JudikaturOLG Wien

33R14/24g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht, Lauterkeitsrecht
04. Juni 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Tscherner und den Kommerzialrat Ing. Karall in der Rechtssache der klagenden Partei ***** , 1190 Wien, vertreten durch die Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei ***** , vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 10.000 s.A. über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 9.1.2024, 20 Cg 34/23p-16, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit mit EUR 1.458,67 (darin enthalten EUR 243,11 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Text

Die Klägerin ist Medieninhaberin der unter www.*****.at und *****.TV erreichbaren Websites. Die Beklagte ist Medieninhaberin der periodischen Druckwerke „*****“ und „*****24“. Geschäftsführer der Beklagten und Herausgeber der genannten Druckwerke ist W*****. Die Beklagte veröffentlichte am 27.5.2021 in [ihren Medien] folgenden Artikel:

[Von der Veröffentlichung des Faksimiles im RIS wird abgesehen.]

Die Parteien stehen in einem Wettbewerbsverhältnis.

Der Artikel enthält folgende von der Klägerin inkriminierte Passagen:

«[...] Damit entpuppt sich diese Causa immer mehr als bösartige „Schmutzkübel-Kampagne“ der Konkurrenz – umso mehr als die TV-Lady, die ihre Vorwürfe offenbar erfunden hat, von [Klägerin]-Anwalt [...] vertreten wird, der derzeit mehr als 30 UWG-Prozesse führt, um im Auftrag der [Klägerin] den Erfolg von [Beklagte] zu stoppen.“ [...].»

Die Klägerin begehrt die Zahlung von EUR 10.000 nach § 16 Abs 2 UWG. Die Beklagte habe im Artikel die falsche Behauptung verbreitet, die Klägerin sei daran beteiligt, dass eine „bösartige Schmutzkübel-Kampagne“ gegen W***** in Sachen sexueller Belästigung von Mitarbeiterinnen veranstaltet werde. Der Klägerin werde daher vorgeworfen, sie würde bewusst und absichtlich falsche Behauptungen schwerwiegenden Inhaltes verbreiten. Art 10 EMRK rechtfertige unwahre Tatsachenbehauptungen nicht. Weiters sei die Behauptung objektiv geeignet, das Unternehmen und den Geschäftsbetrieb der Klägerin zu schädigen, und erfülle den Tatbestand der Herabsetzung eines Unternehmens nach § 7 Abs 1 UWG. Die Behauptung einer „Schmutzkübel-Kampagne“ enthalte den Vorwurf, die Klägerin habe bewusst und absichtlich falsche Behauptungen schwerwiegenden Inhalts verbreitet. Angesichts der besonders schweren Beeinträchtigung ihrer Persönlichkeitsrechte liege eine immaterielle Schädigung der Klägerin auf der Hand, sodass ihr ein Schadenersatz gemäß § 16 Abs 2 UWG idF vor BGBl I 2022/110 in der begehrten Höhe zustehe.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, mit dem Begriff „Schmutzkübel-Kampagne“ seien nicht wissentlich unwahre Tatsachenverbreitungen gemeint. Dem Leser des Beitrags werde die Schlussfolgerung vermittelt, es sei aufgrund von Zeugenaussagen in einem Gerichtsverfahren davon auszugehen, dass der von der ehemaligen Mitarbeiterin behauptete Vorfall beim Fotoshooting so nicht stattgefunden habe. Dies sei von Art 10 EMRK gedeckt. Nach der seit 20.7.2022 geltenden Fassung des § 16 Abs 2 UWG stehe Unternehmen kein Anspruch auf Entschädigung von ideellen Nachteilen zu. Auch nach dem § 16 Abs 2 UWG idF vor BGBl I 2022/110 sei ein ideeller Schaden nur zu ersetzen, soweit eine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der betroffenen juristischen Person vorliegt. Dass eine solche schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der Klägerin nicht vorliege, zeige sich schon am Umstand, dass sie mehr als zwei Jahre abgewartet habe, um den Schadenersatz einzuklagen. Die Unternehmensgruppe der Klägerin habe W***** als „Mini-Weinstein“ diskreditiert und etwa auch Medienverfahren von NN gegen die Unternehmensgruppe der Beklagten finanziert, die sie dann selbst zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht habe. Die angegriffene Äußerung sei daher als Retorsionskritik rechtlich nicht zu beanstanden, und eine Ansehensminderung und Kränkung der Klägerin durch den angegriffenen Artikel sei auszuschließen. Schließlich bestritt die Beklagte das Klagebegehren auch der Höhe nach.

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 10.000. Es stellte den eingangs wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalt fest. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass durch den Artikel die Beklagte der Klägerin unterstelle, sie würde im Sinn einer „Schmutzkübel-Kampagne“ an der Verbreitung unwahrer Tatsachen mitwirken. Dies sei ein Verstoß gegen § 7 UWG, weshalb ein Ersatzbetrag für den immateriellen Schaden von EUR 10.000 gemäß § 16 Abs 2 UWG idaF angemessen sei.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Klage abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 16 Abs 2 UWG idF vor BGBl I 2022/110. Danach konnte derjenige, der aufgrund des UWG berechtigt war, einen Anspruch auf Schadenersatz zu stellen, auch eine angemessene Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile erlangen, wenn dies in den besonderen Umständen des Falls begründet war.

Mit dem 2. Modernisierungs-RL-UmsetzungsG (MoRUG II, BGBl I 2022/110) wurde § 16 UWG geändert. § 16 Abs 1 UWG normiert nunmehr den Schadenersatzanspruch von Verbrauchern. § 16 Abs 2 UWG normiert einen Anspruch auf Schadenersatz und entgangenen Gewinn für Unternehmer, die durch eine Zuwiderhandlung gegen die §§ 1 bis 2a, 7, 9, 13, 21 Abs 3 und 34 Abs 3 UWG geschädigt werden.

Auf eine Änderung der Rechtslage hat das Gericht in jeder Lage des Verfahrens Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind. Es ist daher grundsätzlich nach den Übergangsbestimmungen zu beurteilen, ob eine Gesetzesänderung für ein laufendes Verfahren zu beachten ist (RS0031419). Nach § 44 Abs 13 UWG trat § 16 idF MoRUG II mit dem der Kundmachung folgenden Tag, also am 20.7.2022, in Kraft. Eine Rückwirkung wurde nicht normiert.

Nach § 5 ABGB sind nur die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes verwirklichten Sachverhalte nach dem neuem Gesetz zu beurteilen, vorher geschehene Handlungen und analog sonstige Sachverhalte sind aber wie vorher entstandene Rechte weiterhin dem alten Gesetz zu unterwerfen (RS0008715 [T2]). Die Wirkungen einer Gesetzesänderung ergreifen daher nicht Tatbestände, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes abschließend und endgültig verwirklicht wurden (RS0008715 [T5]). Für einen Dauersachverhalt gelten die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes ab seinem Inkrafttreten (RS0008715, etwa [T1]). Bei deliktischen Schuldverhältnissen bildet im Bereich der Verschuldenshaftung der Zeitpunkt der schädigenden Handlung den intertemporalen Anknüpfungspunkt; für die Beurteilung der Frage, welche Schadenersatznorm zur Anwendung kommt, ist daher die zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses geltende Rechtslage maßgebend (2 Ob 251/02d mwN; RS0116364). Die Beklagte bewirkte die schadensbegründene Persönlichkeitsverletzung mit Veröffentlichung des Artikels am 7.5.2021. Das Gericht hat den Anspruch nach der alten Rechtslage zu beurteilen. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts kommt es nicht darauf an, wann die Klägerin das Schmerzengeld bemessen hat.

2. Die Klägerin stützt den Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach § 16 Abs 2 UWG aF auf eine Herabsetzung ihres Unternehmens durch die Beklagte iSd § 7 UWG.

2.1. § 7 Abs 1 UWG gewährt dem durch die Behauptung oder Verbreitung herabsetzender Tatsachen Verletzten einen Schadenersatzanspruch, sofern diese Tatsachen nicht erweislich wahr sind (vgl 4 Ob 106/22z [7]). Die Herabsetzung eines Unternehmens iSd § 7 UWG besteht in der Verringerung der Wertschätzung der Leistung eines Mitbewerbers, eines Unternehmens und/oder von Produkten des angesprochenen Markteilnehmers (vgl Handig in Wiebe/Kodek ,UWG 2 § 7 Rz 3 mwN).

2.2. Bei der Beurteilung der Rechtsfragen, welchen Bedeutungsinhalt eine Äußerung hat und ob „Tatsachen“ verbreitet wurden, kommt es auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an; maßgebend ist das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers, nicht der subjektive Wille des Erklärenden (vgl RS0031883; RS0031815; RS0079395 ua).

Eine herabsetzende Äußerung über den Mitbewerber kann im Rahmen der Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit iSv Art 13 StG und Art 10 EMRK zulässig sein ( Handig in Wiebe/Kodek , UWG 2 § 7 Rz 5ff). Unwahre herabsetzende Tatsachenbehauptungen kann dieses Grundrecht aber nicht rechtfertigen (RS0075732; vgl RS0107915). Eine Äußerung ist unwahr, wenn ihr sachlicher Kern im Zeitpunkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (RS0115694). Zur Abwehr eines (Schadenersatz)anspruchs wegen Herabsetzung eines anderen Marktteilnehmers hat der Beklagte die Wahrheit der herabsetzenden Behauptung zu beweisen (RS0079042; RS0078856).

2.3. Der inkriminierte Artikel enthält herabsetzende Tatsachenbehauptungen über die Klägerin:

Der mit „W*****-Klage gegen NN; Alle Zeugen für W*****“ übertitelte Artikel handelt vom Vorwurf der [...] NN, W***** habe sie sexuell belästigt. Zunächst wird ausführlich über eine Gerichtsverhandlung über einen Unterlassungsanspruch berichtet, den W***** gegenüber NN geltend macht. Die dort einvernommenen Zeugen hätten für W***** und gegen NN ausgesagt, der Vorwurf NNs sei offenbar erfunden. Auch die Chefredakteure der von der Beklagten herausgegebenen Medien und der Betriebsrat der Beklagten hätten bestätigt, dass keine einschlägigen Beschwerden gegen W***** vorliegen würden. Bereits im Rahmen dieses Berichts und in einem Bildtext unter dem Foto NNs wird betont, dass diese bei der Klägerin beschäftigt ist. Der Artikel schließt mit der Einschätzung, dass sich die Causa damit immer mehr als bösartige Schmutzkübel-Kampagne der Konkurrenz entpuppe, umso mehr, als NN, die ihre Vorwürfe offenbar erfunden habe, vom Anwalt der Klägerin vertreten werde, der derzeit mehr als 30 UWG-Prozesse führe, um im Auftrag der [Klägerin] den Erfolg von [Beklagte] zu stoppen.

Zwar umfasst eine Schmutzkübelkampagne [duden.de: „Kampagne die mit unlauteren, unfairen Mitteln geführt wird“ ] nicht zwingend die Verbreitung unwahrer Tatsachen; der Artikel ist aber so aufgebaut, dass der unbefangene Durchschnittsleser darin den Vorwurf sieht, die Klägerin verbreite bewusst unwahre schwere Anschuldigungen gegen W*****: Nachdem zunächst ausladend dargestellt wird, dass der Vorwurf sexueller Belästigung falsch sei und dies durch verschiedene Beweisergebnisse bestätigt werde, identifiziert der Autor die Causa [des Vorwurfs der sexuellen Belästigung NNs gegen W*****] als Schmutzkübelkampagne der Konkurrenz. Als Konkurrenz kommt als einziges, (mehrmals) im Artikel genanntes Unternehmen nur die Klägerin in Betracht. Durch die Behauptung, die Angelegenheit des Vorwurfs der sexuellen Belästigung sei eine Kampagne der Klägerin wird ihr nicht nur vorgeworfen, sie unterstütze mit ihrer Berichterstattung ein vermeintliches Opfer, dessen Vorwürfe von Zeugen nicht bestätigt worden seien, sondern sie erhebe selbst bewusst unwahre Vorwürfe gegen den Geschäftsführer der Beklagten oder sei sogar daran beteiligt gewesen, diese zu erfinden. Der Vorwurf, die Klägerin verbreite bewusst unwahre Anschuldigungen, wird durch die Bezugnahme auf von der Klägerin geführte UWG-Verfahren, die den Erfolg von Medien der Beklagten stoppen sollen, verstärkt. Damit wird der Eindruck erweckt, die Klägerin habe die Vorwürfe (mit)erfunden, zumindest aber, sie unterstütze die bewusste Verbreitung unwahrer Vorwürfe gegen W*****, um ihre Position auf dem Markt zu verbessern. Damit ist jedenfalls der Vorwurf verbunden, die Klägerin trage bewusst unwahre Behauptungen gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten mit.

Der Vorwurf der bewussten Verbreitung unwahrer schwerer Anschuldigungen gegen ein Organ eines Konkurrenzunternehmens ist geeignet, die Wertschätzung der Leistungen und Produkte der Klägerin zu verringern. Die Vorgangsweise der Beklagten wäre nur gerechtfertigt, wenn sie beweisen würde, dass der gegen die Klägerin erhobene Vorwurf wahr ist; sie müsste also behaupten und beweisen, dass die Klägerin bewusst zur Verbreitung unwahrer Vorwürfe beitrug, der von ihrer Moderatorin erhobene Vorwurf, W***** habe sie sexuell belästigt, also unwahr sei, und die Klägerin das gewusst habe. Dass die Behauptung, die Klägerin beteilige sich bewusst an der Verbreitung unwahrer Vorwürfe rechtswidrigen Handelns gegen den Geschäftsführer der Beklagten, wahr sei, hat die Beklagte aber nicht einmal behauptet. Die Klägerin kann ihren Schadenersatzanspruch auf § 7 UWG stützen.

3. Zum Anspruch nach § 16 Abs 2 UWG aF:

3.1. Gemäß § 16 Abs 2 UWG aF gehört zum Umfang der Schadenersatzpflicht auch ein angemessener Zuspruch einer Geldbuße als Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile, wenn dies in den besonderen Umständen des Falls begründet ist (RS0079690). Diese Bestimmung eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, neben dem unmittelbar in Geld abzuschätzenden Vermögensschaden auch auf immaterielle Nachteile Rücksicht zu nehmen; abzugelten sind aber nur solche Beeinträchtigungen des seelischen oder körperlichen Wohlbefindens, die den mit jeder unlauteren Wettbewerbshandlung verbundenen natürlichen Ärger übersteigen (RS0079679 [T2]). Die Vergütung nach § 16 Abs 2 UWG aF kann auch juristischen Personen zugesprochen werden, weil Kopf und Träger des Unternehmens immer eine natürliche Person ist und dem Gesetz nicht entnommen werden kann, dass die Mehrzahl der Unternehmen – und dabei gerade die größten, die regelmäßig keine natürlichen Personen sind – von der Wohltat des Gesetzes ausgeschlossen sein sollten (RS0079669). Größere juristische Personen können wegen ihrer Struktur keinen Schadenersatzanspruch wegen „erlittener Kränkung“ haben; ihnen ist aber eine dem richterlichen Ermessen unterliegende Geldbuße zuzusprechen, wenn mit einem ernstlich beeinträchtigenden Wettbewerbsverstoß eine Verletzung des äußeren sozialen Geltungsanspruchs als Teil des Persönlichkeitsrechts verbunden ist. Dabei sind auch die damit verbundenen, nicht bezifferbaren Vermögensschäden zu berücksichtigen. In jedem Fall muss es sich aber – im Interesse der Gleichbehandlung mit natürlichen Personen – um eine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der betroffenen juristischen Person handeln (RS0090635; vgl 4 Ob 106/22z [10]). Gradmesser für die Höhe des Schadens sind der von der betroffenen juristischen Person erlangte Ruf und seine durch die Schwere der Wettbewerbsverletzung herbeigeführte Beeinträchtigung (RS0090640).

3.2. In 4 Ob 25/13z [3] hat der Oberste Gerichtshof im Vorwurf einer bewussten Falschberichterstattung durch eine Tageszeitung einen weit über jenen der bloßen Unrichtigkeit einer Meldung („Ente“) hinausgehenden Vorwurf gesehen, der die Glaubwürdigkeit der Medieninhaberin ganz grundlegend in Zweifel gezogen habe; eine Zeitung, die – offenkundig im eigenen Interesse – wissentlich falsch berichte, würde zu Recht jegliches Vertrauen ihrer Leser und Anzeigenkunden verlieren. Einen schwerer wiegenden Vorwurf könne man einem Medium kaum machen. Der dort begehrte Schadenersatz von EUR 10.000 sei jedenfalls berechtigt.

Auch die Beklagte unterstellt ihrer Konkurrentin eine bewusste Falschberichterstattung aus unsachlichen Motiven. Ein derartiger Vorwurf gegen die Inhaberin eines Mediums, die zur Erzielung von Einnahmen darauf angewiesen ist, dass die Leser die Berichterstattung für seriös halten und Anzeigenkunden, wiederum abhängig von der Reichweite, bereit sind, Anzeigen zu kaufen, führt zu einer besonders schweren Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der Klägerin. Ihr steht daher ein Ersatz für den immateriellen Schaden nach § 16 Abs 2 UWG zu. Das Berufungsgericht hält die Zuerkennung eines Schadenersatzes von EUR 10.000 für angemessen: In der oben zitierten Entscheidung zu 4 Ob 25/13z gewährte der Oberste Gerichtshof einen Schadenersatz von EUR 10.000. Zu 4 Ob 176/08y sprach der Gerichtshof für Beschimpfungen einer Zeitung mit „Perlen-vor-die-Säue-Blattl“ und sie verdiene sich das „Götz-Zitat“ EUR 12.000 zu. Der vom Erstgericht zugesprochene Ersatzbetrag von EUR 10.000 bewegt sich in diesem Rahmen.

3.3. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht liegt keine zulässige „Retorsionskritik“ vor: Eine solche ist zwar nach der Rechtsprechung milder zu beurteilen, sofern sachliche Informationen über das Fehlverhalten eines Mitbewerbers in einem angemessenen Rahmen erteilt werden; die Verbreitung unwahrer Tatsachen ist jedoch auch unter dem Deckmantel der „Retorsionskritik“ rechtswidrig (RS0122468; RS0077957; vgl 4 Ob 74/18p). Dass das Erstgericht keine Feststellungen zur Berichterstattung der Klägerin über die Beklagte und darüber traf, dass die Klägerin NN und einer weiteren Mitarbeiterin Medienverfahren gegen die Beklagte finanziere, macht die Feststellungsgrundlage nicht mangelhaft.

3.4. Nicht nachvollziehbar ist das Argument der Beklagten, das längere Zuwarten mit der Klagsführung habe zu einer Verwirkung des Anspruchs geführt:

Das österreichische Recht kennt keine allgemeine Verwirkung (RS0014221); ein Rechtsverlust durch Verwirkung tritt nur ein, wenn das Gesetz ihn vorsieht (vgl P. Bydlinski in KBB 7 § 1444 ABGB Rz 8). Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass dem durch eine wettbewerbswidrige Handlung Verletzten, der sich mit der Klage auf Schadenersatz Zeit lässt, nicht schon deshalb unterstellt werden kann, er habe keine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung erlitten. Es besteht keine Rechtspflicht, innerhalb der Verjährungsfrist besonders rasch aktiv zu werden. Ein Zuwarten mit der Klagsführung kann unterschiedliche Gründe haben, die nicht darauf schließen lassen, ob die Wettbewerbsverletzung eine besondere Beeinträchtigung bewirkte. Anderes lässt sich auch den von der Beklagten zitierten Entscheidungen nicht entnehmen (vgl 4 Ob 93/32 = Rsp 1932, 186; 3 Ob 417/53; OLG Wien 1 R 185/65 = ÖBl 1966, 143; 4 Ob 334/60): Der Kläger muss jene Umstände behaupten und beweisen, aus denen eine den mit jeder unlauteren Handlung verbundenen, natürlichen Ärger übersteige Kränkung oder Persönlichkeitsverletzung geschlossen werden kann (vgl Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek , UWG 2 § 16 Rz 84 ff mwN). Dass in den genannten Entscheidungen mangels konkreter Anhaltspunkte für das Vorliegen einer die Geldbuße rechtfertigenden qualifizierten Beeinträchtigung angenommen wurde, (auch) das lange Zuwarten mit der Klagsführung spreche gegen das Vorliegen einer solchen, lässt nicht den allgemeinen Schluss zu, der Anspruch sei bei später Einklagung ausgeschlossen.

3.5. Das Gesetz nennt als Grundlage der Vergütung auch „andere persönliche Nachteile“ und ermöglicht es damit, auch die nicht in einem wirklichen Schaden bestehende Rufschädigung eines Unternehmens durch eine Geldbuße auszugleichen (RS0079702). Die Klägerin trifft (nur) eine Darlegungs- und Individualisierungslast hinsichtlich jener Umstände, die auf eine Kränkung oder Persönlichkeitsverletzung schließen lassen, die geeignet erscheint, im konkreten Falle einen immateriellen Schaden nach sich gezogen zu haben (vgl Kodek/Leupold aaO Rz 84/1); ob immaterielle Schäden eingetreten sind, ist nach richterlichem Ermessen zu entscheiden ( Kodek/Leupold aaO Rz 80 mwN; 4 Ob 49/95). Entgegen der in der Berufung vertretenen Ansicht waren daher auch keine Feststellungen zu konkreten Nachteilen zu treffen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Für die Berufungsbeantwortung wird keine Pauschalgebühr eingehoben; eine solche ist nicht zu ersetzen.

5. Da keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zu lösen war, war die ordentliche Revision nicht zuzulassen.

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