14R45/24a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Curd Steinhauer als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Margit Schaller und Dr. Kristina Heissenberger in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Dr. Peter Lessky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich , vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei B* , **, vertreten durch Dr. Alfred Steinbuch, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wegen (zuletzt) EUR 147.124,15 sA, über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse EUR 72.752,15 sA) gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 25.01.2024, 25 Cg 79/21x-99, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird in der Hauptsache nicht Folge gegeben.
Im Kostenpunkt wird der Berufung teilweise Folge gegeben und die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils dahin abgeändert, dass sie lautet:
„ 3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 4.738,57 bestimmten Prozesskosten (darin enthalten EUR 3.968,75 an Barauslagen) zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 3.165,85 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Text
Entscheidungsgründ e
Die Klägerin ist eine von drei Nichten der am 15.12.2019 verstorbenen C* (in weiterer Folge: Erblasserin), welchen mit Beschluss des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 17.9.2020 deren Nachlass zu je einem Drittel eingeantwortet wurde. Die beiden Miterbinnen traten in der Folge ihre Forderungen der Klägerin zur gerichtlichen Geltendmachung ab.
Die Erblasserin und ihr Ehemann D* waren ursprünglich ua Eigentümer von je 32/7053-Anteilen der Liegenschaft EZ ** Grundbuch ** (**), mit welchen Wohnungseigentum an der Wohnung W23, sowie von je 36/14106-Anteilen an derselben Liegenschaft, mit welchen Wohnungseigentum an der Wohnung W8 verbunden war.
D* verstarb am 3.3.2008. Seine testamentarischen Erbinnen waren zu zwei Dritteln seine Ehefrau, die Erblasserin, und zu einem Drittel seine Mutter E*.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Gloggnitz vom 8.8.2008 wurde der Nebenintervenient zum Sachwalter der Erblasserin mit dem Wirkungskreis ua der Regelung von finanziellen Angelegenheiten bestellt.
Die jeweils in die Verlassenschaft nach D* fallenden Hälfteanteile an den Eigentumswohnungen W23 und W8 wurden im Verlassenschaftsverfahren nach D* mittels zweier vom Gerichtskommissär Notar Dr. F* eingeholter Sachverständigengutachten im September 2008 zum Stichtag 3.3.2008 bewertet. Für den Hälfteanteil an der Eigentumswohnung W23 wurde ein Wert von EUR 43.000,- ermittelt, für den Hälfteanteil an der Eigentumswohnung W8 ein solcher von EUR 28.000,-.
Aufgrund eines pflegschaftsgerichtlich genehmigten Erbteilungsübereinkommens vom 4.11.2008 fielen die Hälfteanteile an den Eigentumswohnungen W23 und W8 an die Erblasserin, wodurch diese zu deren Alleineigentümerin wurde.
Der Nebenintervenient beantragte als Sachwalter der Erblasserin mit Schreiben vom 29.04.2010 die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung eines mit G* abgeschlossenen Kaufvertrags vom 26.04.2010 über die Eigentumswohnung W8 um einen Kaufpreis von EUR 32.000,- und verwies auf das in seinen Händen befindliche Schätzgutachten. Er führte aus, dass aufgrund der massiv verschlechterten Marktsituation ein Wertverlust eingetreten sei. Der Kaufvertrag sei zum Wohle der Betroffenen, weil der Kaufpreis „annähernd den Schätzwert dieser Eigentumswohnung jedenfalls erreicht“ (Beil ./C).
Nach Vorlage des Verkehrswertgutachtens genehmigte das Pflegschaftsgericht mit Beschluss vom 28.06.2010 den gegenständlichen Kaufvertrag antragsgemäß mit der Begründung, dass der Kaufpreis über dem Verkehrswert liege (5 P 30/08p-49 des BG Gloggnitz), ohne ein weiteres Gutachten einzuholen oder sonstige Erhebungen vorzunehmen.
Bereits am 02.03.2009 hatte das Pflegschaftsgericht einen Kaufvertrag betreffend die Wohnung W23 um einen Kaufpreis von EUR 80.000,- genehmigt.
Die Erblasserin hatte nie beabsichtigt, die beiden Wohnungen zu verkaufen. Vielmehr wollte sie immer schon nach ** in die eine Wohnung übersiedeln und die andere für eine Pflegekraft bereit halten. Dabei war kein konkreter Zeitpunkt geplant, sondern dies sollte geschehen, wann sie es wollte. In einer Wohnung in ** zu wohnen, war immer der Wunsch der Erblasserin.
Der genaue Zustand der Wohnung W8 zum Zeitpunkt des Verkaufs konnte nicht festgestellt werden; sie war aber weder „topsaniert“ noch stark sanierungsbedürftig.
Zum Zeitpunkt der Bestellung des Nebenintervenienten zum Sachwalter und für längstens zwei Monate danach, war die Wohnung W8 vermietet und betrug die monatliche Miete EUR 403,- inklusive USt.
Im Jahr 2019 wies die Wohnung W8 bestandfrei einen Verkehrswert von EUR 106.372,- auf.
Die Klägerin begehrte mit der vorliegenden Klage, gestützt auf den Titel der Amtshaftung, eine Schadenersatzzahlung der Beklagten von (zuletzt) EUR 147.124,15 (Klagebegehren ON 64 S 4). Sie brachte dazu - auf das Wesentliche zusammengefasst - vor, der Pflegschaftsrichter des Bezirksgerichts Gloggnitz habe den Kaufvertrag über die Eigentumswohnung W8 unvertretbar rechtswidrig genehmigt, weil zum damaligen Zeitpunkt gar kein Wertverlust aufgrund einer verschlechterten Marktsituation vorgelegen sei. Er habe den angeblich eingetretenen Wertverlust auch nicht durch Einholung eines Gutachtens überprüft und keine öffentliche Versteigerung durchführen lassen. Der genehmigte Verkaufspreis sei weit unter dem tatsächlichen damaligen Verkehrswert gelegen, weswegen der Verkauf niemals im Interesse der Besachwalteten gelegen sein könne. Der im Schätzgutachten ermittelte Verkehrswert von EUR 28.000,- habe sich auch nur auf den Hälfteanteil der Wohnung W8 bezogen, wohingegen der Kaufvertrag sämtliche Grundbuchsanteile umfasst habe. Die Genehmigung des Verkaufs der Wohnung W8 sei daher unvertretbar gewesen, zumal damals - entgegen § 223 ABGB - weder ein „Notfall“ noch ein „offenbarer Vorteil“ für die Erblasserin gegeben gewesen sei. Anhaltspunkte für die Annahme eines Verkaufswillens der Erblasserin seien nicht vorgelegen; es reiche nicht aus, dass keine Hinweise darauf bestanden hätten, dass sie mit dem Verkauf nicht einverstanden gewesen sei.
Das Klagebegehren iHv (zuletzt) insgesamt 147.124,15 sA (vgl Klageeinschränkung ON 64) setze sich zusammen aus EUR 39.000,- als Differenz des Kaufpreises der Wohnung zum damaligen Verkehrswert, EUR 60.032,82 an entgangener Wertsteigerung bis zum Stichtag 15.12.2019 und EUR 48.091,33 an entgangenen Mietzinsen bis zum Stichtag 15.12.2009 (Seiten 3 u 22 in ON 1).
Die Beklagte wandte zunächst die Verjährung ein. Der Amtshaftungsanspruch stütze sich auf den Beschluss des Bezirksgerichts Gloggnitz vom 28.06.2010, sodass schon zum Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens vom 27.07.2020 und auch bei Klageeinbringung im November 2020 die zehnjährige (lange) Verjährungsfrist abgelaufen gewesen sei. Hemmungsvorschriften kämen entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zur Anwendung.
Inhaltlich wandte sie zusammengefasst im Wesentlichen ein, die pflegschaftsgerichtliche Verkaufsgenehmigung sei mindestens vertretbar gewesen. Die vom Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren nach D* eingeholten Verkehrswertgutachten über die Eigentumswohnungen W23 und W8 hätten keine Anhaltspunkte dafür geboten, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Erstellung entgegen dem damaligen Stand der Wissenschaft und/oder entgegen den damaligen einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen erstellt worden seien. Etwaige in diesen Verkehrswertgutachten falsch herangezogene prozentuale Ab- oder Zuschläge oder nicht ordnungsgemäße Berechnungen seien dem Sachverständigen zuzurechnen, für den sie nicht hafte.
Das Pflegschaftsgericht habe bei der Genehmigung der beantragten Liegenschaftsveräußerung die einschlägige Gesetzeslage und dazu ergangene Rechtsprechung mindestens vertretbar angewendet. Die im Verlassenschaftsverfahren nach D* eingeholten Verkehrswertgutachten seien auch noch zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 28.06.2010 aktuell gewesen. Die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens durch das Pflegschaftsgericht sei damals bei der Genehmigung der Veräußerung einer Liegenschaft gesetzlich nicht (zwingend) vorgesehen gewesen. Das Pflegschaftsgericht habe den ihm vom Sachwalter der Erblasserin vorgelegten Verkehrswertgutachten Glauben schenken und sie seiner Genehmigungsentscheidung zugrunde legen dürfen. Aus diesen Gutachten ergebe sich nämlich keineswegs völlig eindeutig, dass sich der darin für die Wohnung W8 angegebene Verkehrswert von EUR 28.000,- nur auf den halben Mindestanteil beziehe.
Bestritten werde, dass das Pflegschaftsgericht grob fahrlässig vorgegangen sei, weshalb jedenfalls kein Schadenersatzanspruch auf entgangenen Gewinn bestehen könne.
Der Klageanspruch sei auch nicht vom Schutzzweck der Fürsorgepflicht des Pflegschaftsgerichts umfasst, weil der Erbe eines Pflegebefohlenen nicht der Fürsorgepflicht des Pflegschaftsgerichts unterstehe. Die besachwaltete Erblasserin habe im Übrigen zu ihren Lebzeiten selbst keinen Amtshaftungsanspruch erlangt: der Genehmigungsbeschluss des Bezirksgerichts Gloggnitz vom 28.06.2010 sei nämlich nie mit einem Rechtsmittel bekämpft worden, weshalb eine Verletzung der Rettungspflicht gemäß § 2 Abs 2 AHG vorliege.
Der Klageanspruch werde auch der Höhe nach bestritten.
Der am 11.05.2023 (Schriftsatz ON 83) auf Seiten der Beklagten beigetretene Nebenintervenient brachte noch vor, der durch den Verkauf der Wohnung W8 erzielte Erlös habe den Wünschen der besachwalteten Erblasserin entsprochen. Die Wohnung sei zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht vermietet und sanierungsbedürftig gewesen. Für eine Vermietung der Wohnung wäre deren Sanierung notwendig gewesen, was eine Verminderung des Barvermögens der Erblasserin mit sich gebracht hätte.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage mit EUR 74.372,- sA statt, wies das Mehrbegehren von EUR 72.752,15 sA ab, und verpflichtete die Beklagte zum Kostenersatz von EUR 2.526,55 an die Klägerin.
Es ging über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus von den auf den Seiten 16 – 21 der Urteilsausfertigung enthaltenen Feststellungen aus, auf die verwiesen wird.
Rechtlich folgerte es im Wesentlichen - soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung -, die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Verkaufs vom 28.06.2010 sei unvertretbar rechtswidrig gewesen, weil weder ein Notfall vorgelegen noch der Verkauf zum offenbaren Vorteil der besachwalteten Erblasserin erfolgt sei. Der Verkauf sei ohne nachvollziehbare Prüfung, ob es tatsächlich zu dem behaupteten Wertverlust gekommen sei, erfolgt. Zudem habe sich das Schätzgutachten nur auf den Hälftewert der Wohnung bezogen und der Wunsch der Pflegebefohlenen bestanden, die Wohnung selbst zu nutzen.
Eine Pflicht (des Sachwalters) zur Vermietung der Wohnung habe jedoch nicht bestanden, weil das Wohl der Pflegebefohlenen im Vordergrund zu stehen gehabt habe, und diese immer nach ** ziehen habe wollen. Eine Vermietung der Wohnung hätte diesem ausdrücklichen Wunsch widersprochen, den sie auch bereits zu Zeiten geäußert habe, als ihr noch kein Sachwalter bestellt gewesen sei. Da die Geschädigte so zu stellen sei, wie sie stünde, wenn die schädigende Handlung nicht gesetzt worden wäre, habe sie unter dem Gesichtspunkt einer jederzeit möglichen Nutzungsmöglichkeit für sich selbst und ihre Pflegerin auch keinen Schaden aufgrund eines entgangenen Mietzinses erlitten. Selbst wenn die Wohnung nicht verkauft worden wäre, hätte sie aufgrund des ausdrücklichen Wunsches der Erblasserin, die Wohnung selbst nützen zu können, nicht zwingend vermietet werden müssen. Eine Vermietung und eine jederzeitige Nutzung würden einander ausschließen, da sowohl bei einer befristeten als auch bei einer unbefristeten Vermietung Kündigungsfristen einzuhalten gewesen wären. Die Nichtvermietung sei daher aufgrund des beachtlichen Wunsches der besachwalteten Erblasserin nicht unvertretbar gewesen. Ein Schadenersatzanspruch wegen eines entgangenen Mietzinses bestehe daher nicht.
Vom Verkehrswert der Wohnung W8 (bestandfrei) zum Stichtag 2019 von EUR 106.372,- sei daher der (erhaltene) Verkaufspreis von EUR 32.000,- abzuziehen, sodass sich die Differenz von EUR 74.372,- als Schaden ergebe. Ein darüber hinausgehender Schadenersatzanspruch bestehe nicht.
Auf den Verjährungseinwand ging das Erstgericht - aufgrund der im Parallelverfahren betreffend die Wohnung W23 ergangenen Entscheidung des Berufungsgerichts zu 14 R 58/22k - nicht ein.
In der Begründung der Kostenentscheidung führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, die Klägerin habe im ersten zu bildenden Verfahrensabschnitt (Begehren EUR 170.000,-) um mehr als die Hälfte überklagt. Die Anwendung des Kostenprivilegs des § 43 Abs 2 Fall 2 ZPO scheide aus; die Klägerin habe nur zu 43,75 % obsiegt; die [richtig:] Ersatzquote betrage somit 12,5 %. Im zweiten (EUR 164.922,11) und im dritten Verfahrensabschnitt (EUR 147.125,15) seien die Kosten nach § 43 Abs 1 Satz 1 ZPO gegeneinander aufzuheben. Diese Kostenaufhebung gelte auch für die Kosten des Nebenintervenienten.
Gegen die Abweisung des Mehrbegehrens von EUR 72.752,15 sA richtet sich die Berufung der Klägerin mit dem Abänderungsantrag, der Klage auch mit diesem Betrag stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Im Kostenpunkt beantragt die Klägerin eine Abänderung der Kostenentscheidung dahin, dass ihre Kostenersatzpflicht entfallen und stattdessen die Beklagte zum Kostenersatz von EUR 20.045,42 verpflichtet werden soll.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben. Der Nebenintervenient erstattete keine Berufungsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist in der Hauptsache nicht , im Kostenpunkt jedoch teilweise berechtigt .
1. Zur Verjährung:
Festzuhalten ist, dass die Beklagte den klagestattgebenden Teil des angefochtenen Urteils nicht bekämpft, aber in ihrer Berufungsbeantwortung (Seite 8) „aus advokatorischer Vorsicht“ ihren Verjährungseinwand ausdrücklich aufrecht erhält und weiterhin auf dem Standpunkt steht, die Hemmung nach § 1494 ABGB greife nicht.
Da keine rechtliche Bindung an die im Parallelverfahren geäußerte Rechtsmeinung besteht, ist daher zunächst nochmals auf die Verjährungsfrage einzugehen.
Das Berufungsgericht nahm bereits im Parallelverfahren zu 25 Cg 93/21f des Erstgerichts betreffend die Wohnung W23 in seinem Beschluss vom 31.05.2022 ( 14 R 58/22k ) zur Verjährung des dort geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs Stellung. Es verneinte den Eintritt der Verjährung unter Anwendung der Regelung des § 1494 ABGB und der dort vorgesehenen Hemmung des Beginns der Verjährungsfrist im Fall des Vorliegens einer Interessenkollision beim gesetzlichen Vertreter (hier: Sachwalter) des Pflegebefohlenen.
Wird – wie auch im hier vorliegenden Fall – ein Amtshaftungsanspruch aus der gerichtlichen Genehmigung eines Antrags des Sachwalters für eine besachwaltete Person abgeleitet, so beginnt in sinngemäßer Anwendung des § 1494 ABGB die Verjährungsfrist nicht vor der Bestellung eines Kollisionskurators oder – alternativ – vor der Beendigung der Sachwalterschaft zu laufen (vgl Schragel AHG 3 § 6 AHG Rz 227 mwN; M. Bydlinski in Rummel ABGB 3 § 1494 Rz 1; RS0049073, RS0112302). Da im ABGB keine absolute Höchstdauer der Verjährung vorgesehen ist, kann – entgegen der von der Beklagten offenbar vertretenen Ansicht – auch die lange, im Amtshaftungsrecht zehnjährige Verjährungsfrist durch die Hemmung hinausgezögert – und dadurch verlängert – werden (vgl Vollmaier in Großkommentar zum ABGB 3 , Vorbemerkungen zu §§ 1494 – 1496, Rz 27).
Da im vorliegenden Fall nie ein Kollisionskurator bestellt wurde und die Sachwalterschaft bzw. Erwachsenenvertretung für die Erblasserin erst mit deren Tod – also am 15.12.2019 – endete, begannen sowohl die dreijährige als auch die zehnjährige Verjährungsfrist des § 6 AHG in sinngemäßer Anwendung des § 1494 ABGB erst am 16.12.2019 zu laufen.
Die am 5.11.2020 eingebrachte Klage liegt daher noch innerhalb des Laufs der Verjährungsfristen.
2. Das Berufungsgericht hielt in seiner Entscheidung des Parallelverfahrens 14 R 58/22k außerdem fest, dass die Klägerin nur solche Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte geltend machen könne, die der Erblasserin bereits zu deren Lebzeiten - also bis zum 15.12.2019 - vollständig entstanden gewesen seien, weil die Erben eines Pflegebefohlenen nicht vom Schutzzweck der pflegschaftsgerichtlichen Fürsorgepflicht erfasst seien. Die Verletzung einer Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG scheide aus. Diese Rechtsansicht wird ausdrücklich auch im vorliegenden Fall aufrecht erhalten.
3. Zur Tatsachen-/Beweisrüge:
3.1 Zunächst ist auszuführen, dass die Klägerin in ihrer Berufung offenbar zwischen Tatsachenrüge einerseits (Berufung Punkt I.) und Beweisrüge andererseits (Berufung Punkt II.) unterscheidet. Diese Unterscheidung entbehrt einer gesetzlichen Grundlage. Die betreffenden Ausführungen werden daher gemeinsam behandelt.
3.2 Soweit die Klägerin im ersten Punkt ihrer Tatsachenrüge (Berufung I.1.) offenbar weitere Festellungen „zur Sorgfaltspflichtverletzung“ des Pflegschaftsgerichts vermisst (zeitliche Nähe der Gutachtensvorlage zur Genehmigung; dass eine eigenständige Beurteilung nicht vorgenommen worden sei; weitere Pflichtverletzungen etwa bei der Genehmigung des Rechenschaftsberichts 2009, ua), ist ihr entgegen zu halten, dass es sich dabei um Fragen der rechtlichen Beurteilung bzw des Vorliegens sekundärer Feststellungsmängel handelt. Inwiefern diese Umstände entscheidungsrelevant sein könnten, leuchtet nicht ein, ist doch das Erstgericht ohnehin von einer unvertretbaren Rechtsansicht ausgegangen. Es bedarf auch keiner weiteren Feststellungen „zu den auffallenden Parallelen zwischen dem Verkauf der gegenständlichen Wohnung W8 und dem Verkauf der Wohnung W23“ (Berufung S 2 unten).
3.3 In den Punkten 2. und 3. ihrer Tatsachenrüge und im Punkt 1. ihrer Beweisrüge bekämpft die Klägerin die Feststellung zur Höhe des Verkehrswerts der Wohnung zum Stichtag 2019 bestandfrei mit EUR 106.372,- (Urteil S 20). Sie wünscht statt dessen offenbar die Feststellung, dass dieser Verkehrswert EUR 131.032,83 betrage. Daraus ergebe sich unter Abzug des Veräußerungserlöses von EUR 32.000,- ein Schaden von EUR 99.032,83. Dazu vertritt sie offenbar die Ansicht, nach den Bewertungsregeln des LBG sei das Referenzobjekt 2.5.1.2.3 (vgl Gutachten ON 27 S 19) wegen eines „ausreißenden Wertes“ zwingend auszuscheiden gewesen.
Diese Berufungsausführungen vermögen nicht zu überzeugen.
Grundsätzlich gilt: Wenn er sich nicht selbst die nötige Sachkunde und Erfahrung zutraut, die erforderlich ist, um sich ein eigenes Urteil zu bilden, ist der Tatrichter immer befugt, dem ihm überzeugend erscheinenden Gutachten eines Sachverständigen zu folgen, sofern ihm dessen Darlegungen schlüssig und überzeugend erscheinen durften, ohne dass ihm dabei ein Verstoß gegen Denkgesetze zur Last fiele und ohne dass ihm hätte erkennbar werden müssen, dass der Sachverständige nur unter Außerachtlassung erheblichen Verhandlungsstoffes zu dem Ergebnis gelangt sein könne (stRsp, RS0043235).
Entgegen der Berufung ist das Liegenschaftsbewertungsgutachten des Sachverständigen Ing. H* in seiner Gesamtheit (schriftliches Gutachten ON 27, Ergänzung im Protokoll ON 37 und ON 37.4 [ident mit ON 38], schriftliche Gutachtensergänzung ON 77) keineswegs unschlüssig oder nicht nachvollziehbar:
Der von der Klägerin gewünschte Verkehrswert von EUR 131.032,83 würde sich unter Zugrundelegung eines Quadratmeterpreises von EUR 3.449,14 bei der festgestellten Nutzfläche von 37,99 m² ergeben, wogegen der vom Sachverständigen festgestellte Verkehrswert von EUR 106.372,- auf einem Quadratmeterpreis von EUR 2.800,- beruht.
Was das „Vergleichsobjekt“ 2.5.1.2.3. (Seite 20 im Gutachten ON 27), nämlich die Wohnung 6/Stiege IV betrifft, so legte der Sachverständige bei der Gutachtenserörterung dar, dass der von ihm in Ansatz gebrachte „gewichtete Mittelwert“ von EUR 2.800,- pro Quadratmeter (für das Jahr 2019: S 24 im Gutachten ON 27) ohnehin unabhängig von diesem Objekt angenommen wurde. Bei diesem Wert handelt es sich sohin nicht um eine buchhalterische Mittelung, sondern letztlich um eine - auf der fachmännischen Expertise beruhende - Schätzung des Sachverständigen (vlg S 4 im Protokoll ON 44 des Parallelaktes), sodass das in Rede stehende Vergleichsobjekt gar keine entscheidende Bedeutung für die Schätzung des Wertansatzes pro Quadratmeter hatte.
Der Sachverständige begründete auch, warum er das Referenzobjekt 2.5.1.2.3 – zumindest indirekt (vgl Gutachtensergänzung ON 77 S 7) – in den Vergleich mit einbezogen hat und führte aus, dass der von Klagsseite gewünschte Vergleichswertansatz nur unter der Prämisse in Frage käme, dass wesentliche die Bauqualität betreffende und architektonische Anpassungen durchgeführt worden wären (Gutachtensergänzung ON 77 S 8 u S 9). Dass die gegenständliche Wohnung saniert wurde bzw auf die aktuellen architektonischen Erwartungen der gegenwärtigen Zeit adaptiert worden wäre, wurde aber nicht festgestellt. Die Berufungsausführung, es sei ein Verkehrswert der Wohnung im Zustand „schlechter als unsaniert“ angenommen worden (Berufung Punkt I.2, S 3 f), kann nicht nachvollzogen werden.
Bei der in der Berufung aufgestellten Behauptung, der Kaufpreis für die Wohnung 6/Stiege IV sei mit „Schwarzgeld“ bezahlt worden und hätte daher nach § 4 Abs 2 LBG als „Vergleichsobjekt“ ausgeschieden werden müssen, handelt es sich im Übrigen um eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung, zumal die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nichts Derartiges behauptet hat.
Soweit sie kritisiert, dass der Sachverständige im Parallelverfahren die Lage der Wohnung W23 nur mit „gut“, hingegen die Lage der Wohnung W8 desselben Wohngebäudes im vorliegenden Verfahren mit „sehr gut“ bewertet habe (vgl Protokoll ON 37 S 5), ist nicht nachvollziehbar, worauf sie damit im Ergebnis hinaus will: die Annahme einer (bloß) „guten“ Lage für gegenständliche Wohnung würde ja entgegen der von ihr gewünschten Ersatzfeststellung zu einem noch niedrigeren Verkehrswert führen. Unschlüssig ist das Sachverständigengutachten diesbezüglich jedenfalls nicht.
Insgesamt vermag die Berufung eine Unschlüssigkeit oder mangelnde Nachvollziehbarkeit des Liegenschaftsbewertungsgutachtens des Sachverständigen Ing. H* nicht aufzuzeigen. Damit sind der vom Sachverständigen ermittelte Verkehrswert und die kritisierte Feststellung nicht zu beanstanden.
3.4 Die Berufung bekämpft in ihrem Punkt I.4. die „Feststellung, dass wegen des Wunsches der Besachwalteten nach ** zu ziehen, eine Vermietung nicht möglich gewesen wäre“.
Tatsächlich handelt es sich dabei nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine rechtliche Beurteilung. Die Beweisrüge ist diesbezüglich nicht gesetzmäßig ausgeführt.
Soweit die Berufung (Berufung S 5 f) beklagt, es seien zu diesem Thema keine Beweise aufgenommen worden, weshalb die Beweisaufnahme des Erstgerichts mangelhaft geblieben sei, handelt es sich anscheinend um den Versuch, einen wesentlichen Verfahrensmangel geltend zu machen. Allerdings wird nicht einmal ausgeführt, welche von der Klägerin zu diesem Thema beantragten Beweise vom Erstgericht angeblich nicht aufgenommen worden sein sollen, weshalb auch eine Mängelrüge nicht gesetzmäßig dargestellt wird.
Soweit mit dieser Rüge versucht wird, einen rechtlichen Feststellungsmangel aufzuzeigen, ist festzuhalten, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren gar kein Tatsachenvorbringen erstattet hat, wonach eine Umsetzung des Wunsches der Erblasserin, nach ** zu ziehen, tatsächlich nicht möglich gewesen sein sollte. Das Erstgericht hatte somit in Ermangelung eines Tatsachenvorbringens dazu auch keine Tatsachenfeststellungen zu treffen, weshalb entgegen der Ansicht der Berufung kein rechtlicher Feststellungsmangel bestehen kann.
Zutreffend weist hingegen die Beklagte in der Berufungsbeantwortung (dort S 4) darauf hin, dass die Klägerin selbst vorgebracht hat, die Erblasserin habe überhaupt nicht beabsichtigt, die Wohnung zu verkaufen, sie habe vielmehr zu einem späteren Zeitpunkt nach ** in die eine Wohnung übersiedeln und die andere Wohnung (W8) für eine Pflegekraft bereithalten wollen. Die Berufung geht daher in diesem Punkt ins Leere.
3.5 Die Tatsachenrüge der Klägerin im Punkt I.5. ihrer Berufung bleibt gänzlich unverständlich. Weder ist darin angeführt, welche konkrete Tatsachenfeststellung bekämpft wird, noch infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung diese getroffen worden sein soll. Es wird auch nicht ausgeführt, welche Ersatzfeststellung stattdessen begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die angestrebte Feststellung - die im Widerspruch zur bekämpften Feststellung stehen muss - zu treffen gewesen wäre, wie es aber für eine gesetzmäßig ausgeführte Beweisrüge notwendig ist (vgl RS0041835, RS0043150 [T9]; Kodek in Rechberger , ZPO 5 § 471 Rz 15). Auf diese Tatsachenrüge war daher nicht näher einzugehen.
3.6 Auch mit den Ausführungen in Punkt II.2 und II.3 der Berufung wird keine gesetzmäßige Tatsachen- bzw Beweisrüge zur Darstellung gebracht. Diese wenden sich – soweit nachvollziehbar - gegen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts.
4. Zur Rechtsrüge:
4.1 Die Berufung beanstandet zunächst, das Erstgericht habe es entgegen § 182 ZPO unterlassen, die Rechtsfrage zu erörtern, ob der Sachwalter die Wohnung vermieten hätte müssen, und habe die Klägerin im Urteil mit seiner Rechtsansicht zur Vermietung überrascht.
Soweit die Klägerin damit einen wesentlichen Verfahrensmangel geltend machen möchte, gibt sie allerdings schon nicht an, welche Tatsachen sie im Fall einer derartigen Erörterung behauptet hätte, weshalb dieser Rechtsmittelgrund von vornherein nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RS0120056 [T18]).
4.2 In den Punkten 1. bis 3. der Rechtsrüge macht die Berufung im Kern geltend, der Nebenintervenient wäre (im hypothetischen Fall des unterbliebenen Verkaufs der Wohnung, Anmerkung des Berufungsgerichts ) als Sachwalter verpflichtet gewesen, die Wohnung (an Dritte) zu vermieten, weshalb der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Erblasserin auch ein Schadenersatz für den der Erblasserin zu ihren Lebzeiten während ihrer Sachwalterschaft entgangenen Mietzins zustehe.
Diese Ansicht wird vom Berufungsgericht nicht geteilt.
Einer rechtlich zwingenden Verpflichtung des Sachwalters, die in Rede stehende Wohnung in ** (die von der Erblasserin unstrittig tatsächlich nicht bewohnt wurde) an Dritte zu vermieten, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Es besteht nämlich weder eine gesetzliche Bestimmung noch eine ständige Rechtsprechung, wonach Sachwalter verpflichtet wären, veraltete leerstehende Wohnungen der Besachwalteten zu vermieten. Durch die Nichtvermietung der Wohnung wurde vielmehr der Substanzerhalt zum Vorteil der Erblasserin gesichert und gefördert, weil dadurch eine (weitere) Wohnungsabnützung durch einen Wohngebrauch unterblieb. Durch die Nichtvermietung als solche wurde auch das Wohl der Besachwalteten in keiner Weise gefährdet.
Entgegen der Berufung traf den Nebenintervenienten als Sachwalter eben keine rechtliche Verpflichtung, das ihm bei der Besorgung der Angelegenheiten der Pflegebefohlenen zukommende Ermessen dahin auszuüben, dass die leerstehende Wohnung zwingend vermietet werden müsse. Auf Erwägungen, ob die Besachwaltete in diese Wohnung ziehen habe wollen, kommt es daher gar nicht an.
Da keine Verpflichtung des Sachwalters bestand, die Wohnung an Dritte zu vermieten, kann auch kein Schadenersatzanspruch der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der besachwalteten Erblasserin für einen ihr entgangenen Mietzinsertrag bestehen.
Das Erstgericht hat diesen Schadenersatzanspruch zutreffend abgewiesen, ohne dass es dabei - entgegen der Ansicht der Klägerin (Berufung Punkt III.4) - auf den Grad der Fahrlässigkeit ankommen würde.
4.3 Inwiefern den Ausführungen der Klägerin in Punkt 5. und 6. ihrer Rechtsrüge eine Entscheidungsrelevanz zukommen sollte, ist nicht nachzuvollziehen. Das Erstgericht ist ohnehin davon ausgegangen, dass die Genehmigung des Wohnungsverkaufs an sich (und nicht nur wegen des zu niedrigen Verkaufspreises) unvertretbar war. Die alternativen Überlegungen des Ersturteils, gegen die sich die Klägerin damit offensichtlich wenden möchte, hat das Erstgericht – eindeutig erkennbar - nur für den Fall angestellt, dass eine Benutzung der Wohnung durch die Erblasserin nicht gewollt oder nicht möglich und daher ein Verkauf zum damals angemessenen Preis nicht unvertretbar gewesen wäre (Urteil S 29). Dies weicht aber vom hier festgestellten Sachverhalt ab, sodass auf die Rechtsausführungen der Klägerin dazu nicht einzugehen ist.
5. Der unberechtigten Berufung war in der Hauptsache somit der Erfolg zu versagen.
6. Zur Berufung im Kostenpunkt:
Die Berufung vertritt den Standpunkt, es liege im dritten Verfahrensabschnitt keine Überklagung vor, sodass das Kostenprivileg des § 43 Abs 2 Fall 2 ZPO anzuwenden sei, zumal die Höhe des Zuspruchs von der Ausmittlung durch den Sachverständigen abhängig gewesen sei. Daher hätte das Erstgericht der Klägerin im dritten Abschnitt die vollen Kosten auf Basis des zugesprochenen Betrags zusprechen müssen.
Diesem Einwand kommt teilweise Berechtigung zu:
Richtig ist, dass im dritten Verfahrensabschnitt keine Überklagung anzunehmen ist. Es findet auch keine Kostenaufhebung nach § 43 Abs 1 Satz 1 ZPO statt. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit einem ihrer Teilbegehren (Mietzinsentgang EUR 48.091,33) schon dem Grunde nach gänzlich unterlegen ist (kostenschädliches Unterliegen). Damit kommt es zu einer Kombination aus § 43 Abs 1 und Abs 2 ZPO: Das Kostenprivileg des § 43 Abs 2 Fall 2 ZPO (Ermittlung durch Sachverständige) ist nur bezüglich des restlichen Begehrens (insgesamt EUR 99.032,82) anzuwenden. Der fiktive Streitwert beträgt demnach EUR 122.463,33 (EUR 74.372,- + EUR 48.091,33). Daraus ergibt sich eine Erfolgsquote der Klägerin von 61 % (ersiegte EUR 74.372,-) und damit eine Ersatzquote von 22 % (Quotenkompensation) zugunsten der Klägerin, wobei ihre Kosten dieses Abschnitts (also ab dem klageeinschränkenden Schriftsatz vom 6.10.2022, ON 64; Obermaier Kostenhandbuch 4 1.141) auf Basis des fiktiven Streiwerts (Bemessungsgrundlage EUR 122.463,33) neu zu berechnen waren.
Der Schriftsatz der Klägerin ON 82 – gegen dessen Honorierung die Beklagte Einwendungen (ON 94) erhoben hat – enthält Äußerungen zum Ergänzungsgutachten des Sachverständigen, aber weder einen Antrag, den Sachverständigen zwecks Erörterung seines Gutachtens zur nächsten Tagsatzung zu laden, noch einen Fragenkatalog. Stellungnahmen zu Sachverständigengutachten sind grundsätzlich nach TP2 RATG zu entlohnen, es sei denn, sie lassen eine derartig tiefschürfende Auseinandersetzung mit dem Gutachten erkennen, dass eine Honorierung nach TP2 unangemessen wäre; in diesem Fall sind sie nach TP3A RATG zu entlohnen (RW0000666). Nach TP3A sind grundsätzlich nur vorbereitende Schriftsätze gemäß § 257 ZPO zu honorieren; alle anderen Schriftsätze fallen unter den Auffangtatbestand von TP2.I.1.e RATG ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 3.59). Für die Äußerung ON 82 steht daher der Klägerin nur ein Honorar nach TP2 RATG zu.
Die Relevanz der im Schriftsatz ON 91 – gegen dessen Honorierung die Beklagte Einwendungen erhoben hat – im ersten Teil enthaltenen Behauptungen und Rechtsausführungen und der vorgelegten Urkunden für den vorliegenden Sachverhalt ist nicht ersichtlich; im zweiten Teil enthält er nur einen Verzicht auf die Einvernahme eines Zeugen. Dieser Schriftsatz ist daher nur nach TP1.I.c RATG zu entlohnen.
Unter Berücksichtigung dieser Kürzungen errechnen sich auf Basis der fiktiven Bemessungsgrundlage Kosten der Klägerin in diesem dritten Abschnitt iHv insgesamt EUR 8.888,46 (inklusive Einheitssatz, Streitgenossenzuschlag und EUR 1.481,41 USt).
Davon sind ihr von der Beklagten 22 %, sohin EUR 1.955,46 zu ersetzen.
Die vom Erstgericht für den ersten Abschnitt nach § 43 Abs 1 ZPO errechnete (richtig:) Ersatzquote von 12,5 % zu Gunsten der Beklagten ist korrekt, wobei sie selbst Anspruch auf 43,75 % der von ihr getragenen Barauslagen hat.
Die Beklagte verzeichnete für diesen Verfahrensabschnitt Kosten iHv EUR 9.485,10, wovon ihr die Klägerin 12,5 %, sohin EUR 1.185,64 zu ersetzen hat. Die Klägerin hat aber Anspruch auf Ersatz von 43,75 % der von ihr allein getragenen Pauschalgebühr für die Klage (EUR 4.380,-), sohin auf EUR 1.916,25. Saldiert ergibt sich für diesen Abschnitt ein Ersatzbetrag von EUR 730,61 zu Gunsten der Klägerin.
Die Anwendung der Kostenaufhebung nach § 43 Abs 1 Satz 1 ZPO im zweiten Verfahrensabschnitt ist – jedenfalls im Ergebnis - richtig, auch wenn hier (wie im dritten Abschnitt) das Kostenprivileg berücksichtigt wird, welches aber nicht auf das Teilbegehren des Mietzinsentgangs Anwendung finden kann. Hier hat die Klägerin bei einem fiktiven Streitwert von EUR 149.294,11 (EUR 74.372,- + EUR 74.922,11) mit 49,82 % obsiegt, was zur wechselseitigen Kostenaufhebung – auch betreffend die Kosten des erst in diesem Abschnitt beigetretenen Nebenintervenienten ( Obermaier Kostenhandbuch 4 Rz 1.361) – führt.
Hinsichtlich der im zweiten Abschnitt angefallenen Sachverständigengebühren iHv EUR 4.105,- steht der Klägerin gegenüber der Beklagten die Hälfte zu (EUR 2.052,50 Barauslagen).
Addiert man die Kostenersatzansprüche der Klägerin des ersten, des zweiten und des dritten Abschnitts, ergibt sich ein Gesamtkostenersatzanspruch der Klägerin von insgesamt EUR 4.738,57 (darin enthalten EUR 3.968,75 an Barauslagen). Die Kostenentscheidung erster Instanz war dementsprechend abzuändern.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Für die bloß im Kostenpunkt erfolgreiche Berufung gebühren keine Kosten (RS0119892).
6. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zu lösen war.