JudikaturOLG Wien

33R171/23v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
03. Mai 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Tscherner und den Kommerzialrat Mitsch in der Rechtssache der klagenden Partei ***** , vertreten durch die Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei ***** , vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 20.000 s.A. über die Berufungen der klagenden und beklagten Partei (Berufungsinteresse jeweils EUR 10.000) gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27.10.2023, 57 Cg 74/23t-13, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Der Berufung der Beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird abgeändert. Es lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 20.000 samt 4 % Zinsen seit 7.5.2021 zu zahlen und die mit EUR 3.656,04 (darin EUR 476,54 USt und EUR 796,80 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 4.136,34 (darin EUR 486,22 USt und EUR 1.219 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Text

Die Klägerin war von November 2014 bis Mai 2015 bei der Tageszeitung „O*****“ tätig. Die Beklagte ist Medieninhaberin (§ 1 Abs 1 Z 8 lit a MedienG) der periodischen Druckwerke „O*****“ (Kaufausgabe) und „o*****“ (Gratisausgabe). Geschäftsführer der Beklagten und Herausgeber der Tageszeitungen „O*****“ und „o*****“ ist W*****. Am 7.5.2021 veröffentlichte die Beklagte in den Tageszeitungen „O*****“ und „o*****“ folgenden Artikel, der auch ein Lichtbild der Klägerin enthält:

[Von der Veröffentlichung des Faksimiles im RIS wird abgesehen.]

Die Klägerin begehrt die Zahlung von EUR 20.000 aus dem Titel Schadenersatz gemäß § 87 Abs 2 UrhG und brachte im Wesentlichen vor, die Beklagte habe im Artikel die falsche Behauptung verbreitet, der von ihr erhobene Vorwurf gegen W*****, er habe sie sexuell belästigt, sei unwahr und stelle eine Intrige dar. Die Klägerin sei gegenüber einer breiten Öffentlichkeit der Lüge bezichtigt worden. Im Begleittext zum Bild der Klägerin seien unwahre Tatsachen über sie verbreitet worden, die ehrenbeleidigend und kreditschädigend seien.

Die Beklagte brachte zusammengefasst vor, dem Leser des Beitrags werde die Schlussfolgerung vermittelt, dass davon auszugehen sei, dass der von der Klägerin behauptete Vorfall so nicht stattgefunden habe und daher unwahr sei. Dies sei aber weder ehrenbeleidigend noch kreditschädigend. Eine ganz empfindliche Kränkung der Klägerin iSd § 87 Abs 2 UrhG liege nicht vor, und die von der Klägerin begehrte Entschädigung sei überhöht.

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 10.000 und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer EUR 10.000 ab. Es stellte den eingangs wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalt fest. Darauf wird verweisen. Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, dass der Artikel der Beklagten ehrenbeleidigend und kreditschädigend iSd § 1330 Abs 1 und 2 ABGB sei, weswegen gemäß § 87 Abs 2 UrhG ein Ersatz des immateriellen Schadens von EUR 10.000 zustehe.

Gegen den abweisenden Teil dieses Urteils wendet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, der Klage zur Gänze stattzugeben.

Die Beklagte bekämpft den Zuspruch von EUR 10.000 wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Klage abzuweisen, in eventu, das Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Parteien beantragen jeweils, der Berufung der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung der Klägerin ist berechtigt.

Die Berufung der Beklagten ist nicht berechtigt.

I. Die Klägerin macht einen Ersatzanspruch wegen eines immateriellen Schadens nach § 87 Abs 2 UrhG geltend, den sie auf eine Verletzung des Bildnisschutzes nach § 78 UrhG stützt. Das Erstgericht hat die Anspruchsvoraussetzungen für diesen Schadenersatzanspruch richtig dargestellt. Darauf wird verwiesen.

Die Klägerin macht in der Berufung geltend, das Erstgericht habe den zu ersetzenden Schaden zu niedrig bemessen.

Die Beklagte macht geltend, der Artikel mindere das Ansehen der Klägerin nicht, und der Vorwurf der Intrige sei von Art 10 EMRK gedeckt; damit behauptete sie offensichtlich, der Tatbestand des § 78 UrhG sei nicht erfüllt. Außerdem sei der zugesprochene Betrag zu hoch.

II. Zur Berufung der Beklagten:

1. Das Erstgericht hat zu Recht eine Verletzung des Bildnisschutzes nach § 78 UrhG angenommen:

1.1. Erfüllt der Begleittext der Bildnisveröffentlichung den Tatbestand des § 1330 ABGB, verstößt die diesen illustrierende Bildnisveröffentlichtung gegen § 78 UrhG (vgl 4 Ob 64/10f).

Sinn und Bedeutungsinhalt einer Äußerung richten sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung für den unbefangenen Durchschnittsleser. Der subjektive Wille des Äußernden ist nicht maßgeblich. Die Äußerung ist so auszulegen, wie sie vom angesprochenen Verkehrskreis bei ungezwungener Auslegung verstanden wird (RS0085169; RS0031883; vgl RS0031815).

1.2. In dem mit „Angebliches ‚MeToo-Opfer‘ schrieb O***** Chef ‚Liebesbrief‘“ übertitelten Artikel, der mit dem Portraitfoto der Klägerin illustriert ist und bereits im unmittelbaren Bildtext den Namen der Klägerin nennt, wird unter anderem ausgeführt, zwei Moderatorinnen, die behaupten würden, W***** habe sie begrapscht und sexuell belästigt, hätten sich mit der Chefredakteurin eines dritten Mediums verbündet, um den Ruf von W***** zu schädigen. Die namentlich genannte Klägerin werfe dem Geschäftsführer und Herausgeber der Printmedien der Beklagten vor, er habe sie begrapscht. Ihre Vorwürfe würden sich als unwahr erweisen, wie auch in einer Unterübschrift hervorgehoben wird. Den Vorwurf der „angeblich sexuellen Belästigung“ habe die Klägerin – bis 2020 – zu keinem Zeitpunkt thematisiert oder auch nur angesprochen. W*****s Bilanz laute, er sei fassungslos über so ein Höchstmaß an Unwahrheiten und Intrigen.

Der durchschnittliche Leser wird diesen Textpassagen den Vorwurf entnehmen, die Klägerin behaupte wahrheitswidrig, dass W***** sie sexuell belästigt habe. Aus der Behauptung, sie habe sich mit anderen verbündet, um W*****s Ruf zu schädigen, und es handle sich um Intrigen, ergibt sich unmissverständlich, dass sie nicht nur unwahre Vorwürfe verbreite, sondern dies auch vorsätzlich tue. Damit wird ihr unterstellt, dass sie ihren ehemaligen Arbeitgeber bewusst zu Unrecht eines sozial äußerst verpönten, rechtswidrigen und allenfalls sogar strafrechtlich relevaten Verhaltens bezichtigt, um seinen Ruf zu schädigen.

Das Argument der Beklagten, der Vorwurf der Intrige beziehe sich nur auf Konkurrenzmedien, ist nicht nachvollziehbar. Diese Unterstellung greift die Würde der Klägerin an und schädigt ihren Ruf. Die im Artikel aufgestellte Behauptung ist objektiv überprüfbar, es handelt sich also um eine Tatsachenbehauptung (vgl RS0032688), die ehrenbeleidigend und rufschädigend iSd § 1330 Abs 1 und 2 ABGB ist. Die Veröffentlichung wäre daher nur dann nicht rechtswidrig, wenn die Beklagte den Wahrheitsbeweis erbringt (vgl RS0031798). Dass die im Artikel aufgestellten Behauptungen über die Klägerin wahr wären, hat sie aber nicht einmal behauptet. Die Verbreitung unwahrer Tatsachen lässt sich auch nicht mit der in Art 10 EMRK normierte Meinungsäußerungsfreiheit rechtfertigen (RS0107915; RS0075601 ).

In W*****s „Bilanz“ wird zum Ausdruck gebracht, dass er fassungslos über die davor dargestellten Unwahrheiten und Intrigen sei, die einige Konkurrenzmedien unterstützen würden. Damit bezieht der Autor den Vorwurf der Intrige entgegen der Behauptung in der Berufung der Beklagten auch auf die im Artikel genannten natürlichen Personen, darunter die Klägerin.

2. § 87 Abs 2 UrhG gibt dem Verletzten bei rechtswidrigen und schuldhaften Verstößen gegen § 78 UrhG einen Anspruch auf Entschädigung für die nicht in einem Vermögensschaden bestehenden Nachteile und gewährt somit einen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden (vgl 4 Ob 127/98z). Ein immaterieller Schaden iSd § 87 Abs 2 UrhG ist dann zu ersetzen, wenn die Beeinträchtigung den mit jeder Zuwiderhandlung verbundenen Ärger übersteigt, es sich also um eine ganz empfindliche Kränkung handelt (RS0077369, etwa [T7]). „Kränkung“ ist in diesem Zusammenhang nicht allein das subjektive Empfinden des Verletzten, sondern maßgebend ist, ob und in welchem Ausmaß seine Persönlichkeit im weitesten Sinn – Gefühlssphäre, geistige Interessen und äußerer Bereich der Persönlichkeit – in objektivierbarer Weise beeinträchtigt wird (vgl RS0111185). Der durch einen Urheberrechtseingriff verursachte immaterielle Schaden kann demnach sowohl in reinen Gefühlsschäden und in der Verletzung geistiger Interessen als auch in der Beeinträchtigung des äußeren Bereiches der Persönlichkeit (Minderung des Ansehens, Rufschädigung) bestehen. Die einen immateriellen Schaden begründenden „besonderen Umstände“ können auch in der Verletzungshandlung selbst, somit in der Art und Intensität des Eingriffs, gelegen sein (RS0110101). Die für die Gewährung des Ersatzes für einen immateriellen Schaden gemäß § 87 Abs 2 UrhG erforderliche empfindliche Kränkung durch eine Verletzung des Bildnisschutzes kann auch dadurch verursacht werden, dass der Veröffentlichung des Lichtbilds im Zusammenhang mit dem Inhalt des damit verbundenen Texts keinerlei Nachrichtenwert zukommt, die Betroffene also erst dadurch der Gefahr ausgesetzt wird, in der Öffentlichkeit erkannt und Ziel von Vorwürfen oder Schmähungen zu werden, die ihre Ursache in der mit dem Bild verbundenen Berichterstattung haben, so dass sie durch die Bildnisveröffentlichung Gefahren ausgesetzt wird, die einem „an den Pranger Stellen“ gleichkommen (RS0078177).

2.1. Das Erstgericht hat angesichts der mit der Veröffentlichung verbundenen Persönlichkeitsverletzung zutreffend begründet, dass die Voraussetzungen für den Zuspruch eines Ersatzes für einen immateriellen Schaden erfüllt sind.

2.2. Die Beklagte bringt dazu nur vor, der Klägerin stehe kein Ersatz eines immateriellen Schadens zu, weil sie mehr als zwei Jahre mit der Einbringung der Klage zugewartet habe. Dem ist zu entgegnen, dass das österreichische Recht keine allgemeine Verwirkung kennt (RS0014221); ein Rechtsverlust durch Verwirkung tritt nur ein, wenn das Gesetz einen solchen vorsieht (vgl P. Bydlinski in KBB 7 § 1444 ABGB Rz 8). Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass dem durch eine Missachtung des Bildnisschutzes Verletzten, der sich mit der Klage auf Schadenersatz Zeit lässt, nicht schon deshalb unterstellt werden kann, er habe keine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung erlitten. Es besteht keine Rechtspflicht, innerhalb der Verjährungsfrist besonders rasch aktiv zu werden, und ein Zuwarten mit der Klagsführung kann unterschiedliche Gründe haben, darunter auch solche, die gerade nicht darauf schließen lassen, dass die Verletzung keine besondere Beeinträchtigung bewirkte. Anderes lässt sich auch den von der Beklagten zitierten Entscheidungen, die im Übrigen zum Schadenersatzanspruch nach § 16 Abs 2 UWG aF ergingen, nicht entnehmen (vgl 4 Ob 93/32 = Rsp 1932, 186; 3 Ob 417/53; OLG Wien 1 R 185/65 = ÖBl 1966, 143; 4 Ob 334/60): Der Geschädigte, der einen Anspruch nach § 87 Abs 2 UrhG geltend macht, muss konkret vorbringen, welche besonderen Nachteile er durch die schuldhafte Rechtsverletzung erlitten hat, warum das Verhalten des Schädigers eine besondere Kränkung darstellt und welche besonderen Umstände den Zuspruch immateriellen Schadens rechtfertigen sollen ( Nageler-Petritz in Handig/Hofmarcher/Kucsko , urheber.recht 3 § 87 UrhG Rz 35; vgl 4 Ob 172/00y; RS0078172). Dass in den genannten Entscheidungen mangels konkreter Anhaltspunkte für das Vorliegen einer die Geldbuße nach § 16 Abs 2 UWG aF rechtfertigenden qualifizierten Beeinträchtigung angenommen wurde, (auch) das lange Zuwarten mit der Klagsführung spreche gegen das Vorliegen einer solchen, lässt nicht den allgemeinen Schluss zu, der Anspruch sei bei später Einklagung zu verneinen. Die Klägerin hat konkrete Behauptungen zum Vorliegen einer besondere Kränkung aufgestellt, die geeignet sind, den Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens zu begründen.

3. Der zugesprochene Betrag ist auch nicht überhöht; siehe dazu näher unten.

II. Zur Berufung der Klägerin:

1. Die Bemessung der Höhe des immateriellen Schadens hat unter Berücksichtigung sämtlicher Verfahrensergebnisse nach § 273 ZPO zu erfolgen. Die Höhe des Ersatzes des immateriellen Schadens sollte für den Verletzer zumindest fühlbar sein und der Allgemeinheit verdeutlichen, dass sich Rechtsverletzungen dieser Art nicht lohnen. In die Bemessung sollen etwa der Grad des Verschuldens, die Intensität und Dauer der Verletzung, die Verbreitung des das Bild veröffentlichenden Mediums, die Abweichung des Begleittextes vom wahren Sachverhalt und ein dem Abgebildeten zu Unrecht unterstelltes Motiv einfließen ( Nageler-Petritz aaO Rz 40ff mwN).

2. Die Klägerin wurde bezichtigt, im besonders sensiblen Bereich der sexuellen Belästigung im Arbeitsumfeld einen ehemaligen Vorgesetzten zu Unrecht beschuldigt zu haben, um seinem Ruf zu schädigen. Der Vorwurf einer derartigen Vorgangsweise ist geeignet, die Klägerin massiv zu kränken und ihren Ruf als Kollegin, Mitarbeiterin und Teilnehmerin am sozialen Leben stark zu beeinträchtigen. Hinzu kommt, dass die Beklagte den inkriminierten Artikel, der keinen erkennbaren Nachrichtenwert hat, in zwei auflagenstarken Tageszeitungen veröffentlichte, die vom Gegner der Klägerin in der Auseinandersetzung um den Vorwurf der sexuellen Belästigung herausgegeben werden. Daraus ergibt sich, dass die Bloßstellung der Klägerin nicht nur mit großer Öffentlichkeitswirkung und durch ein wirtschaftlich überlegenes Medienunternehmen, sondern ganz offensichtlich in Bedienung der Interessen der Person erfolgte, die die Klägerin sexuell belästigt haben soll. Dass die Veröffentlichung die Klägerin damit der Taktik des „victim blaming“ aussetzt, wiegt bei der Bemessung des Schadenersatzbetrags besonders schwer. Bei dieser unsachlichen Vorgangsweise wird auf Vorwürfe, mit denen jemand konfrontiert ist, systematisch damit reagiert, den Urheber oder die Urheberin der Vorwürfe des behaupteten Fehlverhaltens, der oder die sich somit als Opfer fühlt, in die Rolle eines Täters oder einer Täterin zu versetzen, um sich selbst als das „wahre Opfer“ darzustellen (vgl OLG Wien 33 R 109/23a). Dieses Verhalten ist besonders verwerflich und führt zu einer speziellen erheblichen Kränkung der Klägerin.

3. In der Vergangenheit gewährte die Rechtsprechung für den falschen Vorwurf strafrechtlich relevanten Verhaltens gegen öffentlich bekannte Personen und damit einhergehende Lichtbildveröffentlichungen etwa folgende Ersatzbeträge: Zu 4 Ob 224/08g wurde die Herausgeberin einer Zeitung wegen der – zusammen mit einem Lichtbild auf der Titelseite abgedruckten – falschen Behauptung, „Milliardär als Schwarzfahrer. Bau-Tycoon [...] wurde in der U-Bahn ertappt“ zu einer Schadenersatzzahlung von EUR 6.000 verurteilt. Zu 4 R 58/20h (OLG Wien) betrug der Schadenersatz für den mehrfachen wahrheitswidrigen Vorwurf der Beteiligung an schweren strafbaren Handlungen (Amtsmissbrauch, Geschenkannahme) vor Anrechnung der medienrechtlichen Entschädigung EUR 5.000 je Lichtbildveröffentlichung, insgesamt daher EUR 10.000. Einen Betrag von EUR 7.000 hielt das Oberlandesgericht im Fall der in einer Veröffentlichung erfolgten Bezichtigung, „Mitarbeiter eines höchst kriminell agierenden Unternehmens“ (der Firma der Produzenten des „Ibiza-Videos“) zu sein, für angemessen (OLG Wien 1 R 164/20z; ähnlich auch 30 R 10/21t, wo für einen solchen Artikel EUR 7.500 zugesprochen wurden; beide Beträge jeweils vor Anrechnung der medienrechtlichen Entschädigung). Zu 1 R 59/22m (OLG Wien) wurde dem Kläger, dem Mitherausgeber einer großen österreichischen Tageszeitung, für den in den beiden Printausgaben der Beklagten veröffentlichten falschen Vorwurf, er finanziere der Klägerin und einer weiteren ehemaligen Mitarbeiterin Klagsführungen gegen W***** auf Grundlage von Anschuldigungen sexueller Belästigung und betreibe damit eine Rufmordkampagne gegen ihn, um dem Erfolg seiner Medien zu schaden, ein Schadenersatzbetrag von insgesamt EUR 7.500 zugesprochen. Für denselben, auf www.o**.at veröffentlichten Artikel wurde die o** GmbH als Betreiberin dieser Website zur Zahlung von insgesamt EUR 6.000 an den Kläger verpflichtet (OLG Wien 2 R 79/22k; beide Beträge wiederum jeweils vor Anrechnung der medienrechtlichen Entschädigung). Zu 3 R 133/22h hielt das Oberlandesgericht unter Anrechnung der bereits gemäß § 6 MedienG erwirkten Entschädigung von EUR 6.000 gemäß § 87 Abs 2 UrhG EUR 9.000, damit insgesamt EUR 15.000 für angemessen.

4. Die Beklagte verweist zur Schadenbemessung auf eine Untersuchung von Nageler-Petritz in MR 2021, 279, wonach ein EUR 5.000 übersteigender Schadenersatzbetrag nach § 87 Abs 2 UrhG nur dann zustehe, wenn jemandem tatsachenwidrig eine gerichtlich strafbare Handlung unterstellt werde. Daraus und aus der dargestellten Rechtsprechung, die sich immer nur auf den Einzelfall beziehen kann, lässt sich nicht ableiten, dass nicht in speziellen Konstellationen auch höhere Beträge zustehen können.

So hielt der Berufungssenat in einem mit dem vorliegenden vergleichbaren Verfahren eine Entschädigungszahlung von EUR 10.000 unter Anrechnung der bereits gemäß § 6 MedienG erwirkten Entschädigung von EUR 10.000, damit insgesamt EUR 20.000, für angemessen (33 R 109/23a).

5. Unter Berücksichtigung der genannten Bemessungskriterien hält das Berufungsgericht die begehrte Entschädigung von EUR 20.000 auch hier für angemessen, um die Persönlichkeitsverletzung der Klägerin spürbar zu ahnden und die erlittene Kränkung auszugleichen. Der Klägerin sind daher weitere EUR 10.000 zuzusprechen.

III. Die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 41 ZPO, jene des Berufungsverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO.

IV. Da keine Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen waren, war die Revision nicht zuzulassen.

Rückverweise