15R193/23x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Schaller als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Nigl und die Richterin Mag. Oberbauer in der Rechtssache des Klägers Dr. A* , Rechtsanwalt, **, **, vertreten durch Dr. A* und Mag. Franz Haydn, Rechtsanwälte in Schwechat, wider den Beklagten Dr. B* , geb. **, **, Deutschland, vertreten durch Mag. Markus Gunacker, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 23.395,28 samt Anhang, über die Berufungen des Klägers (Berufungsinteresse EUR 19.429,02 s.A.) und des Beklagten (Berufungsinteresse EUR 3.966,26 s.A.) sowie den Kostenrekurs des Beklagten (Rekursinteresse EUR 320,17) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21.7.2023, 27 Cg 29/22s-28, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
1. Beiden Berufungen wird in der Hauptsache nicht Folge gegeben.
2. Der als Kostenrekurs bezeichneten Berufung des Beklagten im Kostenpunkt wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahin abgeändert, dass sie einschließlich der unangefochtenen Teile insgesamt lautet:
„Der Kläger ist schuldig dem Beklagten die mit EUR 4.106,21 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
3. Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit EUR 1.343,03 (darin enthalten EUR 223,84 USt) bestimmten (saldierten) Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
[...]
Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen beider Seiten , die des Klägers wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, jene des Beklagten wegen unrichtiger und unvollständiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung, unrichtiger und unvollständiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Anwendung von Erfahrungssätzen und aufgrund unzutreffender Erfahrungssätze und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.
Der Kläger beantragt, das erstinstanzliche Urteil dahingehend abzuändern, dass die Gegenforderung des Beklagten iHv EUR 19.429,02 nicht zurecht bestehe. Der Beklagte beantragt das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren vollinhaltlich abgewiesen werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Weiters richtet sich gegen das Urteil auch die als Kostenrekurs bezeichnete Berufung des Beklagten im Kostenpunkt mit dem Antrag, die angefochtene Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass der Kostenzuspruch auf EUR 4.295,22 geändert werde. Hilfsweise wird inhaltlich beantragt den Kostenzuspruch auf EUR 4.106,21 abzuändern.
Beide Parteien beantragen, der Berufung der jeweiligen Gegenseite nicht Folge zu geben sowie „diese ab- oder zurückzuweisen und das Ersturteil zu bestätigen“. Der Kläger beantragt, die verzeichneten Kosten der vom Beklagten als Kostenrekurs titulierten Berufung im Kostenpunkt nicht zuzusprechen und der Berufung im Kostenpunkt auch inhaltlich nicht Folge zu geben.
Beide Berufungen sind in der Hauptsache nicht berechtigt .
Die Kostenrüge des Beklagten ist teilweise berechtigt .
[...]
III.4) Zur Berufung im Kostenpunkt (Kostenrekurs) :
III.4.1.) Dazu wird vorgebracht, die vom Kläger erhobenen Einwendungen gegen die Kostennote des Beklagtenvertreters hätten nicht berücksichtigt werden dürfen, weil diese nicht gesetzmäßig ausgeführt worden seien. Insbesondere sei nicht die Höhe der konkret bekämpften Positionen ersichtlich.
Rechtliche Beurteilung
Dem ist nicht zu folgen. Zwar wurde vom OLG Wien auch vertreten, dass Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis nach § 54 Abs 1a ZPO derart inhaltlich individuell aktenbezogen, rechnerisch alternativ durchkalkuliert und soweit inhaltlich substanziiert und schlüssig sein müssen, dass sie – unter Berücksichtigung der Gesamtumstände der Kostenentscheidung – als Begründung für eine (teil-)abweisliche Kostenentscheidung herangezogen werden könnten (RW0000947 unter Hinweis auf RI0100000), dies ist aber letztlich darauf einzuschränken, dass die Einwendungen so ausreichend konkretisiert (vgl RW0000471) sein müssen, dass sie ohne Weiteres als Grundlage einer von der Kostennote abgehenden Kostenentscheidung sein können.
Das OLG Wien hat jüngst ausgeführt, dass die Forderung, dass Einwendungen gegen das gegnerische Kostenverzeichnis rechnerisch nachvollziehbar gestaltet und alternativ durchkalkuliert sein müssen, um als Begründung für eine (teil-)abweisende Kostenentscheidung herangezogen werden zu können, eine Überspannung der Anforderungen darstellt. § 54 Abs 1a ZPO verlangt nur, dass die Einwendungen „begründet“ sein müssen. Es ist daher ausreichend, wenn erkennbar ist, welche Positionen des Kostenverzeichnisses aus welchen Gründen bekämpft werden. Eine weitergehende Begründung verlangt § 54 Abs 1a ZPO gerade nicht. Auch der üblichen und praktischen Vorgehensweise, dass Einwendungen am Ende der letzten Tagsatzung rasch erstattet werden, würde das Erfordernis einer exakten Berechnung des gemäß den Einwendungen richtigen Kostenbetrags ein Ende bereiten (OLG Wien 3 R 13/24i). In seiner Entscheidung zu 1 R 19/22d hat das OLG Wien ausgeführt, dass der Rechtsansicht in RW0000947, wonach Einwendungen „rechnerisch alternativ durchkalkuliert“ werden müssten, mangels Deckung im Gesetz und angesichts des Umstandes, dass die Verfahrenskosten vom Gericht zu bestimmen sind, nicht beigetreten wird. Vielmehr ist es ausreichend, wenn klargestellt wird, welche Position aus welchem Grund und in welcher Höhe beanstandet wird. Auch das OLG Linz teilt die strenge Sichtweise in RW0000947 nicht (vgl OLG Linz 2 R 171/22p mwN ua).
Dem ist zuzustimmen. Es ist der Auffassung ua des OLG Wien in 7 Rs 8/11i zu folgen, wonach ausreichend konkretisierte Einwendungen zu erheben sind, die allerdings keine amtswegige Überprüfungspflicht in jeder Richtung auslösen, sondern nur im Hinblick auf den Inhalt der Bestreitung (vgl dazu auch OLG Wien 16 R 232/22p mwN). Weitere formale Hürden sollten aber keinesfalls aufgebaut werden (vgl die Glosse von Gitschthaler in EF-Z 2019/164).
Die Einwendungen des Klägers im Verfahren erster Instanz waren hinreichend konkretisiert und konnten entgegen den Berufungsausführungen der Kostenentscheidung des Erstgerichts zugrunde gelegt werden.
III.4.2.) Richtig ist aber der eventualiter erhobene Einwand, dass sich unter Berücksichtigung der Einwendungen ein Kostenersatzanspruch des Beklagten von (jedenfalls) EUR 4.106,21 ergibt. Der vom Erstgericht zugesprochene Betrag von EUR 3.975,05 ist rechnerisch und mangels ausreichender Begründung nicht nachzuvollziehen. Insoweit war der Berufung im Kostenpunkt Folge zu geben.
IV.) Gemäß §§ 41, 50 ZPO haben die Streitteile der Gegenseite jeweils die Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen, was zu dem aus dem Spruch ersichtlichen Kostensaldo führt (vgl Obermaier , Kostenhandbuch³ Rz 1.445; vgl OLG Wien 7 Ra 4/20i uva). Das Berufungsinteresse des Beklagten betrug EUR 3.966,26 sodass die dem Kläger für seine Berufungsbeantwortung zustehenden Kosten auf diesen Ansatz nach TP 3B RATG (EUR 260,20) und somit auf gesamt EUR 877,39 zu reduzieren waren. Die Kosten der Berufungsbeantwortung des Beklagten wurden korrekt verzeichnet.
Eine Honorierung der nur im Kostenpunkt teilweise erfolgreichen Berufung des Beklagten kommt nicht in Betracht (RS0087844; vgl zuletzt 7 Ob 159/23t; OLG Wien 15 R 144/21p uva). Der Berufungssenat schließt sich jener Rechtsprechung an, nach der ein (teilweiser) Erfolg des in der Hauptsache erhobenen Rechtsmittels im Kostenpunkt auf die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren keinen Einfluss hat, weil die Kostenrüge bzw deren Beantwortung Teile der Rechtsmittelschriftsätze in der Hauptsache sind und mit deren Kosten abgegolten sind (RS0119892 [T3, T4, T7], RS0087844 [T3, T5, T9]).
V.) Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die ordentliche Revision nicht zuzulassen.