6R137/24x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Nigl, LL.M., und den Richter Mag. Jelinek im Konkurs über das Vermögen des A* (oder B* ) , geboren am **, **, wohnhaft in **, Masseverwalterin Dr. C*, Rechtsanwältin in Wien, über den Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 18.3.2024, 28 S 48/24y-1, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung
Am 23.11.2023 beantragte die Österreichische Gesundheitskasse ( Antragstellerin ) zu 28 Se 454/23b des Handelsgerichtes Wien die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des B * ( Schuldner ), geboren am **. Dieser schulde ihr laut vollstreckbarem Rückstandsausweis vom selben Tag offene und fällige Sozialversicherungs(rest)beiträge von EUR 7.359,79 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen für den Zeitraum 03/2023 bis 10/2023. Die Zahlungsunfähigkeit werde mit dem Zeitraum der rückständigen Beiträge unter Bedachtnahme auf § 69 Abs 2 IO glaubhaft gemacht. Die Beitragsschuld hafte trotz mehrmaliger Mahnung und trotz Exekutionsmaßnahmen weiterhin zur Gänze aus. Der Tätigkeitsbereich des Schuldners laute auf „ Herstellung von Schwarz- und Weißbackwaren “.
Nach dem Auskunftsverfahren ist der Schuldner seit 1.8.2023 als gewerblich selbständig Erwerbstätiger gemeldet. Die Firmenbuchabfrage ergab die mit Beschluss vom 28.6.2022 gelöschte Funktion des Schuldners als Geschäftsführer und Gesellschafter der D* GmbH, FN **, mit Sitz in **. Das mit Beschluss vom 2.9.2022 (14 S 110/22z) durch das Landesgericht St. Pölten eröffnete Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung über das Vermögen dieser Gesellschaft wurde nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans mit Beschluss vom 5.1.2023 aufgehoben.
Abfragen im Grundbuch, Registerabfragen wegen offenkundiger Zahlungsunfähigkeit und im Pfändungsregister verliefen ohne Ergebnis. Die Abfrage in der Liste der Vermögensverzeichnisse brachte ein Ergebnis zu 3 E 1154/22g des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 26.4.2023. Daraus ergibt sich, dass der Schuldner für vier Kinder unterhaltspflichtig ist, monatlich EUR 1.200,- privat entnimmt und im Übrigen über keine weiteren Vermögenswerte verfügt. Er habe Hauptmietrechte an der Privatwohnung in ** (Miete 1.100,-). Das Lokal in der I*straße ** pachte er um EUR 2.800,-.
Die Abfrage im GISA Gewerbeinformationssystem Austria ergab eine aufrechte Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „ Bäcker (Handwerk) “ (seit 11.3.2023) sowie das „ Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nicht alkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hierbei nicht mehr als 8 Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden “ (seit 22.6.2023). Die gewerbeberechtigte Person ist jeweils der Schuldner. Der gewerberechtliche Geschäftsführer hinsichtlich der Gewerbeberechtigung Bäcker ist E*.
Das Finanzamt Österreich teilte dem Erstgericht am 29.11.2023 einen ungeregelten, nicht exekutiv betriebenen Rückstand von EUR 1.904,18 mit. Die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) gab am 1.12.2023 einen exekutiv betriebenen, ungeregelten Zahlungsrückstand von EUR 8.754,35 bekannt. Die Antragstellerin teilte dem Erstgericht am 11.1.2024 mit, dass das Insolvenzpunktum vom Schuldner bezahlt worden sei (vgl aber die Ratenbewilligung der Antragstellerin vom 26.2.2024, worin von einem Rückstand für 05/2023 bis 11/2023 und 01/2024 die Rede ist).
Das Erstgericht erhob am 19.1.2024 im Exekutionsregister in der Schreibweise B * drei beim Bezirksgericht St. Pölten anhängige Exekutionsverfahren gegen den Schuldner, und zwar der F* GmbH (3 E 1154/22g), der G*-AG (G * , 3 E 3890/22k) und der SVS (3 E 4134/22t).
In der Einvernahmetagsatzung am 23.1.2024 gab die Antragstellerin bekannt, ein Kostenvorschuss werde nicht erlegt. Der Schuldner gab den Bestand der Forderung als richtig zu, bestritt aber das Vorliegen der Insolvenzvoraussetzungen mit der Begründung, dass eine vorübergehende Zahlungsstockung vorliege. Das Erstgericht räumte dem Schuldner die Möglichkeit ein, bis zum 9.2.2024 die Regelung der Forderungen der SVS, des Finanzamts Österreich und von G* nachzuweisen.
In der Folge korrespondierte das Erstgericht per e-Mail bis 18.3.2024 mit dem Schuldner bezüglich der Regelung seiner Verbindlichkeiten. Am 26.1.2024 übermittelte der Schuldner einen Zahlungsnachweis über EUR 105,52 an Tramposch Partner Rechtsanwälte in Sachen G*, wonach diese Forderung bezahlt und Anträge auf Abschluss einer Ratenvereinbarung mit der SVS und dem Finanzamt Österreich in Bearbeitung seien.
Am 19.2.2024 gab die SVS dem Erstgericht neuerlich bekannt, dass ein exekutiv betriebener ungeregelter Zahlungsrückstand von EUR 8.254,17 des Schuldners bestehe. Auch das Finanzamt Österreich teilte am 26.2.2024 mit, dass über einen Rückstand von EUR 3.439,41 Exekution geführt werde und keine Zahlungserleichterung bestehe.
Am 29.2.2024 übermittelte der Schuldner dem Erstgericht neuerlich die Ratenansuchen an die SVS sowie an das Finanzamt Österreich. Weiters legte er eine Ratenbewilligung der Antragstellerin vom 26.2.2024 über eine offene Forderung für Mai bis November 2023 und Jänner 2024 vor, wonach der Rückstand in zehn Monatsraten zu EUR 186,01, die erste Rate fällig am 15.3.2024, zu zahlen sei. Die fristgerechte Bezahlung der laufenden Beiträge ab dem Beitragszeitraum Februar 2024 sei Bestandteil dieser Ratenbewilligung. Ein Überweisungsauftrag vom 28.2.2024 an die Antragstellerin über EUR 186,01 war angeschlossen.
Das Finanzamt Österreich teilte am 4.3.2024 über Nachfrage des Erstgerichtes mit, dass die Ansuchen des Schuldners um Zahlungserleichterung vom 11.1.2024 und 19.2.2024 abgewiesen worden seien. Die SVS gab am 6.3.2024 bekannt, dass dem Ratenansuchen des Schuldners vom 25.2.2024 nicht stattgegeben werden habe können. Sobald eine Anzahlung von 50% auf das Beitragskonto geleistet werde, könne der Schuldner ein neues Ratenansuchen stellen.
Daraufhin informierte das Erstgericht den Schuldner per e-Mail, dass sowohl das Finanzamt Österreich als auch die SVS mitgeteilt hätten, dass die Ratenansuchen abgewiesen worden seien. Es räumte dem Schuldner eine Frist bis 15.3.2024 zum Nachweis ein, dass die Forderungen des Finanzamts Österreich und der SVS vollständig bezahlt oder durch aufrechte Ratenvereinbarung geregelt seien. Für den Fall, dass diese Nachweise nicht vorgelegt würden, müsse das Konkursverfahren eröffnet werden.
Am 15.3.2024 übermittelte der Schuldner per E-Mail ein Schreiben der SVS vom 5.2.2024 über die Ablehnung einer Zahlungsvereinbarung sowie ein Ansuchen auf Zahlungserleichterung an das Finanzamt Österreich vom 14.3.2024. Mit E-Mail vom 18.3.2024 übermittelte der Schuldner Überweisungsbestätigungen jeweils vom 15.3.2024 über EUR 2.459,57 an das Finanzamt Österreich sowie über EUR 60,- und EUR 600,- an die SVS.
Mit dem angefochtenen Beschluss eröffnete das Erstgericht das Konkursverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte Dr. H*, Rechtsanwältin in Wien, zur Masseverwalterin. Es legte das Ende der Anmeldefrist mit 8.5.2024 fest und beraumte die allgemeine Berichts- und Prüfungstagsatzung für den 22.5.2024 an. Der Schuldner habe die bei der Antragstellerin offenen Rückstände von EUR 7.359,79 anfechtbar bezahlt. Daneben bestünden Rückstände bei der SVS von EUR 8.254,17 sowie ein Abgabenrückstand von EUR 3.439,41. Es sei daher von Zahlungsunfähigkeit auszugehen. Kostendeckendes Vermögen liege aufgrund der anfechtbaren Zahlungen an die Antragstellerin vor. Die Zuständigkeit sei auf Grund des Firmensitzes in ** gegeben.
Die Bekanntmachung dieses Beschlusses in der Insolvenzdatei in der Schreibweise des Namens des Schuldners „B * “ erfolgte am 18.3.2024. Am 19.3.2024 erfolgte die Bekanntmachung der „Korrektur des Nachnamens“ des Schuldners in „A * “. Das Geburtsdatum, die Adresse des schuldnerischen Unternehmens und die Wohnadresse waren jeweils korrekt angegeben.
Dagegen richtet sich der – am 2.4.2024 um 8.00 Uhr aus dem Einlaufkasten des Handelsgerichtes Wien entnommene - Rekurs des Schuldners mit dem erkennbaren Antrag, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzuweisen, weil kein Managementrisiko bestehe sowie keine Zahlungsunfähigkeit vorliege. Er habe die Schulden bei der Antragstellerin vollständig beglichen bzw rechtzeitig den Bescheid über die bewilligte Ratenzahlung vorgelegt. Einen Teil der Forderung habe er an die SVS sofort überwiesen, im Übrigen seien Ratenzahlungen beantragt worden und die diesbezüglichen Verfahren im Laufen. Er habe mehrere Anträge auf Ratenzahlung gestellt und „ das Geld zur Begleichung festgestellt “.
Diesem Rekurs waren die Ratenbewilligung der Antragstellerin vom 26.2.2024, das Ansuchen um Zahlungserleichterung an das Finanzamt Österreich vom 14.3.2024 und die Ablehnung einer Zahlungsvereinbarung durch die SVS vom 5.2.2024 angeschlossen.
Die Antragstellerin und die Insolvenzverwalterin beteiligten sich nicht am Rekursverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
I. Zur Rechtzeitigkeit des Rekurses:
1. Der Insolvenzeröffnungsbeschluss ist gemäß § 74 Abs 1 IO durch Aufnahme in die Ediktsdatei öffentlich bekannt zu machen.
Die Rekursfrist im Insolvenzverfahren beträgt gemäß § 260 Abs 1 IO 14 Tage und beginnt gegen den Beschluss auf Konkurseröffnung für alle Beteiligten mit dessen öffentlicher Bekanntmachung zu laufen, unabhängig davon, ob und wann die Zustellung an die Beteiligten selbst erfolgt ist (RS0065237; vgl Pesendorfer in KLS 2 , § 257 IO Rz 4). Der Tag nach der Bekanntmachung ist der erste Tag der Rechtsmittelfrist (RS0065237 [T27]; vgl Pesendorfer aaO § 257 IO Rz 9).
2. Hier ist – wie auch Erhebungen des Rekursgerichtes im Verfahrensregister bestätigten (vgl unten 7.) – offenbar von einer unklaren Schreibweise des Nachnamens des Schuldners auszugehen: A* vs B*.
Der Konkurseröffnungsbeschluss wurde zunächst am 18.3.2024 in der Ediktsdatei mit dem Nachnamen „B * “ bekanntgemacht. Am 19.3.2024 erfolgte die Bekanntmachung der „Korrektur des Nachnamens“ des Schuldners in „A * “. Das Geburtsdatum, die Adresse des schuldnerischen Unternehmens und die Wohnadresse waren jeweils korrekt angegeben. Der Rekurs des Schuldners, worin er auf die Berichtigung verwies, wurde am 2.4.2023 um 8.00 Uhr aus dem Einlaufkasten des Handelsgerichtes Wien ausgehoben.
3. Bei einer Namensänderung des Schuldners soll mit Hilfe des Gerichtsregisters (VJ) eine Neuveröffentlichung des Schuldners (nämlich mit dem neuen Namen) in der Insolvenzdatei vorgenommen werden. Dadurch wird der Schuldner auch über die einfache Suche („Suche nach Schuldner“) in der Insolvenzdatei mit beiden Namen (dem alten und dem neuen) gefunden ( Pesendorfer in KLS 2 § 255 IO Rz 4).
Fehlerhafte Dateneingaben und Abfragemöglichkeiten sind auf Antrag oder von Amts wegen von dem Gericht zu berichtigen, das für jenes Verfahren zuständig ist, in dem die Bekanntmachung vorgenommen worden ist ( Pesendorfer in KLS 2 § 256 IO Rz 5). § 419 ZPO sieht iVm §§ 430 ZPO, 252 IO auch für Beschlüsse im Insolvenzverfahren eine Berichtigungsmöglichkeit durch das die Entscheidung fällende Gericht vor. Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten im Beschluss können berichtigt werden.
Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen durch eine Berichtigung eine neue Rechtsmittelfrist ausgelöst wird. Nach der Rechtsprechung beginnt nach der Berichtigung einer Entscheidung aber jedenfalls nur dann eine neue Rechtsmittelfrist zu laufen, wenn die Parteien erst durch die Berichtigung volle Klarheit über den Entscheidungsinhalt erlangen konnten (RS0041797 [T52]).
4. Zu beachten ist weiters, dass auch wenn ein in den Einlaufkasten des Gerichtes eingeworfenes Gerichtsstück der Verfügung des Gerichtes unterliegt, die Eingabe doch nach der ausdrücklichen Anordnung des § 38 Abs 2 dritter Satz GeO erst nach ihrer Aushebung als bei Gericht eingelangt gilt ( Danzl , Geo 10 § 38 Anm 5a).
5. Ausgehend von der Bekanntmachung am 18.3.2024 endete die Rechtsmittelfrist mit Ablauf des 1.4.2024, ausgehend von der Bekanntmachung am 19.3.2024 endete sie mit Ablauf des 2.4.2024.
Der gegenständliche Rekurs wäre daher nur ausgehend vom Beginn einer neuen Rechtsmittelfrist mit Bekanntmachung der Korrektur des Nachnamen als rechtzeitig zu qualifizieren. Eine abschließende Beurteilung der Rechtzeitigkeit des gegenständlichen Rekurses kann aber dahinstehen, da ihm jedenfalls auch inhaltlich keine Berechtigung zukommt:
II. Zum Rekursvorbringen:
1. In ihrem ersten Bericht vom 23.4.2024 führt die Masseverwalterin aus, der Schuldner betreibe an der Adresse J*straße **, eine Balkan-Bäckerei. Er sei nicht Mieter des Geschäftslokals, sondern habe den Betrieb von K* gepachtet. Die vereinbarte Pacht, die im Wesentlichen dem Hauptmietzins des Geschäftslokals entspreche, betrage rund EUR 2.900,- pro Monat. Der Schuldner sei der deutschen Sprache nur teilweise mächtig. Bei Verfahrenseröffnung habe der Schuldner fünf Dienstnehmer beschäftigt, darunter seine Ehefrau und seinen Sohn. Eine der Dienstnehmerinnen sei entlassen worden. Aus der Anfechtung von Zahlungen an die Antragstellerin hätten EUR 11.723,47 einbringlich gemacht werden können. Zahlungen des Schuldners an die SVS über EUR 1.958,- seien angefochten worden. Eine Reaktion der SVS stehe noch aus. Die Buchhaltung sei nicht aktuell und werde derzeit aufbereitet. Bislang habe im Rahmen des Fortbetriebs nach Abzug der laufenden Kosten (ohne Pacht und Gehalt des gewerberechtlichen Geschäftsführers, von dem keine Kontonummer bekannt sei) ein Überschuss von rund EUR 9.500,- erzielt werden können. Nach Angaben des Schuldners würden die bisherigen Einnahmen allerdings unter den in Hinkunft zu erwartenden Einnahmen liegen, weil sich der Ramadan negativ auf den Erlös ausgewirkt habe. Zur Unterstützung des Schuldners habe sich der Verpächter mündlich bereit erklärt, auf die Pacht für die Monate März und April 2024 zu verzichten. Eine entsprechende schriftliche Bestätigung stehe noch aus. Nach Vereinbarung mit dem Verpächter und der Hausverwaltung solle die Pacht für Mai 2024 direkt an die Hausverwaltung bezahlt werden. Auf dem Masseanderkonto befinde sich derzeit ein Guthaben von EUR 21.294,21.
2. Gemäß § 70 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung hat und der Antragsgegner zahlungsunfähig ist ( Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 70 KO Rz 8; Übertsroider in Konecny , InsG § 70 IO Rz 17).
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner infolge eines nicht bloß vorübergehenden Mangels an bereiten Zahlungsmitteln seine fälligen Schulden in angemessener Frist nicht erfüllen und sich die dafür erforderlichen Mittel auch nicht alsbald beschaffen kann (RS0064528).
3. Die Antragstellerin bescheinigte durch den vorgelegten Rückstandsausweis sowohl den Bestand ihrer Forderung als auch wegen der Dauer des Zahlungsrückstandes (03/2023 bis 10/2023) die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Die Nichtzahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen ist ein ausreichendes Indiz für das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit, weil es sich bei diesen um Betriebsführungskosten handelt. Sie werden von den zuständigen Behörden und Institutionen bekanntlich so rasch in Exekution gezogen, dass sich ein Zuwarten mit ihrer Zahlung bei vernünftigem wirtschaftlichem Vorgehen verbietet und im Allgemeinen nur aus einem Zahlungsunvermögen erklärbar ist ( Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 66 KO Rz 69; Mohr , IO 11 § 70 E 70, E 74).
4. Wird – wie hier - die Zahlungsunfähigkeit fürs Erste bescheinigt, liegt es am Schuldner, die Gegenbescheinigung zu erbringen, dass er zahlungsfähig ist. Die Gegenbescheinigung der Zahlungsfähigkeit hat der Schuldner von sich aus zu erbringen; dies setzt voraus, fällige Verbindlichkeiten zu begleichen oder zu regeln und die entsprechenden Nachweise dem Gericht vorzulegen.
Bei der Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist nicht zu berücksichtigen, dass der Gläubiger den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zurückgezogen hat oder dass die Forderung des Gläubigers nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befriedigt worden ist. Wenn der Schuldner eine solche Befriedigung oder das Vorliegen einer Stundungsvereinbarung mit dem Gläubiger bescheinigt, so reicht dies allein nicht aus, um das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit zu entkräften (§ 70 Abs 4 IO).
Zur Entkräftung der Vermutung der Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr der Nachweis erforderlich, dass die Forderungen sämtlicher Gläubiger – einschließlich jener der Antragstellerin - bezahlt werden konnten oder zumindest mit allen Gläubigern Zahlungsvereinbarungen getroffen wurden, die der Schuldner auch einzuhalten im Stande ist (vgl Mohr, IO 11 § 70 E 214, E 239, E 243, E 244, 271f mwN).
Zur Bescheinigung, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über ausreichende Mittel verfügte, um sämtliche Verbindlichkeiten zu begleichen, wäre die Darlegung und Bescheinigung erforderlich, dass trotz laufenden Geschäftsbetriebs ein ausreichender Betrag zur Zahlung der bei Konkurseröffnung fälligen Verbindlichkeiten herangezogen werden könnte, ohne dass dies zu Lasten anderer Gläubiger gehen würde (vgl Mohr, IO 11 § 70 E 238).
5. Im Rechtsmittelverfahren ist für die Beurteilung der Frage, ob die Insolvenzvoraussetzungen vorliegen, wegen der Neuerungserlaubnis des § 260 Abs 2 IO die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz (hier der 18.3.2024 bzw 19.3.2024 ) und die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend (RS0065013 [T1]); grundsätzlich gilt im Insolvenzverfahren für die Rekursausführungen kein Neuerungsverbot (RS0043943; Erler in KLS² § 260 Rz 33). Die Neuerungserlaubnis findet jedoch ihre Grenze in § 259 Abs 2 IO, wonach Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden können (RS0115313; RS0110967 [T6] = 8 Ob 36/04h). Gleiches gilt für Personen, die zwar erschienen sind, aber ein entsprechendes Vorbringen unterlassen haben (vgl 8 Ob 56/01w).
Hier erschien der Schuldner zur Einvernahmetagsatzung, in der ihm das Erstgericht eine Frist zur Regelung seiner offenen Verbindlichkeiten einräumte. Das Rekursvorbringen unterliegt somit nicht dem Neuerungsverbot. Trotz großzügiger Korrespondenz und Unterstützung durch das Erstgericht ist dem Schuldner die Gegenbescheinigung seiner Zahlungsfähigkeit aber nicht gelungen:
6. Zwar ist dem Schuldner der Nachweis der Regelung der Forderung der Antragstellerin gelungen (Ratenbewilligung vom 26.2.2024, worin von einem Rückstand für 05/2023 bis 11/2023 und 01/2024 die Rede ist), doch kann die Regelung der offenen Forderung der Antragstellerin allein nicht die erforderliche Gegenbescheinigung seiner Zahlungsfähigkeit erbringen.
Bezüglich der Forderung des Finanzamts Österreich legt der Schuldner lediglich ein Ansuchen auf Zahlungserleichterung vom 14.3.2024 mit dem Rekurs vor, hinsichtlich der Forderung der SVS sogar die Ablehnung einer Zahlungsvereinbarung vom 5.2.2024. Bei den im Eröffnungsverfahren vorgelegten Zahlungsnachweisen an das Finanzamt Österreich und die SVS handelt es sich nur um Teilzahlungen. Lediglich die gewährte Zahlungserleichterung bzw die erfolgte Ratenbewilligung oder die Vollzahlung können zum Nachweis der Regelung der offenen Forderungen herangezogen werden. Solche liegen hier nicht vor.
7. Amtswegige Erhebungen des Rekursgerichtes (§ 254 Abs 5 IO, RS0065221) ergaben im Rahmen einer Abfrage im Verfahrensregister mit der Schreibweise des Nachnamens B * drei anhängige Exekutionsverfahren beim Bezirksgericht St. Pölten, und zwar zu 3 E 1154/22g der F* GmbH wegen EUR 8.750,- (Exekutionstitel Zahlungsbefehl vom 8.2.2022 des Bezirksgerichtes St. Pölten zu 4 C 132/22i); zu 3 E 3890/22k der G*-AG wegen EUR 105,52 (letzter Vollzugsversuch am 22.1.2024) und zu 3 E 4134/22t der SVS wegen EUR 6.082,80.
Eine weitere vom Rekursgericht mit der Schreibweise des Nachnamens A* bei identem Geburtsdatum durchgeführte Abfrage im Verfahrensregister ergab auch weitere Exekutionsverfahren beim Bezirksgericht Leopoldstadt zu 20 E 2268/23h der F* GmbH wegen EUR 8.750,- (identer Exekutionstitel zu 3 E 1154/22g: Zahlungsbefehl vom 8.2.2022 des Bezirksgerichtes St. Pölten zu 4 C 132/22i) und beim Bezirksgericht St. Pölten der L* AG zu 3 E 603/22b wegen EUR 16.787,80 und Räumung der Liegenschaft M*gasse **, und zu 3 E 835/24y wegen EUR 339,40; zu 3 E 750/23x (letzter Vollzugsversuch am 22.1.2024 an der Adresse M*gasse **, scheiterte am Fehlen pfändbarer Gegenstände) und 3 E 2970/23t der G*-AG wegen EUR 719,60 bzw EUR 620,23.
Im Insolvenzverfahren erfolgten bereits Forderungsanmeldungen auch anderer Gläubiger als der bisher bekannten.
8. Auch nach der im Rekursverfahren bestehenden Behauptungs- und Bescheinigungslage ist das Erstgericht somit zutreffend von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausgegangen. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz waren nicht sämtliche seiner Verbindlichkeiten erfüllt und auch nicht geregelt. Der Schuldner hat damit die ihm obliegende Gegenbescheinigung seiner Zahlungsfähigkeit nicht erbracht.
9. Ein die zu erwartenden Anlaufkosten des Insolvenzverfahrens deckendes Vermögen als weitere von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung für die Eröffnung des Konkurses (§ 71 Abs 1 IO) ist hier jedenfalls aufgrund der der Anfechtung unterliegenden Zahlungen des Schuldners gegeben.
10. Das Erstgericht hat daher zu Recht den Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet, weswegen der Rekurs ohne Erfolg bleibt.
11. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.