33R71/24i – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke HÄNGESTAPEL über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 21.2.2024, AM 11828/2023-3, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Antragstellerin beantragte die Eintragung der Wortmarke „HÄNGESTAPEL“ für die Waren und Dienstleistungen folgender Klassen:
20 Möbel und Einrichtungsgegenstände; Regale; Schränke als Möbelstücke; Modulare Regale [Möbel]; Als Bausätze verkaufte Regale.
37 Montage, Wartung und Reparatur von Möbeln; Montieren von Regalen [Installationsarbeiten].
42 Architekturdienste; Dienstleistungen eines Innenarchitekten.
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte die Rechtsabteilung fest, dass das angemeldete Zeichen in Bezug auf „alle Waren“ (sohin jene der Klasse 20) nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG registrierbar sei. Zur Begründung verwies sie auf die Amtsschreiben vom 23.10.2023 und 4.1.2024, in denen sie im Wesentlichen argumentierte, die beteiligten Verkehrskreise sähen im Zeichen – bezogen sowohl auf dessen Wortbestandteile als auch die Wortkombination selbst – nur einen informativen Hinweis auf die damit bezeichneten Waren, insbesondere deren Funktionsweise. Auch wenn die Wortkombination ein neues Kunstwort sei, bedürfe es keines besonderen Denkprozesses, um den Bezug zu den betroffenen Waren herzustellen, sodass es gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG nicht schützbar ist. Ergänzend wies die Rechtsabteilung darauf hin, dass das Zeichen betreffend die Dienstleistungen der Klassen 37 und 42 schützbar erscheine und das Verfahren darüber nach Rechtskraft des Beschlusses fortgesetzt werde.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des Beschlusses dahin, dass die Registrierbarkeit der Wortmarke auch ohne Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs 2 MSchG festgestellt werden möge. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Der Antragsteller moniert, die Überlegungen der Rechtsabteilung dazu, welche Verkehrskreise vom Zeichen angesprochen sind und wie diese das Zeichen auffassen, seien zu korrigierende „Feststellungen“. Das Rekursgericht geht davon aus, dass der Antragsteller damit reine Rechtsfragen aufwirft (vgl die stRsp zum Eingriffs er war verfahren, wonach etwa Fragen der Verkehrsauffassung Rechtsfragen sind, wenn zu ihrer Beurteilung die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen: Hofmarcher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 10 Rz 285 f). Soweit er damit allerdings die Bekämpfung von Tatsachenfeststellungen bezwecken sollte, ist die Tatsachenrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt und daher nicht zu behandeln (vgl allgemein RS0041835; 133 R 1/17w, AIDA/AVIDA [Rz 3.3]).
2. Der Antragsteller argumentiert, das angemeldete Zeichen sei im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung als Phantasiewort im engeren Sinn einzustufen, das einen erheblichen Denkaufwand erfordere, um es mit Möbeln zu assoziieren. Seine Bedeutung sei nicht mehr bloß beschreibend, sondern mehrdeutig, zumal Möbel regelmäßig entweder aufgehängt oder gestapelt werden könnten und nicht beide Montagearten gleichzeitig zur Verfügung stünden. Damit sei die Wortkombination von ihrer Bedeutung mehr als nur die bloße Summe ihrer beiden Bestandteile und unterscheidungskräftig.
2.1 Gemäß § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Fehlt nämlich die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als Hinweis auf eine betriebliche Herkunft nicht erfüllen (RS0132933; RS0118396 [T7]). Originär unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; RS0118396). Ob ein Zeichen unterscheidungskräftig ist, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen (RS0066749; Koppensteiner , Markenrecht 4 82), und zwar für die konkreten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet worden ist ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 4 Rz 53 ff). Maßgeblich ist die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise im Inland (RS0079038), also jene des Handels und der normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (RS0079038 [T1]; RS0114366 [T5]; Asperger aaO Rz 64-65).
2.2 Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Wörter im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RS0066644; 34 R 119/16v, SUPERWOCHENENDE ). Ein Zeichen ist nicht eintragbar, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung verstehen (RS0066456; RS0109431). Lässt sich dagegen die Beziehung zwischen Ware/Dienstleistung und Zeichen nur im Wege besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen, dann ist die Registrierung des Zeichens auch ohne Verkehrsgeltung ebenso erlaubt, wie wenn es sich um eine bloße Andeutung irgendwelcher Eigenschaften der Ware/Dienstleistung, der Art ihrer Herstellung oder ihrer Zweckbestimmung handelt (RS0066456; RS0109431 [T3]; RS0090799; 4 Ob 153/21k, my flat ). Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, solange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen (34 R 36/14k, IHR HAUSMAKLER; 34 R 22/15b, BOOK COOK ).
2.3 Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 4 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) sind zwar nach der Rechtsprechung des EuGH gesondert zu prüfen (C 304/06 P, Eurohypo ). Die Unterscheidungskraft fehlt einem Zeichen aber dann, wenn es die maßgebenden Verkehrskreise bloß als Information über die Art der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft. Eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG. Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (vgl 4 Ob 11/14t, Expressglass; 33 R 24/22z ua, Gasteiner, jeweils mwN).
2.4 Ein Schutzhindernis besteht auch dann, wenn im Wort, in der Wortfolge oder Wortkombination eine Information über die Ware oder Dienstleistung enthalten ist und diese innerhalb der beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit als solche erfasst werden kann (vgl RS0066456; 33 R 81/18m, HEIZHAUS; 33 R 136/22w, Saubermacher OUTSOURCING ).
2.5 Auch aus mehreren Wörtern zusammengesetzte Marken sind nach denselben Kriterien zu prüfen wie herkömmliche Wortmarken; ihre Schützbarkeit ist zu verneinen, wenn sie nur eine Aussage über die Ware oder Dienstleistungen selbst enthalten, die sie beschreibt (RS0122385). Eine Marke, die sich aus einer sprachlichen Neuschöpfung mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der Waren oder Dienstleistungen beschreibt, für die die Eintragung beantragt wird, hat selbst einen die Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Charakter, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung und der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht (vgl EuGH C 265/00, Biomild; 33 R 170/23x, NOVOLINE ).
3. Im Sinne der zutreffenden Ausführungen der Rechtsabteilung und entgegen den Argumenten im Rekurs kommt dem angemeldeten Zeichen keine Unterscheidungskraft zu:
3.1 Dem Antragsteller ist zwar zunächst darin beizupflichten, dass die angemeldete Wortkombination eine sprachliche Neuschöpfung ist; diese besteht allerdings aus Wort(teil)en, die in der deutschen Sprache sehr gebräuchlich, also nicht „phantasiehaft“ sind. Insofern kann die Ansicht des Antragstellers, Phantasiebezeichnungen im engeren Sinn seien grundsätzlich unterscheidungskräftig, nicht geteilt werden. Vielmehr ist zu prüfen, ob die Neuschöpfung in ihrer Bedeutung aufgrund der Ungewöhnlichkeit der Kombination in Bezug auf die angesprochenen Waren wesentlich über den Bedeutungsgehalt der bloßen Summe der Bestandteile hinausgeht (vgl 4 Ob 78/18a, SCHNEEWETTE ).
3.2 Richtig ist, dass die Unterscheidungskraft des Zeichens in seiner Gesamtheit zu beurteilen ist, was aber entgegen dem Rekurs sogar voraussetzt, zunächst die einzelnen Elemente zu betrachten. Dass eine „Aufspaltung des Zeichens in mehrere Bestandteile“ unzulässig sei, ist nämlich den vom Antragsteller zitierten Entscheidungen des EUGH nicht zu entnehmen (C 304/06 P, EUROHYPO, Rn 42 ff; C 494/08 P, PRANAHAUS, Rn 43 f). Der EuGH sah die Begründungspflicht des EuG gerade nicht dadurch verletzt, dass dieses jeweils nach Beurteilung der einzelnen Bestandteile der Wortkombination eine Prüfung des gesamten Zeichens vorgenommen hat.
Gesondert betrachtet beziehen sich die einzelnen Bestandteile „HÄNGE“ und „STAPEL“ auf Funktionsweisen von Einrichtungsgegenständen und/oder deren Montageform (Möbel, die „hängen“ oder „aufzuhängen“ sind, wie etwa „Hängesessel“, „Hängeschränke“; oder Möbel, die gestapelt werden können, wie „Stapelregale“, „Stapelstühle“ usw). Diese Bedeutungsinhalte der einzelnen Begriffe stellt auch der Antragsteller nicht in Frage.
3.3 Was die Verbindung der beiden Wörter betrifft, bewirkt diese aber keinen von der bloßen Zusammenfügung der Bestandteile hinlänglich abweichenden Charakter. Im Zusammenhang mit den betroffenen Waren assoziieren die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen die Rechtsabteilung entgegen dem Rekursvorbringen auch Verbraucher zählt (siehe Amtsschreiben vom 4.1.2024), mit der Wortkombination ebenfalls Funktions- und/oder Montageweisen. Ohne komplizierte Schlussfolgerungen werden unter „HÄNGESTAPEL“ etwa Möbel zu verstehen sein, die sowohl hängend als auch in Stapelform (zB Regal- oder Ladenelemente) montiert oder aufgestellt werden können, oder Aufbewahrungsmöbel, die ein Stapeln und/oder Aufhängen von Gegenständen erlauben. Auch ist eine zwanglose Interpretation der Wortverbindung dahin möglich, dass es sich bei den damit bezeichneten Einrichtungsgegenständen um (gleiche oder ähnliche) Stapelelemente (etwa Regalmodule) handelt, die beispielsweise an die Wand gehängt und beliebig erweitert werden können. Wie die Rechtsabteilung schon zutreffend festhielt, ist die Vielseitigkeit von Möbelstücken in puncto Montage und Einsetzbarkeit sehr gefragt. Die einzelnen Begriffselemente schließen einander von ihrer Bedeutung daher gerade nicht aus; ihre Zusammenfügung erweitert sogar die Merkmale der von der Anmeldung erfassten Waren, wobei kein neuer Bedeutungsgehalt entsteht, der wesentlich über jenen der bloßen Summe der Wortbestandteile hinausgeht. An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass die Neuschöpfung sprachlich nicht korrekt erscheint; so begründet eine Falschschreibung per se noch keine Unterscheidungskraft (vgl Asperger aaO Rz 98 unter Verweis auf EuG, T-339/05, LOKTHREAD ).
3.4 Allein die Mehrdeutigkeit eines Wortzeichens führt noch nicht zu dessen Schutzwürdigkeit. So ist ein Wortzeichen von der Eintragung auszuschließen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren bezeichnet (vgl EuGH C 326/01, Universaltelefonbuch [Rz 28]; RS0123978; 4 Ob 7/05s, Car care; 33 R 147/23i, VERTRAGSCHECK24 ). Der Umstand, dass mit „HÄNGESTAPEL“ Möbelelemente in Verbindung gebracht werden, die auf verschiedene Weise in einem Raum untergebracht werden können und/oder unterschiedliche Aufbewahrungen ermöglichen, rechtfertigt daher noch nicht die Eintragung des Zeichens, beziehen sich doch alle diese Deutungsweisen klar auf die damit bezeichneten Waren und ihre Merkmale. Unerheblich ist daher auch, ob eine Kombination der Funktionsweisen „Hängen“ und „Stapeln“ gegebenenfalls statisch nicht möglich ist.
3.5 Aufgrund dieser klaren Interpretationsmöglichkeiten im Zusammenhang mit den betroffenen Waren scheitert auch ein Vergleich mit der Entscheidung 4 Ob 198/20a, DerStandard; damit wird nämlich gerade kein eindeutiges Qualitätsmerkmal ausgedrückt. Ähnlich verhält es sich mit den vom Antragsteller zitierten Entscheidungen zu 34 R 62/14h, CLIP-TUBE, und 133 R 81/18m, HEIZHAUS : Weder „CLIP-TUBE“ noch „HEIZHAUS“ konnten mit den jeweils von ihnen bezeichneten Waren/Dienstleistungen unmittelbar in Verbindung gebracht werden. „CLIP-TUBE“ bezog sich auf Verpackungsbehälter und -materialien, wobei der Wortteil „TUBE“ aufgrund des voranstehenden englischsprachigen Wortes „CLIP“ auch englischsprachig und daher nicht als Verpackungsform aufgefasst werden konnte. Unter „HEIZHAUS“ wurden überhaupt Waren (Bekleidungsstücke, Schuhwaren udgl) und Dienstleistungen (Verpflegung und Beherbergung von Gästen udgl) bezeichnet, die vorderhand gar nichts mit dem Bedeutungsgehalt des Wortzeichens zu tun hatten.
3.6 Wie der Antragsteller selbst zugesteht, entfalten Markeneintragungen grundsätzlich keine präjudizielle Wirkung für andere Verfahren, ist doch jedes Kennzeichen individuell zu beurteilen (vgl RS0125405 [T4]; 4 Ob 78/18a, Schneewette; 4 Ob 39/22x HUGO PORTISCH JOURNALISTINNEN-PREIS ). Dessen ungeachtet vermitteln die vom Antragsteller angeführten Beispiele von für die Warenklasse 20 registrierten Marken – „STAPELSTEIN“; „NEOSTAPELRACK“ – tatsächlich keinen unmittelbaren Zusammenhang mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen, wovon beim Wortzeichen „HÄNGESTAPEL“ nicht auszugehen ist. Dieses kann dagegen ohne erhebliche gedankliche Zwischenschritte als Information über Merkmale der genannten Waren und nicht als Hinweis auf deren Herkunft verstanden werden (zB 33 R 91/23d, OLIOBENE; 33 R 113/23i; HAUSGARTEN; 133 R 129/19x, KULINARIUM CATERING uva).
4. Damit bedarf die Entscheidung der Rechtsabteilung keiner Korrektur.
5. Die Beurteilung der markenrechtlichen Kennzeichnungskraft wirft im Einzelfall keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf (vgl RS0121895). Der Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.