6R239/24x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende, den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Nigl, LL.M., im Konkurs über das Vermögen des Mag. A* , geboren am **, E*, wohnhaft in F*, vertreten durch Dr. Max Pichler, Rechtsanwalt in Wien, Masseverwalterin Mag. B*, Rechtsanwältin in Wien, über den Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 10.7.2024, 9 S 261/24g 1, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung
Die Republik Österreich, Finanzamt Österreich ( Antragstellerin ), vertreten durch die Finanzprokuratur, beantragte am 16.5.2024 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mag. A* ( Schuldner ), der ihr laut dem angeschlossenen, vollstreckbaren Rückstandsausweis vom 29.4.2024 EUR 26.542,66 an rückständigen und vollstreckbaren Abgaben schulde. Der Schuldner sei zahlungsunfähig, eine vorübergehende Zahlungsstockung liege nicht mehr vor. Mit der Vorlage des vollstreckbaren Rückstandsausweises werde sowohl das Bestehen einer Insolvenzforderung als auch die Zahlungsunfähigkeit ausreichend bescheinigt. Die Antragstellerin sei bereit, einen Kostenvorschuss von bis zu EUR 4.000,- direkt an den Insolvenzverwalter zu erlegen.
Aus dem Rückstandsausweis vom 29.4.2024 ergibt sich eine vollstreckbare Abgabenschuld (zusammengesetzt unter anderem aus Umsatz- und Einkommensteuer) von EUR 26.542,66. Die früheste Umsatzsteuerschuld betrifft den Zeitraum 08/2022 (Fälligkeitstag 17.10.2022), die früheste Einkommensteuerschuld die Jahre 2019 und 2020 (Fälligkeitstag jeweils 1.3.2024).
Das Auskunftsverfahren ergab eine laufende Meldung des Schuldners als gewerblich selbständig Erwerbstätiger seit 1.1.1993. Eine Firmenbuchabfrage ergab lediglich eine gelöschte Funktion des Schuldners. Das C* wies hinsichtlich des Schuldners eine aufrechte Gewerbeberechtigung für den Antiquitäten- und Kunstgegenständehandel aus. Der Schuldner ist gemeinsam mit seiner Ehegattin D* Eigentümer der W 15/16 (B-LNR 18), des Lagers 1 (B-LNR 20) und 4 (B-LNR 29) und des KFZ-Abstellplatzes 1 (B-LNR 31) sowie Alleineigentümer der W 6 (B-LNR 5) und W 11 (B-LNR 10; alle EZ **, KG **, Bezirksgericht **). Die Wohnungseigentumsobjekte sind jeweils mit einem Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten von D* belastet sowie mit Ausnahme der W 11 auch mit (mehreren) Höchstbetragspfandrechten.
Abfragen im Exekutionsregister (23.5.2024), wegen offenkundiger Zahlungsunfähigkeit, im Pfändungsregister sowie in der Liste der Vermögensverzeichnisse verliefen ergebnislos.
Die Auskunft aus dem KFZ-Zentralregister des Bundesministeriums für Inneres ergab ein auf den Schuldner zugelassenes Fahrzeug **, Erstzulassung am 22.2.2007.
Mit Beschluss vom 23.5.2024 gab das Erstgericht dem Schuldner bekannt, dass die Entscheidung über die Konkurseröffnung ohne Verhandlung erfolgen werde, und trug ihm auf, bis 24.6.2024 das ausgefüllte Vermögensverzeichnis zu übermitteln und einen Kostenvorschuss von EUR 4.000,- zu erlegen. Für den Fall der Bestreitung der Zahlungsunfähigkeit trug ihm das Erstgericht weiters auf, binnen gleicher Frist Belege über die Vollzahlung oder Ratenvereinbarungen mit Belegen über die Zahlung der Anzahlung bzw der ersten Rate oder der Exekutionseinstellung zur Antragstellerin, zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und zur Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) zu übermitteln.
Dieser Beschluss wurde dem Schuldner an der Adresse E*, am 31.5.2024 zugestellt und an der Adresse F*, am 3.6.2024 durch Hinterlegung.
Am 28.5.2024 teilte die ÖGK dem Erstgericht einen ungeregelten, nicht exekutiv betriebenen Beitragsrückstand des Schuldners von EUR 543,05 (BE **) und EUR 17,52 (BE 11415658) mit. Die SVS gab am 7.6.2024 einen geregelten, nicht exekutiv betriebenen Zahlungsrückstand von EUR 5.114,42 bekannt.
Die Antragstellerin gab am 21.6.2024 den Anstieg des Rückstands auf EUR 31.720,84 bekannt. Eine Vereinbarung zur Abstattung des Rückstandes sei nicht getroffen worden. Ein Kostenvorschuss werde an den Insolvenzverwalter überwiesen werden.
Eine Äußerung des Schuldners zum Eröffnungsantrag erfolgte nicht.
Mit dem angefochtenen Beschluss eröffnete das Erstgericht das Konkursverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte Mag. B* zur Masseverwalterin. Die allgemeine Prüfungstagsatzung beraumte es für den 26.9.2024 an. Das Ende der Anmeldefrist bestimmte es mit 12.9.2024. Begründend führte es aus, die Forderung der Antragstellerin sei durch den vollstreckbaren Rückstandsausweis vom 29.4.2024 mit dem Betrag von EUR 26.542,66 glaubhaft gemacht. Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ergebe sich aus dem Zurückreichen der Rückstände bei der Antragstellerin bis 08/2022 (Fälligkeitstag 17.10.2022), dem Anstieg des Rückstands seit der Antragstellung auf EUR 31.720,84 und dem vollstreckbaren Beitragsrückstand bei der ÖGK von EUR 543,05 (zu BE **) und EUR 17,52 (zu BE 11415658). Die Antrag stellerin habe erklärt, einen Kostenvorschuss von EUR 4.000,- direkt an die Insolvenzverwalterin zu überweisen. Zudem verfüge der Schuldner über Liegenschaftsvermögen und einen PKW. Er betreibe außerdem ein lebendes Unternehmen, das grundsätzlich einen Vermögenswert bilde, weil es – mangels gegenteiliger Anhaltspunkte – auch veräußert oder verpachtet werden könnte.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Schuldners mit dem Antrag, in Stattgebung des Rekurses die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass der Eröffnungsantrag abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragstellerin beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
Vorweg ist hinsichtlich der von der Masseverwalterin nach Zustellung des gegenständlichen Rekurses des Schuldners überreichten „Rekursbeantwortung/Stellungnahme“ festzuhalten, dass dem Insolvenzverwalter im Verfahren über die Insolvenzeröffnung keine allgemeine Rechtsmittellegitimation zukommt (vgl Schumacher in KLS 2 § 71c IO Rz 9). Da die Masseverwalterin ihren Schriftsatz aber ausdrücklich (auch) als „Stellungnahme“ bezeichnete, erübrigt sich eine Zurückweisung der „Rekursbeantwortung“, weil hinsichtlich Zulässigkeit einer Stellungnahme der Masseverwalterin keine Bedenken bestehen. Gleiches gilt für die dazu vom Schuldner eingebrachte Äußerung vom 7.8.2024. Beide Schriftsätze sind für die gegenständliche Rekursentscheidung allerdings unbeachtlich.
1. In seinem Rekurs macht der Schuldner geltend, er sei zahlungsfähig. Das Erstgericht habe die im Rückstandsausweis angeführten Fälligkeiten nicht richtig gewürdigt. Lediglich ein geringer Betrag von EUR 254,66 sei am 17.10.2022 fällig gewesen, dieser sei offenbar auch gestundet worden. Die Rückstände von EUR 10.691,04 und EUR 14.781,- seien erst am 1.3.2024 fällig geworden. Diese hätten sich aus der Schätzung von Einkommensteuern ergeben und seien daraus resultierend strittig. Der Anstieg des Rückstandes bei der Antragstellerin und der amtswegig erhobene Rückstand bei der ÖGK seien nicht bescheinigt und dem Schuldner nicht vorgehalten worden, weshalb sein rechtliches Gehör verletzt sei. Der Anstieg entspringe aus der Anlastung einer – ebenfalls auf einer Schätzung beruhenden - ESt-Vorschreibung für das laufende Quartal, deren Nichtzahlung bloß die unklare steuerliche Situation indiziere. Mit der ÖGK bestehe eine Zahlungsvereinbarung.
Das Unterbleiben der Einvernahme des Schuldners sei als entscheidungsrelevanter Verfahrensmangel anzusehen.
Die Einreichung der überfälligen Steuererklärungen des Schuldners habe sich im Mai 2024 mit einer kurz zuvor durchgeführten Schätzung, die von weit höheren Bemessungsgrundlagen ausgegangen sei, überschnitten. Der Schuldner habe die Schätzungen für 2019 und 2020 aufgrund der eingereichten Erklärungen für obsolet erachtet und gedacht, dass die aus seiner subjektiven Sicht falschen Steuerbeträge dadurch hinfällig bzw bis zur Klärung nicht fällig wären. Er habe daher den Eröffnungsantrag nicht verstanden. Erst nach der für ihn überraschenden Konkurseröffnung habe er den Ernst der Lage erkannt. Der Schuldner bemühe sich um eine Berichtigung der ESt-Jahresbescheide bzw um eine Wiederaufnahme, da seine Erklärungen im Jahr 2019 zu einem Nullrückstand und im Jahr 2020 zu einer wesentlich geringen Abgabenschuld führen würden.
Der Schuldner sei innerhalb weniger Tage in der Lage gewesen, die Geldmittel, die zur Abdeckung der Forderungen der Antragstellerin und der ÖGK erforderlich gewesen seien, aufzubringen und die Forderungen mit Zahlungen von dritter Seite, durch seine Tochter, komplett abzudecken.
Diesem Rekurs waren unter anderem das Begleitschreiben zur Vorlage der Steuererklärungen für 2019 und 2020 vom 28.5.2024, ein Auszug aus dem Steuerkonto des Schuldners vom 23.7.2024, Zahlungsbelege über Zahlungen von EUR 32.992,16 am 16. und 18.7.2024 an die Antragstellerin und Zahlungsbelege über Zahlungen von insgesamt EUR 560,57 am 16.7.2024 an die ÖGK (Auftraggeberin jeweils G* MAS) angeschlossen.
2. In ihrem ersten Bericht vom 16.7.2024 teilte die Masseverwalterin mit, das Unternehmen vorerst fortzuführen und die Voraussetzungen der Fortführung laufend zu überprüfen. Das Unternehmen beschäftige zwei geringfügig angestellte Dienstnehmer. Das Inventar der Tierarztpraxis stehe im Eigentum des Schuldners, weiters zwei PKWs. Der Schuldner gehe unter Berücksichtigung der Bankverbindlichkeiten von ca EUR 700.000,- an Verbindlichkeiten aus.
3. Gemäß § 70 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung hat und der Antragsgegner zahlungsunfähig ist ( Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 70 KO Rz 8; Übertsroider in Konecny , InsG § 70 IO Rz 17).
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner infolge eines nicht bloß vorübergehenden Mangels an bereiten Zahlungsmitteln seine fälligen Schulden in angemessener Frist nicht erfüllen und sich die dafür erforderlichen Mittel auch nicht alsbald beschaffen kann (RS0064528).
4. Die Antragstellerin bescheinigte durch den vorgelegten Rückstandsausweis sowohl den Bestand ihrer Forderung als auch wegen der Dauer des Zahlungsrückstandes die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Die Nichtzahlung von rückständigen Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen ist ein ausreichendes Indiz für das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit, weil es sich bei diesen um Betriebsführungskosten handelt. Sie werden von den zuständigen Behörden und Institutionen bekanntlich so rasch in Exekution gezogen, dass sich ein Zuwarten mit ihrer Zahlung bei vernünftigem wirtschaftlichem Vorgehen verbietet und im Allgemeinen nur aus einem Zahlungsunvermögen erklärbar ist ( Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 66 KO Rz 69; Mohr , IO 11 § 70 E 70, E 74).
5. Dem Einwand des Schuldners, die Abgabenschuld sei im Rückstandsausweis nicht korrekt dargestellt und er strebe eine Berichtigung an, ist wie folgt zu entgegnen:
Rückstandsausweise sind keine Bescheide, weshalb auch keine Rechtskraft eintreten kann (RS0053380, RS0037038), aber öffentliche Urkunden im Sinne des § 292 ZPO, die vollen Beweis über ihren Inhalt (Bestand und Vollstreckbarkeit der Abgabenschuld) begründen (RS0040429). Die Prüfung der materiellen Gültigkeit, Gesetzmäßigkeit und Richtigkeit der von der Finanzbehörde erlassenen Rückstandsausweise ist den Gerichten untersagt, sie ist ausschließlich im Verwaltungsweg vorzunehmen (RS0000082, RS0000192; vgl Mohr , IO 11 § 70 E 230 mwN; vgl auch Höllwerth in Deixler-Hübner , Exekutionsordnung zu § 1 EO Rz 105 und Jakusch in Angst/Oberhammer , EO 3 § 1 EO Rz 79). Das Insolvenzgericht kann dazu nicht Stellung nehmen ( Übertsroider in Konecny , InsG § 70 IO Rz 34).
Einwendungen gegen einen Rückstandsausweis vermögen diesem daher nicht die Wirkung der Bescheinigung des Bestehens einer Insolvenzforderung zu nehmen. Selbst ein inhaltlich unrichtiger Rückstandsausweis bildet einen Exekutionstitel gemäß § 1 Z 13 EO und somit eine fällige Forderung (vgl Mohr , IO 11 § 70 E 230 mwN). Die Behauptung, die Steuervorschreibungen seien rechtswidrig und zu hoch bemessen, nimmt dem Rückstandsausweis nicht die Wirkung der Bescheinigung des Bestehens einer Insolvenzforderung ( Mohr , IO 11 , § 70 E 231).
Aufgrund des vorliegenden vollstreckbaren Rückstandsausweises vom 29.4.2024 kommt es somit auf die vom Schuldner erhobenen Einwendungen gegen die Höhe des ausgewiesenen Rückstandes schon grundsätzlich nicht an.
Zum Einwand des Schuldners, lediglich ein geringfügiger Betrag sei bereits am 17.10.2022 fällig gewesen, ist ihm entgegenzuhalten, dass gerade die Geringfügigkeit der im Jahr 2022 und 2023 fälligen Beträge von insgesamt EUR 585,05 für seine Zahlungsunfähigkeit spricht, weil anders als durch ein Zahlungsunvermögen die Nichtleistung dieser Beträge seit 2022 bzw 2023 nicht erklärbar ist. Darüberhinaus waren auch die wesentlich größeren Beträge der ESt 2019 und 2020 bereits seit 1.3.2024 fällig. Dies bedeutet, das auch bezüglich dieser Forderungen die Frist zur Annahme einer bloßen Zahlungsstockung im Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz bereits abgelaufen war. Diese Frist darf im „Durchschnittsfall“ drei Monate nicht übersteigen (vgl Schumacher in KLS 2 § 66 IO Rz 22ff; RS0126561).
6. Wird – wie hier - die Zahlungsunfähigkeit fürs Erste bescheinigt, liegt es am Schuldner, die Gegenbescheinigung zu erbringen, dass er zahlungsfähig ist. Diese hat der Schuldner von sich aus zu erbringen.
Zur Entkräftung der Vermutung der Zahlungsunfähigkeit ist der Nachweis erforderlich, dass die Forderungen sämtlicher Gläubiger – einschließlich jener der Antragstellerin - bezahlt werden konnten oder zumindest mit allen Gläubigern Zahlungsvereinbarungen getroffen wurden, die der Schuldner auch einzuhalten im Stande ist (vgl Mohr, IO 11 § 70 E 214, E 239, E 243, E 244, 271f mwN).
Zur Bescheinigung, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über ausreichende Mittel verfügte, um sämtliche Verbindlichkeiten zu begleichen, wäre die Darlegung und Bescheinigung erforderlich, dass trotz laufenden Geschäftsbetriebs ein ausreichender Betrag zur Zahlung der bei Konkurseröffnung fälligen Verbindlichkeiten herangezogen werden könnte, ohne dass dies zu Lasten anderer Gläubiger gehen würde (vgl Mohr, IO 11 § 70 E 238).
7. Im Rechtsmittelverfahren ist für die Beurteilung der Frage, ob die Insolvenzvoraussetzungen vorliegen, wegen der Neuerungserlaubnis des § 260 Abs 2 IO die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz (hier der 10.7.2024 ) und die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend (RS0065013 [T1]); grundsätzlich gilt im Insolvenzverfahren für die Rekursausführungen kein Neuerungsverbot (RS0043943; Erler in KLS² § 260 Rz 33). Die Neuerungserlaubnis findet jedoch ihre Grenze in § 259 Abs 2 IO, wonach Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden können (RS0115313; RS0110967 [T6] = 8 Ob 36/04h). Diese Einschränkung der Neuerungserlaubnis (§ 259 Abs 2 IO) kommt hier nicht zum Tragen, weil das Erstgericht das Verfahren schriftlich und ohne Abhaltung einer Tagsatzung durchführte. Die mündliche Anhörung ist im Insolvenzeröffnungsverfahren nämlich nicht zwingend erforderlich. Dem Schuldner kann - wie hier – zulässiger Weise auch auf schriftlichem Weg Gehör gewährt werden ( Schumacher in KLS 2 § 70 IO Rz 43; ders in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 70 KO Rz 68; Übertsroider in Konecny, InsG § 70 IO Rz 117; OLG Wien 6 R 88/21m, 28 R 402/14i = ZIK 2015, 228 uva). D er Schuldner hat daher die Möglichkeit, i m Rechtsmittel neue Tatsachen, soweit sie bereits zur Zeit der Beschlussfassung in erster Instanz entstanden waren, und neue Beweismittel anzuführen. Der vom Schuldner behauptete Verfahrensmangel aufgrund des Unterbleibens seiner Einvernahme liegt somit nicht vor.
Doch auch mit der Neuerungserlaubnis ist für den Schuldner nichts gewonnen:
8. Zum Einwand der vom Schuldner angestrebten Richtigstellung der Steuerbescheide wurde bereits ausgeführt, dass damit zum derzeitigen Zeitpunkt nichts für seinen Standpunkt gewonnen werden kann, weil der Rückstandsausweis vollen Beweis über seinen Inhalt (Bestand und Vollstreckbarkeit der Abgabenschuld) begründet. Die volle Bezahlung der Forderung der Antragstellerin sowie der ÖGK erfolgte einerseits von dritter Seite und andererseits erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz, sodass auch damit die Gegenbescheinigung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners nicht erbracht wurde.
Liegenschaftsvermögen ist mangels unverzüglicher Verwertbarkeit bei Beurteilung der Zahlungsfähigkeit regelmäßig belanglos. Nur bei Lastenfreiheit oder nur geringen Belastungen von Realbesitz könnte die Möglichkeit einer alsbaldigen Beschaffung liquider Mittel durch Belehnung in Erwägung gezogen werden ( Mohr, IO 11 § 70 E 234). Im Übrigen sind sämtliche Liegenschaften mit einem Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Gattin des Schuldners belastet.
Auf die mittlerweile im Insolvenzverfahren angemeldeten Insolvenzforderungen braucht für die Beurteilung des Vorliegens der Eröffnungsvoraussetzungen nicht eingegangen zu werden, sodass sich auch ein Eingehen auf das diesbezügliche Vorbringen in der Stellungnahme der Insolvenzverwalterin sowie der Äußerung des Schuldners dazu erübrigt.
9. Auch nach der im Rekursverfahren bestehenden Behauptungs- und Bescheinigungslage ist das Erstgericht somit zutreffend von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausgegangen. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz waren weder sämtliche seiner Verbindlichkeiten erfüllt noch geregelt. Der Schuldner hat damit die ihm obliegende Gegenbescheinigung seiner Zahlungsfähigkeit nicht erbracht.
10. Ein die zu erwartenden Anlaufkosten des Insolvenzverfahrens deckendes Vermögen als weitere von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung für die Eröffnung des Konkurses (§ 71 Abs 1 IO) ist hier jedenfalls aufgrund der Zusage der Antragstellerin gegeben. Wird vom Schuldner ein lebendes Unternehmen geführt, welches verpachtet oder veräußert werden kann, ist darauf Bedacht zu nehmen (OLG Wien 6 R 51/21w, 6 R 105/23i uva). Auf die mit einem Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten seiner Gattin belasteten Liegenschaften kommt es daher gar nicht mehr an.
11. Das Erstgericht hat daher zu Recht den Konkurs über das Vermögen des Schuldners eröffnet, weswegen der Rekurs ohne Erfolg bleibt. Der Schuldner ist auf die Möglichkeiten eines Sanierungsplanantrags nach den §§ 140 ff IO oder der Aufhebung des Konkurses mit Zustimmung sämtlicher Gläubiger (§ 123b Abs 1 IO) zu verweisen.
12. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.