Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache des A* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 16. September 2024, GZ ** 139.2, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss gemäß § 494a StPO, nach der am 11. März 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Hinterleitner sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seiner Verteidigerin Mag. Petra Diwok durchgeführten Berufungsverhandlung
I. zu Recht erkannt:
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
II. den
B e s c h l u s s
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Entscheidungsgründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde A* des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 75 StGB unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Jahren verurteilt.
Danach hat er am 10. Dezember 2023 in ** B* vorsätzlich getötet, indem er ihm einen Messerstich ins Herz versetzte, wodurch der Genannte an innerem Verbluten verstarb.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht keinen Umstand als mildernd, erschwerend hingegen zwei einschlägige Vorstrafen, die Begehung der strafbaren Handlung während dreier offener Probezeiten sowie die Tatbegehung unter Verwendung einer Waffe.
Mit Blick auf die Tatbegehung während offener Probezeiten ungeachtet der wiederholt gewährten Resozialisierungsangebote erachtete das Erstgericht den Widerruf der bedingten Strafnachsichten ebenso wie jenen der bedingten Entlassung zusätzlich zur verhängten Freiheitsstrafe als geboten.
Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 17. Dezember 2024, GZ 11 Os 133/24d 5, ist nunmehr über die unmittelbar nach Urteilsverkündung angemeldete (ON 139.1 S 27), zu ON 147.2 ausgeführte Berufung und Beschwerde des Angeklagten sowie die fristgerecht angemeldete (ON 140) und rechtzeitig zu ON 145 ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft zu entscheiden.
Den Rechtsmitteln kommt keine Berechtigung zu.
Wenn der Angeklagte moniert, das Erstgericht habe verabsäumt, dem Umstand, dass er obdachlos sei und sich täglich Essen zu suchen habe, mildernde Wirkung beizumessen, ist ihm entgegenzuhalten, dass sich aus dem Akteninhalt zwar entnehmen lässt, dass er regelmäßig die Essensausgabe der C* aufsuchte, das Mordgeschehen jedoch die Lebensumstände des Angeklagten nicht zu verbessern vermochte. Der in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 10 StGB wurde vom Erstgericht zutreffend nicht angezogen, weil dieser nur auf Straftaten anzuwenden ist, sofern sich der Täter in seiner Notlage durch die strafbare Handlung Abhilfe verschaffen wollte, diese sohin zur Befriedigung existenzieller Lebensbedürfnisse diente (14 Os 154/89).
Inwiefern die Drogensucht des Tatopfers mildernde Wirkung für den Angeklagten entfalten sollte, ist nicht nachvollziehbar. Die Behauptung, es sei „in der Drogenszene üblich“, dass im Fall der Nichtentrichtung des vereinbarten Preises für Drogen „mit einem Multifunktionswerkzeug ohne Tötungsvorsatz zugestochen wird“, lässt nicht nur die Orientierung am rechtskräftigen Schuldspruch vermissen, sondern ist schlichtweg unzutreffend. Das Vorliegen des reklamierten Milderungsgrundes der Unbesonnenheit (§ 34 Abs 1 Z StGB) setzt voraus, dass die Tat aus einer augenblicklichen Eingebung heraus, spontan und ohne zu überlegen begangen wird. Gegen diese Spontanität spricht nicht nur das Führen einer Waffe, sondern insbesondere der Umstand, dass der Tathandlung ein Streitgespräch im Zusammenhang mit der Bezahlung des Suchtgiftes voranging, wobei sich der Streit zu einem nahegelegenen Taxistandplatz verlagerte und der Messerstich durch den Berufungswerber erst nach einer Fahrt mit dem Taxi zu einem nahegelegenen Bankomaten geführt wurde (ON 115.2 S 4f; Zeuge D* ON 7.708).
In Bezug auf die in der Gegenausführung geäußerte Kritik des Angeklagten an der erschwerenden Wertung der Verwendung einer Waffe (§ 33 Abs 2 Z 6 StGB) ist klarzustellen, dass das Tatbild des § 75 StGB den Einsatz von Waffen nicht voraussetzt und der Erschwerungsgrund vom Erstgericht folglich berechtigt angenommen wurde.
Soweit der Angeklagte das Vorliegen einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung behauptet, die ihn zur Tat hingerissen habe (§ 34 Abs 1 Z 8 StGB), ist erneut auf den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch nach § 75 StGB hinzuweisen. Bei einem Schuldspruch wegen Mordes scheidet aber die Zubilligung des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 8 StGB aus (RIS-Justiz RS0091053 [T4]. Hätten nämlich die Verfahrensergebnisse auf das Vorliegen einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hingedeutet, wäre eine Eventualfrage nach § 76 StGB (Totschlag) indiziert gewesen (RIS Justiz RS0092138, RS0092271, RS0092259), die Fragenrüge wurde jedoch vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen (11 Os 133/24d-5 [6]).
Aber auch der besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 16 StGB kommt dem Angeklagten nicht zu, erfolgte doch die „Selbststellung“ bei der Polizei keineswegs anlässlich des von ihm begangenen Mordes, sondern im Rahmen einer fremdenrechtlichen Auflage (ON 20.16 13), wobei der Festnahme des Angeklagten eine diesbezügliche Anordnung (ON 4) und die Erlassung eines europäischen Haftbefehls (ON 6) voranging.
Aber auch das Rechtsmittel der Anklagebehörde blieb erfolglos.
Es ist zwar zutreffend, dass gegenständlich keine Milderungsgründe wie etwa das Verbleiben im Versuchsstadium oder eine geständige Einlassung vorliegen, dieser Umstand hat jedoch keineswegs zwangsläufig zur Folge, dass eine zeitliche Freiheitsstrafe außer Betracht zu bleiben und eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen ist. Die beiden einschlägigen Vorstrafen (Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz) sind zwar gegen das Rechtsgut Leib und Leben gerichtet (ON 14), stellen jedoch keine spezifisch einschlägigen Vorstrafen dar, weshalb diesem Erschwerungsgrund kein maßgebliches Gewicht beizumessen war. Dem hohen Erfolgsunwert des Verbrechens des Mordes wird bereits durch den hohen Strafrahmen des § 75 StGB Rechnung getragen, der (auch für die Vollendung der Tat) eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn bis zwanzig Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht. Mit Verhängung der zeitlichen Höchststrafe hat das Erstgericht sowohl dem hohen Handlungs als auch Gesinnungsunwert Rechnung getragen, wobei auch das offenkundige Tatmotiv des Angeklagten zu berücksichtigen war, der vom Tatopfer insofern getäuscht wurde, als es versuchte, vom Angeklagten übergebene Kugeln mit Kokain auszutauschen und ohne Bezahlung zu retournieren (vgl ZV E* ON 7.8 05).
Da mit der verhängten Sanktion nicht nur der Schuld des Angeklagten und dem Unwert der Tat, sondern auch generalpräventiven Aspekten durch Verhängung der höchstmöglichen zeitlichen Freiheitsstrafe Rechnung getragen wurde, war den Berufungen kein Erfolg beschieden.
Aber auch der Beschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
So wurden ihm bereits wiederholt Rechtswohltaten wie die Gewährung bedingter Strafnachsicht, Verlängerung der Probezeit und bedingte Entlassung zuteil, was ihn ungeachtet der wenn auch kurzfristigen Erfahrung des Haftübels nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen, noch dazu mit enorm gesteigerter krimineller Energie, abzuhalten vermochte. Der Widerruf der bedingten Strafnachsichten sowie der bedingten Entlassung war daher zusätzlich zur verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe geboten, um den Angeklagten von der Begehung strafbarer Handlungen, insbesondere gegen das Rechtsgut der körperlichen Integrität, abzuhalten.
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