JudikaturOLG Wien

33R84/24a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Unternehmensrecht
31. Juli 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** in der Markenschutzsache der Antragstellerin U***** , vertreten durch die GEISTWERT Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, wider den Antragsgegner J***** , wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 323235 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 7.2.2024, WM 10095/2023-3,4, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert und lautet:

«Dem Widerspruch gegen die Marke AT 323235 wird stattgegeben und ihre Registrierung für die Waren der Klasse 33 mit Wirksamkeit vom Zeitpunkt der Registrierung aufgehoben.»

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Im Widerspruchsverfahren stehen einander folgende Marken gegenüber:

Die Antragstellerin brachte in ihrem Widerspruch vor, zwischen ihren älteren Marken und der jüngeren Marke bestehe Verwechslungsgefahr und Warenidentität.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Widerspruchs und bestritt die Verwechslungsgefahr. Es gebe keine Ähnlichkeit der jüngeren Marke – die auch den Namen des Antragsgegners enthalte – zu den älteren.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Rechtsabteilung den Widerspruch ab. Die Marken würden in der grafischen Ausgestaltung wie auch in den zusätzlich verwendeten Worten differieren. Aufgrund des Hinweises auf den Familiennamen in der jüngeren Marke würden die Konsumenten auch nicht davon ausgehen, die mit der jüngeren Marke gekennzeichneten Waren würden aus dem Unternehmen der Antragstellerin stammen, zumal gerade bei alkoholischen Getränken darauf geschaut werde, wer das Produkt erzeugt habe.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragsstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss so abzuändern, dass dem Widerspruch stattgegeben und die jüngere Marke gelöscht werde.

Der Antragsgegner beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die jüngere Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.1 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (EuGH C-191/11 P, Yorma’s, Rz 43; EuG T-599/10, Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T-One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RS0121500 [T4]; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 10 Rz 397 ff mwN).

Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Unterscheidungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C-39/97, Cannon/Canon, Rz 17; 4 Ob 111/21h, COLUMBUS/Columbusbräu ).

Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).

1.2 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C-591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher aaO § 10 Rz 416 mwN; Koppensteiner aaO 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1991, 93, quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; 4 Ob 10/03d, More; RS0078944; C-342/97, Lloyd, Rn 26).

1.3 Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779; 4 Ob 111/21h, COLUMBUS/Columbusbräu; 4 Ob 8/22p, THE CAMBRIDGE INSTITUTE; 4 Ob 131/22a, Szigeti ). Für die Ähnlichkeitsprüfung ist damit insbesondere auf Wortklang, Wortbild und Wortsinn Bedacht zu nehmen (RS0117324, RS0066753 [T9]; C-251/95, Sabel/Puma, Rn 23).

1.4 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Klang, Bild oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ). Entscheidend ist der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp, ua ÖBl 1993, 156, Loctite mwN; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82, AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I-6191 = ÖBl 1998, 106, Sabel/Puma, Rz 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0117324; RS0066753; C-120/04, Thomson life, Rn 28; C-591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21).

Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74, Pregnex/Pregtest; RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ).

1.5 Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax; 4 Ob 199/18w, Granny‘s; 4 Ob 131/22a, Szigeti; RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr aber nur dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01, Jack Jones; RS0079033 [T20, T26], 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t, Jukebox; 4 Ob 48/21v, Smoking; 4 Ob 98/21x, KNABBER NOSSI ). Für die Annahme der Verwechslungsgefahr reicht es schon aus, wenn die ältere Marke im jüngeren Zeichen eine selbständige kennzeichnende Stellung behält, auch wenn es darin nicht den dominierenden Bestandteil bildet (C-120/04, Thomson Life, Rn 29 ff; OLG Wien, 33 R 120/21s, Lux/Lux Bau; 33 R 80/23m, TEAM/TEAM fürs Leben; Schumacher aaO Rz 486).

2. In Anwendung dieser Grundsätze teilt das Rekursgericht die Ansicht der Rechtsabteilung nicht, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken mit Blick auf die Waren, die unter der angegriffenen Marke angeboten werden, keine Verwechslungsgefahr besteht.

2.1 Unstrittig ist, dass die Waren der älteren Marken ident sind mit denen der jüngeren Marke. Sie richten sich sowohl an Endverbraucher (Konsumenten) als auch an Unternehmer, insbesondere Gastronomen, Groß- und Einzelhändler.

Um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, ist daher im Sinne der obigen Ausführungen ein deutlicher Abstand der Zeichen erforderlich. Der Antragsgegner sieht diesen vor allem in der grafischen Ausgestaltung des Bildteils sowie in der Beisetzung seines eigenen Namens im Wortteil seiner Marke.

2.1.1 Die beiden Wortbildmarken unterscheiden sich, wie bereits die Rechtsabteilung zutreffend ausgeführt hat, in visueller Hinsicht maßgeblich: Während die ältere Marke einen stilisierten, eher dem „Kindchenschema“ entsprechenden Uhu (der mehr an ein Käuzchen erinnert) zeigt, dominieren in der jüngeren Marke die zusammengekniffenen Augen eines (Raub)vogels; die Darstellung strahlt eine gewisse Gefährlichkeit aus, die der älteren Marke fehlt. Zudem sticht bei der älteren Marke sofort die leuchtende pinke Farbgestaltung ins Auge, wogegen die jüngere Marke überwiegend in weiß mit einzelnen gelb-orangen Elementen gehalten ist.

Rein optisch betrachtet liegt damit, wie die Rechtsabteilung zutreffend ausgeführt hat, keine Verwechslungsgefahr vor.

2.2 Allerdings verbietet sich, wie bereits ausgeführt, bei zusammengesetzten Zeichen eine solche isolierte Betrachtungsweise, sondern das Zeichen ist in seiner Gesamtheit zu betrachten.

Die jüngere Marke enthält, wie auch die beiden älteren Marken, das Wort „UHU“. Darunter versteht man, wie bereits die Rechtsabteilung dargelegt hat, einen zur Gattung der Eulen gehörenden nachtaktiven Vogel, dessen Erscheinungsbild durch seinen großen, runden Kopf mit großen, orangeroten Augen und Ohren mit langen Federn geprägt ist. Die bildliche Darstellung in beiden Wortbildmarken unterstreicht dieses Verständnis. Ein Unterschied im Wortsinn oder -klang liegt damit nicht vor.

Im Fall der 2. älteren (Wort)Marke wurde das Zeichen sogar zur Gänze in die jüngere Marke übernommen. Selbst wenn man in „UHU“ nur ein schwaches Zeichen sehen würde, dürfte es damit im Sinne der dargestellten Judikatur in der jüngeren Marke nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das ist allerdings nicht der Fall, weil es dennoch als das mit Abstand am größten geschriebene Wort, das sich zudem noch zentral in der Mitte des Zeichens befindet, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zieht. Daran vermögen auch die zusätzlichen Wortbestandteile, die deutlich kleiner geschrieben sind, nichts zu ändern. Vor allem die Namen „[...]“ sind wesentlich kleiner und im Gegensatz zu „UHU“ auch nicht im Fettdruck dargestellt (vgl auch OLG Wien 33 R 70/23s, Der Kastellan ).

2.3 Entgegen der von der Rechtsabteilung vertretenen Ansicht genügt das Hinzufügen des Namens (des Unternehmens) zu einem charakteristischen und auffallenden Teil der Bezeichnung eines Konkurrenten nicht, um die Verwechslungsgefahr auszuschalten (RS0078840; Om 5/92, MISSONI; OLG Wien, 34 R 33/14v, ORF SPORT+/SPORT+; 33 R 49/23b, BIOGENA/BIOGENA MARS [2.2]).

2.4 Zu beachten ist weiters, dass gerade alkoholische Getränke, sofern sie nicht im Einzel- oder Großhandel gekauft werden, häufig mündlich bestellt werden. Dabei werden sich die angesprochenen Verkehrskreise schon aus Gründen der Bequemlichkeit auf das prägende Wort, also „UHU“, konzentrieren (vgl T-460/11, Bürgerbräu, Rn 48). Mit anderen Worten werden sie einen „UHU“ bestellen und nicht einen „UHU frizzante von HALAP VULKAN“, schon gar nicht einen „UHU frizzante von HALAP VULKAN [...] L22102 11.7% vol. 0,75 L enthält Sulfite“.

Der Meinung der Rechtsabteilung, dass die adressierten Verkehrskreise bei alkoholischen Getränken genauer darauf achten würden, von wem ein Getränk stamme, insoweit also von einer erhöhten Aufmerksamkeit auszugehen sei, vermag sich das Rekursgericht nicht anzuschließen: Die Aufmerksamkeit des Publikums bei der Auswahl alkoholischer Getränke wird vielmehr abhängig von der Preisklasse und dem Qualitätsniveau entweder bei alltäglichen Massenartikeln gering oder bei Luxusartikeln erhöht sein. Es kann daher insgesamt von keinem höheren als einem normalen Aufmerksamkeitsgrad ausgegangen werden (vgl BPatG 26 W [pat] 520/14, Finca del Toro; 26 W [pat] 9/18, BEROLINA/BERONIA; 26 W [pat] 58/20, Terrazzo/Terrazas; 26 W [pat] 514/22, Raven/McRaven ).

Bei bloß durchschnittlicher Aufmerksamkeit besteht jedoch die Gefahr, die jüngere mit den älteren Marken zu verwechseln.

2.5 Dem Antragsgegner hilft der Hinweis, er habe eine andere Wortbildmarke, die der hier angegriffenen ähnlich ist, erfolgreich registriert, insoweit nicht, als Markeneintragungen nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich keine präjudizielle Wirkung für andere Verfahren entfalten (4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; RS0125405 [T4]).

3. Dem Rekurs war daher Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung so abzuändern, dass dem Widerspruch stattgegeben und die Registrierung der jüngeren Marke aufgehoben wird.

4. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war nach § 37 Abs 3 MSchG iVm § 139 PatG und § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt (vgl 4 Ob 66/18m ua).

5. Ob nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen Verwechslungsgefahr vorliegt, ist keine erhebliche Rechtsfrage (RS0112739). Der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG ist daher nicht zuzulassen.

Rückverweise