19Bs138/24v – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 30. April 2024, GZ 41 Hv 42/24y-26.2, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Baumgartner, im Beisein der Richterinnen Mag. Wilder und Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwaltes Mag. Wohlmuth, LL.M. sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seines Verteidigers Mag. Rivo Killer durchgeführten Berufungsverhandlung am 10. September 2024 zu Recht erkannt:
Spruch
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen , jener wegen Schuld und Strafe nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der moldawische Staatsangehörige A* der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./1. und I./4.), der Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (I./2. und I./3.), der Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB (II./) sowie des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt und und hierfür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* dadurch, dass er am 19. Jänner 2024 in B* in einem an das Bürgerservice des Bundesministeriums für Inneres gerichteten E-Mail sinngemäß behauptete, zwei Beamte der Justizanstalt B* hätten Drogen und Mobiltelefone in die Justizanstalt geschmuggelt und für große Summen an die Insassen verkauft, sowie überdies hätten Beamte der Justizanstalt B* ihm gedroht, ihn umzubringen, sollte er eine Beschwerde über sie schreiben, und hätten ihm „einen Zahn mit einem Schlag kaputt gemacht“, am 12. Februar 2024 in C* bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wahrheitswidrig behauptete, er habe vier Mal wahrgenommen, dass zwei Justizwachbeamte der Justizanstalt B* Handys unerlaubt in die Justizanstalt schmuggelten und einem Hausarbeiter übergaben, am 17. oder 18. Jänner 2024 hätten insgesamt drei Justizwachbeamte ihn geschlagen, wodurch er unter anderem eine Zahnverletzung davongetragen habe sowie unbekannte Justizwachebeamte hätten nach dem 20. Jänner 2024 sich geweigert, eine Anzeige nach einer ihnen dienstlich bekannt gewordenen Körperverletzung zum Nachteil eines anderen Insassen aufzunehmen und am 26. Februar 2024 in B* bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache die Justizwachbeamte D* und E* als Täter des Handyschmuggels und F*, G* und E* als Täter der Körperverletzung und Nötigung identifizierte
I. zwischen 19. Jänner 2024 und 26. Februar 2024 in B* und anderen Orten andere der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, indem er sie von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlungen und Verletzungen ihrer Amtspflichten falsch verdächtigte, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch sind, und zwar
1.) E* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, womit die fälschlich angelastete Handlung mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB;
2. G* wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB;
3. F* wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB;
4. D* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, womit die fälschlich angelastete Handlung mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist;
II. in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, und zwar
1.) am 12. Februar 2024 in C* vor der Staatsanwaltschaft;
2.) am 26. Februar 2024 in B* vor der Kriminalpolizei;
III. am 12. Februar 2024 einer Behörde und einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten die Begehung einer nach § 302 Abs 1 StGB mit Strafe bedrohten Handlung wissentlich vorgetäuscht.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht keinen Umstand mildernd, das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit fünf Vergehen als erschwerend. Im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen berücksichtigte es die Tatbegehung im geschützten Raum der Strafhaft ebenfalls als schulderhöhend.
Gegen dieses Urteil richtet sich die unmittelbar nach Urteilsverkündung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldete (ON 26.3,30), unausgeführt gelassene Berufung des Angeklagte.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit war gemäß §§ 467 Abs 2, 489 Abs 1 StPO zurückzuweisen, weil Nichtigkeitsgründe in der Anmeldung oder Ausführung der Berufung einzeln und bestimmt bezeichnet werden müssen, der Angeklagte aber nicht erklärt hat, welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will. Von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor.
Mit seiner Schuldberufung gelingt es dem Angeklagten nicht, Zweifel an der zutreffenden Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu wecken.
Im Rahmen der Schuldberufung ist vom Rechtsmittelgericht zu überprüfen, ob das Erstgericht für das Verfahren wesentliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse einer nachvollziehbaren und den Denkgesetzen entsprechenden Würdigung unterzog und die wesentlichen Gründe für die entsprechenden Tatsachenfeststellungen in gedrängter Form zur Darstellung brachte.
Der Erstrichter hat die erhobenen Beweise unter Ausschöpfung sämtlicher relevanten Beweismittel und Einbeziehung des von allen vernommenen Personen in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks mit schlüssiger Begründung – der sich das Oberlandesgericht im Rahmen der umfassenden Prüfung der Verfahrensergebnisse anschließt (vgl Ratz, WK-StPO § 67 Rz 2) – einer denkrichtigen und lebensnahen Würdigung unterzogen und dargelegt, wie er zu den – vom Berufungsgericht übernommenen – Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite gelangte. In der in der Berufungsverhandlung ausgeführten Schuldberufung wurde weder vom Verteidiger noch vom Angeklagten selbst etwas vorgebracht, was Zweifel an der Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage durch das Erstgericht hervorzurufen geeignet war.
Dass der Angeklagte die inkriminierten Vorwürfe gegen die Justizwachebeamten erhoben hat, steht aufgrund des E-Mails vom 19. Jänner 2024 (ON 2.2. sowie der durch einen gerichtlich beeideten Dolmetsch erfolgten Übersetzung des Inhalts desselben (ON 7) sowie der Vernehmungen des Angeklagten zunächst als Zeuge (ON 8.1 bzw. 8.2 und 12.18) und sodann als Beschuldigter (ON 16.5) sowie der Wiederholung der Vorwürfe in der Hauptverhandlung (ON 26.3) fest.
Hinsichtlich der Einstufung seiner Vorwürfe gegen die betroffenen Justizwachebeamten als falsch konnte das Erstgericht seine Feststellungen nicht nur auf die diese bestreitenden Aussagen der Beamten gründen, sondern auch auf die diese stützenden Depositionen der als Zeugen vernommenen ehemaligen Mithäftlinge des Angeklagten H* (ON 12.14; 15.12.426.3,8ff) und I* (ON 26.3,12) sowie die durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeflossene Aussage des Zeugen J* (ON 12.15).
Zudem spricht aber auch der Ereignisablauf gegen die Einlassung des Angeklagten. Ergibt sich doch aus der chronologischen Liste über die ärztlichen Befundungen des Angeklagten (ON 12.20,1), dass dieser am 15. Jänner 2024 zu einer hygienischen Kontrolle vorgeführt wurde. Dadurch wird aber die Aussage des JWB E*, er habe den Angeklagten aufgrund einer Beschwerde des Insassen I* zum Waschen aufgefordert und ihn am 15. Jänner 2024 zur Kontrolle der Körperhygiene eingeplant (ON 12.12.) bestätigt und wird dies zudem auch durch die Zeugenaussagen des I* (ON 26.3,12) und des H* (ON 26.3,8) sowie des K* (ON 26.3,23f) bestärkt. Der Umstand, dass der Angeklagte bereits am 16. Jänner 2024 mittels StVG.-Form.Nr.11 das Ansuchen stellte, bei der Polizei eine Aussage machen zu wollen, welches Formular am 22. Jänner 2022 an die Polizeiinspektion B* gefaxt wurde (ON 2.6), sowie sein E-Mail vom 19. Jänner 2022 an das Bürgerservice bei Bundesministerium für Inneres (ON 2.2) spricht ebenfalls dafür, dass er den Justizwachebeamten „Probleme“ im Sinne des Schuldspruches bereiten wollte. Dass ihm eine Zahnfüllung nicht durch Justizwachebeamte, sondern durch durch einen Mitinsassen ausgeschlagen wurde, ergibt sich aus dem Dekurs Zahnmedizin der Dr. L* ON 12.19,1 (iVm ON 12.20,1) sowie deren Aussage in der Hauptverhandlung (ON 26.3,14).
Bei der im Rahmen der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung der Beweissituation ist daher dem Erstgericht zuzustimmen, dass der Verantwortung des Angeklagten keine Glaubwürdigkeit zukommt. Insoweit der Angeklagte in der Berufungsverhandlung vermeint, seine Beschwerde sei nicht weitergeleitet worden, ist er auf die das Gegenteil ergebende ON 2.6 zu verweisen. Dem Beharren des Angeklagten auf Einsichtnahme in eine von ihm behauptete vorliegende Videoaufzeichung steht schon die Löschungsverpflichtung innerhalb von 72 Stunden nach § 102b Abs 6 StVG entgegen.
Die Strafberufung ist ebenfalls nicht im Recht, zumal es ihr nicht gelingt, weitere Milderungsgründe wirksam aufzuzeigen.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig erfasst und zutreffend gewichtet und ist so zu einer dem Schuld- und Unrechtsgehalt sowie dem sozialen Störwert gerecht werdenden Sanktion gelangt, die einer Herabsetzung nicht zugänglich ist. Angesichts der Massivität der während aufrechten Strafvollzugs gegen eine Mehrzahl von Personen erhobenen Vorwürfe, gegen die dadurch jeweils ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, verbleibt kein Raum für eine auch nur teilweise bedingte Strafnachsicht.