JudikaturOLG Wien

30Bs210/24p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
03. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Einzelrichterin in der Strafsache gegen A* wegen § 117 Abs 1 FPG über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. November 2024, GZ ** 7, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass der Beitrag zu den Kosten des Verteidigers der A* nach § 196a Abs 1 StPO mit 1.000 Euro bestimmt wird.

Text

Begründung:

Gegen die am ** geborene ungarische Staatsangehörige A* wurde nach Erstattung einer Verdachtsmeldung seitens der B* am 11. September 2024 ein Strafverfahren wegen § 117 Abs 1 FPG (Aufenthaltsehe) eingeleitet, welches nach Durchführung von Ermittlungen mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Wien vom 28. Oktober 2024 gemäß § 190 Z 2 StPO mit der Begründung eingestellt wurde, ein strafbares Verhalten sei nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachweisbar (ON 1.1, ON 5).

Am 29. Oktober 2024 legte Rechtsanwalt Dr. Gregor Klammer Vollmacht, beantragte elektronische Akteneinsicht und die Zustellung einer Einstellungsbegründung (ON 4) sowie am 18. November 2024 einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung gemäß § 196a StPO unter Beifügung eines Kostenverzeichnisses im Gesamtbetrag von 4.432,56 Euro (ON 6.2).

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den vom Bund an A* zu leistenden Pauschalbeitrag zu den Kosten der Verteidigung im Ermittlungsverfahren mit 200 Euro. Begründet wurde die Höhe des Zuspruchs damit, der Ermittlungsakt habe bis zur Einstellung des Verfahrens insgesamt zwei Ordnungsnummern umfasst, der Einsatz des Verteidigers habe bis zur Einstellung lediglich eine kurze schriftliche Äußerung (ON 2.7) sowie die Teilnahme an der Beschuldigtenvernehmung in der Dauer von rund fünf Minuten umfasst, eine Vollmachtsbekanntgabe inklusive Antrag auf Akteneinsicht und Begründung der Einstellung sei erst nach der Einstellung erfolgt. Die verrechneten Leistungen seien grundsätzlich zwar zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen, dem gegenständlichen Fall liege jedoch ein unterdurchschnittlicher Aktenumfang mit geringer rechtlicher Komplexität zugrunde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, der Berechtigung zukommt.

Nach § 196a Abs 1 StPO hat der Bund, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 StPO oder § 190 StPO eingestellt wird, dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf den Betrag von 6.000 Euro nicht übersteigen.

Für die konkrete Bemessung dieses mit 6.000 Euro als Höchstsatz festgelegten Pauschalbeitrags (vgl dazu Lendl in WK StPO § 393a Rz 3/1; Rz 9ff) bieten die Materialien zum neu gefassten § 196a StPO (2557 der Beilagen 27. GP Regierungsvorlage Erläuterungen) eine Orientierungshilfe für die unabhängige Rechtsprechung, in dem von einem „Standardverfahren“ der Grundstufe 1 und je nach gesteigerter Komplexität bzw außergewöhnlichem oder extrem Umfang von Verfahren der Stufe 2 (Überschreitung des Grundbetrags des Kostenbeitrags von 6.000 Euro um die Hälfte) oder der Stufe 3 (Verdoppelung des Grundbetrags) ausgeht. Beispielhaft wird dazu dargestellt, dass ein sogenanntes Standardverfahren der Stufe 1, das unter Heranziehung der Kostenansätze der allgemeinen Honorar Kriterien (AHK) rund 3.000 Euro an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, im Regelfall eine Besprechung mit dem Mandanten, eine Vollmachtsbekanntgabe, einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium bzw Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst. Für Verfahren, die in die bezirksanwaltliche Zuständigkeit fallen, wird angesichts der zu erwartenden im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinn bei gleichem Höchstsatz im Gesetz (6.000 Euro) eine Reduktion der Ausgangsbasis angezeigt erscheinen, sodass hier als Richtwert die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin 1.500 Euro, angemessen scheint (aaO 2557 der Beilagen 27.GP, 5). Es bedarf bei gebotener Lesart demnach keiner besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Komplexität eines Verfahrens, um es im Ergebnis als solchen „Standardfall“ einzuordnen.

Den Erläuterungen ist bereits einleitend im allgemeinen Teil zu entnehmen, dass eine Erweiterung des bestehenden Systems des Verteidigungskostenbeitrags seit langem von Literatur, Lehre und Praxis gefordert worden war (aaO 2557 der Beilagen, 1). So wurde zuvor auch in der Literatur bereits auf die rechtspolitische Kritik verwiesen, auf die die zurückhaltende Praxis der Gerichte bei Festsetzung von Beiträgen gestoßen war ( Lendl aaO Rz 13).

Im Ergebnis kann ein Wille des Gesetzgebers ersehen werden, eine grundsätzlich großzügigere Handhabung als bisher bei der Bemessung der Kostenbeiträge ins Auge zu fassen. Aufgrund des diesbezüglich unveränderten Gesetzeswortlauts ist andererseits davon auszugehen, dass stets nur ein „Beitrag“ und nicht ein Ersatz der gesamten Verteidigerkosten zu leisten ist. Ebenso ist weiterhin davon auszugehen, dass es sich – abgesehen von hier nicht verzeichneten Barauslagen – stets um einen Pauschalbeitrag handelt und insofern die in einem vorgelegten Kostenverzeichnis verrechneten Tarifansätze vorrangig der Nachvollziehbarkeit von Umfang und Zweckmäßigkeit der Tätigkeit des Verteidigers dienen und nicht den Anspruch auf vollständigen Ersatz begründen.

Dem gegenständlichen Akt ist konkretes Verteidigerhandeln durch Begleitung der damals Beschuldigten zur polizeilichen Vernehmung (ON 2.2, 2), bei der eine Aussage verweigert wurde (ON 2.5), sowie in der Folge durch Erstattung einer anwaltlich verfassten schriftlichen Stellungnahme samt Beilagen (ON 2.7, ON 2.8, ON 2.11) zu entnehmen. Diese Tätigkeiten lassen im Zusammenhalt mit dem schließlich auch gestellten Antrag auf Akteneinsicht auf ein angemessenes Studium des – insgesamt nicht umfangreichen Akts - bzw eine entsprechende Vorbereitung im Sinne des in den Materialien dargestellten Standardfalls anwaltlicher Tätigkeit nachvollziehen, wobei hier eine bezirksgerichtliche bzw bezirksanwaltliche Zuständigkeit betroffen ist. Zwar dauerte tatsächlich die Teilnahme an der Vernehmung, bei der keine Aussage abgelegt wurde, nur kurz, dafür wurde eine schriftliche Stellungnahme zum Sachverhalt verfasst. Konkret fanden immerhin Erhebungen vor Ort und in der Wohnung der Eheleute statt (ON 2.2, 2), sodass die tatsächlichen Gegebenheiten ausreichend tragfähig konzipiert und dargestellt werden mussten. Da das Aktenmaterial insgesamt dennoch geringfügig blieb und zu weiten Teilen aus selbst vorgelegtem Aktenmaterial (Stellungnahme samt Beilagen) besteht, ist ein entsprechender Abschlag vom Durchschnittsfall vorzunehmen.

Rückverweise