JudikaturOLG Wien

21Bs14/25z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Maruna in der Strafsache gegen A* wegen § 205a Abs 1 StGB und weitere strafbarer Handlungen über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Dezember 2024, GZ ** 26, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Staatsanwaltschaft Wien leitete am 21. Juni 2024 zu AZ ** ein Ermittlungsverfahren gegen B* und A* wegen des Verdachts der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB ein (vgl ON 2.5) und stellte das Verfahren mit mit Verfügung vom 30. September 2024 gemäß § 190 Abs 1 Z 2 StPO ein (ON 1.9). Der vom Opfer am 8. November 2024 erhobene Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens nach § 195 StPO wurde nach ablehnender Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Wien (ON 21) und Äußerungen der B* sowie A* (ON 23.4 f) mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Senat von drei Richtern (§ 31 Abs 6 Z 3 StPO) vom 28. November 2024 hinsichtlich B* zurück-, und im Hinblick auf A* abgewiesen (vgl ON 23.6).

Mit Antrag vom 9. Dezember 2024 begehrte A* einen Kostenbeitrag gemäß § 196a Abs 1 StPO in Höhe von 4.389,12 Euro zuzüglich Barauslagen in Höhe von 14,16 Euro, sohin insgesamt einen Betrag von 4.403,28 Euro. Dem Antrag beigelegt waren ein Kostenverzeichnis, die Äußerung zum Fortführungsantrag sowie eine Abbildung des Fahrtwegs von der Kanzlei der Verteidiger zur zuständigen Polizeiinspektion (vgl zu all dem ON 25).

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht zum Einen den vom Bund zu leistenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung mit 600 Euro und sprach anderseits aus, dass keine Barauslagen zuzusprechen waren.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der A* (ON 27), mit der sie nunmehr den Zuspruch eines Pauschalbeitrags in Höhe von 3.000 Euro und 14,16 Euro an Barauslagen sowie die weiteren Kosten ihrer (nunmehrigen) Beschwerde begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 196a Abs 1 StPO hat der Bund, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 StPO oder § 190 StPO eingestellt wird, dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und - außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO - auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf den Betrag von 6.000 Euro nicht übersteigen.

Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten und gehen Hand in Hand mit dem Umfang der Verteidigung. Ausschlaggebend sind daher insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden, in seiner Komplexität variablen Sachverhalts, bei dem auch entsprechende, das Ermittlungsverfahren aufwändig gestaltende, erschwerende Umstände zu berücksichtigen sind. Zudem hat die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen zu erfolgen (vgl auch S 3 der Erl zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).

Als Kriterien für die Bemessung des Beitrags nach § 393a StPO, an den die Regelung des § 196a StPO angelehnt ist, wurden von der Judikatur bisher der Aktenumfang, die Schwierigkeit bzw Komplexität der Sach- und Rechtslage (etwa die Notwendigkeit, sich mit Gutachten auseinander zu setzen) sowie der Umfang des Ermittlungsverfahrens (Haftverhandlungen, Beschwerden) herangezogen. Die Höhe der vom Verteidiger seinem Mandanten im Innenverhältnis verrechneten Kosten ist für die Bemessung grundsätzlich nicht von Belang (vgl Lendl , WK-StPO § 393a Rz 10 f mwN).

Der Pauschalkostenbeitrag im Höchstbetrag der Grundstufe (Stufe 1) in Höhe von 6.000 Euro soll grundsätzlich für alle Verteidigungshandlungen zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Da die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, die auch in dieser Stufe vorkommen können, reichen, kann sich der Betrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw sich von diesem weiter entfernen. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren rund 3.000 Euro an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, die vom ÖRAK in den AHK verankerten (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben. Für Verfahren, die in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen, erscheint angesichts deren zu erwartender im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinne eine Reduktion der Ausgangsbasis auf die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin 1.500 Euro angemessen (vgl auch S 5 der Erl zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).

Wenngleich somit in den Erläuterungen zu § 196a StPO Beträge für die Bestimmung der Pauschalkosten bei einem durchschnittlichen Verfahren am Bezirks- und am Landesgericht bestimmt werden, ändert dies nichts daran, dass – wie bisher - weiterhin bei ganz einfachen Verteidigungsfällen der Einstieg etwa bei 10 % des Höchstbetrags anzusetzen ist (vgl Lendl, aaO Rz 9ff), weil die Kriterien für die Bemessung des konkreten Pauschalkostenbetrages an die Regelung des § 393a Abs 1 StPO angelehnt werden sollen (vgl S 3 der Erl zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).

Fallbezogen wurde das Ermittlungsverfahren am 21. Juni 2024 wegen des Verdachts der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB, sohin wegen einer in die Zuständigkeit des Landesgerichts fallenden strafbaren Handlung (§ 31 Abs 4 Z 1 StPO) gegen zwei Beschuldigte, nämlich gegen die Beschwerdeführerin A* sowie eine weitere Person, B*, geführt (vgl ON 2 und 16). Es handelt sich um kein Verfahren mit außergewöhnlichem Umfang oder besonderer Komplexität, sondern um ein (sehr) kurzes Ermittlungsverfahren in der Dauer von drei Monaten, dem kein komplexer Sachverhalt zugrunde lag und in dem auch keine komplizierten Rechtsfragen zu klären oder auf ein Gutachten einzugehen war. Der Aktenumfang umfasste zwar bis zu der am 30. September 2024 erfolgten Einstellung gemäß § 190 Z 2 StPO (vgl ON 1.9) 16 Ordnungsnummern, das notwendige Aktenstudium konnte sich bis zum Einstellungszeitpunkt jedoch – wie vom Erstgericht zutreffend festgehalten - im Wesentlichen auf die beiden Polizeiberichte (vgl ON 2 und ON 16) beschränken.

Nachdem die Staatsanwaltschaft das (Ermittlungs-)Verfahren nach Vorliegen des polizeilichen Abschlussberichts vom 19. September 2024 am 30. September 2024 einstellte (vgl ON 1.9), brachte das Opfer am 8. November 2024 einen Fortführungsantrag (vgl ON 20) ein, zu dem sich sowohl die Staatsanwaltschaft (vgl ON 21) als auch die Beschwerdeführerin (vgl ON 23.5) äußerten. Die Zurückweisung des Fortführungsantrags erfolgte sodann am 28. November 2024 (vgl ON 23.6).

Beim Verfahren über einen Antrag auf Fortführung handelt es sich zwar nicht um einen Teil des Ermittlungsverfahrens, es ist systematisch aber diesem - und nicht etwa dem Haupt- oder dem Rechtsmittelverfahren - zugeordnet (vgl die Überschrift des 10. Hauptstücks: „ Einstellung, Abbrechung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens “). Dies zeigt sich auch daran, dass der Antrag bei der Staatsanwaltschaft einzubringen ist (vgl § 195 Abs 2 erster Satz StGB), weil diese bei dessen Einschätzung als berechtigt das Verfahren fortführt (vgl dazu Nordmeyer, WK-StPO § 196 Rz 30/1). Nach § 196 Abs 1 StPO hat das Gericht vor der Entscheidung über einen Antrag auf Fortführung des bereits eingestellten Verfahrens dem Beschuldigten Gelegenheit zur Äußerung zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft sowie zum Antrag auf Fortführung (vgl RIS-Justiz RS0128150) binnen angemessener Frist einzuräumen. Wenngleich die Einbringung eines Fortführungsantrags nur nach Einstellung eines Ermittlungsverfahrens möglich ist und die Überschrift der Bestimmung des § 196a StPO „ Beitrag zu den Kosten der Verteidigung im Ermittlungsverfahren “ lautet, ergibt sich sowohl aus dem Zweck der neu eingeführten Bestimmung als auch aus der Eingliederung der Bestimmung nach den Regelungen zum Fortführungsantrag, dass die damit im Zusammenhang stehenden Kosten vom Beitrag nach § 196a StPO umfasst sind, wovon das Erstgericht auch zutreffend ausgegangen ist.

Als Zwischenergebnis lässt sich daher festhalten, dass dem gegenständlichen Verfahren weder eine komplizierte Sachlage zugrunde lag noch komplexe Rechtsfragen zu lösen waren, der Aktenumfang von geringem Umfang und das Ermittlungsverfahren von ausgesprochen kurzer Dauer war, sodass selbst unter Berücksichtigung der – etwa zwei Seiten umfassenden - Stellungnahme der Beschwerdeführerin zum Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens sowie der verfahrensgegenständlichen, etwas mehr als eine Seite umfassenden Beschwerde ein in die Zuständigkeit des Landesgerichts fallendes Verfahren mit unterdurchschnittlichem Aufwand vorliegt.

Der vom Erstgericht zugesprochene Pauschalkostenbeitrag ist sohin unter Beachtung der von der Rechtsprechung zu § 393a StPO entwickelten Kriterien bei einfachen Verteidigungsfällen nicht zu beanstanden. In anderen Worten: Ausgehend von den oben aufgezeigten Bemessungsgrundlagen erweist sich der Zuspruch von 10 % des in § 196a Abs 1 StPO (erste Stufe) festgesetzten Höchstbetrags selbst unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Beschwerdeführerin zum Fortführungsantrag als angemessen und einer Erhöhung nicht zugänglich.

Im Übrigen werden grundsätzlich auch die nötig gewesenen und wirklich bestrittenen baren Auslagen (zusätzlich) refundiert, wobei die tatsächliche Bestreitung vom Beschuldigten zu bescheinigen ist (vgl Lendl , aaO Rz 4).

Fallbezogen scheitert ein Zuspruch der geltend gemachten ERV-Kosten und der Fahrtkosten des Verteidigers in Höhe von 14,16 Euro jedoch daran, dass diese Kosten – wie vom Erstgericht zutreffend dargelegt - keine Barauslagen darstellen, sondern vielmehr als Teil des Honoraranspruchs des Verteidigers nur im Rahmen des Pauschalkostenbeitrags abgegolten werden (vgl Öner in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess, StPO - Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung (2020) zu § 393a StPO Rz 15 mit Verweis auf Mayerhofer/Hollaender , StPO 5 § 393a E 8; Thiele , Anwaltskosten 4 (2023) Rz 7 mwN).

Da der angefochtenen Becshluss der Sach- und Rechtslage entspricht, ist der dagegen gerichteten Beschwerde der Erfolg zu versagen.

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