JudikaturOLG Wien

33R42/24z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Vertragsrecht
02. August 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Tscherner und den Richter Mag. Marchel in der Rechtssache der klagenden Partei I*** , vertreten durch die SHMP Schwartz Huber Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die S*** [Gerichtsstand außerhalb des Sprengels des Handelsgerichts Wien], vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Wandlung (EUR 504.269,71), Zahlung von EUR 71.102,48 und Feststellung (EUR 1.386.674,82) über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 18.3.2024, 17 Cg 24/24x 2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Text

Die Klägerin stützt ihr auf Wandlung, Zahlung und Feststellung gerichtetes Klagebegehren auf einen Vertrag über den Austausch von Kältemaschinen [...]. Die Klägerin habe die Beklagte nach Durchführung eines öffentlichen Vergabeverfahrens [...] nach dem damals geltenden BVergG 2006 als Bestbieterin beauftragt. Zur örtlichen Zuständigkeit brachte die Klägerin vor, die Parteien hätten am 25.9.2017 das Vertragsverhältnis abgeschlossen. Gemäß Punkt 1.14. der diesem Vertragsverhältnis zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sei für Streitfälle das Handelsgericht Wien bzw das Bezirksgericht für Handelssachen Wien als Gerichtsstand vereinbart worden. Mit der Klage legte sie das Auftragsschreiben vom 25.9.2017, Beilage ./A, und eine Angebotsunterlage samt AGB, die unter Punkt 1.14. die genannte Gerichtsstandsklausel enthalte, Beilage ./B, vor.

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit a limine zurück. Es stellte anhand der Urkunden Beilage ./A und ./B fest, das von beiden Parteien unterfertigte Auftragsschreiben enthalte unter der Überschrift „Vertragsgrundlagen“ den Unterpunkt „– die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die der beauftragten Ausschreibung zugrundeliegen“. Eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalte das Auftragsschreiben nicht. Punkt 1.14. der AGB der Klägerin laute: „Für Streitfälle wird als Gerichtsstand das Handelsgericht Wien bzw das Bezirksgericht für Handelssachen vereinbart“. Die AGB seien nicht unterfertigt.

Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, dass sowohl § 88 JN als auch § 104 JN erfordern würden, dass in der Vereinbarung der Ort des Gerichtsstands namentlich angeführt ist. Die generelle Bezugnahme auf – nicht unterschriebene – AGB mit einer Gerichtsstandsklausel sei selbst dann nicht ausreichend, wenn die AGB der Vertragsurkunde (dem schriftlichen Angebot) beigefügt seien. Die Beklagte habe ihren allgemeinen Gerichtsstand nach den Klagsbehauptungen nicht im Sprengel des angerufenen Gerichts. Die Klage sei daher zurückzuweisen.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, unrichtiger Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Sie beantragt, den Beschluss ersatzlos zu beheben, in eventu, diesen zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen. Für den Fall, dass das Rekursgericht dem Rekurs nicht Folge gebe, stellt die Klägerin einen Überweisungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1. Nach § 104 Abs 1 und 2 JN können sich die Parteien durch ausdrückliche Vereinbarung einem Gericht erster Instanz eines namentlich angeführten Orts unterwerfen. Die Vereinbarung muss urkundlich nachgewiesen werden und sich auf einen bestimmten Rechtsstreit oder auf die aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringenden Rechtsstreitigkeiten beziehen. Welche Urkundenfassung zum Beweis einer Gerichtsstandsvereinbarung erforderlich ist, richtet sich nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten. Dem Erfordernis des urkundlichen Nachweises entspricht nicht nur eine gemeinsame Vertragsurkunde, sondern es kann die Gerichtsstandsvereinbarung auch durch getrennte schriftliche Erklärungen und Gegenerklärungen oder eine (nur) vom Beklagten unterschriebene Urkunde im Zusammenhang mit der erhobenen Klage erfolgen, etwa wenn die unterfertigte Urkunde vom Kläger stammt. Urkundlich nachgewiesen ist eine Parteienerklärung aber nur insoweit, als deren Inhalt durch die Unterschrift gedeckt ist (vgl 2 Ob 159/08h; Mayr in Rechberger/Klicka ZPO 5 § 104 JN Rz 9 jeweils mwN). So wird nach der Rechtsprechung eine generelle Bezugnahme auf nicht unterschriebene AGB mit einer Gerichtsstandsklausel selbst dann nicht als ausreichend angesehen, wenn die AGB der Vertragsurkunde (dem schriftlichen Angebot) beigefügt sind (RS0046701 [T1]). Der Oberste Gerichtshof hat aber auch schon ausgesprochen, dass unter Unternehmern die Vereinbarung von Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ungewöhnlich und – etwa bei einem Kaufvertrag – für die Art des Rechtsgeschäfts geradezu typisch und selbst für einen unerfahrenen Vertragspartner nicht überraschend ist. Solche Vertragsbedingungen müssen, sofern sie nicht versteckt auf irgendeiner Urkunde angebracht sind, vom Empfänger der Urkunde, der selbst Kaufmann (Unternehmer) ist, beachtet und abgelehnt werden, wenn er nicht als damit einverstanden angesehen werden will (1 Ob 604/94 = EvBl 1995/5; siehe auch RS0014511, 2 Ob 159/08h). So wurde etwa die Unterzeichnung des Angebots, das auf die die Gerichtsstandsklausel enthaltenden und dem Angebot angeschlossenen AGB verwies, mangels ausdrücklicher Ablehnung durch den Vertragspartner als wirksame Gerichtsstandsvereinbarung im Sinn des § 104 Abs 1 JN angesehen (2 Ob 159/08h).

2. Unabhängig davon ist jedoch zu beachten, dass nach § 41 Abs 2 JN die Zuständigkeit a limine ausschließlich aufgrund der Angaben des Klägers abstrakt und unter Annahme der Richtigkeit der Klageangaben zu prüfen ist. Ob die zuständigkeitsbegründenden Angaben tatsächlich zutreffen, wäre im a limine-Verfahrensstadium nur zu prüfen, wenn diese Angaben dem Gericht bereits als unrichtig bekannt wären (§ 41 Abs 2 JN; Mayr aaO § 41 JN Rz 3; vgl RS0046236 [T5]). Ein urkundlicher Nachweis der behaupteten Zuständigkeitsvereinbarung ist in diesem Stadium nicht erforderlich (vgl Mayr aaO § 104 JN Rz 8).

3. Nach der dargestellten Rechtsprechung würde zwischen zwei Unternehmen ein in der Vertragsurkunde enthaltener Verweis auf den Zuständigkeitstatbestand enthaltende, dem Vertrag abgehängte, AGB grundsätzlich ausreichen, um eine Gerichtsstandsvereinbarung zu begründen.

Mit der in der Klage zur örtlichen Zuständigkeit aufgestellten Behauptung, die Parteien hätten gemäß Punkt 1.14. der „dem Vertragsverhältnis unterliegenden AGB“ das Handelsgericht Wien als Gerichtsstand vereinbart, hat die Klägerin ein Vorbringen erstattet, aus dem im Rahmen einer abstrakten Prüfung die Vereinbarung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ableitet werden kann. Angesichts des weiteren Klagsvorbringens, die Auftragserteilung sei nach Durchführung eines Vergabeverfahrens aufgrund eines Angebots der Beklagten erfolgt, und des Umstands, dass die vorgelegte Angebotsunterlage die AGB enthält, ergab sich für das Erstgericht kein Anhaltspunkt für die Annahme, das Vorbringen zur örtlichen Zuständigkeit sei unrichtig. Eine Prüfung der Richtigkeit des zuständigkeitsbegründenden Klagsvorbringens hatte im „a limine“-Stadium nicht zu erfolgen.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO; das Rechtsmittelverfahren nach der a limine erfolgten Zurückweisung der Klage ist kein Zwischenstreit (vgl Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.322).

5. Ein Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht zulässig, weshalb ein Zulässigkeitsausspruch nach § 500 Abs 2 iVm § 526 Abs 3 ZPO unterbleiben konnte (RS0039200).

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