JudikaturOLG Wien

14R180/24d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Koch als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Bartholner und Mag. Schaller in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwalt in Wien, als gerichtlicher Erwachsenenvertreter, dieser vertreten durch Mag. Martin Schweinberger, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich , vertreten durch die Finanzprokuratur, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei B * , pA Landespolizeidirektion C*, **, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 2.800,-- sA, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 7.10.2024, GZ ** 116, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 609,92 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 731,90 (darin EUR 121,98 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 30.5.2019 um 21:55 Uhr in C* von Polizeibeamten der Polizeiinspektion D* im Zusammenhang mit einem Fußballspiel wegen Lärmerregung und aggressiven Verhaltens nach § 1 WSLG und § 82 SPG festgenommen, auf die Polizeiinspektion D* überstellt, und dort in Arrest genommen.

Ein um 22:21 Uhr durchgeführter Alko Vortest ergab einen Wert von 0,98 mg/l, und es wurde eine Abschürfung am rechten Ellenbogen und eine kleine blutende Wunde an der linken Handinnenfläche bzw am Ringfinger des Klägers festgestellt. Eine polizeiamtsärztliche Untersuchung um 22:50 Uhr ergab, dass keine sichtbaren Verletzungen vorlagen, und schätzte den Kläger als haftfähig ein (Beil./1, ./B, ./C).

Mit der am 24.7.2020 eingelangten Klage begehrte der Kläger aus dem Titel der Amtshaftung EUR 2.800,-- Schadenersatz, bestehend aus EUR 2.000,-- Schmerzengeld und EUR 800,-- Verdienstentgang. Er brachte dazu stark zusammengefasst im Wesentlichen vor, der Nebenintervenient habe ihn in der Arrestzelle in der Nacht vom 30.5. auf den 31.5.2019 mehrfach mit einem Schlagstock geschlagen, und ihm dadurch Prellungen am rechten Unterarm, an der rechten Hand, und darüber hinaus – detailliert näher ausgeführt (Seite 3 in ON 1) - über den ganzen Körper verteilt Hämatome zugefügt.

Die Beklagte wandte stark zusammengefasst im Wesentlichen ein, die behauptete Misshandlung habe nicht stattgefunden. Die Vorwürfe seien unrichtig und in keiner Weise nachvollziehbar.

Der Nebenintervenient schloss sich diesem Vorbringen an.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Es ging über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus von den auf den Seiten 5 7 der Urteilsausfertigung enthaltenen Feststellungen aus, auf die verwiesen wird. Rechtlich folgerte es im Wesentlichen, dem Kläger sei der Beweis nicht gelungen, dass der Nebenintervenient ihn verletzt habe. Die Klage sei daher abzuweisen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers mit dem Abänderungsantrag, der Klage stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte und der Nebenintervenient beantragen in ihren Berufungsbeantwortungen, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

Als wesentlichen Verfahrensmangel macht die Berufung geltend, das Erstgericht hätte den Kläger - bzw den Klagevertreter - im Sinne der §§ 182, 182a ZPO anleiten müssen, darzustellen, wie es zu den Verletzungen genau gekommen sei, und ein weiteres Vorbringen zur Entstehung der Verletzungen zu erstatten (Berufung Seiten 2, 3).

Dazu ist zu sagen, dass der Klagevertreter aber ohnehin ein umfangreiches und detailliertes Tatsachenvorbringen zur behaupteten Entstehung der Verletzungen erstattet hat, sodass schon allein unter diesem Aspekt keine Anleitung des Erstgerichts zu weiterem Tatsachenvorbringen erforderlich war. Im Übrigen war der Kläger in erster Instanz durch einen Rechtsanwalt vertreten: Das Gericht ist nach ständiger Rechtsprechung nicht dazu verhalten, anwaltlich vertretenen Parteien gegenüber auf ein weiteres Tatsachenvorbringen zur Stützung ihres Klagebegehrens hinzuwirken, zumal die Anleitungspflicht des Richters gegenüber anwaltlich vertretenen Parteien keineswegs so weit geht, dass ein Rechtsanwalt aufzufordern wäre, ein Sachvorbringen in eine bestimmte Richtung zu erstatten und dafür Beweise anzubieten (RS0037127). Es ist vielmehr grundsätzlich Sache einer anwaltlich vertretenen Partei, ein zur Stützung ihres Begehrens ausreichendes Vorbringen zu erstatten (RS0037120). Auch im Anwaltsprozess - wie im vorliegenden Fall - geht die Prozessleitungspflicht des Gerichts nicht so weit, dass es zu erkennen zu geben hätte, welchen Beweisaufnahmen es inwiefern Glauben schenken werde, und welchen nicht, und/oder, dass es in diesem Zusammenhang den Rechtsanwalt zur Erstattung eines weiteren oder anderen Vorbringens und/oder weiterer Beweisanträge anzuleiten hätte (vgl RS0036869, RS0037403, RS0037052).

Außerdem hat der Rechtsmittelwerber in einer wegen Verletzung der Pflichten der §§ 182, 182a ZPO erhobenen Verfahrensrüge darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm vermissten Erörterung und/oder Anleitung erstattet hätte, um die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzulegen (RS0120056 [T8, T12, T18]).

Wie die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung (dort Seite 3) aber zutreffend ausführt, führt die Berufung allerdings kein weiteres bzw anderes Tatsachenvorbringen an, als der Kläger es im erstinstanzlichen Verfahren nicht ohnehin bereits vorgebracht hätte. Ein Verfahrensmangel wird daher mangels der Darlegung einer Relevanz gar nicht zur Darstellung gebracht, und daher auch nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Der behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

2. Zur Tatsachenrüge:

Die Berufung wendet sich sodann gegen die Feststellungen:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Nebenintervenient den Kläger geschlagen oder sonst misshandelt hätte.

...

Es kann nicht festgestellt werden, dass diese dem Kläger von einem Organ der Beklagten zugefügt worden wären.

...

Es kann nicht festgestellt werden, dass irgendeine dieser Verletzungen dem Kläger von einem Organ der Beklagten zugefügt worden wäre.

Ersatzweise werden folgende Feststellungen gefordert:

Es wird festgestellt, dass der Nebenintervenient den Kläger geschlagen und misshandelt hat.

...

Es wird festgestellt, dass die Verletzungen dem Kläger von einem Organ der Beklagten zugefügt worden sind.

...

Es wird festgestellt, dass die angeführten Verletzungen dem Kläger von einem Organ der Beklagten zugefügt worden sind.

Die Berufungsausführungen (Berufung Seite 4) vermögen allerdings nicht zu überzeugen:

Die Berufung setzt sich weder mit der vom Erstgericht als glaubwürdig erachteten Aussage des Nebenintervenienten - auf die das Erstgericht die Feststellungen im Wesentlichen stützte, noch inhaltlich mit den Erwägungen und Argumenten des Erstgerichts in seiner Beweiswürdigung auseinander.

Insbesondere ist der Beweiswürdigung in der tragenden Begründung beizupflichten, dass bei lebensnaher Betrachtung überhaupt kein tragfähiger Grund ersichtlich ist, weshalb der Nebenintervenient den Kläger geschlagen bzw misshandelt haben sollte. Dem vermag die Berufung nichts entgegenzusetzen. Aus dem medizinischen Sachverständigengutachten ergibt sich bloß, dass die dokumentierten Verletzungen des Klägers viele verschiedene Ursachen haben konnten, darunter unter anderem auch direkte Schläge durch einen Schlagstock; aus dem Sachverständigengutachten geht aber keineswegs hervor, dass dies die einzige – oder auch nur primäre - Verursachungsart sein konnte. Nicht von der Hand zu weisen ist auch die Überlegung des Erstgerichts, dass der Kläger in der Früh des 31.5.2019 wohl nicht bloß von Schlägen auf den rechten Unterarm berichtet hätte, falls er auch an anderen Stellen des Körpers geschlagen worden wäre (Seiten 7, 8 der Urteilsausfertigung).

Die Berufungsausführungen erweisen sich daher als nicht stichhältig.

3. Zur Rechtsrüge:

Die Berufung (Berufung Seite 4) vermisst Feststellungen, aufgrund welcher Umstände der Kläger die objektivierten Verletzungen erlitten habe, und, dass außer dem Nebenintervenienten auch andere Personen den Kläger schlagen hätten können.

Rechtliche Feststellungsmängel liegen hier allerdings nicht vor, weil die rechtliche Beurteilung der Rechtssache aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen - einschließlich der getroffenen Negativfeststellungen - abschließend möglich ist. Auch bei Negativfeststellungen handelt es sich um Tatsachenfeststellungen.

Die Rechtsrüge geht daher im Ergebnis nicht von den Feststellungen des Erstgerichts aus.

4. Der unberechtigten Berufung war der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf § 502 Abs 2 ZPO.

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