23Bs86/25b – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Aichinger als Einzelrichter in der Strafsache gegen A* wegen § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB, über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. März 2025, GZ ** 11, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
Begründung
Mit Verfügung vom 28. Oktober 2024 (ON 1.5) stellte die Staatsanwaltschaft Wien das zu ** gegen A* wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO aF ein. Der Ermittlungsakt bestand zu diesem Zeitpunkt aus sechs Ordnungsnummern, nämlich dem AB Bogen (ON 1), dem Abschlussbericht des PK ** (ON 2), worunter sich eine Vollmachtsbekanntgabe und ein Antrag auf Aktenkopien des Beschuldigten befanden (ON 2.19), der Vollmachtsbekanntgabe des Privatbeteiligtenvertreters (ON 3), einer Sachverständigenbestellung durch die Staatsanwaltschaft (ON 4), einem Antrag des Beschuldigten auf Aktenkopien (ON 5.2) sowie dem eingeholten Sachverständigengutachten samt Gebührennote (ON 6).
Mit Eingabe vom 8. März 2025 (ON 10.3) beantragte A* unter Anschluss einer Leistungsaufstellung über eine Gesamtsumme von 3.434,10 Euro (inklusive USt) - darin enthalten 280,90 Euro an Barauslagen, ein Erfolgszuschlag von 866,70 Euro und 130,20 Euro an Kosten für den Antrag selbst - die Leistung eines Beitrags zu den Kosten der Verteidigung im Ermittlungsverfahren gemäß § 196a StPO.
Diesen Antrag leitete die Staatsanwaltschaft dem Erstgericht mit Verfügung vom 10. März 2025 (ON 1.9) zur Entscheidung unter Verzicht auf eine Stellungnahme weiter.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte die Erstrichterin den durch den Bund zu leistenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung des Beschuldigten (gemäß § 196a Abs 1 StPO) mit 600 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde des A* (ON 12.2), der keine Berechtigung zukommt.
Wird ein Ermittlungsverfahren (hier:) gemäß § 190 StPO eingestellt, so hat der Bund gemäß § 196a Abs 1 erster Satz StPO dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Dieser umfasst - neben baren Auslagen - einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf den Betrag von 6.000 Euro nicht übersteigen (§ 196a Abs 1 StPO). Das Höchstmaß des Beitrags kann bei Verfahren, die durch außergewöhnlichen Umfang oder besondere Komplexität gekennzeichnet sind, sowie im Falle der Überschreitung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens (§ 108a Abs 1 StPO) um die Hälfte überschritten und im Fall extremen Umfangs des Verfahrens auf das Doppelte erhöht werden (Abs 2 leg cit).
Der Pauschalkostenbeitrag in einem Höchstbetrag der „Grundstufe (Stufe 1)“ in Höhe von 6.000 Euro soll grundsätzlich für alle jene Verteidigungsfälle zur Verfügung stehen, die – wie der vorliegende – nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Dabei ist es angezeigt, für ein durchschnittliches Verfahren der „Stufe 1“ auch von den durchschnittlichen Verteidigungskosten für ein sogenanntes „Standardverfahren“ auszugehen. Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, dass ein durchschnittliches „Standardverfahren“ im Regelfall eine Besprechung mit dem Mandanten, eine Vollmachtsbekanntgabe bzw einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium bzw Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst und damit unter Heranziehung der Kostenansätze der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) rund 3.000 Euro an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, der Erfolgszuschlag jedoch außer Betracht bleibt. Für Verfahren, die – wie das vorliegende – in die bezirksanwaltliche Zuständigkeit fallen, ist angesichts deren im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer eine Reduktion der „Ausgangsbasis“ angezeigt, sodass hier als Richtwert die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin 1.500 Euro, angemessen erscheint (EBRV 2557 BlgNR 27. GP S 5). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass der Pauschalbeitrag stets nur ein Beitrag sein und nicht die gesamten Verteidigerkosten ersetzen darf (vgl Lendl, WK-StPO § 393a Rz 10 mwN).
Fallbezogen lag - unter Bedachtnahme auf den geringen Umfang der zügig durchgeführten Ermittlungen - trotz Einholung eines Sachverständigengutachtens keine über Durchschnittsfälle hinausgehende Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen vor. Für die Verteidigung notwendig und zweckmäßig war die Vollmachtsbekanntgabe samt Ersuchen um Aktenabschrift (ON 2.19), die Teilnahme an der 50 Minuten dauernden Beschuldigtenvernehmung vor der Kriminalpolizei (ON 2.5), das zweimalige Ersuchen um (ergänzende) Aktenabschrift (ON 2.15, ON 5.2) sowie die Teilnahme an der Befundaufnahme des Sachverständigen (ON 6.2, 4). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers lag somit ein einfacher, einem (bezirksanwaltlichen) „Standardverfahren“ entsprechender Verteidigungsfall vor, für welchen der durch das Erstgericht zugesprochene Beitrag zu den Kosten der Verteidigung (im Ausmaß von etwa 40 % der „Ausgangsbasis“ von EUR 1.500,--) durchaus angemessen und sachgerecht erscheint.
Wenn der Beschwerdeführer moniert, dass es nicht in die Entscheidungskompetenz des Erstgerichts falle, zu prüfen, ob eine Verteidigung dem Grunde nach im Strafverfahren notwendig gewesen sei, so ist dem zu erwidern, dass das Erstgericht damit (ON 11, 5) lediglich zum Ausdruck brachte, dass gegenständlich keine notwendige Verteidigung iSd § 61 Abs 2 StPO gegeben war.
Dass in casu ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde (ON 12.3; ON 12.4) bzw dem Beschuldigten noch ein weiteres Zivilverfahren wegen hoher Schmerzengeldforderungen gedroht hätte, hat keine Auswirkungen auf die Bemessung des Pauschalkostenbeitrags.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers können für den Antrag auf Leistung eines Beitrags zu den Kosten der Verteidigung und demzufolge auch für das diesbezügliche Rechtsmittelverfahren keine Kosten verzeichnet werden (vgl Lendl , WK StPO § 393a Rz 23).
Fahrtkosten wiederum stellen - wie vom Erstgericht zutreffend dargelegt - keine Barauslagen dar, sondern werden als Teil des Honoraranspruchs des Verteidigers nur im Rahmen des Pauschalkostenbeitrags abgegolten (vgl Öner , LiK StPO § 393a Rz 15; Mayerhofer/Hollaender , StPO 5 § 393a E 8; RIS Justiz RS0101439).
Barauslagen für Aktenkopien sind, sofern die Möglichkeit der elektronischen Akteneinsicht besteht, in der Regel als nicht erforderlich anzusehen. Ein allenfalls ausnahmsweise dennoch vorliegendes Erfordernis wurde vom Beschwerdeführer nicht dargelegt und wurden auch die behaupteten diesbezüglichen Barauslagen nicht bescheinigt (vgl zur Bescheinigungspflicht Lendl , WK StPO § 393a Rz 4).
Alle jene baren Auslagen (Spesen) des Verteidigers (hier: Zeitversäumnis für Kommissionen), die nach den AHR gesondert oder durch Inanspruchnahme des einfachen oder doppelten Einheitssatzes (§ 23 RATG) in die Kostennote einzusetzen sind, bilden einen Teil des Honoraranspruches des Verteidigers und können daher nur im Rahmen des Pauschalbeitrages abgegolten werden (RIS-Justiz RS0101439).
Der gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beschluss gerichteten Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Ausschluss weiterer Rechtsmittel erfolgt aus § 89 Abs 6 StPO.