6R142/24g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende, den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Nigl, LL.M., im Konkurs über das Vermögen der A* GmbH, **, **, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in Baden, Insolvenzverwalter Mag. B*, Rechtsanwalt in Eisenstadt, über den Rekurs der Schuldnerin gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Eisenstadt vom 8.4.2024, 26 S 46/24b-2, und vom 11.4.2024, 26 S 46/24b-4, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Dem Rekurs gegen den Beschluss ON 4 wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
II. Die Schuldnerin wird mit ihrem Rekurs gegen den Beschluss ON 2, soweit er sich auf die Festsetzung der Verbesserungsfrist bezieht, auf die Entscheidung zu I. verwiesen.
Text
Begründung
Die A* GmbH ( Schuldnerin ) mit Sitz in ** ist seit 3.4.2021 zu FN ** im Firmenbuch eingetragen. C* (voll geleistete Stammeinlage EUR 21.000,-) und D* (voll geleistete Stammeinlage EUR 14.000,-) sind jeweils Gesellschafter und selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer.
Am 7.4.2024 beantragte die Schuldnerin unter Vorlage eines Vermögensverzeichnisses nach § 100a IO (inklusive Gläubigerliste) und einer mehrseitigen Zukunftsprognose die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung sowie die Bewilligung von Verfahrenshilfe. Dieser Antrag war von C* als Geschäftsführer und von der Rechtsvertreterin der Schuldnerin unterfertigt.
Aus der vorgelegten Gläubigerliste ergeben sich eine (zur Gänze besicherte) Kreditforderung der E* von EUR 100.000,-, Forderungen weiterer Gläubiger von insgesamt EUR 14.645,67 (F*, G*, H*, I*, J*, K*) und eine „zweifelhafte“ Forderung der L* GmbH über EUR 14.077,19. In dem Schriftstück „ Positive Zukunftsprognose “ hält die Schuldnerin ihre Absicht fest, die offenen Verbindlichkeiten von EUR 114.645,67 zu 100% in Raten über sieben Jahre verzinst zu tilgen. Die Gesamtverbindlichkeit von ca EUR 120.000,- minus Eigenmittel von EUR 20.000,- geteilt durch die gewünschte Laufzeit von sieben Jahren und durch 12 Monate ergebe eine monatliche Zahllast von EUR 1.200,-.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8.4.2024 (ON 2) trug das Erstgericht der Schuldnerin binnen zwei Tagen die Verbesserung ihres Antrags auf Eröffnung des Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung auf, und zwar zu A. durch Vorlage eines Sanierungsplans, eines genauen Vermögensverzeichnisses der Schuldnerin und der beiden Geschäftsführer, einer aktuellen und vollständigen Übersicht über den Vermögens- und Schuldenstand (Status), eines Finanzplans für die folgenden 90 Tage, einer vollständigen Gläubigerliste, der Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre inklusive 2023 und der Saldenlisten 2022 bis März 2024 sowie durch Unterfertigung des Antrags auf Eröffnung des Sanierungsverfahrens und des Sanierungs-planantrags durch beide Geschäftsführer. Weiters trug es der Schuldnerin zu B. auf, ergänzende Angaben im Antrag über die Aufbringung der nötigen Mittel, die Anzahl der Beschäftigten und deren im Unternehmen errichteten Organe und die nötigen Reorganisationsmaßnahmen zu erstatten. Ferner trug das Erstgericht der Schuldnerin binnen gleicher Frist den Erlag eines Kostenvorschusses von EUR 4.000,- auf. Den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wies es zu C. ab. Dazu führte es begründend aus, diese Unterlagen und Angaben seien nach § 169 IO zwingend vorzulegen. Da dem Antrag nicht alle vorgeschriebenen Urkunden angeschlossen seien und darin das gesetzlich vorgeschriebene Vorbringen fehle, sei die Schuldnerin zur Verbesserung aufzufordern. Die Möglichkeit der Verbesserung solle der Schuldnerin dazu dienen, irrtümliche Versäumnisse oder Ungenauigkeiten zu korrigieren. Die Frist sei so bemessen, dass die Schuldnerin die fehlenden – aber bereits vorhandenen – Urkunden und Angaben im Antrag nachreichen könne, jedoch solle der Schuldnerin nicht noch Zeit gegeben werden, die erforderlichen Unterlagen überhaupt erst zu erstellen.
Dieser Beschluss wurde der Schuldnervertreterin am 9.4.2024 zugestellt.
Am 10.4.2024 beantragte die Schuldnerin die Verlängerung der Verbesserungsfrist um zumindest 14 Tage, weil C* krankheitsbedingt längerfristig ausfalle und D* wegen einer akuten Viruserkrankung ebenfalls verhindert sei. Eine Bilanz müsse vom Steuerberater noch fertig gestellt werden. Diesem Antrag war ein 14-seitiger „ Sanierungsplan “ angeschlossen (Beilage ./4). Demnach sollten die offenen Verbindlichkeiten von insgesamt EUR 14.645,67 im Ausmaß einer 30%igen Quote von EUR 4.393,70 in 12 Monaten (offenbar gemeint: in 12 Monatsraten) á EUR 366,14 getilgt werden. Die L* GmbH stelle eine Forderung von EUR 14.077,19 gegen die Schuldnerin, der eine Gegenforderung von EUR 17.194,28 gegenüberstehe. Für das Förderdarlehen werde eine neue Ratenvereinbarung mit der E* und der M* verhandelt. Dieser Sanierungsplan war nicht eigenhändig unterfertigt, trägt aber die Namen beider Geschäftsführer.
Der aufgetragene Kostenvorschuss wurde von der Schuldnerin nicht erlegt und auch Vermögensverzeichnisse der beiden Geschäftsführer zunächst nicht vorgelegt.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11.4.2024 (ON 4) eröffnete das Erstgericht den Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte Mag. B* zum Masseverwalter. Die allgemeine Prüfungstagsatzung beraumte es für 24.6.2024 an. Das Ende der Anmeldungsfrist bestimmte es mit 10.6.2024. Begründend stützte es die Konkurseröffnung auf § 69 Abs 1 IO (Schuldnerantrag). Im Rahmen des Verbesserungsverfahrens seien weder ein Sanierungsplan noch die von der IO geforderten Unterlagen vorgelegt worden.
Gegen diese Beschlüsse richtet sich der Rekurs der Schuldnerin mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse zusammengefasst dahin abzuändern, dass einerseits das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet bzw andererseits die Frist für die Beibringung noch fehlender Unterlagen für die Eröffnung des Sanierungsverfahrens um 14 Tage verlängert werde. Hilfsweise wird jeweils ein Aufhebungsantrag gestellt. Angeschlossen waren diesem Rekurs ein Vermögensverzeichnis nach § 110a IO/§ 185 IO für natürliche Personen, die ein Unternehmen betreiben, bezüglich C* vom 15.4.2024, und das bereits mit dem Antrag übermittelte Vermögensverzeichnis der Schuldnerin nach § 100a IO für Gesellschaften vom 11.3.2024.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Ergebnis berechtigt .
I. Zum angefochtenen Beschluss ON 4:
1. Die Schuldnerin gesteht zu, dass dem Antrag nicht alle geforderten Unterlagen angeschlossen waren, macht aber einen Verfahrensmangel infolge Nichtberücksichtigung der vorgelegten Urkunden und mangelnder Gehörgewährung geltend. In einer Frist von zwei Tagen sei es unmöglich, Urkunden, die schon bei Antragstellung nicht zur Verfügung gestanden seien, beizuschaffen. Vordringlich sei im Hinblick auf die 60-Tagefrist gewesen, den Antrag fristwahrend einzubringen. Innerhalb der begehrten Fristerstreckung seien alle geforderten Unterlagen dem Masseverwalter übergeben worden. Ein Schuldnerantrag auf Eröffnung des Konkurses liege nicht vor, sodass der Beschluss nichtig sei.
2. Nach § 140 IO kann der Schuldner bereits zugleich mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens den Abschluss eines Sanierungsplans beantragen. Im Antrag ist anzugeben, in welcher Weise die Gläubiger befriedigt oder sichergestellt werden sollen. § 141 IO trifft Regelungen zu Inhalt und Unzulässigkeit des Sanierungsplans.
Bei juristischen Personen sind deren Vertretungsorgane antragsberechtigt, wobei es ausschließlich auf die konkrete satzungsmäßige Vertretungsbefugnis ankommt. Ob dabei die Bestimmungen über die interne Beschlussfassung eingehalten wurden, ist für die Beurteilung der Gültigkeit und Zulässigkeit des Sanierungsplanantrags irrelevant ( Nunner-Krautgasser/Anzenberger in KLS 2 § 140 IO Rz 17).
Zum Sanierungsverfahren normiert § 167 Abs 1 IO allgemein, dass das Insolvenzverfahren als Sanierungsverfahren zu bezeichnen ist, wenn der Schuldner 1. dessen Eröffnung sowie 2. unter Anschluss eines zulässigen Sanierungsplans die Annahme eines Sanierungsplans beantragt und dieser Antrag vom Gericht nicht zugleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen wird.
§ 169 IO regelt die speziellen Voraussetzungen für ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung: Demnach steht im Sanierungsverfahren dem Schuldner gemäß § 169 Abs 1 IO die Verwaltung der Insolvenzmasse unter Aufsicht eines Insolvenzverwalters (Sanierungsverwalters) nach den Bestimmungen des Vierten Teils zu (Eigenverwaltung), wenn er vor dessen Eröffnung
1. folgende Urkunden vorgelegt hat:
a) einen Sanierungsplan, in dem den Insolvenzgläubigern angeboten wird, innerhalb von längstens zwei Jahren vom Tag der Annahme des Sanierungsplans mindestens 30% der Forderungen zu zahlen;
b) ein genaues Vermögensverzeichnis;
c) eine aktuelle und vollständige Übersicht über den Vermögens- und Schuldenstand, in der die Bestandteile des Vermögens auszuweisen und zu bewerten und die Verbindlichkeiten mit dem Rückzahlungsbetrag anzusetzen und aufzugliedern sind (Status);
d) eine Gegenüberstellung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben für die folgenden 90 Tage, aus der sich ergibt, wie die für die Fortführung des Unternehmens und die Bezahlung der Masseforderungen notwendigen Mittel aufgebracht und verwendet werden sollen (Finanzplan), und
e) ein Verzeichnis der nach §§ 75 und 145 Abs 2 IO zu Verständigenden sowie
2. der Antrag folgende Angaben enthält:
a) darüber, wie die zur Erfüllung des Sanierungsplans nötigen Mittel aufgebracht werden sollen,
b) über die Anzahl der Beschäftigten und über deren im Unternehmen errichteten Organe und
c) über die zur Erfüllung des Sanierungsplans nötigen Reorganisationsmaßnahmen, insbesondere Finanzierungsmaßnahmen.
Fehlt im Antrag das gesetzlich vorgeschriebene Vorbringen oder sind ihm nicht alle vorgeschriebenen Urkunden angeschlossen, so ist der Schriftsatz zur Verbesserung zurückzustellen. Wird der Antrag nicht fristgerecht verbessert, so ist das Sanierungsverfahren (ohne Eigenverwaltung) nach dem Dritten Teil oder der Konkurs zu eröffnen (§ 169 Abs 5 IO).
3. Ein Antrag auf Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung (unter Aufsicht eines Verwalters) hat somit einerseits die allgemeinen Voraussetzungen der §§ 166f IO sowie andererseits die speziellen Voraussetzungen des § 169 IO zu erfüllen.
§ 169 Abs 5 IO ordnet die Verbesserung eines mangelhaften Antrags an. Diese Verbesserungsbestimmung verdrängt die Spezialnorm des (gemäß § 252 IO) anwendbaren § 84 ZPO, sodass auch inhaltliche Mängel sowie irrtümliche Versäumnisse oder Ungenauigkeiten korrigiert werden können (vgl Mohr , Sanierungsplan und Sanierungsverfahren, Rz 470 ff; Jelinek , Insolvenzrechtsreform 2010, wbl 2010, 377 [382]).
4. Dass dem Antrag nicht alle erforderlichen Unterlagen angeschlossen und insbesondere bei Antragstellung noch nicht errichtet waren, gesteht die Schuldnerin in ihrem Rekurs ausdrücklich zu. Das Erstgericht hat infolge des Fehlens der in § 169 Abs 1 IO genannten Urkunden und des Vorbringens den Verbesserungsauftrag somit grundsätzlich zu Recht erteilt. Die Schuldnerin moniert allerdings das Ausmaß der eingeräumten Verbesserungsfrist von lediglich zwei Tagen:
5. Zugleich mit dem Verbesserungsauftrag nach § 169 Abs 5 S 1 IO ist eine Frist für die Wiederanbringung des Antrages zu setzen. § 169 Abs 5 S 1 IO ist § 54 Abs 3 EO nachgebildet. Subsidiär gelten die allgemeinen Verbesserungsvorschriften der ZPO ( Riel in Konecny , InsG § 169 IO Rz 80). Die Länge der Frist liegt im richterlichen Ermessen; sie soll nach den Materialien aber nicht so lange bemessen werden, dass dem Schuldner noch Zeit gegeben wird, die erforderlichen Unterlagen überhaupt erst zu erstellen (vgl ErläutRV zum IRÄG 2010, 612 BlgNR 24. GP 30; ebenso etwa OLG Wien ZIK 2014/225, 149; OLG Wien ZIK 2015/31, 29; Jelinek , wbl 2010, 382; vgl auch Dellinger/Oberhammer/Koller , InsR 5 Rz 439). Dabei haben die ErläutRV ganz offenkundig die Konkurrenz von Schuldner- und Gläubigerantrag vor Augen, weil nur dort wegen des Vorrangs des Sanierungsverfahrens die Gefahr besteht, dass es zu einer Verfahrensverzögerung kommt. In solchen Fällen ist es nach Riel vertretbar, eine eher kurze Frist zu setzen, wobei er aber selbst hier eine Fristsetzung von „idR 3 Tage“ für zu streng erachtet. Ohne konkurrierenden Gläubigerantrag – wie hier - besteht nach Riel kein Grund, die Frist nicht auch zur Erstellung fehlender Unterlagen zu bemessen, zumal der mangelhafte Schuldnerantrag auch zurückgezogen werden könnte und es dann ebenfalls nicht zur Rechtsfolge der unterlassenen Verbesserung, nämlich der Eröffnung eines anderen Insolvenzverfahrens kommt (vgl Riel aaO § 169 IO Rz 84). Weil das Fehlen vorgeschriebener Urkunden ausdrücklich verbesserungsfähig ist, kann nicht nur zB ein fehlender Jahresabschluss nachgereicht werden, sondern – wie bei § 183 Abs 4 IO – grundsätzlich auch eine Frist für Urkunden gesetzt werden, die erst erstellt werden müssen ( Riel aaO § 169 IO Rz 82).
Das Rekursgericht erachtet die vom Erstgericht eingeräumte zweitägige Verbesserungsfrist somit jedenfalls als zu kurz bemessen. Da kein Gläubigerantrag vorlag, wäre die Einräumung einer Verbesserungsfrist, die auch die Neuerrichtung erforderlicher Urkunden ermöglicht hätte, zulässig und geboten gewesen. Eine Verfahrensverzögerung bzw -verschleppungsabsicht steht insbesondere im Hinblick auf die Verantwortung der Schuldnerin, hinsichtlich der Einhaltung der 60-Tage Frist habe Zeitdruck bestanden, nicht im Raum.
6. Mit der zwischenzeitig erfolgten Eröffnung eines Konkursverfahrens ist der Schuldnerin der Weg zur Eigenverwaltung im gegenständlichen Verfahren aber grundsätzlich abgeschnitten:
Die Eigenverwaltung setzt eine Gerichtsentscheidung voraus. Diese muss bei Eröffnung ergehen, da die Eigenverwaltung nicht nachträglich „eingeräumt“ werden kann, und liegt meist in der Eröffnung eines als Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung bezeichneten Insolvenzverfahrens. Jede andere Entscheidung über den Eröffnungsantrag beinhaltet die Abweisung des Antrages auf Eigenverwaltung, die dem Schuldner in diesem Fall auch dann nicht zusteht, wenn die Voraussetzungen erfüllt wären ( Riel aaO § 169 IO Rz 33). Das Insolvenzgericht hat im Eröffnungsverfahren nur eine formelle Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen vorzunehmen ( Riel aaO § 169 IO Rz 30; Lentsch in KLS 2 § 169 IO Rz 10).
Ferner setzt die Eigenverwaltung ein vorbereitetes Verfahren voraus. Der Schuldner, der die Eigenverwaltung anstrebt, muss umfangreiche Informationen und Unterlagen zusammenstellen. Dies soll erstens sicherstellen, dass das von ihm vorgelegte Sanierungskonzept überprüfbar ist. Zweitens ist eine detaillierte Vorbereitung unabdingbare Voraussetzung für die Einhaltung des knappen Zeitplans, der für die Abwicklung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung zur Verfügung steht. Drittens soll eine Vorbereitung des Verfahrens iS einer kritischen Selbstreflexion des Schuldners über seine wirtschaftliche Situation und die verbliebenen Handlungsalternativen „erzwungen“ werden ( Riel aaO § 169 IO Rz 36; vgl Lentsch aaO § 169 IO Rz 12).
Der „Zwang zur Vorbereitung“ ergibt sich daraus, dass ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung nur dann eröffnet werden kann, wenn „vor dessen Eröffnung“ alle in § 169 Abs 1 bis 4 IO zusammengefassten Voraussetzungen im Eröffnungsverfahren erfüllt werden (e contrario § 169 Abs 5 S 2 IO). Ist dies nicht der Fall und scheitert auch ein Verbesserungsversuch, kann ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung nicht (mehr) eröffnet werden ( Riel aaO § 169 IO Rz 37).
Die Schuldnerin erfüllte hier die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung im Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz über die Eröffnung des Konkursverfahrens nicht. Selbst mit dem nunmehrigen Rekurs, der innerhalb der von der Schuldnerin geforderten Verbesserungsfrist eingebracht wurde, holte die Schuldnerin das erforderliche Vorbringen bzw die fehlende Urkundenvorlage nicht nach. Eine solche ist jedenfalls auch dem Erstgericht gegenüber nachzuholen, nicht aber bloß dem Insolvenzverwalter gegenüber.
Auch mit dem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag ist für die Schuldnerin nichts gewonnen, weil durch eine Aufhebung des Konkurseröffnungsbeschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung die Wirkungen der Konkurseröffnung (aus Gründen der Rechtssicherheit) so lange aufrecht bleiben, bis nicht eine rechtskräftige Ab oder Zurückweisung des Konkurseröffnungsantrages vorliegt (vgl RS0118048). Der Verfahrensstand „vor dessen Eröffnung“ iSd § 169 Abs 1 IO ist für die Schuldnerin daher auch mit dem gegenständlichen Rekurs und dem darin enthaltenen Aufhebungsantrag – trotz einer zu kurz bemessenen Äußerungs- bzw Vorlagefrist – in diesem Verfahren nicht mehr erreichbar.
7. Scheitert ein Verbesserungsversuch nach § 169 Abs 5 IO ist – auch ohne ausdrücklichen, darauf gerichteten Antrag – idR ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung oder, wenn nicht einmal ein zulässiger Sanierungsplanantrag vorliegt, ein Konkursverfahren zu eröffnen ( Riel aaO § 169 IO Rz 85; Lentsch aaO § 169 IO Rz 10). Der mangelhafte Antrag auf Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung wird also kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung als Antrag auf Eröffnung eines anderen Insolvenzverfahrens, nämlich eines Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung oder eines Konkursverfahrens gedeutet. Hintergrund dieser Regelung ist wohl die Vorstellung, dass im Einheitsverfahren nach der IO das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung ein „plus“ zum Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung und dieses wiederum ein „plus“ zum Konkursverfahren ist. Ein „Eröffnungsantrag“ muss jedenfalls vorliegen ( Riel aaO § 169 IO Rz 85). Aus diesem Grund liegt auch die von der Schuldnerin monierte Nichtigkeit des Eröffnungsbeschlusses nicht vor.
8. Das Erstgericht entschied hier implizit ablehnend über den Antrag auf Eröffnung des Sanierungsverfahrens mit oder ohne Eigenverwaltung, indem es das Konkursverfahren eröffnete und in seiner Begründung darauf verwies, dass eine Verbesserung des Antrags der Schuldnerin nicht erfolgt, weder ein Sanierungsplan noch die von der IO geforderten Unterlagen vorgelegt worden seien. Dies ist insofern unzutreffend, als dem Fristerstreckungsantrag der Schuldnerin tatsächlich ein Sanierungsplan angeschlossen war. Über diesen hat das Erstgericht nicht abgesprochen. Auch aus diesem Umstand ist für die Schuldnerin aber nichts gewonnen, weil dieser Sanierungsplan die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt:
9. Da der Sanierungsplanantrag anzugeben hat, „in welcher Weise die Gläubiger befriedigt oder sichergestellt werden sollen“, weil er eine Parteiprozesshandlung ist und weil bei mehrheitlicher Gläubigerzustimmung „alles klar“ sein muss, muss er einen bestimmten Sanierungsplanvorschlag enthalten. Aus dem Vorschlag muss erkennbar sein, was jeder Gläubiger auf seine Forderung erhalten soll. Mindesterfordernisse sind Angaben über Höhe, Art und Zeit der an die Stelle der konkursmäßigen Verteilung tretenden Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Unbestimmte Vorschläge sind – wenn ein Verbesserungsversuch erfolglos bleibt – zurückzuweisen. Da der Sanierungsplan auch für die Gläubiger wirkt, die am Insolvenzverfahren nicht teilgenommen haben, muss das Angebot unabhängig von den angemeldeten oder anerkannten Konkursforderungen sein ( Riel in Konecny/Schubert , InsG § 140 KO Rz 30; vgl auch Nunner-Krautgasser/Anzenberger in KLS 2 § 140 IO Rz 24 f).
In Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sanierungsplanvorschlag erweist sich dieser schon deshalb als unzulässig, weil die Schuldnerin darin ausschließlich auf die von ihr in der Gläubigerliste angegebenen Forderungen abstellt und das 30%ige Sanierungsplanerfordernis exakt mit diesen von ihr angegebenen Forderungen errechnet (nämlich EUR 4.393,70). Unklar bleibt etwa, wie die von der Schuldnerin als strittig beurteilte Forderung der L* GmbH oder das Förderdarlehen behandelt werden sollen. So wird die Sicherstellung der „strittigen“ Forderung über EUR 14.077,19 der L* GmbH, über die zu 3 C 310/23b beim Bezirksgericht Eisenstadt ein Verfahren bei Insolvenzeröffnung anhängig war, im vorgelegten Sanierungsplan bspw nicht angeboten. Dass bezüglich des Förderdarlehens Bemühungen um eine Ratenvereinbarung gesetzt würden, ist zu unbestimmt. Auf die Sicherungen für das Förderdarlehen (vgl Ansprüche Aus- und Absonderungsgläubiger) geht die Schuldnern ebensowenig ein wie auf die Masseforderungen, die im Rahmen eines zulässigen Sanierungsplans voll zu befriedigen sind.
Den Insolvenzgläubigern muss angeboten werden, die Quote innerhalb von längstens zwei Jahren vom Tag der Annahme des Sanierungsplans zu zahlen ( Nunner-Krautgasser/Anzenberger in KLS 2 § 141 IO Rz 6). Die Schuldnerin gibt im Sanierungsplan an, „in 12 Monaten“ zahlen zu wollen, ohne auszuführen, wann die 12 Monate zu laufen beginnen sollen.
Zusammengefasst hat die Schuldnerin einen Sanierungsplan vorgelegt, der in mehreren Aspekten nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, sodass auch ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung nicht zu eröffnen war.
10. Infolge der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung zu erfolgenden Umdeutung des Antrags auf Eröffnung eines anderen Insolvenzverfahrens (§ 169 Abs 5 IO, vgl Riel aaO § 169 IO Rz 85) war daher die Eröffnung eines Konkursverfahren zu prüfen:
Aufgrund eines Antrages des Schuldners ist gemäß § 69 Abs 1 IO das Insolvenzverfahren „sofort zu eröffnen“ (Grundsatz der Insolvenzeröffnung ohne Insolvenzprüfung). Ein Schuldner hat weder seine Zahlungsunfähigkeit noch in Fällen des § 67 Abs 2 IO die Überschuldung zu bescheinigen; Prüfpflicht besteht nur im Fall von Bedenken ( Dellinger in Konecny/Schubert , InsG § 69 KO Rz 58 ff; Mohr , IO 11 § 69 E 7, 10 je mwN). Der Wortlaut des § 69 Abs 1 Satz 1 IO, nach dem das Gericht das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners „sofort“ zu eröffnen hat, ist aber zu weit gefasst: Dies schon hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichtes, die gemäß § 69 Abs 1 zweiter Satz IO jedenfalls zu prüfen und zu begründen ist. Überdies aber auch deshalb, weil das Gericht auch im Fall des Eigenantrags der Schuldnerin die Antragslegitimation und die Vertretungsbefugnis zu prüfen hat ( Schumacher in KLS 2 § 69 IO Rz 17), weiters die Konkursfähigkeit der antragstellenden Schuldnerin und das Vorhandensein von kostendeckendem Vermögen (§ 71 IO; Dellinger aaO § 69 KO Rz 58 ff; Schumacher aaO § 69 IO Rz 20).
Geht der Antrag nicht von allen antragspflichtigen Personen (organschaftliche Vertreter einer juristischen Person) aus, sind gemäß § 69 Abs 4 IO die anderen vom Insolvenzgericht zu vernehmen. Hiebei handelt es sich um eine zwingende Anhörung, die diesen Personen die Gelegenheit zur Darlegung geben soll, ob bzw warum sie glauben, dass der Insolvenzgrund nicht vorliegt. Ist ein Einverständnis nicht zu erzielen, ist das Insolvenzverfahren nur zu eröffnen, wenn die Zahlungsunfähigkeit bzw Überschuldung glaubhaft gemacht wird ( Schumacher aaO § 69 IO Rz 37). Die Schuldnerin ist zwar von einer Rechtsanwältin vertreten, doch deckt mangels Anführung in § 31 Abs 1 ZPO die Prozessvollmacht die Einbringung des Eigenantrags des Schuldners nicht. Ein Rechtsanwalt benötigt hiefür vielmehr eine eigene, auf das Insolvenzverfahren ausgestellte Vollmacht ( Schumacher aaO § 69 IO Rz 11).
Das Gericht hat, wenn sich – im Hinblick auf die beschränkte Neuerungserlaubnis gemäß § 260 Abs 2 IO allenfalls auch erst im Rekursverfahren – Bedenken gegen das Zutreffen der Insolvenzeröffnungsvoraussetzungen ergeben, auch bei Vorliegen eines Schuldnerantrages gemäß § 254 Abs 5 IO alle für seine Beurteilung erheblichen Tatsachen von Amts wegen zu erheben und festzustellen ( Schumacher aaO § 69 IO Rz 19).
11. Hier war der Antrag auf Eröffnung des Sanierungsverfahrens bloß durch einen Geschäftsführer, C*, eigenhändig unterfertigt. Der zweite Geschäftsführer, D*, ist daher zwingend zum Eröffnungsantrag zu hören. Dieses Erfordernis kann auch der mit ON 2 der Schuldnerin erteilte Verbesserungsauftrag nicht ersetzen, womit das Erstgericht der Schuldnerin die Unterfertigung des Antrags auf Eröffnung eines Sanierungsverfahrens durch beide Geschäftsführer auftrug. Der Verbesserungsauftrag wurde lediglich der Schuldnervertreterin zugestellt, nicht aber D* selbst. Die Anhörung des Geschäftsführers D* kann dadurch nicht ersetzt werden.
Dem Rekurs war daher Folge zu geben und dem Erstgericht die Nachholung der zwingenden Anhörung des D* aufzutragen. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht auch das Vorliegen der weiteren Eröffnungsvoraussetzungen zu prüfen und neuerlich zu entscheiden haben.
12. Da ein Antrag auf Abschluss eines Sanierungsplans bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden kann (§ 140 IO), steht der Schuldnerin die Möglichkeit einer neuerlichen Antragstellung auf den Abschluss eines Sanierungsplans nach wie vor offen.
II. Zum angefochtenen Beschluss ON 2:
1. Soweit sich der Rekurs auch gegen die Abweisung des Verfahrenshilfeantrags Punkt C) in ON 2 richtet, hat ihn das Erstgericht mit Beschluss vom 26.4.2024, ON 9, bereits als verspätet zurückgewiesen.
2. Im Übrigen macht die Schuldnerin wiederum geltend, die Verbesserungsfrist von lediglich zwei Tagen sei viel zu kurz bemessen gewesen, insbesondere angesichts der aufgrund von Erkrankungen eingeschränkten Möglichkeit zur Vornahme von Erledigungen. Dadurch seien die Rechte auf Parteiengehör und ein faires Verfahren verletzt worden.
3. Da der Rekurs in diesem Zusammenhang lediglich die Argumente des Rekurses gegen ON 4 wiederholt, ist die Schuldnerin auf die Entscheidung zu I. zu verweisen.