JudikaturOLG Wien

9Ra65/24f – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Pöhlmann als Vorsitzenden, die Richter Mag. Kegelreiter und Mag. Falmbigl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf North und Mag. Irene Holzbauer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. A* , geboren am **, p.A. **, vertreten durch Mag. Thomas Preisinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, B*, **, vertreten durch die Finanzprokuratur, **, wegen Feststellung (Streitwert nach RATG: EUR 20.000), über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 21.3.2024, **-13, gemäß § 2 ASGG, § 480 Abs 1 ZPO in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.220,42 (darin enthalten EUR 370,07 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger trat am 2.5.2019 in ein privatrechtliches Dienstverhältnis zur Beklagten, auf das das VBG Anwendung findet. Er wurde als Mitarbeiter des B* aufgenommen. Punkt 5. des Dienstvertrags vom 2.5.2019 lautete:

„Das Dienstverhältnis wird eingegangen auf bestimmte Zeit für die Dauer des Karenzurlaubs von Mag. C*, längstens jedoch bis zum 31.12.2021.“

Mit Nachtrag vom 19.1.2021 änderten die Parteien den Dienstvertrag vom 2.5.2019 in Punkt 5. mit Wirksamkeit vom 1.2.2021 wie folgt ab:

„Das Dienstverhältnis wird eingegangen auf bestimmte Zeit bis 1.11.2023.“

Die Verlängerung des Dienstverhältnisses wurde nicht zur Abdeckung einer Vertretung eingegangen.

Die Tätigkeit des Klägers wies mit der von Mag. C* keine Überschneidungen auf. Mag. C* war vor ihrer Karenz als Referentin im D* tätig und wurde für eine Stelle im europäischen Dienst in ** karenziert. Nach ihrer Karenz kehrte sie Ende 2023/Anfang 2024 in die Zentralstelle nach ** zurück.

Der Kläger durchlief nach seiner Aufnahme zunächst eine rund ein Jahr dauernde Grundausbildung, in welcher er verschiedene Abteilungen kennenlernte. Anschließend verbrachte er ein halbes Jahr in **. Nach bestandener Dienstprüfung wurde der Kläger ab Herbst 2021 in der österreichischen Vertretung in ** eingesetzt. Aufgrund einer Erkrankung wurde er nach Österreich abberufen.

Der Kläger begehrt die Feststellung, sein Dienstverhältnis zur Beklagten bestehe über den 1.11.2023 hinaus unbefristet fort. Eine bestehende Befristung dürfe gemäß § 4 Abs 4 VBG um nicht mehr als drei Monate verlängert werden. Da seine Befristung um 22 Monate verlängert worden sei, sei das ursprünglich befristete Dienstverhältnis als ein unbefristetes Dienstverhältnis anzusehen. Das Dienstverhältnis zur Beklagten sei daher aufrecht.

Die Beklagte wandte ein, der Kläger sei zur Vertretung von Mag. C* befristet aufgenommen worden. Dabei sei irrelevant, ob der aufgenommene Vertragsbedienstete den abwesenden Bediensteten unmittelbar vertrete, was aufgrund mangelnder Qualifikation regelmäßig gar nicht möglich sei. Bei einer Befristung zur Vertretung finde § 4 Abs 4 VBG gemäß § 4a Abs 1 iVm Abs 2 Z 1 VBG keine Anwendung. Dass das befristete Dienstverhältnis um 22 Monate verlängert worden sei, begründe daher kein unbefristetes Dienstverhältnis zwischen den Parteien.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt und stellte fest, dass das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten über den 1.11.2023 hinaus unbefristet fortbesteht. Seiner Entscheidung legte es den eingangs wiedergegeben, im Berufungsverfahren unstrittigen Sachverhalt zugrunde.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass gemäß § 4 Abs 4 VBG ein befristetes Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit verlängert werden könne, sofern diese Verlängerung nicht drei Monate überschreite. Werde das Dienstverhältnis darüber hinaus fortgesetzt, so sei es von Anfang an auf unbestimmte Zeit eingegangen. Das gelte gemäß § 4a Abs 1 iVm Abs 2 Z 1 VBG dann nicht, wenn der Vertragsbedienstete zur Vertretung aufgenommen worden sei. Die Verlängerung des ursprünglich befristeten Dienstverhältnisses sei nicht „zur Vertretung“ um 22 Monate erfolgt und gelte daher auf unbestimmte Zeit eingegangen. Ob die ursprüngliche Befristung zur Vertretung eingegangen worden sei oder nicht, könne dahingestellt bleiben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im klagsabweisenden Sinn abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

Die Beklagte argumentiert in ihrer ausschließlichen Rechtsrüge , die Aufnahme des Klägers sei zur Vertretung erfolgt, weshalb § 4a Abs 2 Z 1 VBG anwendbar sei. Eine unmittelbare Vertretung der karenzierten Bediensteten durch den zur Vertretung neu aufgenommenen Vertragsbediensteten sei nicht Voraussetzung und mangels dessen Vorerfahrungen und entsprechender Qualifikation gar nicht möglich. Darüber hinaus spreche § 7 Abs 2 der Anlage IV zum BFG 2019 (BGBl I Nr 19/2018) dafür, dass eine mittelbare Vertretung zulässig sei. Demnach könnten Vertragsbedienstete als Ersatzkräfte aufgenommen werden; das Beschäftigungsausmaß der Ersatzkraft bzw. die Summe der Beschäftigungsgrade von mehreren Ersatzkräften sowie die Wertigkeit des Arbeitsplatzes für einen Ersatzfall dürfe das Beschäftigungsausmaß sowie die Arbeitsplatzwertigkeit des Ersatzfalles nicht überschreiten. Würde die Aufnahme eines Vertragsbediensteten als Ersatzkraft zwingend die unmittelbare Vertretung des abwesenden Bediensteten erfordern, wäre eine Überschreitung des Beschäftigungsausmaßes oder der Arbeitsplatzwertigkeit nicht möglich und eine Regelung nicht notwendig. Schließlich habe der Kläger – wie sich aus § 15 des Bundesgesetzes über Aufgaben und Organisation des auswärtigen Dienstes ergäbe – die karenzierte Mag. C* sehr wohl vertreten.

Die Argumentation der Beklagten überzeugt nicht.

Ein Dienstverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen worden ist, kann gemäß § 4 Abs 4 VBG auf bestimmte Zeit einmal verlängert werden; diese Verlängerung darf drei Monate nicht überschreiten. Wird das Dienstverhältnis darüber hinaus fortgesetzt, so wird es von da ab so angesehen, wie wenn es von Anfang an auf unbestimmte Zeit eingegangen worden wäre.

Gemäß § 4a Abs 2 Z 1 VBG gilt § 4 Abs 4 VBG nicht, wenn der Vertragsbedienstete zur Vertretung aufgenommen wurde.

Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner - vom Erstgericht in wesentlichen Teilen wiedergegebenen - Entscheidung 9 ObA 97/00f mit einem vergleichbaren Sachverhalt auseinandergesetz, auf den zwar die Bestimmungen des § 4 Abs 4 und Abs 5 Z 1 OÖ LVBG Anwendung fanden, die jedoch mit den hier maßgeblichen §§ 4 Abs 4 und 4a Abs 2 Z 1 VBG inhaltlich ident sind. Wie im hier zu beurteilenden Fall war auch der dortige Kläger zunächst befristet für Dauer der Abwesenheit eines in Karenz befindlichen Bediensteten aufgenommen und in der Folge mit ihm ein weiteres befristetes Dienstverhältnis eingegangen worden, wobei das zweite Dienstverhältnis nicht zur Vertretung abgeschlossen wurde.

Der Oberste Gerichtshof wiederholte seine bereits zu 9 ObA 7/98i vertretene Rechtsauffassung, dass befristete Dienstverträge nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme bilden und nur in den im Gesetz umschriebenen Fällen zulässig sein sollen. Absicht des Gesetzgebers ist es, die Umgehung der Bestimmungen zu verhindern, die den sozialen Schutz des Vertragsbediensteten bei Dienstverhältnissen auf unbestimmte Zeit gewährleisten. Die enge Umschreibung der Zulässigkeit von wiederholten befristeten Dienstverhältnissen soll sicherstellen, dass grundsätzlich Dienstverhältnisse unbefristet begründet werden und wiederholte Befristungen nur dann wirksam erfolgen können, wenn es sich um einen tatsächlichen Vertretungsfall handelt. Nur dann tritt nach dem Willen des Gesetzgebers das Interesse des Dienstnehmers an der Begründung eines den vollen sozialen Schutz des Gesetzes genießenden unbefristeten Dienstverhältnisses gegenüber den Interessen des Dienstgebers an einer Vorsorge für einen bloß vorübergehenden Einsatz des Dienstnehmers zurück.

Vor diesem Hintergrund kann es bei der Anwendung der in § 4a Abs 2 Z 1 VBG normierten Ausnahme von § 4 Abs 4 VBG nur darauf ankommen, ob die Verlängerung des ursprünglich (aus welchen Gründen immer) befristeten Dienstverhältnisses deshalb nicht die in § 4 Abs 4 VBG normierten Rechtsfolgen auslöst, weil sie nur zur Vertretung erfolgte. Dies ergibt sich daraus, dass § 4 Abs 4 VBG die hier interessierende Rechtsfolge an die drei Monate überschreitende Verlängerung eines befristeten Dienstverhältnisses knüpft.

Der Oberste Gerichtshof gelangte in seiner Entscheidung 9 ObA 97/00f zum Ergebnis, dass es zu keiner anderen Beurteilung führt, wenn in der Ausnahmebestimmung – hier § 4a Abs 2 Z 1 VBG – nicht von der Verlängerung, sondern von der Aufnahme des Vertragsbediensteten die Rede ist. Wollte man nämlich iS einer reinen Wortinterpretation davon ausgehen, dass damit nicht auf die Verlängerung, sondern auf die (ursprüngliche) Begründung des Dienstverhältnisses („aufgenommen“) abgestellt wird, würde dies bedeuten, dass ein einmal zur Vertretung aufgenommener Vertragsbediensteter in keinem Fall mehr in den Genuss des Schutzes des § 4 Abs 4 VBG kommen könnte, und zwar auch dann nicht, wenn in weiterer Folge immer wieder nicht zur Vertretung oder vorübergehende Verwendung dienende Verlängerungen erfolgten. Ein derartiger Sinn kann aber den genannten Bestimmungen nicht unterstellt werden.

Entscheidend ist daher, dass mit dem Kläger zunächst ein - wenn auch zur Vertretung eingegangenes - befristetes Dienstverhältnis begründet wurde, das in der Folge nicht unter den in den genannten Ausnahmebestimmungen normierten Umständen („zur Vertretung“) auf mehr als drei Monate befristet verlängert wurde.

Wie das Erstgericht zutreffend ausführte, ist es daher auch nicht von rechtlicher Relevanz, ob dem ersten befristeten Dienstverhältnis ein tatsächlicher Vertretungsfall zu Grunde lag. Der Verlängerung des ursprünglich befristeten Dienstverhältnisses lag (unstrittig) auch faktisch kein Vertretungsfall zu Grunde.

Im Sinne der dargelegten Rechtslage ist daher das Dienstverhältnis des Klägers gemäß § 4 Abs 4 VBG als auf unbestimmte Zeit eingegangen anzusehen.

Die Rechtsrüge ist erweist sich damit als nicht berechtigt.

Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf § 2 ASGG, §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

Die ordentliche Revision war gemäß § 2 ASGG, § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen war. Die Rechtsmittelentscheidung hält sich im Rahmen der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung.

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