JudikaturOLG Wien

13R179/24z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Häckel als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Wieser und den Richter Mag. Wessely in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* Limited , **, Malta, vertreten durch Mag. Patrick Bugelnig, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 67.715,50 s.A., über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 4.11.2024, ** 14, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen vierzehn Tagen die mit EUR 3.780,12 (darin EUR 630,02 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte hat ihren Sitz in Malta und betreibt die Website **. Sie bietet über ihre deutschsprachige Homepage ** auch in Österreich Onlineglücksspiele an. Die Beklagte ist Inhaberin einer aufrechten maltesischen Glücksspielkonzession, verfügt jedoch über keine österreichische Glücksspiellizenz.

Die Klägerin hat ihren Wohnsitz in Österreich. Sie spielte im Zeitraum von 3.2.2013 bis 7.4.2024 zu privaten Zwecken auf der Homepage der Beklagen angebotene Automatenspiele (Slots). Dabei verlor sie EUR 67.715,50 (Einzahlungen der Klägerin abzüglich Auszahlungen der Beklagten).

Auf unrechtmäßige Bereicherung und Schadenersatz gestützt begehrt die Klägerin die Rückzahlung des Spielverlusts samt 4 % Zinsen seit 8.4.2024. Dies im Wesentlichen mit dem Vorbringen, die Beklagte habe nicht über die notwendige Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz (GSpG) verfügt. Die mit ihr geschlossenen Glücksspielverträge seien nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig und der Spielverlust rückabzuwickeln.

Soweit im Berufungsverfahren relevant, wendete die Beklagte zusammengefasst ein, der klagsgegenständliche Anspruch bestehe nicht zu Recht. Das österreichische Glücksspielmonopol sei unionsrechtswidrig, verletze EU-Primärrecht und greife in nicht gerechtfertigter Weise in die unionsrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit gemäß Art 56 AEUV ein. Das österreichische Glücksspielmonopol sei inkohärent, unverhältnismäßig und nicht anzuwenden. Darüber hinaus sei § 14 GSpG wegen unterbliebener Notifizierung der Europäischen Kommission unanwendbar.

Glücksspielverträge seien auch nach den ausdrücklichen Regelungen des ABGB zulässig und bildeten eine eigene Vertragsgattung, die konkret geregelt sei. Es liege somit kein Inhaltsverbot vor. Ein Rückforderungsanspruch der Spieler würde den Zweck der Regelung – der Verhinderung der Spielsucht – konterkarieren. Ein solcher bestehe nicht.

Verzugszinsen könnten erst zu laufen beginnen, sobald die Beklagte die Möglichkeit gehabt habe, den behaupteten Anspruch zu befriedigen. Zinsen könnten erst mit dem dem Tag der Klagsbehändigung folgenden Tag zugesprochen werden.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage auf Grundlage des oben wiedergegebenen Sachverhalts statt. Soweit im Berufungsverfahren von Bedeutung, führte es rechtlich mit ausführlichen Judikaturzitaten belegt zusammengefasst aus, das Glücksspielmonopol des Bundes in der derzeit geltenden Fassung verstoße auf Grundlage gefestigter und einhelliger Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte nicht gegen Unionsrecht. Die Beklagte lege keine Gründe für ein Abgehen von dieser Rechtsprechung dar.

Eine Notifikationsverpflichtung nach Art 1 Nr 11 der Richtlinie 98/34/EG („Transparenzrichtlinie/Notifizierungsrichtlinie“) habe nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für § 14 GSpG nicht bestanden.

Das von der Beklagten in Österreich ohne österreichische Konzession angebotene Glücksspiel sei ein verbotenes Spiel iSd § 1174 Abs 2 ABGB. Die Klägerin könne das eingesetzte und verlorene Geld daher herausverlangen.

Die Zinsen seien ab dem Tag der letzten Einzahlung zuzusprechen, weil der Bereicherungsschuldner nach ständiger Rechtsprechung die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines von ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Abänderungsantrag auf – in eventu nach Verfahrensergänzung – Klagsabweisung, hilfsweise einem Aufhebungsantrag und hilfsweise einem Abänderungsantrag auf Zuspruch der Zinsen erst ab 18.6.2024.

Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Trotz des Antrags der Beklagten „in eventu nach Verfahrensergänzung“ zu entscheiden, war die Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung zu treffen, weil der Berufungssenat gemäß § 480 Abs 1 ZPO eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

1. Verfahrensrüge

Die Beklagte macht als Verfahrensmangel geltend, das Erstgericht habe das von ihr beantragte Sachverständigengutachten zu den Werbemaßnahmen des österreichischen Monopolisten nicht eingeholt, obwohl sie dadurch unter Beweis stellen hätte können, dass das Glücksspielmonopol im klagsgegenständlichen Zeitraum nicht kohärent gewesen sei, weil die Werbemaßnahmen des Monopolisten nicht den strengen Vorgaben des EuGH für die Wirksamkeit eines auf Verbraucherschutz gerichteten Monopols entsprochen hätten.

Ein primärer Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO könnte nur vorliegen, wenn das Erstgericht infolge Abstandnahme von beantragten Beweisaufnahmen andere als die vom Beweisführer behaupteten Tatsachen festgestellt hätte ( Pimmer in Fasching/Konecny 3 § 496 ZPO Rz 57). Hat das Erstgericht aber – wie hier zu sämtlichen in der Verfahrensrüge genannten Beweisthemen – keine Feststellungen getroffen, könnte im Unterlassen der Beweisaufnahme, vorausgesetzt diese wären rechtlich relevant, nur eine sekundäre Mangelhaftigkeit (§ 496 Abs 1 Z 3 ZPO) liegen, die mit der Rechtsrüge aufzugreifen wäre (vgl Pimmer , aaO Rz 55, 58).

Ein primärer Verfahrensmangel besteht damit nicht.

2. Rechtsrüge

Zu Recht wendet sich die Beklagte in der Berufung nicht (mehr) gegen die vom Erstgericht vorgenommene Beurteilung des Sachverhalts nach österreichischem Recht. Gegenstand der Rechtsrüge ist im Wesentlichen die Frage der von der Beklagten eingewendeten Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols nach § 3 GSpG und von der Beklagten in diesem Zusammenhang verortete sekundäre Feststellungsmängel. Dazu ist festzuhalten, dass das Berufungsgericht die Rechtsausführungen im angefochtenen Urteil für überzeugend, die in der Berufung enthaltenen Argumente hingegen für nicht stichhältig erachtet (§ 500a ZPO). Es ist daher ausreichend, den Berufungsausführungen noch Folgendes entgegenzuhalten:

2.1. Der Oberste Gerichtshof geht seit seiner am 22.11.2016 zu 4 Ob 31/16m ergangenen Entscheidung, in der er sich der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts anschloss, in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das im Glücksspielgesetz normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundenen Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (RS0130636 [T7]; 9 Ob 20/21p).

In drei in jüngerer Zeit ergangenen Entscheidungen erachtete der Oberste Gerichtshof aufgrund der vom EuGH in der Entscheidung C-920/19 vom 18.5.2021 ( Fluctus/Fluentum ) sowie bereits zuvor von allen drei Höchstgerichten in ständiger Rechtsprechung angenommenen Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols diese Frage als abschließend beantwortet. Dabei setzte sich der Oberste Gerichtshof mit den wesentlichen auch hier von der Berufungswerberin für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Argumenten auseinander (1 Ob 229/20p; 9 Ob 20/21p; 5 Ob 30/21d). Diese nunmehr ständige Rechtsprechung wurde auch in sämtlichen nachfolgenden Entscheidungen aufrecht erhalten (7 Ob 163/21b, 7 Ob 213/21f, 6 Ob 59/22b, 9 Ob 25/22z uva).

2.1.1. Der EuGH befasste sich in der Entscheidung C-920/19 vom 18.5.2021 ( Fluctus/Fluentum ) wieder mit dem österreichischen Glücksspielmonopol und den Grenzen der Zulässigkeit wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen. Er ging davon aus, dass für die Prüfung der Kohärenz einer expansiven (Werbe-)Politik des Monopolisten auch Umstände wie aggressive Werbemaßnahmen privater Anbieter zugunsten rechtswidriger Aktivitäten oder die Heranziehung neuer Medien wie des Internets durch private Anbieter zu berücksichtigen seien und eine Inkohärenz von das Glücksspielangebot beschränkenden Maßnahmen nicht allein deshalb anzunehmen sei, weil die Werbepraktiken des Monopolisten darauf abzielen, zur aktiven Teilnahme an den Spielen anzuregen, etwa indem das Spiel verharmlost oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen, erhöht wird (vgl 1 Ob 229/20p).

2.1.2. Der Einwand der Berufungswerberin, herkömmliche Glücksspielautomaten und Videolotterie-Terminals („VLT“) würden – sachlich nicht gerechtfertigt – differenziert geregelt, wurde vom OGH ebenfalls bereits zu 1 Ob 229/20p unter Verweis auf die Judikatur des VwGH (Ro 2015/17/0022, Ra 2018/17/0048) verworfen.

2.1.3. Dass Online-Sportwetten und Online-Glücksspiele nicht gleich behandelt werden, steht der Unionsrechtskonformität des Glücksspielmonopols als solches nach der auf der Rechtsprechung des EuGH (vgl etwa EuGH C-46/08, Carmen Media , Rn 63) fußenden Judikatur des VwGH nicht entgegen, ebenso wenig die unterschiedliche Regulierung des Spielautomatenbereichs (Ra 2018/17/0048 Rn 41 ff; 88 ff). Eine Gleichbehandlung von Glücksspielen online und offline ist nach der Rechtsprechung des EuGH nicht in vollem Umfang geboten, weil das Anbieten von Glücksspielen über das Internet von Besonderheiten geprägt ist (EuGH C-46/08, Rn 101 ff mwN; vgl auch 3 Ob 72/21s).

2.1.4. Zur vermeintlich erforderlichen Darlegung der Erforderlichkeit des Glücksspielmonopols durch den „Staat Österreich“ im vorliegenden Verfahren ist die Berufungswerberin auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu verweisen, wonach es zum Nachweis, dass der bisherigen höchstgerichtlichen Judikatur deshalb keine Aussagekraft mehr zukomme, weil sie die aktuelle Werbepraxis der Konzessionsinhaber und das daraus folgende kontinuierliche Wachstum des österreichischen Glücksspielmarkts nicht berücksichtigt habe, der Beklagten obliege, konkret aufzuzeigen, inwieweit aus dieser behaupteten Praxis in jüngster Zeit Rückschlüsse gezogen werden können, dass es zu einer maßgeblichen Änderung jenes Sachverhalts gekommen wäre, der den vorangegangenen oberstgerichtlichen Entscheidungen zugrunde lag (1 Ob 229/20p; 7 Ob 213/21f ua). Dies erfolgt im vorliegenden Rechtsmittel jedoch nicht.

2.1.5. Auch das Vorliegen einer Notifikationsverpflichtung in Bezug auf § 14 GSpG idF des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl I 2010/111 wurde bereits vom Obersten Gerichtshof (3 Ob 200/21i, Rz 4.1. ff) geprüft und verneint.

Das Berufungsgericht sieht sich daher insgesamt nicht veranlasst, von der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abzugehen, wonach abschließend geklärt ist, dass das im Glücksspielgesetz normierte Monopol- bzw Konzessionssystem allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht. Näherer Feststellungen zu diesem Thema bedurfte es daher nicht.

2.2. Die Durchführung von Online-Glücksspielen in Österreich bedarf einer Konzession nach § 14 GSpG iVm § 1 Abs 1 und 2 GSpG iVm § 12a GSpG, andernfalls ist das Glücksspiel verboten. Verbotene Spiele erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern (vgl 7 Ob 225/16p mwN; RS0025607 [T1]). Die Argumentation der Berufungswerberin, es liege bloß ein Abschluss- und kein Inhaltsverbot vor, steht im Widerspruch zu dieser und davor zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Das Erstgericht hat daher mit zutreffender Begründung die Hauptforderung für berechtigt erachtet.

2.3.1. In Fällen der Rückabwicklung werden für den Zeitraum davor die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines von ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs („Vergütungszinsen“) fällig. Die Nutzungsmöglichkeit des Kapitals zwischen den Vertragsparteien wird nämlich dem Bereicherungsgläubiger zugeordnet. Es wäre daher nicht zu rechtfertigen, dem Schuldner den Nutzungsvorteil bis zum Einlangen eines Rückzahlungsbegehrens vorzubehalten; § 1000 ABGB ist in diesem Zusammenhang als Pauschalierung des gewöhnlichen Nutzungsentgelts für Geld zu verstehen.

Die Möglichkeit, das Geld aus den von der klagenden Partei erlittenen Spielverlusten zu nutzen, hatte die Beklagte ab dem Eintritt dieser Verluste.

Der unberechtigten Berufung war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Da gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt, von der das Berufungsgericht nicht abweicht, war die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen.

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