JudikaturOLG Wien

18Bs26/25t – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
03. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Hornich, LL.M. und Mag. Lehr als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 9. Dezember 2024, GZ ***, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene syrische Staatsangehörige A* verbüßt in der Justizanstalt Eisenstadt eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 17. Juli 2024, rechtskräftig seit 14. November 2024, AZ **, wegen der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Jahren und sechs Monaten (siehe Beilage ./1 und ./2). Das errechnete Strafende fällt auf den 24. April 2026. Die zeitlichen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG waren am 24. Jänner 2025 erfüllt, jene nach 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden am 24. Juni 2025 erfüllt sein.

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 11) lehnte das Landesgericht Eisenstadt als zuständiges Vollzugsgericht – entgegen der Stellungnahme der Anstaltsleitung (ON 2.4, 2) und in Übereinstimmung mit jener der Staatsanwaltschaft Eisenstadt (ON 1.2) – die bedingte Entlassung des Strafgefangenen nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen ab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Verkündung des Beschlusses erhobene, unausgeführte (ON 10, 2) Beschwerde des A*, der keine Berechtigung zukommt.

Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte der verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Besonderes Augenmerk ist nach Abs 4 leg.cit. darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw. ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können. Auch in diesem Fall setzt die bedingte Entlassung aber die Annahme der im Vergleich zur weiteren Verbüßung nicht geringeren Wirkung im Bezug auf künftige Straffreiheit voraus ( Jerabek/Ropper , WK² StGB § 46 Rz 15/1). Bei der zu erstellenden Verhaltensprognose ist insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit in die Erwägungen einzubeziehen. Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (Abs 2 leg.cit.).

Die Verweigerung einer bedingten Entlassung aus generalpräventiven Gründen setzt gewichtige Umstände, welche sich aus der Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen eines strafbaren Verhaltens auffallend abheben, voraus. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern (iS positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue der Bevölkerung zu beachten. Die Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein; liegen sie vor, sind sie gleichrangig mit den Erfordernissen der Spezialprävention zu berücksichtigen ( Jerabek/Ropper , aaO Rz 16).

Wie das Erstgericht zutreffend erkannte, sprechen gegenständlich sowohl Aspekte der Spezial- als auch der Generalprävention gegen eine bedingte Entlassung des Strafgefangenen zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Dazu ist zu erwägen, dass der vollzugsgegenständlichen Verurteilung zwei Verbrechen der Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung, jeweils in Bezug auf zahlreiche Fremde (zwei Mal sechs Personen) zugrunde liegt, wobei der Strafgefangene insofern eine wichtige Rolle in der Gruppierung einnahm, als er an zwei Tatzeitpunkten im Oktober 2023 jeweils das Begleitfahrzeug zu den Schleppungen lenkte, Ausschau nach allfälligen Polizeikontrollen hielt und im Auftrag eines Mittäters laufend Standortdaten an diesen übermittelte (siehe Beilage ./1). In diesen Taten manifestiert sich eine nicht unbeachtliche kriminelle Energie und eine deutliche Negativeinstellung gegenüber den rechtlich geschützten Werten unserer Gesellschaft, insbesondere gegenüber dem öffentlichen Frieden.

Mit Blick auf diese Parameter und der – wenn auch nicht einschlägigen – Verurteilung des Strafgefangenen durch das Amtsgericht Friedberg am 10. Mai 2022, rechtskräftig seit 6. August 2022, in Deutschland wegen des Missbrauchs von Ausweispapieren zu einer Geldstrafe (ON 3, 4) ist nicht davon auszugehen, dass die bisher in Strafhaft zugebrachte Zeit schon ausgereicht hat, um dem Delinquenten das Unrecht seiner Taten ausreichend vor Augen zu führen und ihn zu einem hinkünftig deliktsfreien Lebenswandel zu veranlassen, an welcher Einschätzung auch die Möglichkeit allfälliger Begleitmaßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB – wobei der Strafgefangene die bedingte Entlassung ausdrücklich ohne Bewährungshilfe beantragte - nach §§ 50 bis 52 StGB nichts ändert.

Nicht zuletzt sprechen aber auch – aus der Schwere der Anlasstat ableitbare ( Jerabek/Ropper , aaO Rz 16) – generalpräventive Erwägungen gegen eine bedingte Entlassung zum Hälftestichtag. Tätern aus dem Verkehrskreis des Verurteilten, die durch derartige Schleppereidelikte einen unkontrollierten Zuzug von Personen aus ärmeren Ländern ermöglichen und damit die öffentliche Ordnung mitsamt ihrer Zuzugs-, Identitäts-, Arbeitsmarktpolitik und politischen Kontrolle empfindlich stören, soll deutlich vor Augen geführt werden, dass derartige sozial- und volkswirtschaftlich schädliche Straftaten mit harten Konsequenzen verbunden sind, um potenzielle Nachahmungstäter möglichst abzuschrecken und von der Begehung ähnlich gelagerter strafbarer Handlungen abzuhalten.

Der Beschwerdeführer vermag diesem negativen Kalkül mit seinen in der Erklärung (ON 2.2) vorgebrachten Beteuerungen, die Haft sei ihm eine Lehre gewesen, er bereue seine Straftaten sehr, werde zu seiner Familie nach Deutschland zurückkehren und dort sicherlich wieder als Verkäufer arbeiten können (siehe hierzu Arbeitsvertrag ON 7 und Meldebescheinigung seiner Frau und Kinder vom 27. November 2024 ON 8) nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen und führte die Beschwerde nicht aus.

Da der bekämpfte Beschluss sohin der Sach- und Rechtslage entspricht, ist der dagegen erhobenen Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

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