegen nicht „mehrere“, sondern zwei Verbrechen vor.

Wenn der Angeklagte hinsichtlich Faktum B) auf einen als mildernd zu wertenden untergeordneten Tatbeitrag hinweist, ist zu entgegnen, dass er als Mittäter und nicht als Beitragstäter verurteilt wurde. Wenn schon nicht einmal die Rolle als Beitragstäter für sich allein den Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 6 StGB zu tragen vermag (RIS-Justiz RS0090704), so gilt dies umso weniger für den Mittäter. Ob eine untergeordnete Tatbeteiligung vorliegt, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen, wobei es insgesamt auf eine Wertung der Rolle im Tatgeschehen ankommt (Birklbauer/Schmidthuber, SbgK § 34 Rz 58). Wenn ein Verhalten vorliegt, welches nach Art und Umfang für die Tatausführung nicht erheblich ist, was etwa auf an sich nicht notwendige, aber noch in einer kausalen Beziehung stehende Aufpasserdienste bei einem Einbruchsdiebstahl zutreffen würde, wäre der Milderungsgrund anzunehmen. Fallkonkret scheidet die Annahme einer untergeordneten Tatbeteiligung des Angeklagten im Sinn eines für die Tatausführung nicht erheblichen Verhaltens angesichts des Akteninhalts, vor allem der Angaben des Zeugen F* (ON 133.8, 7 – 11), jedenfalls aus.

Weiters kommt einem missglückten Ausführungsversuch im Vergleich zu einem mangels Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen eines strafbefreienden freiwilligen Rücktritts strafbaren Versuch idR geringeres Gewicht zu (Riffel in Höpfel/Ratz, WK 2 StGB § 34 Rz 31).

Letztlich geht auch die Annahme des Erstgerichts, wonach zu Punkt B) eine geständige Verantwortung des Angeklagten vorliege, fehl. Mildernd im Sinn des § 34 Abs 1 Z 17 StGB kann nämlich nur die Ablegung eines die objektiven und subjektiven Merkmale der strafbaren Handlung umfassenden reumütigen Geständnisses oder einer Aussage sein, durch die wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen wurde, ohne dass darin ein Geständnis zu erblicken ist (Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 34 Rz 26). Diesen Anforderungen wird die im Widerspruch zu den nachvollziehbaren Angaben des Zeugen F* (ON 133.8, 5ff) stehende Verantwortung des Angeklagten, wobei er sämtliche Ausführungshandlungen dem unbekannt gebliebenen Mittäter anlastete (ON 125.2, 6f: „Also die andere Person hatte einen Schraubenzieher mit und ein spezielles Werkzeug. .. Also die andere Person hat versucht die Tür einzubrechen ..“), er von der Anwesenheit der minderjährigen Kinder in der Wohnung nichts mitbekommen haben möchte, obwohl diese während des Einbruchsversuchs auf telefonisches Anraten des herbeieilenden Vaters das Sicherheitsschloss vorlegten, mit ihrem Vater telefonierten und die bereits aufgebrochene Türe nur mehr an besagtem Sicherheitsschloss hing, somit dem Angeklagten klar war, dass jemand zuhause sein musste (ON 125.2, 7f; ON 133.8, 9f), sowie er erst im Nachhinein von dem mitgeführten Pfefferspray erfahren haben möchte, dieses aber keinesfalls selbst eingesetzt habe (ON 125.2, 5; vgl. hingegen die Angaben des F* in ON 133.8, 7f, wonach er den Angeklagten zu 100 % wiedererkenne und er es gewesen sei, der ihm das Pfefferspray in die Augen gesprüht habe), nicht gerecht.

Weitere Milderungsgründe bzw für den Angeklagten sprechende Aspekte vermochte der Berufungswerber nicht aufzuzeigen.

Soweit der Angeklagte der Ansicht ist, vorliegend wären Handlungs- Erfolgs- und Gesinnungsunwert unauffällig, ist zu entgegnen, dass sowohl B* C* als auch seine Ehefrau D* E*-C* nach wie vor in mentaler Hinsicht massiv unter den traumatischen Ereignissen der erlittenen Home Invasion leiden (vgl. ON 125.2, 31f, 50). Zusätzlich laboriert der Zeuge B* C* aufgrund der multiplen schweren Gesichtsverletzungen (siehe Gutachten in ON 125.2, 52ff) trotz mehrfacher operativer Eingriffe nach wie vor unter einer Doppelsichtigkeit, die es ihm verunmöglicht, seinen mit der Landwirtschaft verbundenen Aufgaben in gewohnter Art und Weise nachzukommen (ON 125.2, 44f). Der bei derartigen „Home-Invasions“ außerordentlich hohe Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwert bildet im übrigen genau jene gewichtigen Umstände ab, die sich aus der Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens – auch beim Verbrechen des Raubes – auffallend abheben, führen doch derartige Raubüberfälle im geschützten höchstpersönlichen Lebensbereich wie dem eigenen Wohnhaus zu einer massiven Erschütterung des Sicherheitsempfindens (vgl. dazu etwa die Angaben der Opfer in ON 125.2, 31, wonach sie nicht mehr in der Lage seien, in ihren bisherigen Wohnräumen zu leben, sie das Haus umgebaut haben und sich seither ihre Lebensführung insofern geändert habe, als sie nur mehr bei Licht schlafen können). Fallkonkret stellen die Brutalität der Täter sowie der hohe Erfolgsunwert in Form der von B* C* erlittenen schweren Verletzungen im Rahmen der allgemeinen Gründe der Strafzumessung nach § 32 StGGB ein bereits überdurchschnittliches Unrecht im Rahmen dieser Deliktkategorie her. Hervorzuheben ist weiters, dass der soziale Störwert der Tat in casu – im Vergleich zu dem typischerweise mit der Verwirklichung solcher Straftaten verbundenen – ein besonders hoher ist, handelt es sich doch insofern um einen besonders dreisten Fall von „Kriminaltourismus“, als der Angeklagte nicht etwa nach Österreich gekommen ist, um einer legalen Tätigkeit, sondern im Verein mit anderen bulgarischen Straftätern kriminelle Handlungen zu begehen.

Vor dem Hintergrund dieser zum Nachteil des Berufungswerbers abgeänderten Strafzumessungsparameter und unter Berücksichtigung der allgemeinen Kriterien des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB erweist sich ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe die vom Erstgericht ausgemessene Unrechtsfolge schon aus spezialpräventiven Erwägungen als korrekturbedürftig, weshalb sie im spruchgemäßen Ausmaß anzuheben war. Schließlich war aber auch der beträchtliche soziale Störwert der Taten zu berücksichtigen. Derart heimtückisch geplante Raubüberfälle in Wohnstätten (die als sogenanntes Phänomen der „Home Invasion“ um sich greifen), aber auch Einbruchsdiebstähle in Wohnräume in Anwesenheit von minderjährigen Kindern sind der Schwerstkriminalität zuzuordnen, weshalb – auch generalpräventiven Aspekten Rechnung tragend ( Tipold aaO § 32 Rz 9; Ebner aaO § 32 Rz 23) – über A* eine empfindliche Freiheitsstrafe zu verhängen war, um potentielle Nachahmungstäter abzuschrecken und diesen deutlich vor Augen zu führen, dass derart schwere Taten mit entsprechender Härte geahndet werden.

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