JudikaturOLG Wien

6R10/24w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
15. April 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende, den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Nigl, LL.M., in der Firmenbuchsache der A* GmbH , FN **, **, wegen Bestellung eines Notgeschäftsführers (§ 15a GmbHG), über den Rekurs des Antragstellers B* , **, vertreten durch AKELA RechtsanwältInnen GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 6.12.2023, 73 Fr 19981/22k-181, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen .

Der Antragsteller hat die Kosten seines Rekurses selbst zu tragen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung

Die A* GmbH ( Gesellschaft ) ist seit 14.10.2005 zu FN ** im Firmenbuch eingetragen. Geschäftsführer ist C*, geboren am ** ( Geschäftsführer ), der die Gesellschaft seit 18.12.2013 selbstständig vertritt. Gesellschafter sind C* mit einer voll geleisteten Stammeinlage von EUR 17.510,-- und B*, geboren am ** ( Antragsteller ), mit einer voll geleisteten Stammeinlage von EUR 17.490,--. Beide Gesellschafter haben nach dem aktuellen Firmenbuchstand ihren Wohnsitz in Russland.

Am 8.6.2022 beantragte B* die Bestellung eines Notgeschäftsführers für die Gesellschaft.

Mit Beschluss vom 26.7.2022 (ON 16) wurde dem Geschäftsführer C* eine Äußerungsmöglichkeit binnen zwei Wochen ab Zustellung zum Antrag auf Notgeschäftsführerbestellung eingeräumt und ihm dieser Beschluss samt Antrag und Beilagen im Jänner 2023 im Wege des Bundesministeriums für Justiz im Rechtshilfeweg zugestellt (ON 66, 76).

Mit Beschluss vom 6.7.2023 , bekannt gemacht in der Insolvenzdatei am selben Tag, wurde zu 6 S 112/23x des Handelsgerichtes Wien über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet und Mag.Dr. D* zum Masseverwalter bestellt.

Am 19.9.2023 langte eine in russischer Sprache verfasste Mitteilung beim Erstgericht ein, der das gesamte Rechtshilfeersuchen im Original angeschlossen war (ON 154).

Das Erstgericht teilte dem Antragsteller mit Beschluss vom 21.9.2023 mit, das Rechtshilfeersuchen sei von der russischen Behörde retourniert worden, und trug ihm den Erlag eines Kostenvorschusses in Höhe von EUR 1.000,-- binnen zwei Wochen zur Übersetzung des Berichtes der russischen Behörde auf (ON 157).

Mit Eingabe vom 4.10.2023 wies der Antragsteller auf die Insolvenzeröffnung hin und ersuchte, das vorliegende Verfahren zu unterbrechen. Der gegenständliche Antrag sei dazu gedacht gewesen, die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft durch die kurzfristige Bestellung eines Notgeschäftsführers wiederherzustellen und dadurch eine Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Dafür sei es nun zu spät. Es sei ihm auch nicht zumutbar, dass das Gericht die bisher im Verfahren bestellte Dolmetscherin neuerlich für die Übersetzung heranziehe, nachdem diese ihre Leistungen erst nach monatelangen Verzögerungen und etlichen Urgenzen erbracht habe, dafür ein Vielfaches der veranschlagten Kosten verlange und ihre überzogenen Forderungen nunmehr im Wege der Verfahrenshilfe gegen den Antragsteller geltend mache (ON 158).

Das Erstgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss zu 1. den Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens und zu 2. den Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers ab.

In seiner Begründung führte es aus, gemäß § 6 Abs 3 IO könnten Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen nicht betreffen, während des Insolvenzverfahrens fortgesetzt werden. Dazu würden jedenfalls Verfahren zählen, deren Gegenstand nicht vermögensrechtlicher Natur ist, wie etwa Rechtsfürsorgeverfahren. Im konkreten Fall seien die Voraussetzungen für eine Verfahrensunterbrechung daher nicht gegeben.

Was die Notwendigkeit der Bestellung eines Notgeschäftsführers betreffe, so würden die vom Antragsteller in seinem Antrag behaupteten Malversationen zwar eine Abberufung des Geschäftsführers rechtfertigen, nicht aber die Bestellung eines Notgeschäftsführers. Vom Gericht sei ferner zu prüfen, ob eine Kontaktaufnahme mit dem Geschäftsführer im Ausland möglich und zumutbar sei, wobei hierfür grundsätzlich auch eine elektronische Zustelladresse ausreiche. Zur Überprüfung dieser Bestellungsvoraussetzung wäre die Übersetzung des Zustellberichtes der russischen Behörde erforderlich gewesen. Da vom Antragsteller der für den Fortgang des Verfahrens notwendige Kostenvorschuss nicht erlegt worden sei, könne dies nicht beurteilt werden.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung, seinem Begehren auf Bestellung eines Notgeschäftsführers stattzugeben; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig .

1. Gemäß § 7 Abs 1 IO werden alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten - mit Ausnahme der in § 6 Abs 3 IO bezeichneten Streitigkeiten - durch die Insolvenzeröffnung unterbrochen. Die Unterbrechung tritt ex lege ein, auch noch im Stadium des Rechtsmittelverfahrens (RS0036996 [T4]), ohne dass eine (deklarative) Feststellung dieser Unterbrechung durch das Prozessgericht erfolgen müsste (6 Ob 121/21v; 1 Ob 276/99s ua). Eine Fortsetzung des Verfahrens kommt vor Abschluss der Prüfungstagsatzung nicht in Betracht (§ 7 Abs 3 IO; vgl RS0036735).

2. Die Unterbrechung gemäß § 7 Abs 1 IO erfasst alle Rechtsstreitigkeiten, welche die Insolvenzmasse betreffen. Entscheidend ist, dass der geltend gemachte Anspruch zu Gunsten oder zu Lasten dieser Masse Wirkungen zeitigen kann. Auf die Parteirolle des Schuldners kommt es ebenso wenig an wie darauf, ob das Begehren auf Leistung, Feststellung oder Gestaltung gerichtet ist ( Fink in Fasching/Konecny³ II/3, § 159 ZPO Rz 19; Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 I § 7 KO Rz 7).

Nicht betroffen von der Prozesssperre des § 7 Abs 1 IO sind daher Streitigkeiten, deren Gegenstand nicht vermögensrechtlicher Natur ist, aber auch Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur, soweit der Gegenstand weder einen Aktiv- noch einen Passivbestandteil der Insolvenzmasse betrifft. Letzteres trifft nur zu, wenn die dem Klagebegehren stattgebende Entscheidung im Prozess auf den Stand der Insolvenzmasse unmittelbar keinen Einfluss nimmt. Unmittelbar ist der Einfluss auch dann, wenn der Streitgegenstand selbst den Sollstand der Masse nicht berührt, mit vermögensrechtlichen, die Masse betreffenden Ansprüchen aber derart eng verknüpft ist, dass sich das dem Klagebegehren stattgebende Urteil auf deren Bestand oder Höhe rechtsnotwendigerweise unmittelbar auswirkt (RS0064115; 10 ObS 48/17g; 4 Ob 11/10m; 1 Ob 567/94 = SZ 67/168; Schubert in Konecny/Schubert , InsG § 6 KO Rz 3).

3. Die innere Organisation einer konkursverfangenen Gesellschaft betrifft die Masse im Regelfall nicht. Aus diesem Grund fällt etwa die Bestellung oder Abberufung eines Geschäftsführers nicht in den Wirkungskreis des Masseverwalters (RS0059891, RS0059903), außer eine solche Entscheidung führte zu Ansprüchen des Geschäftsführers gegen die Gesellschaft (1 Ob 567/94 = SZ 67/168; 4 Ob 11/10m).

4. Diese Grundsätze gelten gemäß § 8a IO sinngemäß auch im Verfahren außer Streitsachen (6 Ob 235/08i), damit auch im vorliegenden Verfahren nach § 15a GmbHG. Zu prüfen ist daher, ob es sich bei der Bestellung zum Notgeschäftsführer aus Sicht der konkursverfangenen Gesellschaft um einen Streitgegenstand nicht vermögensrechtlicher Natur handelt.

5. Die Bestellung zum Notgeschäftsführer wird gemäß § 15a Abs 3 GmbHG mit der Zustellung des Bestellungsbeschlusses an ihn und seiner Zustimmung wirksam. Mit der Annahme der Bestellung entsteht auch der Anspruch des Notgeschäftsführers auf angemessene Entlohnung seiner Tätigkeit (6 Ob 252/01d = ecolex 2002, 78) und endet grundsätzlich - so vertraglich nichts Anderes vorgesehen ist - mit der Beendigung seiner Stellung als Notgeschäftsführer. Während der Entlohnungsanspruch des „gewöhnlichen“ Geschäftsführers in der Regel auf vertraglicher Vereinbarung basiert, ist nach herrschender Ansicht für den Entlohnungsanspruch des Notgeschäftsführers § 1152 ABGB analog anzuwenden, weil im Regelfall zu erwarten ist, dass der Betreffende nur gegen entsprechende Honorierung tätig werden will. Der Vergütungsanspruch des Notgeschäftsführers richtet sich ausschließlich gegen die Gesellschaft, nicht etwa gegen den Antragsteller, gegen die Gesellschafter oder gegen den Bund als Träger der Gerichtsbarkeit, weil durch die Bestellung des Notgeschäftsführers nur ein Rechtsverhältnis (Schuldverhältnis) zwischen diesem und der Gesellschaft, nicht aber mit den Gesellschaftern oder sonstigen Dritten begründet wird (RS0108683, RS0113472, RS0108684; 6 Ob 184/01d ua; Ratka in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG, § 15a Rz 43, 46; Koppensteiner/Rüffler , GmbHG³ § 15a Rz 12 mwN).

6. Daraus folgt, dass das Verfahren auf Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG sich notwendigerweise unmittelbar auf die Höhe der Insolvenzmasse der konkursverfangenen Gesellschaft auswirkt, sodass entgegen der Argumentation des Erstgerichtes kein Schuldnerprozess im Sinne des § 6 Abs 3 IO, sondern ein Masseprozess nach § 7 Abs 1 IO vorliegt. Das gegenständliche Verfahren ist daher ex lege seit der Insolvenzeröffnung am 6.7.2023 gemäß § 7 Abs 1 IO unterbrochen.

7. Der Rekurs des Antragstellers wurde erst nach diesem Zeitpunkt erhoben. In einem solchen Fall, wenn die Unterbrechungswirkung durch die Insolvenzeröffnung vor Erhebung des Rechtsmittels eintrat, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen (RS0037150), es sei denn, die Partei erachtet sich gerade durch eine trotz bereits erfolgter Verfahrensunterbrechung ergangene gerichtliche Entscheidung beschwert (RS0037023). Die Erhebung eines Rechtsmittels während der durch die Insolvenzeröffnung hervorgerufenen Unterbrechung des Verfahrens ist somit nur dann zulässig, wenn darin ein Verstoß gegen § 7 IO geltend gemacht wird (RS0037023 [T8], RS0036977).

8. Einen Verstoß gegen § 7 IO greift der Antragsteller in seinem Rechtsmittel allerdings nicht (mehr) auf, sodass es sich als unzulässig erweist. Aufgrund der absoluten Unzulässigkeit des Rekurses ist auch nicht weiter darauf einzugehen, dass das Erstgericht unzulässigerweise noch nach der Insolvenzeröffnung über den Antrag auf Notgeschäftsführerbestellung entschieden hat. Eine allfällige Nichtigkeit der erstgerichtlichen Entscheidung kann vom Rekursgericht mangels Vorliegens eines zulässigen Rechtsmittels nicht wahrgenommen werden (6 Ob 121/21v ua).

Der Rekurs des Antragstellers ist demnach als unzulässig zurückzuweisen.

Gemäß § 78 AußStrG hat der Antragsteller die Kosten seines unzulässigen Rekurses selbst zu tragen.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf §§ 59 Abs 1 Z 2, 62 Abs 1 AußStrG. Erhebliche Rechtsfragen im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung lagen nicht zur Beurteilung vor.

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