JudikaturOLG Wien

16R185/24d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
14. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Sonntag als Vorsitzenden und die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Elhenicky und Dr. Rieder in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A* , geb. am **, **, 2. B* , geb. am **, **, und 3. C* , geb. am **, p.A. **, alle vertreten Dr. Michael Jägerndorfer, Rechtsanwalt in Berndorf, wider die beklagte Partei D * , MSc., geb. am **, **, vertreten durch Ehrenhöfer Häusler Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, wegen Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts (Streitwert: EUR 24.000,--), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 5. November 2024, **-23, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 1.804,43 (darin EUR 300,74 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit Klage vom 20.12.2023 begehrten die Kläger von der Beklagten die Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts zu Gunsten der Kläger je zu 1/3 Anteilen ob der Liegenschaft EZ ** KG ** E*.

Die Klage und der Auftrag zur Klagebeantwortung wurden der Beklagten an der in der Klage angeführten Anschrift ** E*, **, durch Hinterlegung zugestellt. Erster Tag der Abholfrist war der 28.12.2023.

Das über Antrag der Kläger infolge ungenützten Verstreichens der Klagebeantwortungsfrist ergangene Versäumungsurteil vom 4.3.2024 wurde der Beklagten wieder durch Hinterlegung an der Anschrift ** E*, **, zugestellt. Erster Tag der Abholfrist war der 8.3.2024.

Mit Schriftsatz vom 23.4.2024 ersuchte die Beklagte um neuerliche Zustellung des durch Hinterlegung in ** E*, **, zugestellten behördlichen Dokuments zu Handen der Beklagtenvertreterin. Sie sei unter dieser Adresse niemals wohnhaft oder regelmäßig aufhältig und ebenso nicht polizeilich gemeldet gewesen. Sie habe dort keine gültige Abgabestelle gehabt. Ihr Hauptwohnsitz und ihre Zustelladresse seien in **.

Nach Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens in der Tagsatzung vom 6.9.2024 zur Überprüfung der bisher erfolgten Zustellungen an die Beklagte durch Einvernahme der Beklagten sowie des Zeugen F*, des für die Hinterlegung des Versäumungsurteils verantwortlichen Zustellers, hielt das Erstgericht ausdrücklich fest, es gehe davon aus, dass die Zustellungen bislang nicht ordnungsgemäß erfolgt seien; es kündigte an, aus diesem Grund die Zustellung der Klage, des Auftrags zur Klagebeantwortung und des Versäumungsurteils förmlich an die Beklagtenvertreterin zu veranlassen (Protokoll ON 19.2 Seite 3).

Die Zustellung der Klage, des Auftrags zur Klagebeantwortung und des Versäumungsurteils an die Beklagtenvertreterin erfolgte im Wege des ERV am 2.10.2024.

Die Beklagte erstattete am 30.10.2024 Klagebeantwortung; diese wies das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurück; zur Begründung verwies es auf das in Ermangelung eines Widerspruchs oder eines Rechtsmittels mit Ablauf der vierwöchigen Rechtsmittelfrist am 31.10.2024 in Rechtskraft erwachsene Versäumungsurteil.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos zu beheben.

Die Kläger beantragten, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

Die Rekurswerberin macht geltend, bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Erstgericht zunächst das Versäumungsurteil nach amtswegiger Durchführung des Erhebungsverfahrens aufgrund des festzustellenden nichtigen Zustellvorgangs aufheben müssen. Der Nichtigkeitsgrund der nicht gesetzmäßigen Zustellung sei von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens aufzugreifen. Der durch die §§ 226ff ZPO vorgegebene Verfahrensablauf sehe die Einleitung des Verfahrens mit Klage und den Auftrag zur Erstattung der Klagebeantwortung vor. Solange Klage und Auftrag zur Erstattung der Klagebeantwortung der Beklagten nicht zugestellt worden seien, könne auch die vierwöchige Frist des § 230 Abs 1 ZPO nicht in Gang gesetzt worden sein. Damit habe das am 4.3.2024 erlassene Versäumungsurteil keine Rechtswirkungen entfalten und noch weniger in Rechtskraft erwachsen können, sei doch die für seine Erlassung erforderliche Voraussetzung, nämlich der Ablauf der vierwöchigen Frist zur Erstattung der Klagebeantwortung, noch nicht abgelaufen gewesen. Auch die „prophylaktische“ Erhebung eines Widerspruchs sei nicht in Betracht gekommen, hätte dieser Rechtsbehelf doch die Kostenfolgen des § 397a Abs 4 ZPO zur Folge, die ihr aber aufgrund des nichtigen Zustellvorgangs nicht zugemutet werden könnten.

Mit dem Vorwurf, das Erstgericht hätte die Nichtigkeit des Versäumungsurteils infolge der fehlerhaften Zustellung der Klage samt Auftrag zur Klagebeantwortung von Amts wegen wahrnehmen müssen, setzt sich die Rekurswerberin allerdings über die Rechtsprechung hinweg, wonach die amtswegige Wahrnehmung einer Nichtigkeit das Vorliegen eines zulässigen Rechtsmittels gegen die davon betroffene Entscheidung voraussetzt (RS0041942 [T9, T11, T13]). Um das Versäumungsurteil wegen einer ihm anhaftenden Nichtigkeit aus dem Rechtsbestand zu beseitigen, hätte es daher der Ergreifung eines in der ZPO vorgesehenen Rechtsmittels durch die Beklagte bedurft, hier konkret der Einbringung einer Nichtigkeitsberufung wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO.

Das Erstgericht durfte daher – ungeachtet des § 469 Abs 3 ZPO - das Versäumungsurteil ohne entsprechendes Rechtsmittel nicht von Amts wegen als nichtig aufheben (vgl. RS0041333; RS0041942). Es war gemäß § 416 Abs 2 ZPO an sein schriftlich gefälltes Urteil bereits mit Abgabe zur Ausfertigung am 4.3.2024 gebunden. Mit diesem Zeitpunkt lag der Instanzschluss vor: Nach dem Eintritt der Bindung an seine Entscheidung kann das Gericht von dieser auch wegen einer vorliegenden Nichtigkeit nicht mehr abgehen (RS0041733; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka 5 § 416 ZPO Rz 2).

Angesichts des aufrechten Bestehens des Versäumungsurteils befand sich das Verfahren daher im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulässigkeit der Klagebeantwortung nicht mehr im erstinstanzlichen Stadium; vor Beseitigung des Versäumungsurteils im Wege einer Berufung oder eines Widerspruchs nach § 397a ZPO war die Erstattung einer Klagebeantwortung unabhängig davon, ob die Klage ordnungsgemäß zugestellt worden war, unzulässig. Die angefochtene Zurückweisung der Klagebeantwortung erfolgte zu Recht.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41 Abs 1, 50 ZPO.

Nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig (vgl RS0044518).

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