16R73/24h – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Sonntag als Vorsitzenden und die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Elhenicky und Mag. Janschitz in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geb. am **, **, vertreten durch DR. PÖTZL RECHTSANWALTS GMBH in Linz, wider die beklagte Partei B* , geb. am **, **, wegen Erwirkung von Erklärungen (Streitwert: EUR 125.000,--) und Zahlung von EUR 8.500,-- (Gesamtstreitwert: EUR 133.500,--), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 7.5.2024, 5 Cg 57/24z-2, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos behoben und dem Erstgericht aufgetragen, das gesetzmäßige Verfahren über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund einzuleiten.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erfüllung der von ihm im Abtretungsvertrag vom 3.5.2023 übernommenen Verpflichtungen, die Entlassung des Klägers als Bürge für die Kreditverbindlichkeiten der C* Beteiligungs GmbH bei der D* AG sowie der C* Gaststätten GmbH bei der E* zu bewirken, weiters die Zahlung des Abtretungspreises von EUR 8.500,-- sA. Der Kläger habe mit notariellem Abtretungsvertrag vom 3.5.2023 seinen Geschäftsanteil an der C* Beteiligungs-GmbH (in der Folge: Gesellschaft) an den Beklagten, einen weiteren Gesellschafter, um den binnen 21 Tagen nach Vertragsunterfertigung zur Zahlung fälligen Abtretungspreis von EUR 8.500,-- abgetreten. Der Beklagte habe sich als übernehmender Gesellschafter im Abtretungsvertrag gegenüber dem Kläger dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass längstens binnen 21 Tagen ab Vertragsunterfertigung sowohl die (im Vertrag irrtümlich als ** bezeichnete) E* als auch die D* AG die vollständige Entlassung des Klägers aus den von ihm übernommenen persönlichen Haftungen als Bürge für Kredite der Gesellschaft bzw. ihres Tochterunternehmens C* Gaststätten GmbH bestätige. Die Abtretung des Geschäftsanteils vom Kläger an den Beklagten sei unter der aufschiebenden Bedingung des Einlangens dieser Bestätigungen beim Kläger und beim Beklagten gestanden. Der Beklagte sei seinen bis 24.5.2023 zu erfüllenden vertraglichen Verpflichtungen bisher nicht nachgekommen.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Klage zurück. Begründend führte es aus, dass der Beklagte nach den Angaben in der Klage, von denen das Gericht bei Prüfung seiner Zuständigkeit auszugehen habe, ein im Firmenbuch eingetragener Unternehmer sei. Offenbar sei das der Klage zugrunde liegende Geschäft für den Beklagten daher ein unternehmensbezogenes Geschäft (§ 344 Abs 1 UGB). Zumindest sei nichts vorgebracht, was diese Vermutung widerlegen würde. Damit falle die Streitsache in die Handelsgerichtsbarkeit (§§ 51 Abs 1 Z 1, 52 Abs 1 JN, § 51 Abs 1 Z 6 JN). Die Klage sei daher wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückzuweisen.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. In eventu wird gemäß § 230a ZPO ein Überweisungsantrag an das Handelsgericht Wien gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt .
1. Im Rahmen der Tatsachenrüge beanstandet der Kläger, das Erstgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, er habe sich darauf gestützt, beim Beklagten handle es sich um einen im Firmenbuch eingetragenen Unternehmer. Ein derartiges Vorbringen enthalte die Klage nicht. Es sei lediglich im Rubrum der Klage als Beruf des Beklagten „Unternehmer“ angeführt.
Der Kläger macht damit keine unrichtige Beweiswürdigung geltend, sondern wendet sich gegen die Richtigkeit der Auslegung seines Tatsachenvorbringens durch das Erstgericht. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist jedoch eine Rechtsfrage (vgl RS0042828), sodass sofort auf die Behandlung der Rechtsrüge übergegangen werden kann.
2. Der Kläger argumentiert in der Rechtsrüge , er habe mit der Klage Ansprüche gegen den Beklagten auf Erfüllung des Abtretungsvertrags über den abgetretenen GmbH-Geschäftsanteil geltend gemacht. Derartige Streitigkeiten fielen nicht in den Katalog der in § 51 JN angeführten Streitigkeiten; insbesondere liege keine Streitigkeit aus dem Gesellschaftsverhältnis im Sinn des § 51 Abs 1 Z 6 JN oder eine sonstige Streitigkeit nach dem GmbHG gemäß § 51 Abs 1 Z 7 JN vor. Dass im Rubrum der Klage der Beruf des Beklagten mit „Unternehmer“ angegeben worden sei, rechtfertige nicht die Annahme, dass der Beklagte im Firmenbuch eingetragener Unternehmer im Sinn des UGB sei.
3. Gemäß § 41 Abs 1 JN hat das Gericht, sobald eine Rechtssache der streitigen Gerichtsbarkeit anhängig wird, also zum Zeitpunkt der Klagseinbringung, seine Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen. Die Prüfung hat zunächst auf Grund der Angaben des Klägers zu erfolgen, sofern diese nicht dem Gericht bereits als unrichtig bekannt sind (§ 41 Abs 2 JN). Daraus folgt, dass die Klagsangaben grundsätzlich ungeprüft für wahr zu halten und der Zuständigkeitsprüfung zugrundezulegen sind ( Scheuer in Fasching/Konecny 3 § 41 JN Rz 5; RS0046236). Wird ein anderer als der allgemeine Gerichtsstand in Anspruch genommen, so hat der Kläger schon in der Klage ausdrücklich und konkret jene Tatsachen zu behaupten, die den besonderen Gerichtsstand begründen (RS0046236 [T4]).
4. Das Erstgericht hat die Zurückweisung der Klage damit begründet, dass die Streitigkeit sowohl nach § 51 Abs 1 Z 1 JN als auch nach § 51 Abs Z 6 JN in die handelsgerichtliche Zuständigkeit falle. Die Überprüfung durch das Rekursgericht kann sich daher auf diese Zuständigkeitstatbestände beschränken.
4.1 Gemäß § 51 Abs 1 Z 1 JN gehören vor die selbstständigen Handelsgerichte, falls der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von EUR 15.000,-- übersteigt, Streitigkeiten aus unternehmensbezogenen Geschäften, wenn die Klage gegen einen im Firmenbuch eingetragenen Unternehmer gerichtet ist und das Geschäft auf Seiten des Beklagten ein unternehmensbezogenes Geschäft ist. Nach den Klagsangaben handelt es sich beim Beklagten zwar um einen Unternehmer; dass der Beklagte aber ein im Firmenbuch eingetragener Unternehmer sei, lässt sich dem Vorbringen des Klägers – wie dieser zu Recht geltend macht - entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht einmal ansatzweise entnehmen. Dieser Umstand ist auch nicht gerichtsnotorisch iSd § 269 ZPO, wobei nur am Rande angemerkt sei, dass der Beklagte im offenen Firmenbuch tatsächlich nicht als eingetragener Unternehmer aufscheint. Demnach bietet § 51 Abs 1 Z 1 JN aber keinen Anknüpfungspunkt für eine kausalgerichtliche Zuständigkeit.
4.2 Zur Kausalgerichtsbarkeit in Handelssachen gehören gemäß der vom Erstgericht ausdrücklich angeführten Bestimmung des § 51 Abs 1 Z 6 JN Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Handelsgesellschaft oder zwischen dieser und ihren Mitgliedern, zwischen den Mitgliedern der Verwaltung und den Liquidatoren der Gesellschaft und der Gesellschaft oder deren Mitgliedern, zwischen dem stillen Gesellschafter und dem Inhaber des Unternehmens, zwischen den Teilnehmern einer Vereinigung zu einzelnen unternehmensbezogenen Geschäften für gemeinschaftliche Rechnung sowie Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen aller dieser Personen zu Dritten, denen sie sich in dieser Eigenschaft verantwortlich gemacht haben, und zwar in allen diesen Fällen sowohl während des Bestandes als auch nach der Auflösung des gesellschaftlichen Verhältnisses, sofern es sich nicht um eine Arbeitsrechtssache handelt.
§ 51 Abs 1 Z 6 JN geht auf die Zivilverfahrens-Novelle (ZVN) 1983, BGBl 1983/135, zurück. Mit diesem Zuständigkeitstatbestand sollte die handelsgerichtliche Zuständigkeit auf Rechtsstreitigkeiten aus Rechtsverhältnissen zwischen Organen und Mitgliedern von Handelsgesellschaften zu Dritten, denen sie sich in dieser Eigenschaft verantwortlich gemacht haben, ausgedehnt werden. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien (1337 BlgNR 15. GP 4) ergibt, sollte damit die Möglichkeit geschaffen werden, derartige Organe oder Gesellschafter, die sich im Rahmen ihrer gesellschaftsbezogenen Tätigkeit Dritten gegenüber verantwortlich gemacht haben, wegen deliktischer Schädigung der Handelsgerichtsbarkeit zu unterstellen. Damit sollte - soferne es sich nicht um Arbeitsrechtssachen handelt - offenbar eine gewisse Konzentration solcher Streitigkeiten vor den Kausalgerichten herbeigeführt werden (6 Ob 202/11s; Mayr in Rechberger/Klicka 5 , § 51 JN Rz 9). Die Rechtsprechung stellt zur Auslegung des Zuständigkeitstatbestands des § 51 Abs 1 Z 6 JN maßgeblich auf die deliktische Haftung der genannten Personen ab, nicht darunter fallen rein vertragliche Ansprüche aus ihren persönlich eingegangenen Verpflichtungen (8 Ob 102/23t mwN; RS0046405), ebenso nicht eine Klage auf Aufhebung und Rückabwicklung eines Vertrags über die entgeltliche Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH (2 Ob 601/90, Simotta in Fasching/Konecny 3 § 51 JN Rz 3, Mayr aaO Rz 10).
4.3 Demnach fallen aber auch die hier vom Kläger gegen den Beklagten erhobenen Ansprüche auf Erfüllung des Vertrags über die entgeltliche Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH nicht unter den Zuständigkeitstatbestand des § 51 Abs 1 Z 6 JN. Das Klagebegehren lässt sich schon deshalb nicht unter diesen Tatbestand subsumieren, weil der Kläger den Beklagten, der bereits Anteile an der Gesellschaft hält, nicht aufgrund des bereits aufrechten Gesellschafterverhältnisses in Anspruch nimmt, sondern seine vertraglichen Ansprüche als abtretender Gesellschafter gegen den Beklagten als übernehmenden Gesellschafter und damit als Dritten durchsetzen will (so auch 12 R 14/04y und 2 R 226/08g). Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten als übernehmenden wegen deliktischer Schädigung sind hingegen nicht Gegenstand der Klage. So wie eine Klage auf Aufhebung und Rückabwicklung eines Vertrags über die entgeltliche Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH unterliegt demnach auch die Klage auf Erfüllung eines Vertrags über die entgeltliche Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH, unabhängig davon, ob der übernehmende Gesellschafter bereits Geschäftsanteile an der Gesellschaft hält oder nicht, mangels Anwendbarkeit des § 51 Abs 1 Z 6 JN nicht der Handels-, sondern der allgemeinen Gerichtsbarkeit.
Ergänzend sei angemerkt, dass auch § 51 Abs 1 Z 7 JN nicht zur Anwendung gelangt, weil der klägerische Anspruch seine Grundlage nicht im GmbHG, sondern in Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Erfüllung von Vermögen hat (vgl hg 16 R 228/12h).
5. Der angefochtene Beschluss war daher in Stattgebung des Rekurses ersatzlos zu beheben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO. Ein Rechtsmittel gegen den Beschluss, mit dem das Rekursgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über eine vom Erstgericht vor Streitanhängigkeit zurückgewiesene Klage aufträgt, steht dem Beklagten nach ständiger Rechtsprechung nicht zu (RS0039200 [T1]). Da der Kläger durch die Aufhebung der Zurückweisung nicht beschwert ist, ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ( Kodek in Rechberger/Klicka 5 § 527 ZPO Rz 3).