33R45/24s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und die Richterin Mag. Felbab in der Rechtssache der klagenden Partei J *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof Dr. Damian GmbH in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei 1. H***** , vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien , 2. R***** , und 3. H***** , beide vertreten durch SWS Scheed Wöss Rechtsanwälte OG in Linz, wider die beklagten Parteien 1. ***** , 2. ***** , und 3. ***** , alle vertreten durch Borns Rechtsanwalts GmbH Co KG in Gänserndorf, wegen EUR 191.569,31 s.A. (hier wegen Zurückweisung der Nebeninterventionen) über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 25.2.2024, 33 Cg 51/23h-43, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird als unzulässig zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist verpflichtet, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die Kosten ihrer Rekursbeantwortung von EUR 3.184,18 (darin EUR 530,70 USt) zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO).
Begründung
Text
Die Klägerin begehrt an offenem Werklohn EUR 191.569,31 für erbrachte Werkleistungen „Stahltüren und Tischlerarbeiten“ beim Bauvorhaben [...].
Die Beklagten bestritten das Klagebegehren. Die Leistungen seien mangelhaft gewesen. Ein durch das Unterbleiben der Mängelbehebung ersparter Aufwand sei von der Klagsforderung in Abzug zu bringen. Der Werklohn sei überhöht. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt des Vertragsrücktrittes auch bereits seit mehreren Monaten in Verzug gewesen, sodass folgende Gegenforderungen compensando eingewandt wurden:
- EUR 19.853,94 an Konventionalstrafe,
- EUR 121.768,35 an Schadenersatz für entgangenen Mietzins und
- EUR 48.865,89 an Schadenersatz für Zahlungen an Käufer wegen verspäteter Übergabe von Wohnungen.
Die Klägerin verkündete daraufhin 16 Unternehmen den Streit, die bei diesem Bauvorhaben auch als Auftragnehmer der Beklagten gearbeitet und im wesentlichen Vorgewerke der Klägerin und sonstige Vorleistungen erbracht hätten (ON 20). Würde die Klägerin unterliegen, müsste sie sich nach § 896 ABGB bei den übrigen Auftragnehmern, die schuldhaft mitkausal für Verzögerungen gewesen seien, regressieren.
Die Erst- bis Drittnebenintervenienten erklärten jeweils ihren Streitbeitritt auf Klagsseite (ON 23, ON 25).
In der Vorbereitenden Tagsatzung vom 13.2.2024 (ON 27.2) wiederholten die Nebenintervenienten unter Verweis auf ihre Schriftsätze ihren Streitbeitritt. Die Hauptparteien erhoben keinen Einwand gegen die Verlesung des abgefertigten, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugestellten Beitritts-Schriftsatzes der Zweit- und Drittnebenintervenienten (ON 25). Die Beklagten brachten in der Tagsatzung weiters vor (ON 27.2 S. 3): „BV bestreitet das Vorbringen der klagenden Partei sowie der beigetretenen drei Nebenintervenienten, soweit dieses Vorbringen mit dem eigenen Vorbringen in Widerspruch steht.
Der BV spricht sich zudem gegen die Zulassung sämtlicher beigetretener Nebenintervenienten aus und beantragt die Zurückweisung dieser Nebeninterventionen und verweist dazu auf die Entscheidung 2 Ob 177/13p, nach dem die bloß vom rechtlichen Interesse an der Entscheidung über eine im Prozess eingewandte Gegenforderung abgeleitete Nebenintervention sowohl auf Seiten des Beklagten, als auch Seiten des Klägers unzulässig sei.“
Nach erfolgter Erörterung in der Verhandlung behielt sich das Erstgericht eine gesonderte Entscheidung vor.
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 43) ließ das Erstgericht die drei Nebenintervenienten auf Klagsseite nicht zu und wies die Nebeninterventionen jeweils zurück.
Die Beklagten und die Nebenintervenienten ließen den Beschluss unbekämpft.
Dagegen richtet sich jedoch der Rekurs der Klägerin wegen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem Abänderungsantrag auf Zurück-, allenfalls Abweisung des Zurückweisungsantrages der Beklagten; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen, den Rekurs mangels Rechtsmittellegitimation der Klägerin zurückzuweisen, in eventu dem Rekurs keine Folge zu geben.
Die Nebenintervenienten auf Klagsseite beteiligten sich nicht am Rekursverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist unzulässig:
Zur (fehlenden) Rechtsmittellegitimation der Klägerin:
1. Nach gefestigter Judikatur sind im Zwischenverfahren nach § 18 Abs 2 ZPO nur der Intervenient und diejenige Prozesspartei beteiligt, welche die Zurückweisung der Nebenintervention beantragt hat. Demgemäß steht der anderen Prozesspartei, die gegen die Nebenintervenienten nichts vorgebracht hatte, nicht der Rekurs gegen den Beschluss (erster oder zweiter Instanz) zu, wodurch die Nebenintervention für nicht zulässig erklärt worden ist. Das Recht einer Prozesspartei, die Unterstützung des Nebenintervenienten „zu genießen“, ist aus der Prozessordnung nicht abzuleiten (RS0035743; RS0106174).
Durch die Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 2123/96d hat sich an der Rechtsprechung zur Rechtsmittelbefugnis des Nebenintervenienten und der die Nebenintervention nicht ablehnenden Partei nichts geändert (RS0110042).
2. Die Klägerin sieht ihre Rechtsmittellegitimation dennoch gegeben: Das Rechtsschutzbedürfnis sei eine Voraussetzung der Rechtsmittelzulässigkeit (RS0043815). Die Klägerin sei durch den angefochtenen Beschluss in ihrer materiellen und prozessualen Rechtsstellung unmittelbar beeinträchtigt, es komme zu einem nachteiligen Eingriff in ihre Rechtssphäre. Die Entscheidungen im Rechtssatz RS0035743 hätten sich jeweils nur mit Sachverhalten beschäftigt, die zur Zurückweisung aus Gründen in der Sphäre des Nebenintervenienten geführt hätten, sodass als rechtliche Konsequenz dennoch die Bindungswirkung zugunsten der streitverkündenden Partei aufrecht geblieben sei.
Hier seien die Nebeninterventionen jedoch wegen des noch nicht behandelten Arguments einer fehlender Streitanhängigkeit zurückgewiesen worden. Das Erstgericht habe rechtsirrig das rechtliche Interesse als bloß am Bestehen einer im Prozess eingewendeten Gegenforderung gewertet, zudem sei der Zurückweisungsantrag der Beklagten wegen vorheriger Streiteinlassung auch verfristet gewesen.
Die Klägerin sei durch den angefochtenen Beschluss beschwert, weil sie nur durch diesen Rekurs die Bindungswirkung sicherstellen könne und damit – bei Zulassung der Nebenintervention – in einem Folge-/Regressprozess die Einrede abwenden könne, ihre nunmehrige Prozessführung wäre unzureichend gewesen. Der Sachverhalt sei hier anders gelagert als in den zitierten Judikaten. Das Ziel der Streitverkündung der Klägerin sei hier nicht auf die Unterstützung durch die Nebenintervenienten im Prozess gerichtet, sondern auf die Schaffung der Bindungswirkung.
3. Die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils erstrecken sich soweit auf den einfachen Nebenintervenienten und auf denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligte, als diese Personen als Parteien eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren soweit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand („Bindungswirkung“) (RS0107338).
Die rechtskräftige Zurückweisung der Nebenintervention lässt die Bindungswirkung entfallen. Nur im Falle einer zu Unrecht erfolgten Zurückweisung trifft den Nebenintervenienten die Obliegenheit, diese mit den zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln zu bekämpfen, um die sonst doch bestehen bleibende Bindungswirkung abzuwenden (RS0107338 [T 28] = 6 Ob 140/12z).
4. Das Erstgericht hat die Nebeninterventionen hier jedoch zu Recht zurückgewiesen:
a) Der Antrag einer Prozesspartei auf Zurückweisung des Nebenintervenienten ist grundsätzlich nicht fristgebunden. Er muss aber jedenfalls gestellt werden, bevor sich die Partei in Kenntnis des Zurückweisungsgrundes in die Verhandlung in der Hauptsache mit dem Nebenintervenienten einlässt, weil durch eine solche Einlassung auf das Bestreitungsrecht schlüssig verzichtet wird (RS0035500)
Der Zurückweisungsantrag der Beklagten wurde hier rechtzeitig vor Einlassung in die Hauptsache gestellt: Die Bestreitung des Vorbringens der Klägerin und der Nebenintervenienten und der Antrag auf Zurückweisung der Nebeninterventionen erfolgte zwar geteilt in zwei Sätze, jedoch noch in einem Zug („zudem“). Das Wort „zudem“ bedeutet „daneben“, „dazu“, „außerdem“, „auch“, „darüber hinaus“ und drückt damit eine Gleichrangigkeit aus.
b) Ein rechtliches Interesse der Nebenintervenienten ist zu verneinen: Die Klagsforderung selbst betrifft das Beitrittsinteresse nicht, dieses wurde ausschließlich im Zusammenhang mit der Gegenforderung geltend gemacht. Diese kann einen Beitritt aber nicht rechtfertigen (vgl 6 Ob 41/21d).
Die prozessuale Aufrechnungseinrede ist eine bedingte Erklärung, die erst und nur für den Fall wirksam wird, dass das Gericht den Bestand der Hauptforderung bejaht (RS0034013 [T1]), und bei der die Tilgungswirkung erst mit der Rechtskraft der Entscheidung eintritt (RS0109614 [T2]). Inhalt der Aufrechnungseinrede ist die Einwendung einer Gegenforderung des Beklagten gegen den Kläger mit dem Ziel, das Gericht möge durch die Entscheidung über den Bestand und die Aufrechenbarkeit der Gegenforderung die Aufrechnung mit der Klagsforderung vollziehen und das Klagebegehren abweisen (RS0033911). In einem dreigliedrigen Urteil, das auf Grund der Einwendung einer Gegenforderung ergeht, ist weder die Entscheidung über die Klagsforderung, noch jene über die Gegenforderung für sich allein, sondern nur die sich daraus ergebende Entscheidung über das Klagebegehren der Rechtskraft fähig (RS0040742 [T5]).
Die bloß vom rechtlichen Interesse an der Entscheidung über eine im Prozess eingewendete Gegenforderung abgeleitete Nebenintervention ist daher nach ständiger Rechtsprechung sowohl auf der Seite des Beklagten wie auch des Klägers unzulässig (RS0033879, RS0033869).
5. Ergebnis: Die Nebenintervenienten traf keine Obliegenheit, die nicht zu Unrecht ergangenen Zurückweisungen zu bekämpfen. Die Klägerin ist prozessual nicht legitimiert, den Rekurs zu erheben. Durch die in der Folge eintretende rechtskräftige Zurückweisung der Nebeninterventionen besteht keine Bindungswirkung. Der Rekurs der Klägerin hätte – auch bei Zulässigkeit – das rechtliche Ergebnis nicht abändern können. Es bestand keine Veranlassung, von der ständigen Rechtsprechung zur Rechtsmittellegitimation abzugehen. Der Rekurs ist als unzulässig zurückzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen (vgl RS0123222 [T8, T14]).
7. Wird die Nichtzulassung des Nebenintervenienten vom Rekursgericht bestätigt, ist ein dagegen erhobener Revisionsrekurs nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (RS0110042).