19Bs148/24i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 15. April 2024, GZ 38 Hv 34/24z-18.4, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Baumgartner, im Beisein der Richterinnen Mag. Wilder und Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwaltes Mag. Wohlmuth, LL.M. und des Privatbeteiligtenvertreters Mag. Dominik Zandl sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seines Verteidigers Mag. Joachim Pfeiler durchgeführten Berufungsverhandlung am 10. September 2024 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen – auch je ein unbekämpft gelassenes Einziehungs- und Konfiskationserkenntnis sowie einen rechtskräftigen Freispruch (Strafantragsfaktum I./A.) enthaltenden - Urteil wurde der österreichische Staatsbürger A* des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (I./), des (mehrfachen) Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 StGB (II./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG 1996 (III./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie des § 43a Abs 2 StGB nach dem Strafsatz des § 126 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen à EUR 12, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 90 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe sowie zu einer für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* im Zeitraum 29. Mai 2023 bis 4. Dezember 2023 in **
I. fremde, nämlich im Eigentum der B* stehende Sachen beschädigt, wobei er einen EUR 5.000,- übersteigenden Schaden herbeiführte (§ 126 Abs 1 Z 7 StGB), und zwar, indem er
B. am 19. November 2023 die Überwachungskamera des Türspions und das auf der Eingangstür befindliche Türblatt mit Superkleber beschmierte und eine Schaummasse anbrachte, die die Türzarge beschädigte sowie die aufgesetzte Zarge der Sicherheitstür (Schaden EUR 8.358,67);
C. am 30. November 2023 den PKW der Marke **, grau lackiert, mit dem behördlichen Kennzeichen ** mittels einer Drahtbürste zerkratzte (Schaden EUR 6.157,19);
D. am 17. Dezember 2023 die Überwachungskamera des Türspions und das auf der Eingangstür befindliche Türblatt mit einer unbekannten Substanz besprühte (Schaden EUR 389,16);
II. einen anderen, nämlich B* dadurch geschädigt, dass er fremde bewegliche Sachen, nämlich im Eigentum von B* stehende Sachen aus deren Gewahrsame dauernd entzogen, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen, und zwar
A. im Zeitraum von 29. Mai 2023 bis 15. August 2023 Lederschlapfen, graue Kunststoff-Slippers und zwei anthrazitgraue Türmatten aus Polyester im Gesamtwert von EUR 140;
B. am 1. Juli 2023 eine beige Schaumgummimatte und zwei bunte Teppiche mit aufgedruckter Figur im Gesamtwert von EUR 40;
C. am 4. Dezember 2023 eine beige Schaumgummimatte am Stellplatz der Tiefgarage der Geschädigten im Wert von EUR 10;
D. am 17. Dezember 2023 zwei Türmatten mit Gummibeschichtung im Wert von EUR 25;
III. am 12. Jänner 2023 eine verbotene Waffe, nämlich einen Teleskopschlagstock mit Totschlägerqualifizierung, unbefugt besessen.
Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde er auch schuldig erkannt, der Privatbeteiligten B*, welche mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde, einen Betrag von EUR 6.902,77 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und den langen Deliktszeitraum, als mildernd das teilweise Geständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich rechtzeitig wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldete (ON 21.2), fristgerecht zu ON 25.2 in den Anfechtungspunkten der Nichtigkeit und Strafe ausgeführte Berufung des Angeklagten.
Da eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung eine Rüge nach § 281 Abs 1 Z 9 bis 10a StPO vorgeht ( Ratz , aaO), ist zunächst über die Schuldberufung zu entscheiden, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
Voranzustellen ist, dass die sogenannte freie Beweiswürdigung als kritisch-psychologischer Vorgang begriffen wird, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390; Mayerhofer , StPO 6 § 258 E 30f; Fabrizy , StPO 13 § 258 Rz 8). Demnach prüft das Gericht die im Verfahren vorgekommenen Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit (ob dasjenige, was durch ein Beweismittel zutage gefördert werden sollte, auch wirklich dadurch bewiesen wurde) und Beweiskraft (ob der durch das Beweismittel als bewiesen anzunehmende Umstand auch geeignet ist, die Tatsache, die er bestätigen soll, für wahr halten zu können) und kommt aufgrund des Ergebnisses dieses Vorgangs zur Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen – entscheidender – Tatsachen, die es im Urteil feststellt ( Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 258 Rz 25). Die Beweismittel sind dabei nicht nur einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit, auch in ihrem inneren Zusammenhang zu prüfen. Ihre Bewertung hat unter Beachtung der Gesetze folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungswissens zu erfolgen, wobei nicht nur logisch zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht zu Tatsachenfeststellungen berechtigen ( Lendl aaO Rz 26). Bei Würdigung von Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, ist oft der persönliche Eindruck des erkennenden Richters entscheidend, der sich nicht immer erschöpfend in Worte kleiden lässt und darum im Urteil auch nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden muss ( Lendl aaO Rz 27; RIS-Justiz RS0098413). Dass die vom Gericht aus den Verfahrensergebnissen gezogenen Schlussfolgerungen denkgesetzlich die einzig möglichen wären, wird vom Gesetz nicht gefordert; sie dürfen nur nicht den Denkgesetzen widersprechen ( Mayerhofer aaO E 39, 38). Das Gericht ist zu einer gedrängten Darstellung seiner Gründe verpflichtet und keineswegs dazu verhalten, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Die Schuldberufung richtet sich nur gegen die faktische Richtigkeit des Ausspruchs über – für die Schuld- und Subsumtionsfrage – entscheidende Tatsachen ( Ratz in Fuchs/Ratz , WK StPO § 464 Rz 2; vgl. auch 11 Os 82/18w; zum Begriff Ratz in Fuchs/Ratz , WK StPO § 281 Rz 21 f, 399; RIS-Justiz RS0117264).
Ausgehend von diesen Prämissen gelangte das Erstgericht in überzeugender und nachvollziehbarer Weise nach sorgfältiger Abwägung des Beweissubstrats auch nach Ansicht des Berufungsgerichts zu einer zweifelsfrei richtigen Lösung der Schuldfrage. So konnte es sich zum Teil auf die zu in diesem Umfang zu geständiger Verantwortung führenden Videoaufzeichnungen und Lichtbildern aus Überwachungskameras stützen. Hinsichtlich der vom Angeklagten bestrittenen Tathandlungen konnte das Erstgericht seinen Feststellungen die Aussage der Zeugin B*, die teils zeitliche Nähe im Zusammenhang mit den von den Videoaufzeichnungen festgehaltenen Taten sowie eine lebensnahe Betrachtung der Gesamtschau der Tatbegehungen zugrunde legen.
Die Diversionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 10a StPO) ist nicht im Recht.
Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf der Basis der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS-Justiz RS0124801 und RS0116823). Diese Vorgaben verfehlt die unter diesem Aspekt vorgetragene Kritik, indem sie auf die nach den erstrichterlichen Ausführungen für eine schwere Schuld des Angeklagten sprechenden Kriterien der Faktenvielzahl und des schamlosen Ausnutzens des Nachbarschaftsverhältnisses durch Benutzen der allgemeinen Teile der Liegenschaft zur Tatbegehung sowie des vergleichsweise hohen Schadens – allein bei der Sachbeschädigung übersteigt dieser die Qualifikationsgrenze des § 126 Abs 1 Z 7 StGB nahezu um das dreifache - argumentativ nicht eingeht. Zudem sprechen mit Blick auf das Nachtatverhalten des Angeklagten, der die Zeugin D* und ihren Mann wegen der Zeugenaussage der Frau beschimpfte bzw. - von ihr so empfunden – sie unterschwellig bedrohte (ON 18.3,29) im Zusammenhang mit dem Umstand, dass er in der Hauptverhandlung versuchte, dem Opfer B* Sachbeschädigungen zu seinem Nachteil zu unterstellen (ON 18.3,6), was seine Einlassung, die von ihm zugestandenen Tathandlungen würden ihm äußerst leid tun, als bloßes Lippenbekenntnis erscheinen lässt, spezialpräventive Gründe gegen ein diversionelles Vorgehen.
Die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe sind zunächst dahingehend zu ergänzen, dass der Milderungsgrund des teilweisen Geständnisses zu entfallen hat, zumal von diesem – wie bereits oben ausgeführt – die Reumütigkeit fehlt. Im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen war zusätzlich erschwerend zu werten, dass die Schadenssumme allein bei der schweren Sachbeschädigung die Wertgrenze des § 126 Abs 1 Z 7 StGB beinahe um das dreifache überschritten wird. Weiters sind die Tatwiederholungen bei den Fakten I./ und II./ als erschwerend zu werten.
Ausgehend von dieser ergänzten Strafzumessungslage erscheint bei recht besehener Gewichtung derselben die vom Erstgericht verhängte Sanktion – mit Blick auf den hohen sozialen Störwert – auch in der vom Erstgericht verhängten Form des § 43a Abs 2 StGB durchaus schuld – und tatangemessen und sowohl spezial – als auch generalpräventiven Belangen gerecht werdend, sodass auch der Strafberufung ein Erfolg zu versagen war.