Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. Jänner 2025, GZ **-24.2, nach der am 12. Februar 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Röggla, im Beisein der Richterin Mag. Schneider-Reich und des Richters Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Staatsanwältin MMag. Linzner und des Verteidigers Mag. Catin-Emanuel Morar, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten A* durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Der Berufung wegen Schuld wird nicht, hingegen jener wegen Nichtigkeit Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
A* wird für die ihm zur Last liegenden Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A./1./), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (A./2./) und der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (B./) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, welche gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.
Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird A* die Vorhaft von 18. November 2024, 18.07 Uhr bis 19. November 2024, 12.05 Uhr und von 24. November 2024, 21.17 Uhr bis 7. Jänner 2025, 13.25 Uhr auf die Strafe angerechnet.
Mit ihrer weiteren Berufung wegen Strafe wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen – auch einen Teilfreispruch enthaltenden - Urteil wurde der am ** geborene serbische Staatsangehörige A* (zu A./1./) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, (zu A./2./) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und (zu B./) des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter aktenkonformer Anrechnung der Vorhaft unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil von vier Monaten bedingt nachgesehen wurde.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in ** B*
A./ am 18. November 2024
1./ am Körper verletzt, indem er ihr mehrere Schläge versetzte, sie in die Nase biss, gegen beide Knie trat und ihr mit einer vollen 0,5 l Mineralwasserflasche gegen den Kopf schlug, wodurch diese eine Bisswunde an der Nase, Hämatome an beiden Oberarmen, eine Prellung des Schädels, der linken Schulter, der linken Brustkorbseite, des linken Knies, des rechten Oberarms und beider Unterarme erlitt;
2./ durch die Äußerung, er werde sie aus dem Fenster werfen, nachdem er das Fenster ihrer Wohnung öffnen wollte und dabei eine Orchidee zu Boden fiel, gefährlich mit zumindest einer Körperverletzung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;
B./ durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Körperverletzung zu einer Handlung, nämlich dem Öffnen der Wohnungstüre, zu nötigen versucht, und zwar am 18. November 2024 durch die Äußerung „mach auf die Türe, ich bringe dich um“.
Dazu traf das Erstgericht wortwörtlich folgende Feststellungen und gründete sie auf nachstehende Beweiswürdigung:
Feststellungen:
Der am ** in **, geborene Angeklagte ist ledig, serbischer Staatsangehöriger und wohnt an einer unbekannte Adresse in **. Er ist ohne festen Wohnsitz im Bundesgebiet und ging Gelegenheitsarbeiten nach, bei denen er im Schnitt EUR 300,- bis EUR 400,- monatlich verdiente. Der Angeklagte hat kein Vermögen, keine Sorgepflichten und keine Schulden. Der Angeklagte weist einen bisher ordentlichen Lebenswandel auf. Er wurde zwischen 18.11.2024, 18:07 Uhr, und 19.11.2024, 12:05 Uhr sowie am 24.11.2024 um 21:17 Uhr festgenommen und befindet sich seit 27.11.2024 zu diesem Verfahren in Untersuchungshaft in der JA Josefstadt.
Der Angeklagte und B* kennen sich seit ungefähr zwei Jahren sporadisch. Am 18.11.2024 war der Angeklagte gemeinsam mit B* in ihrer Wohnung in **. Der Angeklagte trank Alkohol. Er war jedoch in der Lage das Unrecht seiner Handlungen einzusehen und dieser Einsicht entsprechend zu handeln. Die beiden begannen zu streiten. Dabei wurde der Angeklagte immer aggressiver und begann schlussendlich mit seinen Händen auf B* einzuschlagen. In weiterer Folge biss der Angeklagte B* in ihre Nase und trat gegen ihre beiden Knie. Schlussendlich ergriff der Angeklagte eine volle 0,5 Liter Wasserflasche und schlug mit dieser gegen den Kopf von B*.
Dem Rechtsmittel kommt im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.
Was die Reihenfolge der Behandlung der Berufungspunkte und Nichtigkeitsgründe anbelangt, knüpft eine gegen den Ausspruch über die Strafe oder die privatrechtlichen Ansprüche erhobene oder aus § 468 Abs 1 Z 4 (§ 281 Abs 1 Z 11) erhobene Berufung am Schuldspruch logisch an und folgt dessen Bekämpfung systematisch nach (vgl Ratz , WK-StPO § 476 Rz 9).
Die demnach zunächst zu behandelnde Berufung wegen Schuld erweist sich als nicht berechtigt. Der Erstrichter hat die erhobenen Beweise mit schlüssiger Begründung – der sich das Oberlandesgericht Wien im Rahmen der umfassenden Prüfung der Verfahrensergebnisse anschließt (vgl Ratz , WK-StPO § 467 Rz 2) – einer denkrichtigen und lebensnahen Würdigung unterzogen und detailliert dargelegt, wie er zu dem – vom Berufungsgericht übernommenen – objektiven Handlungsablauf und den darauf bezogenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite gelangte. Dabei konnte sich der Erstrichter insbesondere auf die nachvollziehbaren Schilderungen des Opfers (ON 4, ON 9.7) stützen, die im Einklang mit den objektivierten Verletzungen (ON 8.17 und ON 23.3) standen. Selbst der Angeklagte, der das Tatgeschehen zwar abschwächte und beteuerte nur „Spaß gemacht“ zu haben, räumte zumindest ein, es sei am 18. November 2024 zu einem Streit gekommen und die Situation sei eskaliert (ON 24.1, 2).
Da das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung anzustellenden Gesamtbetrachtung somit keine Zweifel an der Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage hat, hat der Schuldspruch Bestand.
Zutreffend macht die Staatsanwaltschaft in ihrem Rechtsmittel jedoch einen Verstoß gegen die Grenzen der Sanktionsbefugnis nach § 489 Abs 1 StPO iVm § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall geltend ( Kirchbacher , StPO 15 § 281 Rz 101). Gemäß § 43a Abs 3 StGB ist unter den Voraussetzungen des § 43 Abs 1 StGB ein Teil der Strafe bedingt nachzusehen, wenn auf eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten, aber nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird und weder die ganze Strafe bedingt nachgesehen werden noch nach Abs 2 leg cit vorgegangen werden kann. Indem das Erstgericht die von ihm verhängte sechsmonatige Freiheitsstrafe teilbedingt nachsah, verstieß es gegen diese gesetzlichen Vorgaben, weshalb der Berufung der Staatsanwaltschaft stattzugeben, das Urteil im Strafausspruch aufzuheben und mit Strafneubemessung vorzugehen war (RIS-Justiz RS0091988 [T7, T12]).
Bei der erforderlichen Strafneubemessung war nach dem Strafsatz des § 107 Abs 1 StGB von einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder bis zu 720 Tagessätzen Geldstrafe auszugehen, wobei bei der Strafzumessung das Zusammentreffen zweier Vergehen als erschwerend zu werten war, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel und der Umstand, dass es betreffend des Schuldspruchfaktums B./ beim Versuch blieb, zu berücksichtigen waren.
Durch den Biss sowie die Schläge und Tritte des Angeklagten erlitt B* eine Bisswunde an der Nase, Hämatome an beiden Oberarmen, eine Prellung des Schädels, der linken Schulter, der linken Brustkorbseite, des linken Knies, des rechten Oberarms und beider Unterarme.
Der Angeklagte ging in weiterer Folge zum Fenster und wollte dieses wuchtartig öffnen. Dabei stieß er eine Orchidee zu Boden. Gleichzeitig sagte er zu B* sinngemäß, dass er sie aus dem Fenster werfen werde.
Der Angeklagte ließ sodann von B* ab und verließ die Wohnung. Kurze Zeit später tauchte der Angeklagte plötzlich wieder auf, schlug und trat von außen gegen die Wohnungstüre von B* und schrie: „Mach auf die Türe, ich bring dich um“.
B* öffnete die Türe jedoch nicht und verständigte daraufhin die Polizei. Auf deren Anraten fuhr sie in die Klinik C*, wo die zuvor festgestellten Verletzungen diagnostiziert wurden. Gegenüber dem Angeklagten wurde schlussendlich ein Annäherungs- und Betretungsverbot ausgesprochen.
Trotz des Annäherungs- und Betretungsverbots kam der Angeklagte am 24.11.2024 abermals zur Wohnung von B* und schimpfte auf sie ein. Dass er da ihr gegenüber sinngemäß äußerte, dass er sie umbringen werde, wenn sie nicht die Türe öffne, konnte nicht festgestellt werden.
Der Angeklagte wollte B* in die Nase beißen, sie schlagen und treten sowie mit einer vollen 0,5 Liter Mineralwasserflasche gegen ihren Kopf schlagen, wobei er es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass sie dadurch eine Bisswunde an der Nase, Hämatome an beiden Oberarmen, eine Prellung des Schädels, der linken Schulter, der linken Brustkorbseite, des linken Knies, des rechten Oberarms und beider Unterarme erleidet.
Der Angeklagte wollte B* zudem gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohen, indem er aggressiv versuchte das Fenster zu öffnen, dabei eine Orchidee zu Boden stieß und zu ihr sinngemäß sagte, dass er sie aus dem Fenster werfen werde, und wusste dies auch, wobei es dem Angeklagten darauf ankam B* in einen das ganze Gemüt ergreifenden peinvollen Seelenzustand im Sinne einer qualifizierten Erwartungsangst, somit in Furcht und Unruhe, zu versetzen.
Darüber hinaus wollte der Angeklagte B* durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Handlung, nämlich zum Öffnen der Wohnungstüre nötigen, indem er gegen diese schlug und trat und schrie: „Mach auf die Türe, ich bringe dich um“, und wusste dies auch, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, da B* die Wohnungstüre nicht öffnete.
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen eigenen Angaben und der eingeholten Strafregisterauskunft (ON 21).
Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen des Schuldspruchs beruhen auf der schlüssigen und widerspruchsfreien Aussage des Opfers B*, welche in der Hauptverhandlung einen souveränen Eindruck hinterließ und detailliert von den im Spruch ersichtlichen Tathandlungen berichtete. Ihre Aussage stand zudem in Einklang mit den objektivierten Verletzungen (ON 8.17 und ON 23.3). Darüber hinaus gestand sie auch ehrlich zu, dass der Angeklagte sie am 24.11.2024 nur beschimpfte, sie aber nicht bedrohte (AS 4 im HV-Protokoll vom 07.01.2025).
Damit in Einklang stand auch die teilweise geständige Verantwortung des Angeklagten, welcher zugestand B* geschlagen sowie das Fenster zu öffnen versucht und sie bedroht zu haben, jedoch seine Tathandlungen herunterspielte und betonte, dass dies alles im Spaß erfolgt sei (AS 2f im HV-Protokoll vom 07.01.2025). Angesichts der vielen objektivierten Verletzungen von B* war dies allerdings als bloße Schutzbehauptung zu werten.
Dass der Angeklagte in Alkohol trank gestand er selbst zu. Dass er sich nicht in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befand, ergibt sich bereits aus dem zielgerichteten Handeln des Angeklagten sowie ebenso aus dem Umstand, dass er tatsachengeständig war und seine Handlungen herunterspielte.
Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite waren zwanglos aus dem äußeren Tatgeschehen abzuleiten. So kann aufgrund der Schläge und Tritte des Angeklagten, welche die vielen im Spruch ersichtlichen Verletzungen zur Folge hatten, nur auf den zumindest bedingten Verletzungsvorsatz des Angeklagten geschlossen werden.
Ebenso verhält es sich mit den vom Angeklagten ausgesprochenen Drohungen in Kombination mit dem aggressiven Verhalten des Angeklagten, welcher durch die Schläge und Tritte deutlich machte, dass er dazu bereit und fähig ist, seine Drohungen in die Tat umzusetzen bzw. dadurch sein Opfer zum Öffnen der Türe bewegen zu wollen, sodass auf die Absicht des Angeklagten zu schließen war.
[…]
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, dass es teilweise beim Versuch (Faktum B./) blieb sowie das teilweise Geständnis, als erschwerend demgegenüber das Zusammentreffen von drei Vergehen.
Dagegen richtet sich die rechtzeitig wegen Nichtigkeit angemeldete (ON 25) und zu ON 26 ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten, die gemäß § 467 Abs 3 StPO auch als solche wegen Schuld und Strafe zu betrachten ist.
Bei objektiver Abwägung der dargestellten Strafzumessungslage und der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB anzustellenden Erwägungen erweist sich eine viermonatige Freiheitsstrafe auch unter der Prämisse, dass bei einem unbescholtenen Ersttäter die Strafe grundsätzlich im unteren Drittel des Strafrahmens zu bemessen ist ( Mayerhofer , StGB 6 § 32 E 4e), fallbezogen als schuld- und tatangemessen sowie dem sozialen Störwert, der Rechtsgutbeeinträchtigung und generalpräventiven Aspekten entsprechend. Schon mit Blick auf das Verschlechterungsverbot (§§ 290 Abs 2, 471, 489 Abs 1 StPO) war die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen (§ 43 Abs 1 StGB). Einem diversionellen Vorgehen standen fallbezogen mit Blick auf die Persönlichkeit des Angeklagten spezialpräventive Erwägungen entgegen, erschien die Verhängung einer Freiheitsstrafe aufgrund des fortgesetzten aggressiven Verhaltens und des Ausmaßes der gegen das Opfer eingesetzten Gewalt doch erforderlich, um den Angeklagten hinkünftig von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.
Mit ihrer Berufung wegen Strafe war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
Über die Anrechnung der nach Fällung des Urteils erster Instanz in Vorhaft (§ 38 StGB) zugebrachten Zeit hat gemäß § 400 Abs 1 StPO – auch im (hier vorliegenden) Fall der Strafneubemessung (RIS-Justiz RS0091624; Lässig , WK-StPO § 400 Rz 1) – der Vorsitzende des Gerichts, das in erster Instanz erkannt hat, mit Beschluss zu entscheiden.
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