33R132/24k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Tscherner und den Richter Mag. Eilenberger-Haid in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei ***** , gegen die beklagten Parteien und Gegner:innen der gefährdeten Partei 1. ***** , vertreten durch *****, 2. ***** , vertreten durch *****, 3. ***** , vertreten durch *****, und 4. ***** , vertreten durch *****, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien ***** , vertreten durch *****, hier wegen Kosten, über den Rekurs der klagenden Partei gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30.7.2024, korrigiert mit Beschluss vom 31.7.2024, 39 Cg 45/24x-48/50 (Rekursinteresse EUR 7.174,08 gegenüber der 1. Beklagten, EUR 5.375,46 gegenüber dem 2. Beklagten, EUR 5.977,80 gegenüber dem 3. Beklagten, EUR 5.977,80 gegenüber der 4. Beklagten und EUR 3.587,40 gegenüber dem Nebenintervenienten) in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben. Die Kostenentscheidung wird im Hinblick auf die erst- bis viertbeklagte Partei abgeändert. Sie lautet insgesamt:
«Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien und dem Nebenintervenienten binnen 14 Tagen die Verfahrenskosten zu ersetzen, und zwar
- der 1. Beklagten EUR 3.596,40 (darin enthalten EUR 598,60 USt und EUR 4,80 Barauslagen),
- dem 2. Beklagten EUR 3.591,60 (darin enthalten EUR 598,60 USt),
- dem 3. Beklagten EUR 4.192,58 (darin enthalten EUR 698,03 USt und EUR 4,40 Barauslagen),
- der 4. Beklagten EUR 4.192,98 (darin enthalten EUR 698,03 USt und EUR 4,80 Barauslagen) und
- dem Nebenintervenienten EUR 3.587,40 (darin enthalten EUR 597,10 USt und EUR 4,80 Barauslagen).»
Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen den folgenden beklagten Parteien die folgenden Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen:
- dem 2. Beklagten EUR 134,29 (darin enthalten EUR 22,38 USt),
- dem 3. Beklagten EUR 167,57 (darin enthalten EUR 27,93 USt) und
- der 4. Beklagten EUR 167,57 (darin enthalten EUR 27,93 USt).
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung
Text
Die klagende Rechtsanwaltsgesellschaft hat die 1. beklagte Rechtsanwalts OG und ihre persönlich haftenden Gesellschafter wegen eines Verstoßes gegen die §§ 1 und 2 UWG auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung in Anspruch genommen. Die 1. Beklagte behaupte unrichtig und irreführend, sie würde auf ihrer Website keine Cookies verwenden. Sie würde sich durch die Nichteinhaltung der DSGVO gegenüber der Klägerin einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Zur Sicherung des Unterlassungsbegehrens hat die Klägerin auch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt, die – nicht rechtskräftig – abgewiesen wurde. Dabei wurden den Beklagten jeweils auf Basis des Streitwerts im Provisorialverfahren von EUR 47.200 Kosten für eine Äußerung zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zugesprochen. Der Nebenintervenient auf Seiten der Beklagten hat die Website der 1. Beklagten erstellt.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Erstgericht das Klagebegehren mit dem Gesamtstreitwert von EUR 52.200 abgewiesen und den Kläger gegenüber den Beklagten und dem Nebenintervenienten auf Basis der verzeichneten Kosten zum Kostenersatz nach § 41 ZPO verurteilt.
Die Klägerin wendet sich mit ihrem Kostenrekurs gegen die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil. Sie beantragt, die Kostenentscheidung ersatzlos aufzuheben, in eventu die Kostenentscheidung aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, in eventu, die Kosten mit Null zu bestimmen.
Die Beklagten beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Der Nebenintervenient hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist teilweise berechtigt.
1. Die Beklagten haben in der Hauptsache zur Gänze obsiegt. Ihnen und dem Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten steht daher Kostenersatz nach § 41 ZPO zu.
2. Der Klägerin ist zuzustimmen, dass den Beklagten, die die Klagebeantwortung und die Äußerung zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung jeweils in einem Schriftsatz erstattet haben, nicht doppelte Kosten für den Schriftsatz zugesprochen werden können. Im Provisorialverfahren wurden den Beklagten in zweiter Instanz für die Äußerung zum Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung auf Basis eines Streitwerts im Provisorialverfahren von EUR 47.200 jeweils Kosten für einen Schriftsatz nach TP 3A samt einfachem Einheitssatz, ERV Eingabekosten und USt, das sind EUR 1.486,55 netto (EUR 1.783,86 brutto) zugesprochen. Für die nunmehr verzeichneten Klagebeantwortungen, gebührt den Beklagten eine Entlohnung für einen Schriftsatz auf Basis des Gesamtstreitwerts von EUR 52.200 zuzüglich doppeltem Einheitssatz. Davon sind die Kosten abzuziehen, die für den ersten Schriftsatz, der gleichzeitig die Äußerung im Provisorialverfahren war, bereits zugesprochen wurde.
Die 1. Beklagte und der 2. Beklagte haben für die Klagebeantwortung nur einen Einheitssatz von 50 % verzeichnet; ihnen ist daher für die Klagebeantwortung auch kein doppelter Einheitssatz zuzusprechen.
3. Die Klägerin moniert zu Unrecht, dass die Beklagten nach der Klagebeantwortung/Äußerung zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung noch vorbereitende Schriftsätze eingebracht haben. Diese waren nach § 257 Abs 3 ZPO zulässig und angesichts der Tatsache, dass sie auch Vorbringen enthielten, die über das in den ersten Schriftsätzen erstattete Vorbringen hinausgingen, im Sinn des § 41 ZPO auch zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig. Den Beklagten sind daher Kosten für einen vorbereitenden Schriftsatz zu ersetzen. Anderes gilt für die Erstattung eines zweiten vorbereitenden Schriftsatzes durch die 1. Beklagte: Aus Sicht des Rekursgerichts hätte die 1. Beklagte die Streitverkündung vom 20.6.2024 und den vorbereitenden Schriftsatz vom 4.7.2024 verbinden können. Auch angesichts des ohnehin schon überschaubaren Sachvorbringens in diesem Verfahren war nur die Erstattung eines vorbereitenden Schriftsatzes zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.
4. Nicht ersichtlich ist, wieso den Beklagten für die Teilnahme an der Tagsatzung vom 11.7.2024 keine Kosten zu ersetzen sein sollen. Die Tagsatzung hat tatsächlich stattgefunden, und die Parteien waren dort durch ihre Vertreter vertreten. Ihnen stehen die verzeichneten Kosten nach TP 3A RATG zu.
5. Der Nebenintervenient ist mit Schriftsatz vom 4.7.2024 wirksam (vgl § 18 ZPO) „auf Seiten der beklagten Parteien“ beigetreten und hat sich dem Gerichtsverfahren als „Nebenintervenient auf Seiten der beklagten Parteien“ angeschlossen. Er hat in diesem Schriftsatz ein rechtliches Interesse am Streitbeitritt dargetan und einen vorbereitenden Schriftsatz erstattet. Ihm stehen daher Kosten nach TP 3A RATG zu. Nicht nachvollziehbar ist der Einwand der Klägerin, aus dem Beitrittsschriftsatz sei nicht ersichtlich, auf wessen Seite er beitritt, zumal er in der Beitrittserklärung klar formuliert hat, er trete auf Seiten der Beklagten bei.
6. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Wien hat grundsätzlich jede Partei das Recht, den Anwalt ihres Vertrauens beizuziehen. Es kann Streitgenossen nicht zugemutet werden, sich bei sonstigem teilweisen Verlust ihres Kostenersatzanspruchs auf einen gemeinsamen Anwalt einigen zu müssen (OLG Wien 1.12.2023, 3 R 127/23b mwN; M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 § 41 ZPO Rz 35, das dortige Zitat in Fn 159 lautet richtig: AnwBl 2004/7950, 523 = OLG Wien 26.5.2004, 14 R 9/04b). Darüber hinaus hat das Erstgericht zur Begründung ausgeführt, der Vorwurf der Kostentreiberei sei auch deshalb unbegründet, weil in der Kanzlei der Beklagten eine Ressortverteilung gelte und sich die Interessenlage im Fall eines Prozessverlusts und Regresses unterschiedlich darstellen könne. Außerdem würden sich die Rechtsanwälte dem Vorwurf der Doppelvertretung aussetzen (vgl RS0055534). Auf diese – berechtigten – Argumente ist die Klägerin im Kostenrekurs nicht eingegangen.
7. Schließlich behauptet die Klägerin, die Kostenentscheidung sei nichtig, weil sie durch einen unzuständigen Richter getroffen worden sei, konkret, weil die anzuwendende Geschäftsverteilung des Handelsgerichts Wien verfassungs- und somit rechtswidrig sei. Nach § 260 Abs 2 ZPO kann die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sich beide Parteien in die mündliche Streitverhandlung eingelassen haben, ohne diesen Umstand geltend zu machen. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass ein nach der Geschäftsverteilung nicht zuständiger Richter tätig wird, sondern auch, dass die Geschäftsverteilung selbst gesetzwidrig ist, weil sie verfassungs- oder einfachgesetzlichen Vorgaben widerspricht ( Kodek in Fasching/Konecny ³ § 260 ZPO Rz 10/1; Pimmer in Fasching/Konecny ³ § 477 ZPO Rz 46; vgl RS0039915). Das Unterbleiben der Rüge seitens beider Parteien führt zur absoluten Heilung ( Pimmer aaO Rz 32, 60). Abgesehen davon, dass es der Klägerin nicht gelingt, eine Verfassungswidrigkeit der Geschäftsverteilung des Handelsgerichts Wien aufzuzeigen, hat keine der Parteien einen „Geschäftsverteilungsmangel“ gerügt, sodass ein solcher nach § 260 Abs 2 ZPO nicht mehr aufgegriffen werden könnte.
8. Im Ergebnis dringt die Klägerin gegenüber der 1. Beklagten mit ca 50 % ihres Rekursinteresses durch. Zwischen der Klägerin und der 1. Beklagten werden die Rekurskosten daher aufgehoben. Gegenüber dem 2., dem 3. und der 4. Beklagten dringt die Klägerin mit jeweils rund 30 % durch, gegenüber dem Nebenintervenienten gar nicht. Die Klägerin hat daher dem 2., dem 3. und der 4. Beklagten jeweils ein Drittel der Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kostenrekursbeantwortungen nach TP 3A zu honorieren sind.
9. Der Revisionsrekurs ist nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.