21Bs71/25g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Krenn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12. Februar 2025, GZ ** 42, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am ** in ** geborene österreichische Staatsbürger A* wurde mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 5. Dezember 2024 des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (II./A./1./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 4 Z 1 SMG (II./A./2./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II./B./) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt, von der gemäß § 43a Abs 4 StGB ein Teil im Ausmaß von 20 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Angesichts des unbedingten Strafteils wurde ihm mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 18. Dezember 2024 ein Strafaufschub bis 31. Mai 2025 gemäß § 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG iVm § 52 JGG für die Beendigung seiner Lehre und Absolvierung seiner Lehrabschlussprüfung gewährt (ON 39).
Nach dem Schuldspruch hat A* in **
I./ am 27. Oktober 2024 B* unter Verwendung einer Waffe dadurch, dass er sich unter einem Vorwand 30, Euro übergeben ließ, ein Klappmesser hervorholte und unter der Ankündigung, den Genannten abzustechen, diesen zur Übergabe von dessen Mobiltelefon aufforderte und das Geld behielt, somit durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben fremde, bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in Höhe von 30, Euro und ein Mobiltelefon der Marke iPhone 14 Pro Max, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
II./ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich THCA und Delta 9-THC enthaltendes Cannabiskraut und Cannabisharz
A./ anderen überlassen, und zwar
1./ im Jahr 2022 15 unbekannten Abnehmern insgesamt 40 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 0,87 % Delta-9-THC und 11,41 % THCA;
2./ im Zeitraum Herbst 2023 bis Sommer 2024 B* insgesamt zumindest sieben Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 0,96 % Delta-9-THC und 12,63 % THCA, wobei er durch die Tat dem am ** geborenen, somit minderjährigen B* den Gebrauch des Suchtgiftes ermöglicht hat und selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als B* war;
B./ im Zeitraum von 2021 bis 27. Oktober 2024 über die unter A./ beschriebenen Quanten hinaus ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen;
III./ am 5. Oktober 2022 in ** C* durch die Äußerung, er werde ihn schlagen, und durch das Vollführen von Drohgesten mit einem Teleskopschlagstock gefährlich mit zumindest der Zufügung einer Körperverletzung bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Unmittelbar im Anschluss an die Urteilsverkündung beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung eines Strafaufschubes nach § 39 SMG (ON 36.2, 34).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des Verurteilten auf Strafaufschub nach § 39 Abs 1 SMG mangels Vorliegen einer Beschaffungskriminalität ab.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verurteilten (ON 44), der keine Berechtigung zukommt.
Nach § 39 Abs 1 SMG ist einem Verurteilten der Vollzug einer über ihn nach dem Suchtmittelgesetz (außer nach §§ 28a Abs 2, 4 oder 5 SMG) oder einer wegen einer Straftat, die mit der Beschaffung von Suchtmitteln im Zusammenhang steht, verhängten Geldstrafe oder drei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe – auch noch nach Übernahme in den Strafvollzug (§ 3 Abs 4 StVG) - für die Dauer von höchstens zwei Jahren aufzuschieben, wenn (1.) der Verurteilte an Suchtmittel gewöhnt ist und sich bereit erklärt, sich einer notwendigen und zweckmäßigen, ihm nach den Umständen möglichen und zumutbaren und offenbar nicht aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahme, gegebenenfalls einschließlich einer bis zu sechs Monate dauernden stationären Aufnahme, zu unterziehen, und (2.) im Fall der Verurteilung zu einer 18 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe wegen einer Straftat, die mit der Beschaffung von Suchtmitteln in Zusammenhang steht, der Vollzug der Freiheitsstrafe nicht im Hinblick auf die Gefährlichkeit des Täters geboten erscheint, insbesondere weil die Verurteilung wegen Straftaten erfolgt ist, die unter Anwendung erheblicher Gewalt gegen Personen begangen worden sind.
Liegen dem Schuldspruch mehrere strafbare Handlungen zugrunde, die (allenfalls) nur zum Teil unter § 39 Abs 1 SMG fallen, ist nach der Wortbedeutung der Norm, der Systematik des Gesetzes (vgl § 28 StGB) und der Intention des Gesetzgebers darauf abzustellen, welche Straftaten strafsatzbestimmend waren (vgl RIS Justiz RS0122195; Schwaighofer , WK² SMG § 39 Rz 10 f).
Unter Beschaffungskriminalität sind Straftaten, die begangen werden, um Drogen zu erlangen (direkte Beschaffungsdelikte) und solche, die verübt werden, um Geld und Tauschmittel für den Erwerb von Suchtmitteln zu lukrieren (indirekte Beschaffungsdelikte), zu subsumieren. Die der Folgekriminalität zuzuordnenden, in einem durch den Genuss von Suchmittel beeinträchtigten Zustand begangenen Straftaten (zB Aggressionsdelikte) fallen nicht darunter (vgl Schwaighofer aaO § 35 Rz 27 f).
Bei der Prüfung der Frage, ob der Täter auf Grund seiner Gewöhnung an Suchtmittel eine strafbare Handlung im Zusammenhang mit deren Beschaffung begangen hat, genügt es, dass die Beute zumindest zum Teil auch dazu diente oder dienen sollte, sich Suchtmittel zu besorgen. Nicht gefordert ist, dass der gesamte Erlös in den Erwerb von Suchtmitteln investiert wurde oder werden sollte, zumal in der Praxis eine Unterscheidung dahingehend, welcher Teil der Beute zur Abdeckung allgemeiner Lebensbedürfnisse und welcher Teil der zukünftigen Befriedigung der Sucht zufließen sollte, auch nur schwer möglich ist ( Schwaighofer aaO § 35 Rz 32).
Wie das Erstgericht zutreffend erkannte, scheitert die Anwendung des § 39 Abs 1 SMG bereits daran, dass strafsatzbestimmend für die verhängte Sanktion das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB war und die zu vollstreckende Freiheitsstrafe nicht auf einer im Zusammenhang mit der Beschaffung von Suchtmitteln stehenden Delinquenz beruht und somit der Anwendung des § 39 Abs 1 SMG entgegensteht.
Denn das Erstgericht kam unter Einbeziehung des persönlichen Eindrucks des Verurteilten und seiner Verantwortung im Ermittlungs- und Hauptverfahren zum Ergebnis, dass er den schweren Raub nicht mit der Absicht beging, den Erlös zum Ankauf von Suchtgift zu verwenden, weshalb die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 SMG (Beschaffungskriminalität) nicht vorliegen (siehe dazu die zutreffenden Ausführungen BS 2: „ Zu seinem Vorhaben mit dem erbeuteten Mobiltelefon führte er aus, er hätte es bei einem Handyshop verkaufen und das Geld für sich behalten wollen (ON 4.2, 5). In der gerichtlichen Beschuldigtenvernehmung ON 10 berief er sich auf diese Aussage und machte keine divergierenden Angaben .“ und US 9: „ Der Angeklagte war dazu geständig, von Beginn weg mit dem Tatplan zu dem Treffen gegangen zu sein, den Zeugen um das Geld für den vermeintlichen Verkauf von Cannabiskraut unter Drohung mit einem Messer zu erleichtern und ihm dadurch „eine Lektion zu erteilen“ und sich spontan dazu entschieden zu haben, auf diese Weise auch das Mobiltelefon des Zeugen an sich zu bringen.“).
Daran vermögen auch seine nunmehr den Voraussetzungen des § 39 SMG angepassten nicht objektivierten Ausführungen im Haupt- und Beschwerdeverfahren, dass das Motiv der Geldbeschaffung für den Ankauf von Drogen zum ursprünglichen Tatmotiv hinzugetreten sei, nichts zu ändern.
Da der angefochtene Beschluss daher der Sach und Rechtslage entspricht, war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
Es bleibt dem Beschwerdeführer jedoch unbenommen, die in der Strafhaft nach § 68a Abs 1 lit a StVG gebotene Möglichkeiten zur Therapierung seiner behaupteten Suchtmittelergebenheit zu nutzen.