14R35/24f – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungs und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Curd Steinhauer als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Margit Schaller und Dr. in Kristina Heissenberger in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, Deutschland, vertreten durch den dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt Dr. Peter Taller, Rechtsanwalt in Nürnberg und Budapest, im Einvernehmen mit MMag. Dr. Thomas Lechner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei B* , **, vertreten durch den Bürgermeister C*, dieser vertreten durch die hba Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 0,27 s.A., über den Rekurs und die Berufung der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 26.1.2024, 3 Cg 70/23w 7, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der Rekurs wird als unzulässig zurückgewiesen .
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
2. Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 149,95 (darin EUR 24,99 USt) bestimmten Kosten der Rekurs und Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.
Text
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
und
Begründung:
I. Sachverhalt:
Die klagende Partei ist eine Partnerschaft von Rechtsanwälten nach deutschem Recht mit Sitz in Deutschland. Ihr Tätigkeitsbereich erstreckt sich auch auf Österreich und Ungarn.
Die beklagte Gemeinde ist unmittelbar an der Staatsgrenze zwischen Österreich und Ungarn gelegen. Innerhalb des Gemeindegebietes führt die **straße vom Ortszentrum, vorbei an der Kirche, dem Kindergarten und einem Tagespflegezentrum für Senioren, zur Grenzübergangsstelle D*. In den letzten Jahren wurde dieser Grenzübergang zunehmend als Ausweichmöglichkeit bei Verkehrsbehinderungen an der nahe gelegenen Grenzübergangsstelle E* genützt, was zu vermehrtem Durchzugsverkehr in der **straße und zu zwei schweren Verkehrsunfällen geführt hat.
Aus diesem Grund verordnete der Gemeinderat der beklagten Gemeinde am 21.4.2023 eine Fußgängerzone für die letzten 200 m der **straße, unmittelbar vor der Grenzübergangsstelle. Diese Verordnung ist bisher noch nicht in Kraft getreten. Im Hinblick auf die geplante Fußgängerzone wurde mit der Errichtung einer Polleranlage kurz vor der Grenzübergangsstelle begonnen, mit der die aus Richtung Ungarn kommenden Fahrzeuge am unbefugten Befahren der Fußgängerzone gehindert werden sollen. Aus Anlass der Bauarbeiten verordnete die Gemeinde ab 1.3.2023 bis auf Widerruf ein Fahrverbot in der **straße.
Die Bauarbeiten waren Ende Juni 2023 im Wesentlichen abgeschlossen, es fehlte nur noch die Einstellung der elektronischen Steuerung der Polleranlage. Anfang Juli 2023 wurde jedoch die Steuerungsanlage durch Unbekannte zerstört, sodass die Gemeinde gezwungen war, eine Reparatur in Auftrag zu geben. Während der Reparaturarbeiten blieben die Poller ausgefahren und das Fahrverbot aufrecht.
Am 17.7.2023 wollten der Klagevertreter und ein weiterer Mitarbeiter der klagenden Partei auf der Rückfahrt von einem geschäftlichen Termin in Österreich nach D* fahren. Der kürzeste Weg hätte sie durch das Gemeindegebiet der Beklagten über die **straße zur Grenzübergangsstelle D* geführt. Wegen des Fahrverbotes und der ausgefahrenen Poller mussten sie über die Grenzübergangsstelle E* ausweichen, wodurch ihnen Mehrkosten an Treibstoff in Höhe von EUR 0,27 entstanden.
II. Parteienvorbringen:
1. Die klagende Partei fordert den Ersatz dieses Bagatellbetrages aus dem Rechtsgrund der unionsrechtlichen Staatshaftung. Die beklagte Gemeinde habe durch die Sperre der Grenzübergangsstelle gegen Art 24 der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (im Folgenden kurz: Schengener Grenzkodex) verstoßen. Dieser Bestimmung komme Individualschutzcharakter zu; der Verstoß sei hinreichend qualifiziert, zumal der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bereits festgestellt habe, dass „die Grenzkontrollen von Österreich unionsrechtswidrig durchgeführt werden“, was erst recht für faktische Grenzsperren gelte. Es werde die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH beantragt und angeregt, einen Antrag auf Normenkontrolle betreffend die Verordnung der Fußgängerzone zu stellen.
2. Die beklagte Partei bestreitet das Klagebegehren und beantragt die Abweisung der Klage. Die Artikel 22 ff Schengener Grenzkodex normierten im Wesentlichen das Ausbleiben von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen; im vorliegenden Fall liege keine Grenzkontrolle, sondern eine Straßensperre infolge von Bauarbeiten vor. Dadurch seien weder der Schengener Grenzkodex noch andere Normen des Unionsrechts verletzt worden. Die in der Klage zitierten Entscheidungen des EuGH seien nicht einschlägig, weil ihnen eine Grenzkontrolle mittels Reisepasses oder Personalausweises durch österreichische Grenzkontrollorgane zugrunde gelegen sei. Der geltend gemachte Schaden falle nicht in den Schutzzweck des Schengener Grenzkodex, habe dieser doch nicht zum Ziel, Personen einen möglichst kurzen Verkehrsweg zu gewährleisten.
III. Angefochtene Entscheidung und Rechtsmittel:
Das Landesgericht Eisenstadt hat in einer gemeinsamen Ausfertigung
1. mit Beschluss den Antrag der klagenden Partei auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens sowie das von ihr nach Schluss der Verhandlung erstattete ergänzende Vorbringen zurückgewiesen sowie
2. das Klagebegehren abgewiesen und die klagende Partei zum Kostenersatz verpflichtet.
Es hat den auf den Seiten 3 bis 5 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Sachverhalt festgestellt, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Rechtlich führte es aus, die Staatshaftung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei Verletzung des Gemeinschaftsrechts trete ein, wenn die Norm, gegen die verstoßen wurde, bezwecke, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, wenn der Verstoß hinreichend qualifiziert sei und wenn zwischen dem entstandenen Schaden und dem Verstoß ein Kausalzusammenhang bestehe. Ob Art 24 Schengener Grenzkodex, auf dessen Verletzung die klagende Partei ihre Ansprüche stütze, bezwecke, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, könne dahingestellt bleiben, weil ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen diese Norm zu verneinen sei.
Die genannte Bestimmung sehe vor, dass die Mitgliedstaaten alle Hindernisse für den flüssigen Verkehr an den Straßenübergängen der Binnengrenzen, insbesondere Geschwindigkeitsbeschränkungen, die nicht ausschließlich auf Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit beruhen, beseitigen. Anlage H LNr 60 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres, BGBl II Nr. 502/2013 idF BGBl II Nr. 237/2022, mit der sonstige Grenzübergangsstellen gemäß § 3 Abs 2 GrenzkontrollG festgelegt werden, sehe für die Grenzübergangsstelle D* Verkehrszeiten für Fußgänger, Radfahrer, Motorräder, Reiter mit Pferden, land und forstwirtschaftlichen Verkehr und Kraftfahrzeuge bis 3,5 t höchstzulässigem Gesamtgewicht vor. Von Montag bis Freitag an Werktagen in der Zeit von 5.00 Uhr bis 8.00 Uhr und von 16.00 Uhr bis 19.00 Uhr sei der Verkehr auf Fußgänger, Radfahrer, Reiter mit Pferden sowie land und forstwirtschaftlichen Verkehr beschränkt. Die Unionsrechtskonformität dieser Bestimmung werde von der klagenden Partei nicht in Frage gestellt. Die Errichtung von elektronisch steuerbaren Pollern durch die beklagte Gemeinde sei daher schon deshalb nicht rechtswidrig, weil dadurch die Einhaltung der in der genannten Verordnung der Bundesministerin für Inneres vorgesehenen Verkehrsbeschränkungen für Kraftfahrzeuge sichergestellt werden könne. Art 24 des Schengener Grenzkodex könne ohne dass in dieser Frage die Anrufung des EuGH erforderlich wäre nicht dahingehend verstanden werden, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt wäre, Straßen, die zu Grenzübergangsstellen führen, vorübergehend für legitime bauliche Maßnahmen für den Verkehr zu sperren.
Die Beklagte habe die durch die Baustelle bedingte Sperre auch nicht missbräuchlich lange aufrecht erhalten: Die Steuerungsanlage sei Anfang Juli 2023 beschädigt worden; dass der Schaden nicht schon bis zum 17.7.2023 beseitigt war, sei nicht zu beanstanden. Dass für die Dauer der Reparaturarbeiten die Poller nicht eingefahren wurden, sei sachlich gerechtfertigt, da die Poller nicht vollständig versenkt und nicht beleuchtet werden könnten.
Aber auch wenn man auf den von der Beklagten verfolgten Zweck der Baustelle, nämlich der Absicherung der von ihr verordneten Fußgängerzone, abstelle, ergebe sich keine Rechtswidrigkeit. Art 24 Schengener Grenzkodex enthalte keine Verpflichtung eines Mitgliedstaates, einen Straßenübergang für Kraftfahrzeuge unter allen Umständen aufrecht zu erhalten; der Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit werde sogar ausdrücklich erwähnt. Der von der beklagten Gemeinde beabsichtigten Einrichtung einer Fußgängerzone unter Gewährung von Ausnahmebewilligungen stehe Art 24 Schengener Grenzkodex daher nicht entgegen. Wenn somit die beabsichtigte Einrichtung einer Fußgängerzone nicht hinreichend qualifiziert rechtswidrig sei, sei es auch die Verordnung eines Fahrverbotes während der für ihre Etablierung erforderlichen Bauarbeiten nicht. Jedenfalls liege keine gegenteilige Rechtsprechung des EuGH in dieser Frage vor; die von der klagenden Partei genannte Entscheidung in den Rechtssachen C-368/20 und C-369/20 habe die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an einer Binnengrenze und deren mangelnde Vereinbarkeit mit Art 25 und 27 Schengener Grenzkodex betroffen; dieser Fall sei mit dem hier zu beurteilenden nicht vergleichbar.
Gegen diese Entscheidung richten sich der Rekurs und die Berufung der klagenden Partei jeweils wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, die angeregte Vorabentscheidung durch den EuGH einzuleiten, die „ergänzenden Vorträge“ der klagenden Partei zu berücksichtigen sowie das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise es aufzuheben und das Verfahren zur Ergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die beklagte Gemeinde beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben, und der Berufung keine Folge zu geben, hilfsweise sie zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
IV. Rekursentscheidung:
Übersteigt der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert nicht den Betrag von EUR 2.700, , so kann nur gegen die in § 517 Abs 1 Z 1 bis 6 ZPO aufgezählten Beschlüsse erster Instanz Rekurs ergriffen werden.
Weder die Zurückweisung eines (schon grundsätzlich unzulässigen) Antrags auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH, noch die Zurückweisung eines nach Schluss der mündlichen Verhandlung erstatteten (und somit gemäß § 179 erster Satz ZPO unzulässigen) Vorbringens sind in § 517 ZPO aufgezählt. Der Rekurs gegen diese (im Übrigen inhaltlich völlig korrekten) Entscheidungen des Erstgerichtes ist daher unzulässig und muss folglich zurückgewiesen werden.
V. Berufungsentscheidung:
1. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH wohnt dem System der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, der Grundsatz der Haftung des Staates für Schäden inne, die dem Einzelnen durch den Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen. Dieser Grundsatz der „Staatshaftung“ gilt für jeden Fall eines Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen das Unionsrecht, unabhängig davon, welche staatliche Stelle diesen Verstoß begangen hat (vgl. die Urteile des EuGH in den Rechtssachen Francovich u.a., C-6/90 und C-9/90, Brasserie du Pêcheur und Factortame, C-46/93 und C-48/93, u.v.a.).
2. Bei im Rahmen der Hoheitsverwaltung begangenen Verstößen einer österreichischen Verwaltungsbehörde gegen das Unionsrecht deckt sich dieser Grundsatz sehr weitgehend mit der in Art 23 B VG verankerten und im Amtshaftungsgesetz (AHG) ausgestalteten Amtshaftung nach österreichischem Recht. Daher judiziert der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass über Staatshaftungsansprüche im ordentlichen Rechtsweg nach den Bestimmungen des AHG zu erkennen ist, wenn der behauptete Schaden aus einem verwaltungsbehördlichen Handeln abgeleitet wird (VfGH A23/00, KI 8/07, A9/08 u.v.a.).
3. In einem auf die Verletzung von Unionsrecht gestützten Amtshaftungsverfahren sind – wie schon das Erstgericht richtig erkannt hat - jene drei Voraussetzungen zu prüfen, die der EuGH für das Bestehen eines Staatshaftungsanspruches aufgestellt hat: Erstens muss ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm des Unionsrechts vorliegen; zweitens muss die Norm, gegen die verstoßen wurde, bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen; und drittens muss zwischen dem entstandenen Schaden und dem vom Mitgliedstaat zu vertretenden Verstoß ein Kausalzusammenhang bestehen (Urteil des EuGH vom 5.3.1996, Brasserie du Pêcheur und Factortame, C-46/93 und C-48/93, u.v.a.; RIS Justiz RS0113922).
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, was festzustellen Sache des Amtshaftungsgerichtes ist, so sind die Folgen des verursachten Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben. Dabei dürfen die im nationalen Schadenersatzrecht festgelegten Voraussetzungen weder weniger günstig sein als bei ähnlichen Rechtsbehelfen, die nur nationales Recht betreffen, noch so ausgestaltet sein, dass sie die Erlangung der Entschädigung praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH vom 19.11.1991, Francovich u.a., C-6/90 und C-9/90, u.v.a.; RIS-Justiz RS0113922 [T3], [T6]).
4. Die klagende Partei hat ihren Staatshaftungsanspruch darauf gestützt, dass die von der beklagten Gemeinde verordnete Sperre der **straße für den Kraftfahrzeugverkehr gegen Art 24 des Schengener Grenzkodex verstoßen habe. Diese Ansicht kann vom Berufungsgericht nicht geteilt werden:
Regelungsgegenstand des Schengener Grenzkodex sind nach dessen Art 1 ausschließlich die Grenzkontrollen an den Außen und Binnengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Unter Grenzkontrollen versteht der Kodex nach der Legaldefinition seines Art 2 Z 10 „ die an einer Grenze nach Maßgabe und für die Zwecke dieser Verordnung unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund des beabsichtigten oder bereits erfolgten Grenzübertritts durchgeführten Maßnahmen “, bestehend aus Grenzübertrittskontrollen und Grenzüberwachung. Grenzübertrittskontrollen sind gemäß Art 2 Z 11 des Kodex „ die Kontrollen, die an den Grenzübergangsstellen erfolgen, um festzustellen, ob die betreffenden Personen mit ihrem Fortbewegungsmittel und den von ihnen mitgeführten Sachen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten einreisen oder aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten ausreisen dürfen “. Grenzüberwachung ist gemäß Art 2 Z 12 des Kodex „ die Überwachung der Grenzen zwischen den Grenzübergangsstellen und die Überwachung der Grenzübergangsstellen außerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden, um zu vermeiden, dass Personen die Grenzübertrittskontrollen umgehen “.
Schon aus diesen klaren und unmissverständlichen Begriffsbestimmungen geht hervor, dass es sich bei den von der beklagten Gemeinde ergriffenen Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung der **straße um keine Grenzkontrollen im Sinne des Schengener Grenzkodex handelt. Ein Fahrverbot wegen einer Baustelle - sei diese auch im grenznahen Bereich gelegen - bewirkt weder, dass Personen im Hinblick auf ihre Ein- oder Ausreise kontrolliert werden, noch dass die Grenze überwacht wird. Derartiges hat die klagende Partei auch gar nicht behauptet. Somit kann schon der Anwendungsbereich des Schengener Grenzkodex nicht berührt sein. Die zur Begründung eines hinreichend qualifizierten Verstoßes herangezogenen Entscheidungen des EuGH, die sich mit der vorübergehenden Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen im Sinne des Titels III Kapitel II des Schengener Grenzkodex befassen, sind folglich nicht einschlägig.
Mangels grundsätzlicher Anwendbarkeit des Schengener Grenzkodex auf den vorliegenden Fall kann auch dessen Art 24 nicht einschlägig sein, der im Rahmen des Titels III („Binnengrenzen“) im Kapitel I („Ausbleiben der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen“) die Mitgliedstaaten anweist, alle Hindernisse für den flüssigen Verkehr an den Straßenübergängen der Binnengrenzen, insbesondere Geschwindigkeitsbeschränkungen, die nicht ausschließlich auf Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit beruhen, zu beseitigen. Diese Bestimmung steht eindeutig im Kontext der Abschaffung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen und soll die Mitgliedstaaten dazu veranlassen, Verkehrshindernisse und beschränkungen, die sie im Zusammenhang mit der Durchführung von Grenzkontrollen eingerichtet haben - wie etwa die ausdrücklich erwähnten Geschwindigkeitsbeschränkungen, aber auch Schlagbäume, Fahrbahnteiler und ähnliches -, zu beseitigen. Es ist offenkundig, dass diese Bestimmung keine Verkehrsbeschränkungen aus anderen Gründen, wie etwa das hier in Rede stehende Fahrverbot wegen der Baustelle zur Errichtung einer Fußgängerzone, erfasst, fallen doch derartige Angelegenheiten nicht einmal in die Regelungskompetenz der Europäischen Union. Da die richtige Auslegung des Gemeinschaftsrechts hier derart offenkundig ist, erübrigt sich schon im Sinne der "acte clair"-Theorie eine Anrufung des EuGH (RIS-Justiz RS0082949 [T3]).
Von einem – noch dazu hinreichend qualifizierten - Verstoß gegen Art 24 Schengener Grenzkodex kann daher im vorliegenden Zusammenhang keine Rede sein, sodass das Vorliegen der übrigen Kriterien für einen Staatshaftungsanspruch nicht weiter zu prüfen ist.
5. Somit war die vorliegende Klagsführung die sich angesichts der minimalen Höhe des eingeklagten Schadens ohnehin hart an der Grenze zur Mutwilligkeit bzw. schikanösen Rechtsausübung bewegt schon im Ansatz völlig verfehlt. Offenbar hat dies die klagende Partei zuletzt selbst erkannt, da sie in der Berufung ihren Anspruch erstmals auch auf einen Verstoß gegen § 43 Abs 1a iVm §§ 90, 94d Z 16 StVO stützen will.
Soweit sie in diesem Zusammenhang behauptet, die beklagte Gemeinde sei für die Erlassung „der Verordnung“ (wobei offen bleibt, welche Verordnung konkret gemeint ist) nicht zuständig gewesen, weil die Sperre der **straße für Autofahrer über das Gemeindegebiet hinauswirke, und die Sperre sei unverhältnismäßig, weil der beklagten Gemeinde den Verkehr weniger beeinträchtigende Maßnahmen zur Verfügung gestanden wären, liegt neues Tatsachenvorbringen und damit ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot vor. Auf diese neuen Klagegründe ist daher nicht einzugehen.
Ein sekundärer Verfahrensmangel kann insoweit nicht vorliegen, da die klagende Partei in erster Instanz kein entsprechendes Tatsachenvorbringen erstattet hat. Auch die Berufung nennt keine konkreten Tatsachen, die das Erstgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung festzustellen unterlassen habe, sondern unterstellt offenbar eine amtswegige Prüfpflicht des Erstgerichts, womit sie die Grundsätze des österreichischen Zivilprozessrechts grundlegend verkennt.
Im Übrigen besteht der Schutzzweck der zitierten Vorschriften der StVO nicht darin, einzelne Autofahrer davor zu bewahren, durch einen minimalen Umweg verursachte Mehrkosten tragen zu müssen. Schutzzwecke sind vielmehr die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs im Allgemeinen (§§ 43 Abs 1a, 90 Abs 1 und 3 StVO) und die Sicherheit der mit den Arbeiten beschäftigten Personen (§ 43 Abs 1a StVO), sowie die verfassungsrechtliche Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (§ 94d Z 16 StVO). Ein auf das neue Vorbringen gestützter Amtshaftungsanspruch müsste daher auch am fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhang scheitern.
6. Der unberechtigten Berufung ist daher ein Erfolg zu versagen. Gemäß §§ 50, 41 ZPO hat die klagende Partei der beklagten Gemeinde auch die Kosten der Rekurs und Berufungsbeantwortung zu ersetzen. Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig.