JudikaturOLG Wien

16R51/24y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
20. August 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Sonntag als Vorsitzenden und die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Elhenicky und Mag. Ingemarsson in der Rechtssache der klagenden Partei A* KG , FN **, **, wider die beklagte Partei Mag. Dr. E*, geb. **, **, vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, MMag. Maja Ranc, Mag. Matej Zenz, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen EUR 15.500,-- s.A., über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 2.954,59) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29.2.2024, 4 Cg 29/22x-38, gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es wie folgt zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 6.162,08 samt 4% Zinsen seit 30.11.2021 zu zahlen.

2. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer EUR 9.337,92 samt 4 % Zinsen seit 1.12.2021 wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 46,-- bestimmten Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.035,90 (darin EUR 304,-- Barauslagen und EUR 121,98 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte begehrte beim Arbeits- und Sozialgericht Wien zu 28 Cga 71/20w (in der Folge: Vorverfahren) mit Klage vom 2.7.2020 von ihrem damaligen Arbeitgeber („C*“; in der Folge: C*) die Zahlung von EUR 46.092,73 sA an ausständigem Lohn und die (mit EUR 10.000,-- bewertete) Feststellung des aufrechten Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Sie wurde vorprozessual und vor Gericht von der klagenden Rechtsanwaltsgesellschaft vertreten. Nach Unterzeichnung eines außergerichtlichen Vergleichs durch die Beklagte am 18.6.2021 wurde im Vorverfahren von der Klägerin und dem (dortigen) Beklagtenvertreter (in der Folge: Rechtsanwalt des C*s) mit gemeinsamen Schriftsatz vom 19.8.2021 einfaches Ruhen mitgeteilt.

Mit Mahnklage vom 13.4.2022 begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung eines Teilbetrags von EUR 15.500,-- samt 4 % Zinsen p.a. seit 1.12.2021 aus der Honorarnote Nr. 21/1264 vom 30.11.2021 über insgesamt EUR 38.338,94 (in der Folge: Honorarnote).

Gegenstand der Berufung ist nur mehr die Berechtigung der Verrechnung eines Honorarzuschlags in Höhe von 30 % auf die Kosten der Klägerin von netto EUR 8.207,20 für die Vertretung vor Gericht im Vorverfahren, das sind netto EUR 2.462,16 bzw. brutto EUR 2.954,59. Das Berufungsgericht beschränkt sich daher im Folgenden (auch) bei der Darstellung des Parteienvorbringens sowie der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils im Wesentlichen auf dieses Thema.

Die Klägerin machte in der Honorarnote einen 150%igen Zuschlag (netto EUR 12.310,80) auf die Kostensumme aus dem Vorverfahren geltend und führte zur Begründung aus, die Beklagte habe ihr einen erhöhten Aufwand gemäß § 21 RATG verursacht, weil die Gespräche und die Korrespondenz mit ihr in Englisch geführt worden seien und sich die Beklagte nicht mit einzelnen gesammelten Änderungswünschen im Zuge der Konzeption der Vergleichsangebote zufriedengegeben habe, sondern nach und nach neue und andere Forderungen gestellt habe, die in englischer Sprache besprochen und daraufhin in das Vergleichsangebot hätten eingearbeitet werden müssen. Es sei dazu auch umfangreiche Korrespondenz geführt worden. Dies rechtfertige einen Zuschlag von 50% für die Zweisprachigkeit sowie von 100 % für den erhöhten Aufwand im Zuge der Vergleichsvorbereitung, weil die Leistung der Klägerin den durchschnittlichen Aufwand nach Art und Umfang erheblich überstiegen habe. Unter Berücksichtigung der Korrespondenz ausschließlich in englischer Sprache, der aufgewendeten Zeit und Mühe bei der Nachbearbeitung der Vergleichstagsatzungen sowie bei der Formulierung der Vergleichsangebote und der unzähligen Anrufe und E-Mails der Beklagten sei ein Zuschlag gerechtfertigt; die erbrachten Leistungen zur Vorbereitung der Vergleichsanbote seien über das Maß des Einheitssatzes für Nebenleistungen gemäß § 23 Abs 4 RATG hinausgegangen. Die Vergleichsvereinbarung sei besonders aufwendig gewesen, weil sie zuerst in englischer Sprache und dann zweisprachig ausverhandelt und verändert worden sei; auch beim Dienstzeugnis der Beklagten sei um einzelne Wörter oder Aufzählungen der Arbeiten der Beklagten langwierig verhandelt und ein Konsens nur schwer gefunden worden. Betreffend der Vergleichsvereinbarung sei besonders die Herausnahme der Generalklausel und später die Einfügung weiterer Bedingungen der Beklagten mühselig gewesen und habe einen weit über das gewöhnliche Ausmaß eines Vergleichs hinausgehenden Aufwand erfordert. Letztendlich sei der im Vorverfahren bei der Tagsatzung am 11.3.2021 mit EUR 50.000,-- ausverhandelte Vergleichsbetrag um EUR 10.000,-- höher ausgefallen, weil sich Rechtsanwalt Dr. D* für die Beklagte um einen weitergehenden Ersatz zur Abdeckung ihrer eigenen Anwaltskosten bemüht habe.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wendete ein, der Klägerin stehe ein Zuschlag auf die Kostensumme nicht zu. Der Aufwand sei bereits durch den ohnehin hohen Tarifansatz von EUR 56.092,73 abgegolten. Ein erhöhter Aufwand sei mit dem Verfahren wegen der englischen Sprache nicht verbunden gewesen. Die englische Korrespondenz habe sich auf normale Schreiben über den Verfahrensstand und übliche anwaltliche Korrespondenz beschränkt und sei teilweise auf Deutsch erfolgt. Auch bei Besprechungen und Gesprächen vor Gericht habe Dr. D* Deutsch gesprochen. Lediglich die Rechtsanwaltsanwärter hätten sich in Gesprächen mit der Beklagten der englischen Sprache bedient, das habe ihnen aber sichtlich keine Mühe bereitet. Die Sprache habe keinen großen Aufwand für die Klägerin dargestellt. Ein erhöhter Aufwand für die Mehrsprachigkeit oder ein Zuschlag sei mit der Beklagten auch nicht vereinbart und nicht einmal besprochen worden. Andernfalls hätte sie sich einen der englischen Sprache mächtigen Rechtsanwalt gesucht. Auch die Vergleichsgespräche und die Formulierung des Vergleichs seien mit keinem erhöhten Aufwand verbunden gewesen. Die Beklagte habe die meiste Arbeit sogar selbst übernommen. Sie selbst habe das erste Vergleichsangebot, das letztlich die Grundlage des Vergleichs geworden sei, nach der Verhandlung am 3.12.2020 verfasst und am 14.12.2020 per E-Mail an die Klägerin übermittelt; diese habe keinerlei Ergänzungen vorgenommen. Sie habe auch keine „unzähligen Anrufe“ getätigt, wie das die Klägerin im Widerspruch zu ihren Leistungsverzeichnissen nun behaupte. Die Notwendigkeit des verzeichneten Aktenstudiums in der Dauer von insgesamt 2 ½ Stunden am 19.8.2021, sohin nach Vergleichsabschluss, sei nicht nachvollziehbar.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren im Umfang von EUR 9.116,67 sA statt und wies das Mehrbegehren von EUR 6.383,33 (unbekämpft) ab.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung die oben zusammengefasst wiedergegebenen sowie weitere aus den Seiten 7 bis 20 der Urteilsausfertigung ersichtliche Feststellungen zugrunde, auf die verwiesen wird und von denen noch Folgende (teilweise gekürzt) hervorgehoben werden:

Das Erstgespräch mit der Beklagten am 12.2.2020, an dem für die Klägerin (Rechtsanwalt) Mag. E* und (Rechtsanwaltsanwärter) Mag. F* teilnahmen, wurde auf englisch geführt. Dass die Klägerin für das Verfassen von Schreiben in englischer Sprache einen Zuschlag auf ihr Honorar verrechnen wird, sagte ihr Mag. E* nicht.

Bei einem weiteren Termin in der Kanzlei der Klägerin am 22.5.2020 sprachen (Rechtsanwalt) Dr. D*, der ab diesem Zeitpunkt die Betreuung der Beklagten übernahm, und Mag.F* mit der Beklagten auch über die Kosten nach RATG für die Klage, Schriftsätze und Verhandlungen. Über die Verrechnung eines Zuschlags nach § 21 RATG wegen der Korrespondenz in englischer Sprache bzw wegen eines möglichen außerordentlichen Aufwands wurde nicht geredet.

Am 18.8.2020 übermittelte das C* (der Klägerin) einen Vergleichsvorschlag, den die Beklagte ablehnte.

Am 24.8.2020 übermittelte die Klägerin ihrerseits dem Rechtsanwalt des C*s einen Vergleichsvorschlag, der (seitens des C*s) abgelehnt wurde.

Am 3.12.2020 fand im Vorverfahren die vorbereitende Tagsatzung statt. In der eineinhalbstündigen Verhandlung wurde besprochen, dass man bestrebt sei, zu einer gütlichen Einigung zu kommen. Als Vergleichspunkte wurden unter anderem eine Zahlung des C*s von EUR 50.000,-- brutto sowie von anteiliger Pauschalgebühr und die Unterfertigung eines von der Beklagten als der dortigen Klägerin konzipierten Dienstzeugnisses sowie die wechselseitige Unterfertigung eines „Release of all claims“ besprochen.

Mit E-Mail vom 10.12.2020 übermittelte der Rechtsanwalt des C*s ein schriftliches Vergleichsanbot. Die Beklagte teilte der Klägerin mit E-Mail vom 14.12.2020 ihre Bedenken dagegen mit und änderte den in Punkt 3. des Vergleichs angeführten Betrag von EUR 50.000,-- auf EUR 50.364,79, weil sie die in der Verhandlung besprochene anteilige Pauschalgebühr hinzuzählte.

Am selben Tag übermittelte die Klägerin dem Rechtsanwalts des C*s unter anderem einen von der Beklagten aufgesetzten „Reference Letter“ samt „Release and Settlement agreement“.

Das C* nahm am „Reference Letter“ Änderungen vor. Mit Mail vom 15.12.2020 stellte ihr Rechtsanwalt gegenüber der Klägerin klar, dass Zahlung erst nach Vorliegen einer rechtsverbindlichen, schriftlichen Erklärung geleistet werde, dass damit sämtliche Ansprüche endgültig bereinigt und verglichen seien. Der Gegenvorschlag der Beklagten, den Vergleich erst nach Zahlung zu unterfertigen, werde nicht akzeptiert.

Noch am 15.12.2020 kam es bei der Klägerin zu einer zweieinhalbstündigen Besprechung mit der Beklagten. Am 16.12.2020 hatte die Beklagte erneute Änderungswünsche. Sie wollte ein anderes „Wording“, war mit dem „Reference Letter“ nicht einverstanden, hatte Bedenken zuerst zu unterschreiben und wollte nunmehr keine Zahlung per Scheck mehr. Weiters erklärte sie, dass das C* ihr bis dato ihre persönlichen Sachen aus dem Büro in ** noch nicht übersandt habe, und zwar ein Briefkonvolut, drei Paar Schuhe, zwei Kopien des Human Freedom Index 2019. Weiters wollte sie auch eine Regelung für die Kosten, wenn das C* die Vereinbarung brechen sollte. Die Rechtsanwaltsanwärterin der Klägerin Mag. G* übersandte der Beklagten auf Basis deren Wünsche eine geänderte Vereinbarung und den „Reference Letter“, womit die Beklagte einverstanden war. Der von ihr unterfertigte Vergleich wurde an den Beklagtenvertreter im Vorverfahren weitergeleitet, der am 17.12.2020 bekannt gab, dass die vorgenommene Änderung des „Reference Letter“ nicht akzeptiert werde; er übermittelte einen überarbeiteten „Reference Letter“, der jedoch für die Beklagte nicht akzeptabel war.

Mangels Einigung kam es am 11.3.2021 zu einer weiteren Verhandlung im Vorverfahren, die von Dr. D* verrichtet wurde. In der zweistündigen Verhandlung wurden erneut Vergleichsgespräche geführt, über die Abfassung des „Reference Letter“ geredet und die Verhandlung auf unbestimmte Zeit erstreckt. Der Beklagten (und Klägerin des Vorverfahrens) war es wichtig, dass im „Reference Letter“ ihre Mitarbeit bei drei bestimmten Indices festgehalten wird. In dem vom C* übermittelten „Reference Letter“ war dann nur von einem dieser Indices die Rede. Der neue „Reference Letter“ wurde der Beklagten am 12.3.2021 übermittelt, die am 13.3.2021 zustimmte, wobei ein Negativ-Code positiviert wurde. Die Vereinbarung und der „Reference Letter“ wurden am 23.3.2021 dem Rechtsanwalt des C*s übermittelt und gleichzeitig mitgeteilt, dass das Weglassen von zwei der drei angegebenen Indices keine geringfügige Korrektur sei, die in der Verhandlung auch nicht besprochen worden sei. Der Rechtsanwalt des C*s teilte am 21.4.2021 mit, dass das C* die Änderung des einen von der Beklagten monierten Wortes akzeptiere, nicht aber die vorgenommene Änderung der Indices, und adaptierte den „Reference Letter“ neuerlich etwas. Nachdem Mag. G* die Beklagte davon überzeugte, dass es für sie letztlich günstiger wäre, wenn bezüglich der Mitarbeit an Indices nichts festgehalten sei, weil sie in Gesprächen von sich aus sagen könne, wo sie mitgearbeitet habe, bat Dr. D* den Rechtsanwalt des C*s, es solle im „Reference Letter“ kein Index mehr aufscheinen. Damit war auch das C* einverstanden. Die persönlichen Gegenstände der Beklagten wurden gefunden. Nach Urgenz übermittelte der Rechtsanwalt des C*s am 17.6.2021 das Vergleichsanbot. Am 18.6.2021 unterfertigte die Beklagte den Vergleich mit dem C* und den „Reference Letter“. Warum die Vergleichszahlung mit EUR 60.000,-- angeführt war, kann nicht festgestellt werden.

Am 28.6.2021 monierte die Beklagte bei der Klägerin, dass ihr im Zusammenhang mit der Überweisung der EUR 60.000,-- Spesen von EUR 200,-- abgezogen worden seien. Sie bat mit dem Rechtsanwalt des C*s Kontakt aufzunehmen, damit auch diese Spesen abgedeckt werden. Am 15.7.2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie bisher weder ihre persönlichen Sachen erhalten habe, noch dass die Banktransaktionsspesen von EUR 200,-- bezahlt worden seien. Die Klägerin ersuchte den Rechtsanwalt des C*s am 21.7.2021 um Erfüllung des Vergleichs.

Das Erstgericht erkannte der Klägerin einen Honorarzuschlag von 30 % zu und führte dazu in rechtlicher Hinsicht aus, dass die Parteien für die Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Vorverfahren die Verrechnung nach RATG und Einheitssatz vereinbart hätten. § 21 Abs 1 RATG räume dem Gericht die Möglichkeit ein, die Entlohnung über das Maß des Tarifs hinaus festzusetzen, wenn im einzelnen Fall die Leistung des Rechtsanwalts nach Umfang oder Art den Durchschnitt erheblich übersteige. Im Hinblick darauf, dass einerseits Englischkenntnisse sehr verbreitet seien und auch die Korrespondenz mit dem Klienten im Ausland eine nach TP 5 und 6 zu honorierende Leistung sei, die durch den Einheitssatz grundsätzlich als abgegolten gelte, andererseits aber die notwendigen Übersetzungen ins Deutsche oder ins Englische einen zusätzlichen Aufwand bedeutet hätten, erscheine dafür ein Zuschlag von 10% als angemessen. Da die Vergleichsfindung über das übliche Maß hinausgegangen sei, sei dafür ein Zuschlag von 20% gerechtfertigt. Der Zuschlag zur Nettokostensumme von EUR 8.207,20 für die Sprache betrage daher netto EUR 820,72 sowie für den Vergleich netto EUR 1.641,44, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer.

Gegen den Zuspruch von EUR 2.954,59 sA richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Klagsabweisung von insgesamt EUR 9.337,92 sA abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt .

1. Im Rahmen der ausschließlich erhobenen Rechtsrüge gesteht die Berufungswerberin zunächst ausdrücklich die Richtigkeit der vom Erstgericht zugesprochenen Kostensumme für die Vertretungsleistungen der Klägerin im Vorverfahren von netto EUR 8.207,20 zu und wendet sich allein gegen den Zuspruch von brutto insgesamt EUR 2.954,59 an Zuschlägen von 10% für die englische Sprache und 20% für die Vergleichsgespräche. Sie sei als Konsumentin über die Möglichkeit der Verrechnung von Zuschlägen ohne entsprechende Vereinbarung nicht aufgeklärt worden. § 21 RATG biete dafür auch keine gesetzliche Grundlage. Diese Bestimmung normiere den Kostenersatzanspruch der obsiegenden Partei gegenüber dem unterlegenen Prozessgegner, nicht aber den privatrechtlichen Honoraranspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten. Sie finde demnach im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten keine Anwendung. Darüberhinaus stünden der Klägerin die begehrten Zuschläge auch deshalb nicht zu, weil ihre anwaltlichen Leistungen nach Umfang oder Art den Durchschnitt nicht erheblich überstiegen hätten. Englischkenntnisse seien heute Standard und die Ausarbeitung des Vergleiches sei nicht erheblich zeitintensiver gewesen als üblich.

2. Gemäß § 21 Abs 1 RATG ist, wenn im einzelnen Fall die Leistung des Rechtsanwalts nach Umfang oder Art den Durchschnitt erheblich übersteigt, die Entlohnung dafür unabhängig vom Tarif, insbesondere unter Berücksichtigung der aufgewendeten Zeit und Mühe, angemessen festzusetzen (sog. „Besondere-Mühe-Zuschlag“, vgl Ziehensack , Praxiskommentar, Kostenrecht Rz 1175).

2.1 In § 21 Abs 1 RATG ist allerdings, worauf die Berufungswerberin mit Recht hinweist, nur der vom Prozessgericht zu bestimmende Kostenersatz gegenüber dem Prozessgegner geregelt, nicht aber der – hier zu beurteilende - Honoraranspruch des Rechtsanwalts im privatrechtlichen Verhältnis gegenüber dem eigenen Mandanten (7 Ob 233/13k mwN, 7 Ob 220/15k; Thiele, Anwaltskosten 4 § 2 RATG Rz 9; Hofer-Zeni, Praxishandbuch Rechtsanwaltstarif Rz 580; Obermaier, Kostenhandbuch 4 Rz 3.27).

2.2 Allein damit ist für den Standpunkt der Beklagten aber noch nichts gewonnen. Das Begehren der Klägerin nach einer prozentualen Erhöhung ihres Honoraranspruchs im Sinn eines „Besondere-Mühe-Zuschlags“ könnte eine Grundlage nämlich in § 2 Abs 2 RATG finden, wonach der Rechtsanwalt, auch wenn eine Entlohnung nicht vereinbart wurde, einen durch besondere Umstände oder durch eine von seiner Partei veranlasste besondere Inanspruchnahme gerechtfertigten höheren Anspruch als im Tarif vorgesehen gegen diese Partei geltend machen kann. § 2 Abs 2 RATG bezieht sich im Gegensatz zu § 21 Abs 1 RATG auf das Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Klient und bezweckt in diesem Verhältnis ebenfalls die Abgeltung des durch den Rechtsfall verursachten Mehraufwands. Dem Rechtsanwalt steht damit unter den dort genannten Voraussetzungen gegen seinen Mandanten ein Anspruch auf Bezahlung eines Mehraufwands auch ohne darauf abzielende Vereinbarung zu (7 Ob 233/13k mwN; Thiele aaO; Hofer-Zeni aaO).

2.3 Dass sich die Klägerin zur Rechtfertigung des Honorarzuschlags nur auf die Bestimmung des § 21 RATG und nicht ausdrücklich auf die Bestimmung des § 2 Abs 2 RATG gestützt hat, ist als unrichtige rechtliche Qualifikation des als Rechtsgrund geltend gemachten Sachverhalts bedeutungslos. Maßgebend für den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt und die hiefür angegebenen Tatsachen. Das Tatsachenvorbringen ist vom Gericht nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (RS0037610 [T5, T37, T46]). Der Klägerin kann nicht unterstellt werden, dass sie die Prüfung ihres Honoraranspruchs ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des § 21 RATG anstrebte. Der Sache nach machte sie mit ihrer Behauptung eines erhöhten Aufwands für den Gebrauch der englischen Sprache sowie ihrer Bemühungen um einen Vergleichsabschluss zweifellos auch eine besondere Inanspruchnahme durch die Beklagte als Voraussetzung für den erhöhten Honoraranspruch nach § 2 Abs 2 RATG geltend (vgl 1 Ob 608/92). Davon ausgehend wirkt sich allein das Anführen einer unrichtigen gesetzlichen Bestimmung (§ 21 statt § 2 RATG) nicht zum Nachteil der Klägerin aus (vgl RS0037610 [T9]).

Zu prüfen ist daher, ob der Klägerin der von ihr verlangte Honorarzuschlag auf Grundlage des § 2 Abs 2 RATG zusteht.

3. Zum Honorarzuschlag für den Gebrauch der englischen Sprache in den Gesprächen und der Korrespondenz mit der Beklagten („Fremdsprachenzuschlag“):

3.1 Soweit ersichtlich besteht nur im Anwendungsbereich des § 21 RATG zweitinstanzliche Rechtsprechung zur Berechtigung eines „Fremdsprachenzuschlags“, wobei die Frage, ob die Verwendung einer Fremdsprache in der Vertretung eines der deutschen Sprache nicht mächtigen Mandanten einen Honorarzuschlag und wenn ja in welcher Höhe rechtfertigt, nicht einheitlich beantwortet wird. So wird einerseits vertreten, dass für bloße Übersetzungstätigkeiten kein Zuschlag gebührt, während für die Beratung und Betreuung des Mandanten sowie das Führen fremdsprachiger Korrespondenz teilweise ein Honorarzuschlag (beispielsweise für die in Österreich weit verbreitete Fremdsprache Englisch in Höhe von rund 10 %) anerkannt wird, es sei denn bei der Fremdsprache handelt es sich um die Muttersprache des Anwalts (vgl Obermaier aaO Rz 3.27 mit zahlreichen Nachweisen zweitinstanzlicher Entscheidungen; RI0100070). Klimek (Fremdsprachenzuschlag als übertarifliche Entlohnung iSd § 21 RATG, AnwBl 2014, 110) spricht sich dafür aus, dass die Erbringung anwaltlicher Leistungen unter Anwendung von Fremdsprachenkenntnissen auf einem Niveau, das die anwaltliche Betreuung mithilfe dieser Fremdsprache ermöglicht, grundsätzlich als Mehraufwand iSd § 21 Abs 1 RATG zu beurteilen und durch einen von der Verbreitung der jeweiligen Fremdsprache abhängigen Zuschlag abgegolten werden soll. Dafür spreche, dass er nach Art und Umfang den durchschnittlichen Leistungsumfang (im Vergleich zur Leistungserbringung in der Amtssprache der Republik Österreich) erheblich übersteige. Die Schwierigkeit der Betreuung eines Mandanten in einer Fremdsprache bestehe auch nicht nur in der einfachen Übertragung der Information aus der Ausgangs- in die Zielsprache, sondern professionelle Vertretungsleistungen für Mandanten aus einem fremden Rechtssystem erforderten eine Berücksichtigung von und Aufklärung über Verständnisunterschiede, welche aus Differenzen zwischen der österreichischen und der fremden Rechtsordnung, Rechtskultur und Rechtstradition resultierten. Ein direktes Mandantengespräch des der Fremdsprache mächtigen Rechtsanwalt schütze optimal vor einer Gefahr der unvollständigen bzw. missverständlichen Übersetzung. Es gelte den Sachverhalt umfassend aufzunehmen, die entscheidungswesentlichen Detailfragen abzuklären und auf den jeweiligen Verlauf des Beweisverfahrens möglichst zeitnah zu reagieren und wechselseitig in der Fremdsprache Kontakt zu halten. Es gehe auch um die Mitübersetzung der Rechts institute und Rechtsfiguren des österreichischen Rechts, welches der dem Mandanten vertrauten Rechtsordnung nicht entsprechen müsse (vgl Ziehensack aaO Rz 1181).

3.2 Bei der Beurteilung der Voraussetzungen des Zuspruchs eines „Fremdsprachenzuschlags“ nach § 2 Abs 2 RATG gilt es darüber hinaus zu berücksichtigen, dass es dafür nicht wie nach § 21 Abs 1 RATG ausreicht, dass die anwaltliche Leistung den Durchschnitt objektiv betrachtet erheblich übersteigt, sondern zusätzlich eine durch besondere Umstände oder durch eine vom eigenen Mandanten veranlasste besondere Inanspruchnahme als Voraussetzung für eine Überschreitung der Tarifansätze verlangt wird ( Thiele aaO Rz 9). Allein der Umstand, dass die Betreuung eines Mandanten nach Art und Umfang die durchschnittliche Leistungserbringung in der deutschen Amtssprache objektiv erheblich übersteigt, bietet daher keine Rechtfertigung für einen Honorarzuschlag nach § 2 Abs 2 RATG. Erforderlich wäre im konkreten Fall ein erheblich höherer Aufwand des Rechtsanwalts infolge des Sprachproblems. Einen solchen hat die Klägerin aber weder behauptet noch unter Beweis gestellt. So hat sie beispielsweise nicht (etwa im Sinn der von Klimek [aaO] angestellten Erwägungen zum Mehraufwand für fremdsprachliche Vertretungsleistungen) dargetan, dass die Betreuung der Beklagten im Vorverfahren durch die Notwendigkeit die für die Beratung und/oder Vertretung der Beklagten richtigen englischen Fachbegriffe in Erfahrung zu bringen oder sie über die Verständnisunterschiede zwischen der österreichischen und der der Beklagten bekannten Rechtsordnung aufzuklären, zeitintensiver war als bei einer deutschsprachigen Mandantin. Vor allem hat sie sich nicht darauf gestützt, dass der in der Vertretung der Beklagten im Vorverfahren eingesetzte Rechtsanwalt Dr. D*, der wie sein weiterer akademischer Titel „LLM“ (Master of Laws) erkennen lässt, ein Post-Graduate-Studium absolviert hat, das wohl entsprechende Englisch-Kenntnisse voraussetzt, aber auch die in der Beratung und Betreuung der Beklagten eingesetzten Rechtsanwaltsanwärter nicht über ausreichende Englischkenntnisse verfügten, um die Gespräche oder die (ohnehin nur aus kurzen E-Mails bestehende) Korrespondenz in Englisch ohne nennenswerten Mehraufwand zu führen. Im Gegenteil die Klägerin hat der Behauptung der Beklagten, dass die im Vorverfahren tätige Rechtsanwaltsanwärterin mühelos Englisch sprach, gar nicht widersprochen. Eine „besondere Inanspruchnahme“ der Rechtsanwälte bzw. Rechtsanwaltsanwärter der Klägerin im Sinn des § 2 Abs 2 RATG durch das Erfordernis, die Beklagte in englischer Sprache zu betreuen, steht damit nicht fest, sodass für die Verwendung der englischen Sprache auch kein Honorarzuschlag zugesprochen werden kann.

4. Zum Zuschlag für außergerichtliche Vergleichsverhandlungen:

4.1 Bei Beurteilung der von § 2 Abs 2 RATG vorausgesetzten „besonderen Inanspruchnahme“ der Klägerin durch die im Vorverfahren (letztlich auch erfolgreich) geführten außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen ist die Bestimmung des § 23 Abs 4 RATG zu beachten. Danach sind Nebenleistungen im Zuge außergerichtlicher mündlicher oder schriftlicher Verhandlungen, die vor oder während eines gerichtlichen Verfahrens zur Herbeiführung eines Vergleichs vorgenommen worden sind, nicht vom Einheitssatz umfasst, sondern nach der für jede einzelne Leistung geltenden Tarifpost zu entlohnen, falls sie einen erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe verursacht haben. Da somit Vergleichsverhandlungen ohne erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe jedenfalls vom Einheitssatz gedeckt sind, kommt auch ein Honorarzuschlag nach § 2 Abs 2 RATG nur dann in Frage, wenn der außergerichtliche Aufwand der Klägerin an Zeit und Mühe, der letztlich zum Abschluss des Vergleichs führte, erheblich war und über einem im Durchschnitt mit jedem Vergleichsabschluss verbundenen Aufwand lag.

4.2 In Ansehung des von der Klägerin relevierten Aufwands ist zunächst festzuhalten, dass die Eckpunkte des abzuschließenden Vergleichs im Wesentlichen in den beiden Tagsatzungen im Vorverfahren ausverhandelt wurden, gerade seitens des Prozessgegners im Vorverfahren stets Vergleichsbereitschaft signalisiert wurde und sich die außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen auf noch strittige Nebenpunkte und insbesondere einige Formulierungen im „Reference Letter“ beschränkten. Vorauszuschicken ist auch, dass die Anwälte (Anwaltsanwärter) der Klägerin außergerichtlich nicht maßgeblich mit dem Verfassen des Vergleichstextes selbst befasst waren, da der Klägerin am 18.8.2020 ein bereits (zweisprachig) ausformulierter Vergleichsvorschlag seitens des Rechtsanwalts des C*s unterbreitet wurde. Dieser war schließlich die Grundlage der weiteren Verhandlungen, in den die von der Beklagten gewünschten (großteils von ihr ausformulierten) Änderungen eingearbeitet wurden. Insoweit blieb der Aufwand der Klägerin in ihren Bemühungen um den Abschluss eines Vergleichs sogar hinter dem durchschnittlichen Aufwand jenes Rechtsanwalts zurück, der die schriftliche Abfassung des Vergleichstextes übernimmt. Die von der Klägerin mit dem Beilagenkonvolut ./H vorgelegte E-Mail-Korrespondenz, bestand zwar aus einer Vielzahl an E-Mails, beschränkte sich seitens der Klägerin aber, soweit sich die einzelnen E-Mails auf den letztlich erzielten Vergleich und nicht auf die etwa zur Verfassung von vorbereitenden Schriftsätzen notwendige Sachverhaltsermittlung bezogen, weitgehend auf das Weiterleiten von Vergleichsvorschlägen an die Beklagte oder den Rechtsanwalt des C*s samt jeweils kurzen Anmerkungen dazu. Davon, dass mit dem Verfassen dieser jeweils kurzen E-Mails auch in Summe ein erheblicher Zeitaufwand verbunden gewesen wäre, kann daher nicht ausgegangen werden. Ihre Behauptung, Rechtsanwalt Dr. D* hätte sich um die Erhöhung der zunächst in Aussicht genommenen Vergleichszahlung von EUR 50.000,-- auf die letztlich vereinbarte Zahlung von EUR 60.000,-- besonders bemüht, konnte die Klägerin nicht unter Beweis stellen.

4.3 Beachtet man des weiteren den Grundsatz, dass das Vorliegen einer Mehrleistung stets unter Rücksichtnahme auf die Kostenbemessungsgrundlage zu beantworten und durch einen entsprechend hohen Tarifansatz – wie hier auf Grundlage des hohen Streitwerts im Vorverfahren von EUR 56.092,73 – bereits ein hoher Aufwand abgegolten ist (vgl zu § 21 RATG: Ziehensack aaO Rz 1185; Thiele aaO Rz 8/1), kann, auch wenn sich die Vergleichsverhandlungen sowohl vor Gericht als auch außergerichtlich (mit Unterbrechungen) über rund ein Jahr hinzogen, insgesamt kein solcher Aufwand der Klägerin erkannt werden, der zu einer besonders erheblichen bzw. überdurchschnittlichen Inanspruchnahme der Klägerin durch die Beklagte führte und nicht bereits durch den Einheitssatz des § 23 RATG abgedeckt wäre. Die Forderung der Klägerin nach einem Honorarzuschlag iSd § 2 Abs 2 RATG ist demnach ebenfalls nicht gerechtfertigt.

Der Berufung war daher Folge zu geben und die Klage im weiteren Umfang von (brutto) EUR 2.954,59 sA abzuweisen.

5. Aufgrund der Änderung in der Hauptsache, wäre auch die Entscheidung über die Kosten erster Instanz neu zu fassen. Da es gegenüber der angefochtenen Entscheidung aber zu keiner relevanten Änderung der Obsiegensquote kommt (der Zuspruch von EUR 6.162,08 sA entspricht einer Obsiegensquote von rund 40 %, sodass wieder mit Kostenaufhebung vorgegangen werden kann – vgl Obermaier aaO Rz 1.130; RS0125739), hat es bei der Kostenentscheidung des Erstgerichts zu verbleiben ( Obermaier aaO Rz 1.449; 9 ObA 53/18m mwN), wobei die wechselseitigen Kostenersatzansprüche zu saldieren waren (RS0035877).

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gründet sich auf § 502 Abs 2 ZPO.

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