JudikaturOLG Wien

14R94/24g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
23. September 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Curd Steinhauer als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Margit Schaller und Dr. in Kristina Heissenberger in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch die Likar Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich , vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen EUR 5.000,- sA (in eventu: Feststellung), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30.4.2024, 33 Cg 22/23g-11, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Soweit die Berufung Nichtigkeit geltend macht, wird sie verworfen .

Im Übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 731,16 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Parteienvorbringen:

1. Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei den Ersatz von EUR 5.000,- sA aus dem Titel der Amtshaftung, in eventu eine Haftungsfeststellung. Sie habe diesen Betrag der B* GmbH (im Folgenden: B*) aufgrund einer Vereinbarung vom 14.6.2018 als qualifiziertes Nachrangdarlehen zur Verfügung gestellt, weil ihr hohe Renditen und niedrige Risiken versprochen worden seien. Schon dadurch sei der Schaden in ihrem Vermögen eingetreten, da die B* in Wirklichkeit keine ausreichenden Gewinnmargen erwirtschaftet habe, um solche Renditen zu ermöglichen, und außerdem die investierten Gelder zweckwidrig verbraucht habe. Das System habe nur durch Neuinvestitionen aufrecht erhalten werden können. Es seien über Jahre hinweg Gelder privater Kleinanleger eingesammelt worden, in undurchsichtige Kanäle im Nahebereich des Firmengründers C* verschwunden und nunmehr dem Zugriff der Gläubiger entzogen. Durch „kumuliertes Behördenversagen“, „jahrelanges Wegsehen“, Nichterfüllung von Überwachungs- und Kontrollpflichten sowie unvertretbare Handlungsweisen seitens der Behörden sei die klagende Partei um ihr Erspartes gebracht worden, wofür die beklagte Partei als Rechtsträgerin einzustehen habe.

Im Einzelnen wirft die klagende Partei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) vor, im Jahr 2021 das gegen C* eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Betrugs eingestellt und die bereits beschlagnahmten Bargeldbeträge und Bankguthaben in Höhe von EUR 3,567.140,08 wieder freigegeben zu haben, weil ein Betrug nicht nachweisbar sein werde; dies obwohl es sich bei den angewendeten „Ponzi-Schemes“ um eine bekannte Betrugsmasche im Finanzsektor handle. Die klagende Partei sei von der Einstellung nicht informiert worden und habe daher keinen Fortsetzungsantrag stellen können. Außerdem habe die WKStA von vornherein nicht in Richtung Krida ermittelt, weil die B* angeblich nicht zahlungsunfähig sei. Durch diese unvertretbare Vorgehensweise habe sie die Anspruchsdurchsetzung der klagenden Partei verunmöglicht. Wäre sie ihren Ermittlungspflichten nach § 2 StPO nachgekommen, hätte der Schaden aus den beschlagnahmten Guthaben wieder gut gemacht werden können; mittlerweile seien jedoch die B* insolvent, die beschlagnahmten Gelder verschwunden und C* nicht greifbar. Die im Insolvenzverfahren angemeldete Forderung sei vom Insolvenzverwalter bestritten worden. Die klagende Partei habe auch keine anderweitigen Ersatzleistungen erhalten; ihre Haftungsklage gegen die Prospektprüferin sei (nicht rechtskräftig) abgewiesen worden. Als zum Zeitpunkt der Einstellung bereits geschädigtes Opfer der Straftaten des C* im Sinne des § 65 Z 1 lit c StPO seien ihre Ansprüche auf Schadenswiedergutmachung vom Schutzzweck der StPO erfasst.

Die Finanzmarktaufsicht (FMA) habe als Aufsichtsbehörde schuldhaft nicht erkannt, dass das Geschäftsmodell der B* lediglich darauf ausgerichtet gewesen sei, einen Scheinbetrieb zur Aufrechterhaltung des Systems aufzubauen, jedoch niemals die ernsthafte Absicht bestanden habe, die aufgenommenen Darlehen samt Zinsen aus operativen Gewinnen zurückzuzahlen. Es hätte ihr auffallen müssen, dass überdurchschnittlich hohe Provisionen bezahlt wurden und der den Anlegern in Aussicht gestellte Zinsbetrag realistischerweise niemals hätte erzielt werden können. Auch hätte ihr auffallen müssen, dass die B*, ohne über entsprechende Konzessionen bzw. Gewerbeberechtigungen zu verfügen oder den entsprechenden Sicherungseinrichtungen anzugehören, Pfanddarlehen angeboten, gewerbliche Vermögensberatungen durchgeführt, Bank- und Anlagegeschäfte betrieben und entgegen dem gesetzlichen Verbot des AIFMG Alternative Investmentfonds an Private vertrieben und dadurch gegen das BWG, das AIFMG, das WAG und das KMG verstoßen habe. Wäre sie pflichtgemäß vorgegangen, hätte sie das gesetzwidrige Geschäftsmodell aufgedeckt und beendet. Durch das unvertretbare Unterlassen der gebotenen Prüf- und Verfolgungsschritte habe sie gegen ihre Aufsichtspflichten nach BWG, WAG, InvFG, ESAEG und AIFMG verstoßen, wofür die beklagte Partei einzustehen habe. § 3 FMABG sei bei verfassungskonformer Interpretation nicht anwendbar und verstoße überdies gegen Unionsrecht.

Schließlich habe es auch die Gewerbebehörde unterlassen, die ihr nach der GewO zukommenden Pflichten zu erfüllen und zu überprüfen, ob die B* das Gewerberecht einhalte. Sie habe dadurch Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB verletzt, wofür ebenfalls die beklagte Partei hafte. Die B* habe ab 2015 eine Gewerbeberechtigung als Pfandleiherin gehabt, jedoch - zum Teil schon früher - konzessionspflichtige Finanz- und Bankgeschäfte betrieben, Liegenschaften und Gesellschaftsanteile gesetzwidrig in Pfand genommen und weitere Geschäfte fernab ihrer Gewerbeberechtigung, insbesondere gewerbliche Vermögensberatung, getätigt. Da die Gewerbebehörde gewusst habe, dass C* deutscher Staatsbürger sei, hätte sie eine deutsche Strafregisterbescheinigung verlangen müssen. Daraus wäre hervorgegangen, dass der Genannte in Deutschland bereits im Jahr 2010 wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in 14 Fällen und wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden sei, sodass ihm keine Gewerbeberechtigung hätte erteilt werden dürfen. Die Gewerbebehörde hätte auch erkennen müssen, dass sich die B* nicht an die Wohlverhaltensregeln des WAG 2018 gehalten, keine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen und sich über gewerberechtliche Vorschriften hinweggesetzt habe; sie hätte einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen verfügen und Verwaltungsstrafen verhängen müssen. Wäre sie ihren Aufsichtspflichten nachgekommen, hätte die B* keine gewerbliche Tätigkeit ausüben dürfen und die klagende Partei hätte nie investieren können. Der Schutzzweck der GewO umfasse alle Personen, die mit dem Gewerbetreibenden in Geschäftsbeziehung stehen, und somit auch die klagende Partei.

2. Die beklagte Partei bestreitet das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Sie wendet zusammengefasst ein, die Klage sei unschlüssig, weil sich daraus nicht ergebe, aufgrund welcher Hinweise die Behörden welche Maßnahmen hätten ergreifen sollen, um den behaupteten Schaden zu verhindern. Bevor die klagende Partei ihre Investition getätigt habe, sei ein Veranlagungsprospekt veröffentlicht gewesen, der laut Kontrollvermerk der Prospektprüferin alle erforderlichen Angaben enthalten und insbesondere auf das Totalverlustrisiko hingewiesen habe.

Für Ansprüche aus dem Verhalten der FMA sei die klagende Partei gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht aktiv legitimiert; gegen diese Bestimmung beständen nach der dazu ergangenen Judikatur des VfGH, des OGH und des EuGH keine verfassungs- oder unionsrechtlichen Bedenken. Abgesehen davon habe die FMA gehandelt, soweit ihr dies im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ihrer Befugnisse möglich gewesen sei.

Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die WKStA sei ausführlich begründet worden; die klagende Partei habe dagegen keinen Fortführungsantrag nach § 195 StPO gestellt und dadurch ihre Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG verletzt. Hinweise auf angeblich „kridaträchtiges Verhalten“ seien damals nicht vorgelegen; die Insolvenz sei erst 17 Monate später eingetreten.

Die Gewerbebehörde habe seit der Gewerbeanmeldung keinen Anlass für weitere Überprüfungen gehabt; es seien ihr keine Tatsachen bekannt geworden, die darauf schließen ließen, dass Tätigkeiten ausgeübt werden, die über den Umfang des freien Gewerbes „Pfandleiher“ hinausgingen. Die Anmeldung sei zur Kenntnis zu nehmen gewesen, weil aus den Unterlagen die Schweiz als Herkunftsstaat von C* hervorgegangen sei und die vorgelegte Schweizer Strafregisterbescheinigung keinen Eintrag aufgewiesen habe.

Alle Organe der beklagten Partei hätten somit rechtmäßig, jedenfalls aber vertretbar gehandelt. Die anzuwendenden Rechtsnormen würden nicht bezwecken, Anleger vor dem Eintritt von Vermögensschäden infolge fehlerhafter oder strafgesetzwidriger Geschäftsführung zu schützen; der Ersatzfähigkeit der behaupteten Schäden stehe daher auch der mangelnde Rechtswidrigkeitszusammenhang entgegen. Die Schadenshöhe stehe noch nicht fest, weil unbekannt sei, ob und in welchem Ausmaß die klagende Partei aus der Insolvenzmasse der B* befriedigt werde.

II. Angefochtenes Urteil und Rechtsmittel:

Das Erstgericht hat das Klagebegehren schon aus rechtlichen Erwägungen abgewiesen und die klagende Partei zum Kostenersatz verpflichtet. Eine Haftung der beklagten Partei wegen allfälligen Fehlverhaltens der FMA scheide schon im Hinblick auf § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG und die dazu ergangene Judikatur aus. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren bezwecke nicht die Verhinderung bzw. Wiedergutmachung von Vermögensschäden nicht aktenkundiger Personen; aus dem Klagsvorbringen ergebe sich nicht, dass die Staatsanwaltschaft vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B* von einem Schaden der klagenden Partei Kenntnis gehabt oder haben hätte müssen. Die gewerberechtlichen Vorschriften wiederum bezweckten nicht den Schutz der wirtschaftlichen Interessen eines Geldgebers, der in einen Gewerbetreibenden investiere. Insgesamt mangle es dem Klagebegehren daher an einer haftungsbegründenden Rechtsgrundlage.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der klagenden Partei wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel mit den Anträgen, es primär wegen Nichtigkeit aufzuheben, hilfsweise es im stattgebenden Sinn abzuändern oder zur Verfahrensergänzung aufzuheben und an das Erstgericht zurück zu verweisen.

Die beklagte Partei beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

III. Berufungsentscheidung:

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist im Ergebnis nicht berechtigt.

A. Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens :

Nichtig nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO soll das angefochtene Urteil sein, weil es keine Feststellungen enthält; mangelhaft soll das erstinstanzliche Verfahren sein, weil keine der beantragten Beweise aufgenommen wurden. Diese beiden inhaltlich zusammenhängenden Berufungsgründe liegen jedoch nicht vor.

Die klagende Partei übersieht nämlich, dass das Erstgericht das Klagebegehren schon aufgrund des Klagsvorbringens aus rechtlichen Erwägungen abgewiesen hat. Es war der Ansicht, dass sich aus den vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der behauptete Amtshaftungsanspruch materiell-rechtlich nicht ableiten lasse. Damit hat es die Klage im Ergebnis als unschlüssig beurteilt (vgl. RIS-Justiz RS0037516).

Ein solches Unschlüssigkeitsurteil verneint nur die Schlüssigkeit der Klagsbehauptungen und bedarf somit keiner Feststellungen (2 Ob 109/16t; RIS-Justiz RS0037755 [T3]). Eine Nichtigkeit kann daraus nicht abgeleitet werden. Soweit es aber keiner Sachverhaltsfeststellungen bedarf, kann auch die Unterlassung von Beweisaufnahmen zur Ermittlung des Sachverhalts keinen Verfahrensmangel begründen.

Soweit die Schlüssigkeit des Klagebegehrens zu Unrecht verneint wurde, liegt eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor, die im Rahmen der Rechtsrüge zu behandeln ist.

B. Unrichtige rechtliche Beurteilung :

1. Allgemeines:

a) Das Erstgericht hat die Klage, ohne Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen, rein aus rechtlichen Erwägungen abgewiesen. Es ist also – ohne dies ausdrücklich zu sagen – davon ausgegangen, dass das Klagebegehren unschlüssig sei.

Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS-Justiz RS0037516). Dass sich das Sachbegehren aus den vorgetragenen Tatsachen nicht rechtlich ableiten lässt und die Klage daher unschlüssig ist, kann zwei Ursachen haben: Entweder sind die vorgetragenen Tatsachen zu unvollständig geblieben, um die begehrte Rechtsfolge daraus ableiten zu können (Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit), oder es lässt sich auch im Fall eines ergänzten Sachvortrags der behauptete Tatbestand nicht unter die für die Rechtsfolge maßgebenden Rechtsnormen subsumieren (Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn; vgl. 2 Ob 215/09w).

Die Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn ist unheilbar und führt zur sofortigen Klagsabweisung, da es schlicht keinen möglichen Anspruch der klagenden Partei gibt. Bei Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit ist das Klagebegehren hingegen nicht sofort abzuweisen, sondern das Gericht muss eine Verbesserung durch ergänzendes Tatsachenvorbringen anregen (§ 182 ZPO; RIS-Justiz RS0037516 [T2, T4]).

Im Folgenden wird anhand des Klagsvorbringens und der materiellen Rechtslage zu prüfen sein, ob die vorliegende Klage tatsächlich – wie das Erstgericht angenommen hat – unschlüssig im eigentlichen Sinn ist.

b) Die klagende Partei will einen Amtshaftungsanspruch geltend machen. Gemäß § 1 Abs 1 des Amtshaftungsgesetzes (AHG) haften die dort genannten Rechtsträger, darunter der Bund, für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben, nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Eine allfällige Schadenersatzverpflichtung der beklagten Partei richtet sich daher nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen insbesondere der §§ 1293 ff ABGB und setzt somit nicht bloß ein rechtswidriges , sondern auch ein schuldhaftes und für den eingetretenen Schaden adäquat kausales Verhalten der handelnden Organe voraus. Als schuldhaft gilt im Amtshaftungsrecht nur ein Verhalten, das bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände als unvertretbar bezeichnet werden muss, etwa weil es ohne sorgfältig begründete Erwägungen von einer völlig eindeutigen Gesetzeslage oder ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht. Zu ersetzen sind nur jene Schäden, deren Eintritt die übertretenen Vorschriften gerade verhindern wollten oder deren Verhinderung zumindest mitbezweckt war ( Rechtswidrigkeitszusammenhang , RIS-Justiz RS0050038 [T21]).

Diesen Kriterien müsste das Klagsvorbringen also entsprechen, um eine schlüssige Amtshaftungsklage darzulegen.

2. Haftung für die Staatsanwaltschaft:

a) Die klagende Partei hat vorgebracht, dass ihr geltend gemachter Vermögensschaden von EUR 5.000,- bereits mit ihrer Zahlung an die B* am 14.6.2018 eingetreten sei. Dies entspricht durchaus der Judikatur, wonach der (reale) Schaden beim Erwerb nicht gewünschter Vermögenswerte (hier: einer Darlehensforderung aus dem qualifizierten Nachrangdarlehen) bereits durch den Erwerb eintritt (RIS-Justiz RS0129706).

b) Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen C* und die Freigabe der beschlagnahmten Bargeldbeträge und Bankguthaben durch die WKStA ist nach dem Klagsvorbringen jedoch erst im Jahr 2021 erfolgt. Aus dieser zeitlichen Abfolge ergibt sich klar, dass die kritisierten Verfahrenshandlungen der WKStA für den Eintritt des geltend gemachten Schadens nicht ursächlich gewesen sein können. Ein Amtshaftungsanspruch wegen des Verhaltens der WKStA ist schon aus diesem Grund ausgeschlossen.

c) Soweit die klagende Partei andeutungsweise vorbringt, durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens seitens der WKStA sei die Einbringlichkeit ihrer Darlehensforderung und damit die Schadensgutmachung vereitelt worden, vermag auch dies ihren Anspruch nicht schlüssig zu begründen, da ein bereits eingetretener Schaden durch die Vereitelung seiner Behebung nicht (noch einmal) verursacht wird.

d) Überlegungen zum Schutzzweck einschlägiger Bestimmungen der StPO können daher auf sich beruhen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang nur, dass nicht alle Bestimmungen der StPO bei der maßgebenden teleologischen Betrachtungsweise auch dem Schutz des durch eine Straftat Geschädigten dienen. Vielmehr ist bei jeder einzelnen Norm der StPO der Normzweck zu erfragen, der sich aus der wertenden Beurteilung des Sinnes der Vorschrift ergibt (RIS-Justiz RS0050078). Die Vorschrift des § 190 Z 2 StPO über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens, wenn kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht, soll den Beschuldigten vor ungerechtfertigter Strafverfolgung schützen, nicht jedoch allfällige Opfer vor dem Verlust der Möglichkeit zur Schadenswiedergutmachung. Es fehlt daher hinsichtlich der Verfahrenseinstellung auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang.

e) Inwiefern die Unterlassung von Ermittlungen wegen Krida den Schaden der klagenden Partei verursacht oder dessen Wiedergutmachung vereitelt haben soll, bleibt nach dem Klagsvorbringen überhaupt im Dunklen. Wäre die B* im Jahr 2021 tatsächlich schon insolvent gewesen, hätte die klagende Partei ja gerade nicht damit rechnen können, ihre Darlehensforderung hereinzubringen.

3. Haftung für die FMA:

a) Nach der am 15.6.2018 in Kraft getretenen Bestimmung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG können Schäden, die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in § 2 FMABG genannten Bundesgesetze verursacht wurden, nur dann Gegenstand von Amtshaftungsansprüchen sein, wenn sie Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach dem FMABG unterliegen. Der unmissverständliche Wortlaut dieser Bestimmung („ Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen “), welcher auch verfassungsrechtlich unbedenklich ist (VfGH 16.12.2021, G 224/2021), schließt die Geltendmachung derartiger Amtshaftungsansprüche durch die klagende Partei von vornherein aus. Die in der Berufung zitierten älteren oberstgerichtlichen Entscheidungen, die noch die Klagslegitimation von Anlegern bejahen, beruhen auf einer überholten Rechtslage und sind daher für den vorliegenden Fall irrelevant.

b) Wohl auch deshalb bemüht sich die Berufung ausführlich, die Nichtanwendbarkeit des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG wegen Unionsrechtswidrigkeit zu begründen. Richtig ist, dass nationale Gesetzesbestimmungen, die dem Unions–recht widersprechen, infolge dessen Anwendungsvorrangs nicht anzuwenden sind (vgl. RIS-Justiz RS0109951). Dem Berufungsgericht sind jedoch keine Normen des Unionsrechts bekannt, denen zu entnehmen wäre, dass der europäische Gesetzgeber eine zwingende Haftung der nationalen Aufsichtsbehörden oder der Mitgliedstaaten gegenüber geschädigten An- und Einlegern im Fall einer unzureichenden Finanzmarktaufsicht vorsehen wollte. Insbesondere ergibt sich eine solche Haftung weder aus der bereits außer Kraft getretenen Richtlinie 94/19/EG bzw. der seit 4.7.2015 an deren Stelle getretenen Richtlinie 2014/49/EU über Einlagensicherungssysteme, noch aus den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Paul (C-222/02) und Balgarska Narodna Banka (C-501/18).

c) Auch die These der klagenden Partei, ein Haftungsausschluss des Mitgliedstaates gegenüber Anlegern sei nur dann unionsrechtskonform, wenn die Anleger im konkreten Fall auf Ansprüche aus der Einlagensicherung zurückgreifen könnten, lässt sich anhand dieser Rechts–quellen nicht verifizieren. Fraglich erscheint schon, ob die beiden genannten Richtlinien auf Fälle wie den vorliegenden anwendbar sind, beziehen sie sich doch auf Einlagen bei Kreditinstituten im Rahmen von normalen Bankgeschäften (so ausdrücklich Art 2 Abs 1 Z 3 der Richtlinie 2014/49/EU), während es sich bei der B* um eine Online-Pfandleihanstalt handelt und die Gewährung eines qualifizierten Nachrangdarlehens an ein Unternehmen (laut „Information der FMA zu Nachrangdarlehen“ vom 6.8.2019, https://www.fma.gv.at/nachrangdarlehen) kein Bankgeschäft ist und keiner Einlagensicherung unterliegt.

Doch selbst wenn eine Online-Pfandleihanstalt, die konzessionslos illegale Bankgeschäfte betreibt, auch als „Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren“ (Definition des Kreditinstituts in Art 4 Abs 1 Nr. 1 der Verordnung [EU] Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, auf die Art 2 Abs 1 Z 9 der Richtlinie 2014/49/EU verweist) anzusehen und der Begriff des „normalen Bankgeschäftes“ sehr weit auszulegen sein sollte, wäre für die klagende Partei nichts gewonnen:

Der EuGH hat nämlich durch die von der Berufung wie vom Erstgericht zitierte Entscheidung in der Rechtssache Paul (C-222/02) klargestellt, dass die Richtlinie 94/19/EG nur der Einrichtung und dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Einlagensicherungssystems diente und den Anlegern keinen Anspruch darauf verlieh, dass die zuständigen Behörden in ihrem Interesse Aufsichtsmaßnahmen treffen (C-222/02 Rn 29, 30). Er beantwortete die ihm vorgelegte Frage nach der Zulässigkeit der Einschränkung der Haftung des deutschen Bundesaufsichtsamts dahingehend, dass wenn die in der genannten Richtlinie vorgesehene Entschädigung der Anleger gewährleistet war, die Richtlinie nicht dahin ausgelegt werden konnte, dass sie einer nationalen Vorschrift entgegenstehe, nach der die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt, was nach dem nationalen Recht ausschließt, dass der Einzelne Ersatz des Schadens verlangen kann, der durch eine unzureichende Aufsicht dieser Behörde entstanden ist (aaO Rn 32). Auch die Richtlinie 77/780/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, die Richtlinie 89/299/EWG über die Eigenmittel von Kreditinstituten sowie die Zweite Richtlinie 89/646/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG stünden einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, nach der die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt (aaO Rn 47). Eine Koordinierung der nationalen Vorschriften über die Haftung der nationalen Behörden gegenüber Einlegern im Fall einer unzureichenden Aufsicht sei nicht erforderlich (vgl Rn 43).

Diese Rechtsansicht wurde vom EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache Balgarska Narodna Banka (C-501/18) bestätigt (vgl. dort die Ausführungen zur Vorlagefrage 3b, insbesondere in Rn 57 ff). Die vom EuGH in diesem Zusammenhang gebrauchte Wendung: „ wenn die in der Richtlinie 94/19 vorgesehene Entschädigung der Einleger gewährleistet ist “ (C-222/02 Rn 32), auf die die klagende Partei ihre These anscheinend zu stützen versucht, lehnt sich an die 24. Begründungserwägung der genannten Richtlinie an, welche lautet: „ Die Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können aufgrund dieser Richtlinie den Einlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Einlagen oder die Kreditinstitute selbst absichern und die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Einleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.

In diesem Sinne sah Art 3 Abs 1 jener Richtlinie vor:

Jeder Mitgliedstaat sorgt in seinem Hoheitsgebiet für die Errichtung und amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme. Außer in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Absatz 4 genannten Fällen (die im vorliegenden Fall nicht relevant sind, Anm. des Berufungsgerichts ) darf ein in dem Mitgliedstaat nach Art 3 der Richtlinie 77/780/EWG zugelassenes Kreditinstitut Einlagen nur annehmen, wenn es einem dieser Systeme angeschlossen ist.

Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten bestand also, wie auch der EuGH ausführte, bloß darin, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet ein oder mehrere Einlagensicherungssysteme zu schaffen; der Beitritt zu diesen Systemen oblag dann den Kreditinstituten selbst. Dass dem einzelnen Anleger ein subjektives Recht auf Entschädigung in Höhe des Mindestsicherungsbetrages nicht bloß gegenüber dem Einlagensicherungssystem, sondern auch gegenüber dem jeweiligen Mitgliedstaat verliehen werden sollte, wie die klagende Partei argumentiert, lässt sich aus diesen Regelungen gerade nicht ableiten. Vor diesem Hintergrund kann die Aussage des EuGH nur so verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat, der ein richtlinienkonformes Einlagensicherungssystem geschaffen hatte, nach der damaligen Rechtslage nicht für Anlegerschäden wegen unzureichender Aufsicht über die Kreditinstitute haften musste, und zwar auch dann nicht, wenn das Kreditinstitut - wie im Fall Paul und im vorliegenden Fall - dem vorhandenen Einlagensicherungssystem nicht beigetreten war.

Diese Schlussfolgerungen können auch im Lichte der nunmehr geltenden Richtlinie 2014/49/EU aufrecht erhalten werden. Erwägungsgrund 45 dieser Richtlinie lautet ganz ähnlich wie in der Vorgängerrichtlinie: „ Die Mitgliedstaaten oder ihre einschlägigen Behörden sollten aufgrund dieser Richtlinie den Einlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Einlagen oder die Kreditinstitute selbst absichern und die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Einleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.

In diesem Sinne postuliert Art 1 Abs 1 der Richtlinie 2014/49/EU: „Diese Richtlinie regelt die Errichtung und die Funktionsweise von Einlagensicherungssystemen und legt die Verfahren dafür fest“; deren Art 4 ordnet – ähnlich Art 3 Abs 1 der Vorgängerrichtlinie - in Abs 1 an: „ Jeder Mitgliedstaat sorgt in seinem Hoheitsgebiet für die Errichtung und amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme “, und ergänzt in Abs 3: „ Ein Kreditinstitut, das gemäß Artikel 8 der Richtlinie 2013/36/EU in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, darf keine Einlagen entgegennehmen, wenn es nicht Mitglied eines Systems ist, das gemäß Absatz 1 dieses Artikels in seinem Herkunftsmitgliedstaat amtlich anerkannt ist.

Nichts anderes ergibt sich auch aus der (älteren) Richtlinie 97/9/EG vom 3. März 1997, deren Erwägungsgrund 24 – ähnlich wie in den beiden oben behandelten späteren Richtlinien – lautet: „Die Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können aufgrund dieser Richtlinie Anlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Anleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.“ Auch hier hat nach Art 2 Abs 1 jeder Mitgliedstaat dafür zu sorgen, „ dass in seinem Hoheitsgebiet mindestens ein System für die Entschädigung der Anleger eingerichtet und amtlich anerkannt wird. Außer in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Artikel 5 Absatz 3 genannten Fällen (die für den vorliegenden Fall nicht relevant sind, Anm. des Berufungsgerichts ) darf eine in dem Mitgliedstaat zugelassene Wertpapierfirma Wertpapiergeschäfte nur tätigen, wenn sie einem solchen System angeschlossen ist. “ Der Regelungsinhalt dieser Richtlinie unterscheidet sich von den beiden anderen im Wesentlichen nur dadurch, dass sie nicht Kreditinstitute, sondern Wertpapierfirmen betrifft.

Gleichgültig, ob die B* als Kreditinstitut oder Wertpapierfirma oder beides anzusehen wäre, entspricht also die geltende Rechtslage in den hier wesentlichen Punkten jener, die der EuGH in der Rechtssache Paul zu beurteilen hatte, sodass dessen damalige Beurteilung auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann, wie auch beide Parteien in ihren Rechtsmittelschriften insoweit übereinstimmend vorbringen . Da aber die beklagte Partei mit der Schaffung des Bundesgesetzes über die Einlagensicherung und Anlegerentschädigung bei Kreditinstituten (Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz – ESAEG, BGBl. I Nr. 117/2015) ihrer Verpflichtung nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie 2014/49/EU entsprochen hat, widerspricht der Haftungsausschluss gegenüber Anlegern nach § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht dem Unionsrecht, und zwar auch dann nicht, wenn das betroffene Unternehmen entgegen seiner Verpflichtung nach Art 4 Abs 3 der Richtlinie 2014/49/EU, Art 2 Abs 1 der Richtlinie 97/9/EG bzw. § 8 ESAEG keinem Einlagensicherungssystem beigetreten ist.

d) Mangels entgegenstehender Normen des Unionsrechts bleibt § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG daher anwendbar und schließt eine Amtshaftung der beklagten Partei für allfällige von der FMA verursachte Schäden der klagenden Partei aus.

4. Haftung für die Gewerbebehörde:

a) Die klagende Partei hat vorgebracht, dass die B* schon vor der Anmeldung ihres Gewerbes, nämlich ab 2012, tätig geworden sei und verschiedene näher aufgezählte Tätigkeiten - darunter Vermögensberatung - ausgeübt habe, die von ihrer Gewerbeberechtigung als Pfandleiherin nicht gedeckt gewesen seien. Die Gewerbebehörde „hätte erkennen müssen“, dass die B* die Wohlverhaltensregeln des WAG 2018 nicht eingehalten und entgegen § 136a Abs 12 GewO keine (für Vermögensberater vorgeschriebene, Anm. des Berufungsgerichts ) Vermögens–schadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen habe. Der Gewerbebehörde sei aufgrund der von C* vorgelegten Dokumente bekannt gewesen, dass dieser deutscher Staatsbürger sei, weshalb sie eine deutsche Strafbescheinigung verlangen hätte müssen: daraus hätte sich ergeben, dass er in Deutschland bereits im Jahr 2010 wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in 14 Fällen und wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden sei, sodass (nach § 13 Abs 7 GewO, Anm. des Berufungsgerichts ) die Gewerbeberechtigung nicht hätte ausgestellt werden dürfen. Hätte die Gewerbebehörde die B* regelmäßig kontrolliert, wäre ihr überdies aufgefallen, dass diese sich über gewerberechtliche Vorschriften hinweggesetzt habe. Sie hätte Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen verfügen müssen, sodass die B* keine gewerbliche Tätigkeit ausüben und die klagende Partei niemals investieren hätte können.

b) Bei einem qualifizierten Nachrangdarlehen handelt es sich um eine Anlageform sui generis (4 Ob 110/17f), die – wie bereits erwähnt (oben 3.c) - keiner Konzessionspflicht und keiner Einlagensicherung unterliegt, wohl aber einer - nach dem Gesamtgegenwert der Emission abgestuften - Prospektpflicht gemäß KMG bzw. AltFG (4 Ob 47/16i). Das WAG und die darin festgelegten Wohlverhaltensregeln für Anlageberater (§§ 55 ff) sind nicht anwendbar. Verstöße gegen die Prospektpflicht sind gemäß § 10 KMG von der FMA zu ahnden; betrügerische Machenschaften unterliegen der strafrechtlichen Verfolgung. Eine Zuständigkeit der Gewerbebehörde zur Verhinderung von Anlagebetrug im Zusammenhang mit qualifizierten Nachrangdarlehen besteht nicht.

c) Soweit die klagende Partei der Gewerbebehörde vorwirft, nicht gegen jene Aktivitäten der B* eingeschritten zu sein, die vor der Anmeldung ihres Gewerbes bzw. über ihre Gewerbeberechtigung hinaus gesetzt wurden, erschließt sich schon der Kausalzusammenhang mit dem behaupteten Schaden nicht. Die klagende Partei hat nach ihrem Vorbringen erst im Jahr 2018 – somit lange nach der Anmeldung des Gewerbes der Pfandleihe im Jahr 2015 – investiert, sodass selbst eine Untersagung des Betriebs in der Zeit von 2012 bis 2015 ihren Schaden nicht verhindern hätte können. Welche gewerbliche Tätigkeiten die B* tatsächlich ausübte, kann ebenfalls keine Rolle spielen, weil der Schaden nicht durch eine bestimmte Tätigkeit, sondern durch die – jedem Unternehmen grundsätzlich offenstehende – Aufnahme eines qualifizierten Nachrangdarlehens verur–sacht wurde.

d) Das Klagsvorbringen geht offenbar implizit davon aus, dass eine von der B* gemäß § 136a Abs 12 GewO abgeschlossene Vermögensschadenhaftpflichtversicherung den durch Betrug verursachten Schaden der klagenden Partei abgedeckt hätte. Allerdings wurde nicht vorgebracht, aufgrund welcher konkreten, ihr zur Kenntnis gelangten Umstände oder Hinweise die Gewerbebehörde überhaupt darauf hätte schließen müssen, dass die B* als Vermögensberaterin tätig sei, und deshalb das Bestehen der dafür vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung kontrollieren hätte sollen. Da somit ein allfälliges Verschulden der Organe der Gewerbebehörde aufgrund des bisherigen Vorbringens nicht beurteilt werden kann, ist das Klagsvorbringen auch insoweit unschlüssig.

Diese Unschlüssigkeit ist zwar - anders als bei den zuvor behandelten Punkten - auf bloße Unvollständigkeit des Tatsachenvorbringens zurückzuführen und somit grundsätzlich behebbar. Entgegen der pauschalen Ansicht des Erstgerichts wäre in diesem Punkt nach einer Schlüssigstellung durch ergänzendes Tatsachenvorbringen auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben. Es ist nämlich davon auszugehen, dass gesetzliche Bestimmungen, die den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für bestimmte Tätigkeiten vorschreiben, auch und gerade den Schutz jener Personen bezwecken, die durch diese Tätigkeiten geschädigt werden könnten und deren Schäden durch eine solche Versicherung gedeckt wären.

Allerdings hat die beklagte Partei schon in ihrem Einspruch (ON 3, S 3) auf diese Unschlüssigkeit hingewiesen, ohne dass dies die klagende Partei zum Anlass genommen hätte, ihr Tatsachenvorbringen zu ergänzen. Damit kann die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass die Klage in diesem Punkt zwar nicht wegen des fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs, wohl aber wegen fehlender Behauptungen zum Verschulden der Organe der Gewerbebehörde unschlüssig ist, die klagende Partei nicht mehr überraschen; eine Erörterung im Sinne des § 182a ZPO kann daher entfallen. § 182a ZPO hat nämlich nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RIS-Justiz RS0037300 [T41]).

e) Zur Vorstrafe des C*, die der Erteilung einer Gewerbeberechtigung entgegen gestanden sein soll, hat das Berufungsgericht erwogen:

Gemäß § 13 Abs 1 GewO sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie entweder

- wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) zu (irgend) einer Strafe, oder

- wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen

von einem Gericht verurteilt worden sind und die Verurteilung nicht getilgt ist. Diese Bestimmungen gelten auch dann, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

Andere Rechtsträger als natürliche Personen sind gemäß § 13 Abs 7 GewO von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen, wenn eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß (u.a.) Abs 1 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist. Abs 1 letzter Satz (betreffend Vorstrafen im Ausland) gilt sinngemäß.

Der Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes gilt gemäß § 13 Abs 1 Z 2 GewO allerdings nur bei solchen Verurteilungen, die noch nicht getilgt sind. Gemäß § 7 Abs 1 Tilgungsgesetz stehen ausländische Verurteilungen tilgungsrechtlich inländischen Verurteilungen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist und in einem den Grundätzen des Art 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen sind. Gemäß § 7 Abs 2 Tilgungsgesetz beginnt die Tilgungsfrist ausländischer Verurteilungen mit dem Tag, der sich ergibt, wenn man dem Tag ihrer Rechtskraft die Dauer der mit ihr ausgesprochenen Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe oder der Summe dieser Strafen hinzurechnet; wenn keine Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde, jedoch mit Rechtskraft der Verurteilung. Nach § 3 Abs 1 Z 2 Tilgungsgesetz beträgt die Tilgungsfrist bei Vorliegen einer einzigen Verurteilung fünf Jahre, wenn nur zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Die klagende Partei behauptet, dass der Gewerbebehörde die deutsche Staatsbürgerschaft des C* bekannt gewesen sei und sie dennoch nur eine Schweizer Strafregisterbescheinigung eingeholt habe. Es mag nun sein, dass eine solche Unterlassung eines gebotenen Ermittlungsschrittes im Hinblick auf § 13 GewO rechtswidrig und schuldhaft im Sinne von unvertretbar wäre. Ein dadurch allenfalls verursachter Schaden stünde auch durchaus im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Norm: § 13 Abs 1 GewO ist nämlich, wie der Oberste Gerichtshof schon (zu einer früheren Fassung) ausgesprochen hat, eine wettbewerbsregelnde Vorschrift, die sowohl dem Schutz der (künftigen) Geschäftspartner und Gläubiger als auch der ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommenden und seriös kalkulierenden Mitbewerber dient (4 Ob 350/87). Die nicht näher begründete Ansicht des Erstgerichts und der beklagten Partei, die gewerberechtlichen Vorschriften würden nicht auch die wirtschaftlichen Interessen eines Geldgebers des Gewerbetreibenden schützen, wird daher vom Berufungsgericht nicht geteilt.

Allerdings stellt sich die Frage, ob die der Gewerbebehörde hier vorgeworfene Unterlassung nach dem Klagsvorbringen überhaupt für den bei der klagenden Partei eingetretenen Schaden kausal gewesen sein kann. Schon ob sich die B* durch den Ausschluss von der Gewerbeausübung wegen der Vorstrafe ihres Geschäftsführers überhaupt davon hätte abhalten lassen, qualifizierte Nachrangdarlehen wie jenes der klagenden Partei aufzunehmen, muss bezweifelt werden, bringt doch die klagende Partei selbst vor, dass die B* auch schon vor ihrer Gewerbeanmeldung und über ihre Gewerbeberechtigung hinaus geschäftlich tätig war. Vor allem aber ergeben sich aus dem Klagsvorbringen Anhaltspunkte dafür, dass die Verurteilung des C* im Zeitpunkt der Prüfung durch die Gewerbebehörde ohnehin bereits getilgt gewesen sein könnte, sodass auch die rechtskonforme Einholung einer Strafregisterauskunft aus Deutschland nicht zur Untersagung der Gewerbeausübung und damit allenfalls zur Verhinderung des Schadens führen hätte können. Nach dem Klagsvorbringen erfolgte die Verurteilung nämlich im Jahr 2010 und die Gewerbeanmeldung im Jahr 2015. Wäre also in Deutschland nur eine einzige Geldstrafe verhängt worden, könnte die fünfjährige Tilgungsfrist nach § 3 Abs 1 Z 2 TilgG zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung bereits abgelaufen gewesen sein.

Näheres dazu ergibt sich aus den von der klagenden Partei vorgelegten und vom Erstgericht zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./A und ./B, deren Echtheit und Richtigkeit nicht bestritten wurde und die daher der rechtlichen Beurteilung ohne Weiteres zugrunde gelegt werden können (RIS-Justiz RS01215557):

Laut dem europäischen Strafregisterauszug Beilage./A wurde C* in Deutschland am 17.5.2010 wegen §§ 53, 266a Abs 1 dStGB, § 15a Abs 4 InsO zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Die Verurteilung erwuchs am 9.6.2010 in Rechtskraft. Somit betrug die Tilgungsfrist 5 Jahre und endete am 9.6.2015. Laut dem Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) Beilage./B ist die Gewerbeberechtigung der B* erst am 24.6.2015 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt war die Verurteilung des Geschäftsführers bereits getilgt und stand der Ausstellung einer Gewerbeberechtigung gemäß § 13 Abs 7 iVm Abs 1 GewO nicht mehr entgegen.

Aufgrund dieser – vom Erstgericht aufgenommenen, wenn auch nicht verwerteten – Beweise muss davon ausgegangen werden, dass die Einholung einer deutschen Strafregisterbescheinigung durch die Gewerbebehörde lediglich eine Verurteilung zutage gefördert hätte, die im Zeitpunkt des Entstehens der Gewerbeberechtigung (das ist bei Pfandleihern gemäß § 155 Abs 2 GewO der Zeitpunkt der Genehmigung der vom Bewerber vorzulegenden Geschäftsordnung) bereits getilgt war und daher keine Untersagung der Gewerbeausübung mehr gerechtfertigt hätte. Auch die Unterlassung der Einholung der Strafregisterbescheinigung kann daher den Schaden der klagenden Partei nicht verursacht haben, sodass die Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens auch in diesem Punkt unbehebbar ist.

5. Zusammenfassung und Ergebnis:

Das Erstgericht hat die Klage wegen Unschlüssigkeit im eigentlichen Sinn abgewiesen. Ein solches Urteil beruht nur auf einer rechtlichen Beurteilung des Klagsvorbringens und bedarf keines Beweisverfahrens und keiner Sachverhaltsfeststellungen. Die behauptete Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt daher nicht vor.

Ein Amtshaftungsanspruch der klagenden Partei wegen Fehlern der FMA ist schon aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Auch auf die behaupteten Fehler der WKStA kann die klagende Partei ihren Anspruch nicht stützen, weil diese Fehler nach Entstehung des Schadens begangen worden sein sollen und diesen Schaden daher unmöglich verursacht haben können.

Schließlich kann der Anspruch der klagenden Partei auch nicht aus den behaupteten Fehlern der Gewerbebehörde abgeleitet werden, selbst wenn – entgegen der Ansicht des Erstgerichts - der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben wäre. Zur Verhinderung von Anlagebetrug ist die Gewerbebehörde nicht zuständig. Eine Untersagung der Gewerbeausübung vor 2015 hätte den erst 2018 eingetretenen Schaden ebenso wenig verhindert wie das Unterbleiben von Aktivitäten der B*, die nicht durch ihre Gewerbeberechtigung gedeckt waren. Woraus die Gewerbebehörde hätte schließen sollen, dass die B* eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Vermögensberater braucht, hat die klagende Partei trotz Einwandes der beklagten Partei nicht dargelegt. Die Unterlassung der Einholung einer Strafregisterbescheinigung aus Deutschland kann für den Schaden nicht ursächlich gewesen sein, weil die einer Gewerbeberechtigung allenfalls entgegenstehende Vorstrafe des Geschäftsführers der B* im Zeitpunkt der Entstehung der Gewerbeberechtigung bereits getilgt und daher nicht mehr zu berücksichtigen war.

Die Abweisung der Klage in erster Instanz wegen Unschlüssigkeit erweist sich somit als im Ergebnis berechtigt. Das angefochtene Urteil ist daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf § 502 Abs 2 ZPO. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt nicht 5.000,- Euro.

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