6R107/24k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende, den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Nigl, LL.M., in der Firmenbuchsache des A* e.U. , FN **, **, über den Rekurs der Inhaberin B * , geboren **, **, gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 1.3.2024, 75 Fr 481/24t-3, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtenen Beschluss wird dahin abgeändert, dass die über die Inhaberin verhängte Zwangsstrafe auf EUR 350,- herabgesetzt wird.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung
Das A* e.U. mit Sitz in ** ist zu FN ** im Firmenbuch eingetragen. Inhaberin ist B*, geboren **.
Mit Verständigung vom 3.1.2024 (75 Fr 458/24h) informierte der Magistrat der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den 18./19. Bezirk) das Erstgericht von der mit Wirksamkeit vom 31.12.2023 angezeigten Zurücklegung der Gewerbeberechtigung für das „ Durchführen von Sprachdienstleistungen (Übersetzen, Dolmetschen, Gebärdendolmetschen, Synchronisation) ausgenommen literarische Übersetzungen “ durch die Inhaberin. Die diesbezügliche Eintragung im Gewerbeinformationssystem Austria sei erfolgt.
Mit Strafandrohung vom 4.1.2024 (ON 2) wies das Erstgericht die Inhaberin an, binnen vier Wochen die Löschung des Unternehmens mittels in öffentlich beglaubigter Form (Notar oder Gericht) unterfertigtem Antrag unter Angabe des Verwahrers der Bücher und Schriften des Unternehmens (offenbar unrichtig: „der Gesellschaft “) gemäß § 30 Abs 2 UGB zu beantragen oder aber darzutun, dass diese Verpflichtung nicht bestehe. Widrigenfalls müsste eine Zwangsstrafe von EUR 700,- verhängt werden. Begründend verwies das Erstgericht auf die Mitteilung des Magistrates Stadtder Wien, wonach das Einzelunternehmen mit keiner aufrechten Gewerbeberechtigung im zentralen Gewerberegister eingetragen sei, sodass es von der Einstellung des Geschäftsbetriebes ausgehe. Gemäß § 30 Abs 2 UGB sei das Erlöschen der Firma (offenbar unrichtig: „der Gesellschaft“) zum Firmenbuch anzumelden. Könne die Anmeldung des Erlöschens nicht durch die dazu Verpflichteten auf dem gemäß § 24 FBG bezeichneten Wege (Zwangsstrafen) innerhalb von zwei Monaten ab Rechtskraft der Verhängung der Zwangsstrafe herbeigeführt werden, habe das Gericht das Erlöschen von Amts wegen einzutragen. Dieser Beschluss wurde der Inhaberin durch Hinterlegung zugestellt. Der erste Tag der Abholfrist war der 12.1.2024. Die Inhaberin behob den Beschluss persönlich am 17.1.2024.
Eine Reaktion der Inhaberin gegenüber dem Erstgericht erfolgte nicht.
Mit dem angefochtenen Beschluss verhängte das Erstgericht über die Inhaberin die angedrohte Zwangsstrafe von EUR 700,- verbunden mit der Aufforderung, gemäß § 24 FBG iVm § 30 UGB die Löschung des Unternehmens binnen zwei Monaten ab Rechtskraft dieses Beschlusses anzumelden, widrigenfalls eine weitere Zwangsstrafe von EUR 1.000,- verhängt und der Beschluss über die verhängte Zwangsstrafe veröffentlicht werden würde.
Gegen die Verhängung der Zwangsstrafe richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Inhaberin mit dem Antrag auf deren ersatzlose Behebung. Sie habe nach Erhalt der Strafandrohung mit dem Magistratischen Bezirksamt für den 18./19. Bezirk Kontakt aufgenommen, wo man ihr mitgeteilt habe, dass die Verständigung vom 3.1.2024 ausreichend sei. In dieser Hinsicht habe sie sich um die Löschung des Unternehmens nach bestem Wissen und Gewissen gekümmert. Für den Fall, dass weitere Maßnahmen ihrerseits erforderlich seien, sei sie jederzeit bereit, Folge zu leisten.
Der Rekurs ist im Sinne des im Antrag auf Aufhebung der Zwangsstrafe implizit enthaltenen Antrag auf deren Herabsetzung teilweise berechtigt.
1. § 30 Abs 2 UGB verpflichtet Einzelunternehmer, das Erlöschen ihrer Firma zur Eintragung im Firmenbuch anzumelden.
Die Anmeldung der Löschung der Firma nach § 30 Abs 2 UGB hat in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen (§ 11 Abs 1 UGB). Im Interesse der Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs mit Unternehmern ist es erforderlich, dass die wesentlichen Rechtsverhältnisse der Unternehmer und der eingetragenen Personengesellschaften vollständig und richtig im Firmenbuch wiedergegeben werden (vgl OLG Wien 6 R 152/22z, 6 R 39/24k uva; vgl RS0061530).
2. Das Fehlen einer Gewerbeberechtigung indiziert ein Erlöschen der Firma und ist vom Firmenbuch zum Anlass zu nehmen, die Eintragung zu aktualisieren (vgl Schuhmacher in Straube/Ratka/Rauter, WK UGB I 4 § 30 Rz 13). Ist eine Firma erloschen, hat das Firmenbuch auf die Richtigstellung der Eintragung durch Löschung zu dringen. Die in § 30 UGB angeordneten Anmeldungen können durch Zwangsstrafen erzwungen werden ( Herda in Artmann , UGB 3 § 30 Rz 22).
3. § 24 Abs 1 FBG sieht dazu vor, dass derjenige, der verpflichtet ist, eine Anmeldung zum Firmenbuch vorzunehmen, vom Gericht durch Zwangsstrafen bis zu EUR 3.600,- anzuhalten ist, seine Verpflichtung zu erfüllen. Kommt der Betroffene einer gerichtlichen Anordnung innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses über die Verhängung der Zwangsstrafe nicht nach, so ist eine weitere Zwangsstrafe bis zu EUR 3.600,- zu verhängen und der Beschluss über die verhängte Zwangsstrafe zu veröffentlichen (§ 24 Abs 2 FBG). Vor Verhängung der ersten Zwangsstrafe ist der Betroffene aufzufordern, die Verpflichtung zu erfüllen oder darzutun, dass die Verpflichtung nicht besteht, und eine konkrete Zwangsstrafe für den Fall der Nichtbefolgung anzudrohen (§ 24 Abs 3 FBG).
Der Verhängung einer Zwangsstrafe muss daher deren förmliche Androhung vorausgehen. Der Betroffene soll mittels stufenweisen Vorgehens zur Erfüllung seiner Anmeldepflicht angehalten werden. Die vorherige Androhung der Zwangsstrafe ist zwingend; wenn sie unterblieb bzw nicht wirksam zugestellt wurde, ist die Strafverhängung ersatzlos aufzuheben ( Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 81 ff).
4. Das Erstgericht hat demnach zutreffend wegen der fehlenden Gewerbeberechtigung die Inhaberin mit Strafandrohung vom 4.1.2024 dazu aufgefordert, entweder die Löschung der Firma anzumelden oder entgegenstehende Hindernisse fristgerecht bekanntzugeben. Dieser Beschluss wurde der Inhaberin nachweislich zugestellt.
5. Selbst wenn keine Verpflichtung zur Anmeldung der Löschung (mehr) bestanden haben oder aber die Anmeldung aus faktischen Gründen nicht möglich gewesen sein sollte, lastet auf der Inhaberin des eingetragenen Unternehmens die Äußerungspflicht, entgegenstehende Hindernisse bekanntzugeben. Die Inhaberin wäre daher zumindest verpflichtet gewesen, sich in Befolgung des Beschlusses vom 4.1.2024 gegenüber dem Erstgericht zu äußern.
6. Ein Verschulden der Anmeldungspflichtigen ist Voraussetzung für die Verhängung einer Zwangsstrafe ( Zib in Zib/Dellinger, GroßKomm UGB § 24 FBG Rz 24; Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 34). Für die Verhängung von Zwangsstrafen reicht aber bloße - auch leichte - Fahrlässigkeit aus (RS0123571).
Rechtliche Beurteilung
Die im Rekurs behauptete Nachfrage beim Magistratischen Bezirksamt für den 18./19. Bezirk durch die Inhaberin als Reaktion auf die Strafandrohung des Erstgerichtes wurde mit dem Rekurs nicht bescheinigt. Eine solche Nachfrage ist auch nicht geeignet, etwaige offene Fragen zu klären. Der Inhaberin musste nämlich aufgrund der Strafdrohung klar sein, dass die Strafandrohung vom Erstgericht ausgesprochen wurde und nicht vom Magistratischen Bezirksamt.
Auch ausgehend von der Behauptungs- und Bescheinigungslage im Rekursverfahren hat daher das Erstgericht die Zwangsstrafe dem Grunde nach ohne Rechtsirrtum über die Rekurswerberin verhängt.
7. Die Ausmessung der Zwangsstrafe hängt grundsätzlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (RS0115833), wobei die in § 355 EO angeführten Kriterien der Art und Schwere des Verstoßes, der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und des Umfangs seines Beitrags auch für das firmenbuchrechtliche Zwangsstrafverfahren eine gewisse Orientierung bieten. Wesentlich ist dabei der Grad des Verschuldens, ob also die Säumnis auf ein Versehen, Schlamperei oder gar eine ausdrückliche Weigerung zurückzuführen ist. Nach ständiger Rechtsprechung wird bei der erstmaligen Verhängung einer Zwangsstrafe im Regelfall ein Betrag von EUR 730,- (vormals: ATS 10.000,-) als angemessen angesehen ( Kodek aaO § 24 Rz 49 ff mwN).
Hier liegt im nachträglich hervorgekommenen Umstand, dass die Rekurswerberin die Strafandrohung des Erstgerichtes nicht schlicht ignoriert, sondern – wenn auch erkennbar an der falschen Stelle - nachgefragt und aufgrund einer unrichtigen behördlichen Auskunft eine weitere Kontaktaufnahme mit dem Erstgericht unterlassen hatte, eine geminderte subjektive Vorwerfbarkeit der Säumnis vor, was im konkreten Einzelfall ein Unterschreiten der im Regelfall verhängten Erststrafe rechtfertigt.
In teilweiser Stattgebung des Rekurses war die verhängte Zwangsstrafe daher auf EUR 350,- herabzusetzen.
8. Der ordentliche Revisionsrekurs ist gemäß § 15 Abs 1 FBG iVm §§ 59 Abs 1 Z 1, 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung zu lösen war.