JudikaturOLG Wien

14R182/24y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
10. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Koch als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Bartholner und Mag. Schaller in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A* , **, **, vertreten durch die Dr. Maximilian Schaffgotsch LL.M. Rechtsanwalts GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich , vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen EUR 65.665,50 sA, über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse EUR 50.766,--) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11.10.2024, **-13, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 3.097,10 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluss vom 15.9.2015 eröffnete das Landesgericht Eisenstadt als Insolvenzgericht über Eigenantrag der B* mbH als Schuldnerin das zu ** geführte Sanierungsverfahren über deren Vermögen, und bestellte den Rechtsanwalt Mag. C* zum Insolvenzverwalter (Masseverwalter).

Seit 27.4.2016 wird dieses Verfahren als Konkursverfahren geführt (Anlassverfahren ON 77).

Die Schuldnerin ist bzw war unter anderem Gesellschafterin derD* d.o.o. (in weiterer Folge D* d.o.o.), gegen welche der Masseverwalter zwei Anfechtungsklagen einbrachte (Anlassverfahren ON 118).

Der Kläger ist Geschäftsführer sowohl der Schuldnerin als auch der D* d.o.o.

Am 9.6.2016 (Anlassverfahren ON 96) beantragte der Masseverwalter die Erlassung von Sicherungsmaßnahmen, weil der Kläger als Geschäftsführer der Schuldnerin das Verhältnis zur slowenischen Tochtergesellschaft dazu nutze, um Finanzmittel und Vermögen der Schuldnerin an diese zu verschieben und die Verwertbarkeit des Geschäftsanteils der Schuldnerin durch Vereinbarungen mit der Mitgesellschafterin der slowenischen Tochter zu blockieren.

Diese vom Masseverwalter beantragten Sicherungsmaßnahmen wurden mit Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 13.6.2016 (Anlassverfahren ON 98) erlassen.

Über einen Rekurs der Schuldnerin änderte das Oberlandesgericht Wien diesen Beschluss im Sinne einer Abweisung des Antrags ab (OLG Wien 28 R 224/16s vom 16.8.2016).

Der Oberste Gerichtshof erließ sodann über außerordentlichen Revisionsrekurs des Masseverwalters mit Beschluss vom 27.9.2016, 8 Ob 85/16g, in Abänderung des Rekursbeschlusses des Oberlandesgerichts Wien im Wesentlichen folgende einstweilige Vorkehrung:

Dem Geschäftsführer ... wird untersagt, als Geschäftsführer oder sonstiger Vertreter der Schuldnerin

- bei Beschlüssen der Gesellschafter der D* d.o.o. in jedweder Form das Stimmrecht für die Schuldnerin auszuüben, so weit die Stimmrechtsausübung den massezugehörigen Gesellschaftsanteil oder das massezugehörige Vermögen berührt;

- im Verhältnis zur D* d.o.o. in jedweder Form Rechtsgeschäfte abzuschließen, Rechtshandlungen vorzunehmen oder rechtserhebliche Erklärungen abzugeben;

- in jedweder Form Rechtshandlungen und Verfügungen in Bezug auf den Gesellschaftsanteil der Schuldnerin an der D* d.o.o. vorzunehmen;

- in jedweder Form faktische Handlungen und Dispositionen über massezugehörige Gegenstände, Finanzmittel oder sonstige Vermögenswerte der Schuldnerin zum Vorteil oder Nutzen der D* d.o.o. vorzunehmen.

...

Die Sicherungsmaßnahmen sind gemäß § 254 Abs 6 IO iVm Art 25 Abs 1 und Abs 3 EuInsVO vollstreckbar und mit Beugehaft durchsetzbar.

Mit Bericht vom 2.4.2021 (Anlassverfahren ON 163) teilte der Masseverwalter dem Landesgericht Eisenstadt mit, dass er am 25.3.2021 vom Mitglied des Gläubigerausschusses Rechtsanwalt Dr. E* angerufen worden sei, der ihm mitgeteilt habe, von einem Rechtsvertreter der D* d.o.o. und zwei weiteren Insolvenzgläubigern telefonisch kontaktiert worden und um Abgabe einer Stundungsbestätigung zur Insolvenzforderung der F* GmbH (in weiterer Folge F*) ersucht worden zu sein. Die in der ihm zur Verfügung gestellten Stundungsbestätigung angesprochene Stundung habe es tatsächlich aber nicht gegeben. Deren Formulierung lasse den Schluss zu, dass sie auf Betreiben des Klägers erstellt worden sei. Die Aufforderung verfolge das Ziel, die klageweise geltend gemachten Anfechtungsansprüche der Insolvenzmasse gegen die D* d.o.o. zu beeinträchtigen. Das Insolvenzgericht möge daher prüfen, ob ein Verstoß gegen die einstweilige Vorkehrung (des OGH, Anm des Berufungsgerichts ) vorliege, und allenfalls diese durchsetzen.

Mit Beschluss vom 6.4.2021 (Anlassverfahren ON 164) drohte das Erstgericht dem Kläger daraufhin die Verhängung der Beugehaft gemäß § 101 IO zur Durchsetzung der vom Obersten Gerichtshof zu 8 Ob 85/16g angeordneten einstweiligen Vorkehrung an. Hiezu wurde dem Kläger ein binnen acht Tagen auszuübendes Anhörungsrecht eingeräumt.

Daraufhin sprach sich der Kläger, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag.Dr. G* in einer Äußerung vom 14.4.2021 (Anlassverfahren ON 173; Beil./D) gegen eine Verhängung der Beugehaft aus.

Am 15.4.2021 führte das Landesgericht Eisenstadt die vom Masseverwalter beantragte Vernehmung des Rechtsanwalts Dr. E* durch.

Mit Beschluss vom 20.4.2021 (Beil./B) erließ das Landesgericht Eisenstadt sodann gemäß § 101 IO gegen den Kläger eine Beugehaft von zwei Monaten wegen eines Verstoßes gegen die vom Obersten Gerichtshof zu 8 Ob 85/16g angeordnete einstweilige Vorkehrung.

Über Rekurs des Klägers, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag.Dr. G* vom 9.8.2021 (Beil./F), wurde dieser Beschluss („Haftbefehl“; Beil./B) mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 12.10.2021, 6 R 155/21i (Beil./C), ersatzlos behoben.

Mit der am 28.3.2024 eingelangten Klage begehrte der Kläger gestützt auf den Titel der Amtshaftung EUR 65.665,50 Schadenersatz.

Er brachte dazu zusammengefasst im Wesentlichen vor, er begehre den Ersatz von Aufwendungen, die er auf sich habe nehmen müssen, um seine Freiheit zu verteidigen und zu sichern, indem er den unberechtigten Haftbefehl aus der Welt geschafft habe.

Der Haftbefehl vom 21.4.2021 (Beil./B) sei vom Landesgericht Eisenstadt krass rechtswidrig erlassen worden, weil fundamentale Grundsätze der gerichtlichen Rechtspflege verletzt worden seien, nämlich der Grundsatz der Neutralität und des äquidistanten rechtlichen Gehörs, die Verpflichtung zur stringenten und logischen Ableitung einer gerichtlichen Entscheidung, die Verpflichtung zur verfahrensmängelfreien Sachverhaltsfeststellung und rechtsmängelfreien Subsumtion festgestellter Sachverhalte unter die anzuwendenden Normen, sowie die grundrechtliche Verpflichtung, keine gerichtliche Freiheitsentziehung ohne faires Verfahren und der gebotenen Anhörung des von der Freiheitsentziehung Bedrohten zu bewirken.

Der Kläger habe unmittelbar nach der Zustellung der Androhung des Haftbefehls seinen Rechtsanwalt Dr. G* mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt.

Der Rechtsanwalt habe am 14.4.2021 die Äußerung Beil./D erstattet, und am 9.8.2021 den Fristsetzungsantrag (Beil./F) gestellt, weil die Richterin nicht willens gewesen sei, über die Eingabe des Klägers zu entscheiden.

Der Kläger habe von Prof.Dr. H* als forensischem Textwissenschaftler ein Privatgutachten (Beil./H) zur Überprüfung der Herkunft des Textes des Haftbefehls Beil./B eingeholt, und ihn mit einer Analyse der Autorenschaft des Haftbefehls beauftragt. Dieser sei im Gutachten Beil./H zum Ergebnis gekommen, dass der Haftbefehl nicht von der Richterin des Landesgerichts Eisenstadt geschrieben worden sei, sondern vom Masseverwalter; die Richterin des Landesgerichts Eisenstadt habe somit den Text eines dritten Autors übernommen, und als gerichtlichen Beschluss ausgefertigt. Dieses Gutachten Beil./H habe der Kläger sodann noch vom Zweitgutachter Prof. I* überprüfen lassen (Beil./I), der das Gutachten Beil./H bekräftigt habe.

Der Kläger mache Aufwendungen von insgesamt EUR 65.665,50 zur Verteidigung seiner Freiheit geltend wie folgt, die sich aus dem Konvolut der Honorarnoten Beil./J ergebe:

HN G* v. 04.08.2021 EUR 8.253,50

HN G* v. 04.10.2021 EUR 6.975,--

HN G* v. 04.01.2022 EUR 3.965,--

HN G* v. 25.04.2022 EUR 4.084,50

HN G* v. 12.07.2022 EUR 250,--

HN G* v. 03.10.2023 EUR 4.600,--

HN J* EUR 2.000,--

HN H* (halbe Höhe) v. 19.01.2022 EUR 1.800,--

HN H* (halbe Höhe) v. 25.02.2022 EUR 1.192,50

HN H* (halbe Höhe) v. 01.03.2022 EUR 4.140,--

HN H* (halbe Höhe) v. 14.07.2022 EUR 5.805,--

HN H* v. 16.08.2022 EUR 5.940,--

HN I* v. 10.03.2023 EUR 6.660,--

gesamt EUR 65.665,50

Dem Kläger sei der Aufwand zu ersetzen, den er auf sich habe nehmen müssen, um diese freiheitsbeschränkende Maßnahme zu beseitigen und den über Monate bestanden habenden, aber gänzlich unberechtigt gewesenen Haftbefehl aus der Welt zu schaffen.

Die Schadenssumme von EUR 66.665,50 ergebe sich aus der Beil./J, in welcher die verschiedenen Honorarnoten enthalten seien.

Der Kläger sei - näher ausgeführt (Seite 9 im Schriftsatz ON 8) - aktiv legitimiert.

Leistungsinhalt der Honorarnoten seien jeweils die zur Verteidigung der Freiheit des Klägers erforderlichen Aufwendungen gewesen, wie sie dem Kläger durch die schuldhaft grob willkürliche Vorgangsweise des Landesgerichts Eisenstadt aufgezwungen worden seien.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, die Verhängung der Haft im Insolvenzverfahren als Beugemittel komme in der Praxis äußerst selten vor, weshalb das Erstgericht im Anlassverfahren auf keine entsprechende Vorjudikatur und Lehrmeinungen zurückgreifen habe können. Sie sei daher vertretbar gewesen.

Keinesfalls sei die Vorgangsweise des Landesgerichts Eisenstadt willkürlich gewesen.

Die Formulierung des Oberlandesgerichts Wien, dass die Inhaftierung „denkunmöglich“ zur Abwendung der vom Landesgericht Eisenstadt angenommenen Gefahr dienlich sein könnte, habe bloß auf die Verhängung einer Haft als Sicherungsmittel Bezug genommen, nicht aber auf die Verhängung einer Haft als Beugemittel.

Zum geltend gemachten Schaden sei festzuhalten, dass ein Betrag von EUR 65.655,50 ohne entsprechende nachvollziehbare Aufschlüsselung - und daher unschlüssig - geltend gemacht werde, wobei zwar auf Honorarnoten Bezug genommen werde; diese Honorarnoten des Rechtsanwalts Dr. G* ließen aber eine Zuordnung zu einzelnen Vertretungshandlungen nicht zu, weil sie nur pauschal für bestimmte Zeitperioden - jeweils Quartale der Jahre 2021, 2022 und 2023 - ausgestellt seien. Welche anwaltlichen Leistungen damit abgegolten werden sollten, sei in keiner Weise erkennbar.

Der Rekurs gegen den Haftbefehl stamme bereits vom 13.9.2021, und das Oberlandesgericht Wien habe den Haftbefehl mit Beschluss vom 12.10.2021 behoben. Leistungen erst nach der Rekurserhebung könnten somit nicht dazu gedient haben, „den Haftbefehl aus der Welt zu schaffen“.

Ein ersatzfähiger Schaden werde somit - auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Beilagen/Honorarnoten - nicht zur Darstellung gebracht.

Die Aktivlegitimation des Klägers werde bestritten, weil die Honorarnoten Dris. G* nicht an den Kläger gerichtet seien. Dies gelte auch für das Honorar-Akonto des Rechtsanwalts Mag. J* und die Abrechnungen der Sachverständigen H* und I*. Außerdem seien diese Gutachten erst nach dem Vorliegen der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien eingeholt worden, sodass sie schon nicht zur Behebung des erstinstanzlichen Haftbefehls beigetragen haben könnten.

Der Kläger habe einen ersatzfähigen Schaden im Zusammenhang mit der Behebung des Haftbefehls nicht in schlüssiger Weise dargestellt (Klagebeantwortung ON 6).

In Erwiderung auf den Schriftsatz des Klägers ON 8 brachte die Beklagte vor, zur Unschlüssigkeit des Klagebegehrens verweise sie auf ihre Ausführungen in der Klagebeantwortung. Auch die übermittelten Beil./K und ./L seien nicht geeignet, einen im Vermögen des Klägers eingetretenen Schaden zu belegen.

Die vom Kläger eingeholten Privatgutachten seien - näher ausgeführt (Seiten 2 - 4 im Schriftsatz ON 10) – (sinngemäß) sinnlos gewesen.

In der Tagsatzung vom 10.10.2024 erklärte die Beklagte weiters, sie halte ihr zu den Beil./I und ./J in der Klagebeantwortung erstattetes Vorbringen aufrecht.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ohne Durchführung eines Beweisverfahrens wegen Unschlüssigkeit ab.

Es ging über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus von den auf den Seiten 1 und 4 - 7 der Urteilsausfertigung enthaltenen Feststellungen aus, auf die verwiesen wird. Rechtlich führte es im Wesentlichen aus, es könne dahingestellt bleiben, ob dem Kläger Amtshaftungsansprüche dem Grunde nach zustünden.

Er habe nämlich, obwohl er von der Beklagten darauf hingewiesen worden sei, seine Verfahrenskosten und Aufwendungen einerseits teilweise nicht so dargestellt, dass überprüft werden könne, ob sie für zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderliche Schritte entstanden seien. Das bloße Auflisten der Honorarnoten des Rechtsanwalts lasse nämlich vollkommen offen, welche konkreten Beträge für welche konkreten Rechtsanwaltsleistungen angefallen seien.

Andererseits seien die Leistungen (der Privatsachverständigen) H* und I* zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich gewesen, da sie zu einem Zweitpunkt erbracht worden seien, zu dem der Haftbefehl ohnehin bereits aufgehoben gewesen sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass gerade die Hälfte der Kosten dieser Privatsachverständigen den Haftbefehl betreffen sollte.

Die Klage sei daher abzuweisen.

Gegen dieses Urteil richtet sich - nur im Umfang einer Abweisung von EUR 50.766,-- - die Berufung des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Abänderungsantrag, der Klage mit EUR 50.766,-- - bestehend aus EUR 25.228,50 Rechtsanwaltshonorar gemäß den Honorarnoten ** und ** in Beil./J, sowie EUR 25.537,50 für Kosten der Privatgutachten H* und I* (Berufung Seite 3) - stattzugeben.

Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1.1.1. Im Kern macht die Berufung zunächst geltend, die Klage auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten sei entgegen der Ansicht des Erstgerichts nicht unschlüssig.

1.1.2. Dieser Standpunkt wird vom Berufungsgericht nicht geteilt.

Wie bereits die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren (Seite 5 im Schriftsatz ON 6 und Seite 2 im Schriftsatz ON 10) eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, lassen die Honorarnoten des Rechtsanwalts Dr. G* (Beil./J), auf welche das klägerische Vorbringen in erster Instanz verwies, keine Zuordnung eines jeweiligen bestimmten Honorars zu einzelnen konkreten Anwaltsleistungen zu, da es sich bei den in diesen Honorarnoten in Rechnung gestellten Beträgen um bloße Pauschalbeträge für Zeitabschnitte (Zeitperioden) handelt. Es ergibt sich daher auch unter Zugrundelegung dieser Honorarnoten nicht, welche jeweiligen Anwaltstätigkeiten inwiefern mit jeweils welchen Beträgen im Klagsbetrag enthalten sein sollen. Dies betrifft auch die Honorarnoten ** und **, auf die sich die Berufung nun beschränkt.

Die Klage ist daher in Ansehung der begehrten Rechtsanwaltskosten unschlüssig geblieben, selbst wenn grundsätzlich unstrittig feststeht, dass - wie die Berufung geltend macht - der Rechtsanwalt im Anlassverfahren tatsächlich am 14.4.2021 die Äußerung Beil./D, am 9.8.2021 den Fristsetzungsantrag Beil./F, und am 13.9.2021 den Rekurs Beil./G eingebracht hat. Dennoch ist die Zuordnung eines jeweils bestimmten Honoraranteils zur jeweiligen Leistung nicht möglich, und daher auch keine Prüfung der Angemessenheit der Höhe des verrechneten Anwaltshonorars, zumal die Vertretungskosten eines Rechtsanwalts schadenersatzrechtlich auch im Amtshaftungsrecht bloß in angemessener Höhe ersatzfähig sind (vgl 1 Ob 231/16a), und zwar auch dann, wenn das Honorar zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten aufgrund der Freiheit der Honorarvereinbarung höher als schadenersatzrechtlich angemessen vereinbart worden sein sollte. Die pauschalen Honorarnoten in Beil./J lassen aber auch offen, welche Anwaltstätigkeiten sie überhaupt inwiefern erfassen (etwa auch E-Mails, Besprechungen, etc oder nicht).

Soweit die Berufung das Wort „teilweise“ in den Ausführungen des Erstgerichts bemängelt (Berufung Seiten 2, 3), handelt es sich dabei um eine offenbare bloße sprachliche Ungenauigkeit des Erstgerichts, zumal sich - wie die Berufungsbeantwortung zutreffend ausführt - tatsächlich überhaupt kein Teil der pauschalen Honorarnoten des Rechtsanwalts irgendeiner bestimmten Rechtsanwaltshandlung konkret zuordnen lässt; derartiges führt die Berufung auch gar nicht aus.

Dass es sich um die Vereinbarung eines Pauschalhonorars gehandelt habe, ist eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung; auch ein solches Vorbringen hätte allerdings Behauptungen einer konkreten Aufschlüsselung erfordert, welche Anwaltshandlungen von der jeweiligen Honorarnote inwiefern erfasst seien.

1.1.3. Einer Anleitung oder Erörterung durch das Erstgericht bedurfte es entgegen der Ansicht der Berufung (Berufung Seiten 11 - 13) nicht, weil die Beklagte - wie oben bereits ausgeführt - bereits eindeutig auf die Unschlüssigkeit der Klage in Ansehung des Rechtsanwaltshonorars hingewiesen hatte.

Nach ständiger Rechtsprechung bedarf es keiner gerichtlichen Anleitung zu einem Vorbringen, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwäche bereits der Prozessgegner aufzeigte (RS0120056 [T4]; RS0122365; 7 Ob 120/24h uva).

Der von der Berufung gerügte Verfahrensmangel (Berufung Seiten 11, 12, 13) einer unterbliebenen Erörterung und/oder einer „Überraschungsentscheidung“ durch das Erstgericht liegt daher nicht vor.

Die Berufung legt allerdings auch nicht dar, welches inwiefern andere Tatsachenvorbringen der Kläger im Fall der von ihm vermissten Erörterung erstattet hätte. Der Rechtsmittelgrund ist daher auch nicht gesetzmäßig zur Darstellung gebracht (RS0120056 [T8, T12, T18]).

1.2. Was die Kosten der vom Kläger eingeholten Privatgutachten Beil./H und ./I betrifft (EUR 25.537,50: Berufung Seite 3), ist zunächst festzuhalten, dass diese Privatgutachten allerdings zeitlich erst nach der Erhebung des Rekurses und nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien sowohl in Auftrag gegeben (30.6.2022) als auch erstattet (15.8.2022: Beil./H) wurden, und schon allein deshalb ex ante betrachtet keinesfalls zweckentsprechend dazu notwendig gewesen sein konnten, den „Haftbefehl“ zu beseitigen und/oder im Anlassverfahren die Freiheit des Klägers zu schützen.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Amtshaftungssachen sind Verfahrenskosten und damit zusammenhängende weitere Aufwendungen, die einer an einem behördlichen (Anlass-)Verfahren beteiligten Person durch rechtlich nicht vertretbare Entscheidungen erwachsen sind, um eine Gefahr - im vorliegenden Fall eine (Beuge-)Haft des Klägers - abzuwenden , ein ersatzfähiger (positiver) Schaden im Sinne des § 1 Abs 1 AHG ( Schragel , AHG³ § 1 AHG Rz 173 mwN; RS0023516).

Ein solcher „Rettungsaufwand“ (RS0023516) ist ein (tatsächlicher) Aufwand zur Schadensbeseitigung bzw Schadensverhinderung (vgl Wittwer in Schwimann , ABGB TaKomm 5 § 1293 Rz 8 mwN). Dieser ist aber nur dann zu ersetzen, wenn er ex ante betrachtet zweckmäßig war, aber unter dieser Voraussetzung auch dann, wenn er tatsächlich ohne Erfolg geblieben ist. Ein derartiger Aufwand kann auch in der Zahlung von Rechtsverfolgungskosten liegen. Als Maßstab für die Beurteilung der „Zweckmäßigkeit“ hat dabei jenes Vorgehen zu dienen, das ein „vernünftiger Mensch“ bei gleicher Sachlage gewählt hätte. Die Frage der Zweckmäßigkeit eines allfälligen Rettungsaufwands ist daher in einer ex ante-Betrachtung zu beurteilen.

Der Rettungsaufwand kann nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten immer nur Kosten für unvermeidbare Verfahrenshandlungen umfassen (RS0023516 [T1, T2], RS0106806 [T2], RS0023577). Den Geschädigten (hier: den Kläger) trifft nämlich die Obliegenheit, den Schaden möglichst gering zu halten („Schadensminderungspflicht“). Diese Obliegenheit wird auch dann verletzt, wenn der Geschädigte Handlungen vollzogen hat, die geeignet waren, den Schaden zu vergrößern, und von einem verständigen Durchschnittsmenschen nicht gesetzt worden wären, und wenn dies der konkrete Geschädigte bei gehöriger Aufmerksamkeit ex ante erkennen hätte müssen, sowie dieser Einsicht nach handeln hätte können. Die in Frage stehenden Vorkehrungen müssen zumutbar sein. Was dem Geschädigten zumutbar ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile, dem redlichen Verkehr, und den Umständen des Einzelfalls ( Schacherreiter in Kletecka/Schauer , ABGB-ON 1.04 § 1304 ABGB Rz 97).

Im vorliegenden Fall oblag es dem Kläger daher, den Rettungsaufwand - soweit zumutbar - auf das Notwendigste zu beschränken, und somit, im Anlassverfahren keine nicht notwendige Kosten verursachenden Handlungen vorzunehmen.

„Notwendig“ sind Kosten nur dann, wenn - und soweit - sie durch die Verfahrenslage und die Verfahrensvorschriften erzwungen werden ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ § 41 ZPO Rz 20).

Der Maßstab der „Zweckmäßigkeit“ ist kein subjektiver, der durch die persönlichen Wünsche oder Erfordernisse der Partei bestimmt wird, sondern ein objektiver, und hat die Gegebenheiten des Rechtsfalls im Zusammenhang mit der Rechtsordnung und den möglichen Sacherfolg zum Inhalt ( M. Bydlinski aaO § 41 ZPO Rz 20).

Nach dem amtshaftungsrechtlich entscheidenden objektiven ex ante-Maßstab, der die Gegebenheiten des Rechtsfalls im Zusammenhang mit der Rechtsordnung und dem möglichen Sacherfolg als maßgeblich zugrundelegt, hätte eine vernünftige und verständige Person an der Stelle des Klägers - und/oder ein für den Kläger vernünftig und verständig handelnder Rechtsanwalt - allerdings keine Privatgutachten darüber eingeholt, ob und gegebenenfalls inwiefern das Gericht zur Erstellung seiner Beschlusstexte Mustertexte und/oder Textvorlagen verwendet habe, zumal dies - unter anderem für die Rechtswirksamkeit eines vom Gericht unterschriebenen Entscheidungstextes - völlig irrelevant ist. Ob und gegebenenfalls inwiefern die Rechtswidrigkeit eines Gerichtsbeschlusses besteht, ist keine von Sachverständigen zu ermittelnde Tatsache, sondern eine vom (Rechtsmittel-)Gericht zu beurteilende Rechtsfrage.

Für derartige, ex ante erkennbar nicht zweckentsprechende Aufwendungen besteht somit schon grundsätzlich kein amtshaftungsrechtlicher Schadenersatzanspruch.

2. Das Erstgericht hat die Klage daher zu Recht sowohl in Ansehung der Rechtsanwaltskosten als auch in Ansehung der Gutachtenskosten als unschlüssig abgewiesen.

3. Soweit die Berufung geltend macht (Berufung Seiten 7, 8), bei den Gutachtenskosten handle es sich um selbständig als Hauptforderung einklagbare vorprozessuale Kosten, handelt es sich - wie die Berufungsbeantwortung richtig ausführt - um eine unzulässige Neuerung im Berufungsverfahren. Im erstinstanzlichen Verfahren stellte der Kläger nämlich auch die inkriminierten Gutachtenskosten als Teil jenes Aufwands („Rettungsaufwand“) dar, der zur Abwehr seiner (Beuge-)Haft bzw zur Verteidigung seiner Freiheit gedient habe.

Das Erstgericht hatte deshalb entgegen der Berufung (Berufung Seite 8) überhaupt keine Veranlassung, geschweige denn eine Pflicht, mit dem durch einen Rechtsanwalt vertretenen Kläger gemäß § 182a ZPO zu erörtern, ob er die Gutachtenskosten rechtlich als vorprozessuale Kosten umqualifizieren könnte. Ein Verfahrensmangel liegt auch insoweit nicht vor.

4. Da sich die Unschlüssigkeit der Klage bereits aus dem klägerischen Vorbringen ergibt, bestehen entgegen der Berufung (Berufung Seiten 9, 10) auch keine rechtlichen Feststellungsmängel, und waren die von der Berufung vermissten Personalbeweise (Berufung Seiten 10, 13, 16: Rechtsanwalt, Richterin, Masseverwalter) entbehrlich.

Da keine Feststellungen zu strittigen Umständen getroffen wurden, sondern das Erstgericht bloß von unstrittigen Umständen (Tatsachen) ausging, war entgegen der Berufung (Berufung Seiten 16 - 19) auch keine Beweiswürdigung vorzunehmen, sodass entgegen der Berufung auch kein Verfahrensmangel der Verletzung einer Begründungspflicht nach § 272 ZPO bestehen kann.

5. Der unberechtigten Berufung war der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zu lösen war.

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