6R19/24v – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Nigl, LL.M. in der Firmenbuchsache der A* GmbH , FN **, **, wegen Änderung des Gesellschaftsvertrages und des Bilanzstichtages, über den Rekurs 1.) der Gesellschaft sowie der Geschäftsführer und Gesellschafter 2.) Mag. B* C*-D* , geboren am **, und 3.) Mag. E* D* , geboren am **, beide **, alle vertreten durch Mag. Peter Pfannl, öffentlicher Notar in Lilienfeld, gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 5.1.2024, **-1 (richtig: 2), in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben .
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
Die A* GmbH ( Gesellschaft ) mit Sitz in ** ist zu FN ** im Firmenbuch eingetragen. Eingetragener Stichtag für den Jahresabschluss ist der 30. April.
Mit einem am 22.12.2023 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrten Mag. B* C*-D* und Mag. E* D* als Geschäftsführer der Gesellschaft die nachstehende Eintragung im Firmenbuch (Löschungen werden durch # bezeichnet):
„STICHTAG für JAHRESABSCHLUSS
# 30. April
31. Dezember
Generalversammlungsbeschluss vom 21.12.2023
Änderung des Bilanzstichtages und Änderung des Gesellschaftsvertrages im Punkt 6.2“
In der Generalversammlung vom selben Tag hätten die Gesellschafter beschlossen, den Gesellschaftsvertrag in seinem Punkt 6.2. wie folgt zu ändern:
„6.2. Das Geschäftsjahr 2023 […] ist ein Rumpfgeschäftsjahr, es hat am 1. Mai begonnen und endet am 31. Dezember 2023. Die weiteren Geschäftsjahre beginnen jeweils am 1. Jänner und enden am 31. Dezember des selben Jahres. Sie fallen mit den Kalenderjahren zusammen.“
Mit dem Antrag wurden ein notariell beurkundetes Generalversammlungsprotokoll und eine aktuelle Fassung des Gesellschaftsvertrages vorgelegt.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht das Eintragungsbegehren ab. Es begründete dies damit, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ein Satzungsänderungsbeschluss auf Änderung des Geschäftsjahres vor Ablauf des betreffenden Geschäftsjahres im Firmenbuch eingetragen werden müsse. Nach Ablauf des Geschäftsjahres sei die Änderung nicht mehr im Rückbezug auf das abgelaufene Geschäftsjahr eintragbar.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Gesellschaft und der als Gesellschafter derselben bezeichneten Mag. B* C*-D* und Mag. E* D*.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
„ 3.2. Gemäß § 49 Abs 2 GmbHG hat die Abänderung des Gesellschaftsvertrages keine rechtliche Wirkung, bevor sie in das Firmenbuch eingetragen ist. Die Firmenbucheintragung ist daher grundsätzlich konstitutiv (RS0060426 [T1]; Rauter/Milchrahm in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 49 Rz 148; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 49 Rz 12).
3.3. In der Lehre wird eine rückwirkende Änderung des Bilanzstichtages differenziert beurteilt.
Nach Kalss/Eckert (Der maßgebliche Zeitpunkt für die Änderung des Bilanzstichtages, NZ 2006/83, 353 ff), diesen folgend Rauter/Milchrahm (aaO Rz 142) und Ch. Nowotny (aaO Rz 12), ist eine Beschlussfassung der Gesellschafter vor dem Stichtag ausreichend.
Schlager-Haider (aaO), Gruber (in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG 2 § 145 Rz 34), Nagele/Lux (in Artmann/Karollus, AktG III 6 § 145 Rz 10) und Koppensteiner/Rüffler (aaO Rz 17) erachten hingegen die Beschlussfassung sowie die Antragstellung beim Firmenbuch vor dem Ablauf des Rumpfgeschäftsjahres als notwendig, aber auch ausreichend.
Zib (in Zib/Dellinger, GroßKomm UGB § 7 Rz 95) führt aus, mit Recht werde eine auf die Zeit vor der Eintragung rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres wegen Gefährdung der Gläubigerinteressen gar nicht oder nur sehr eingeschränkt zugelassen.
3.4. In Deutschland vertritt Harbarth (in MüKoGmbHG § 53 Rz 175, 248), dass eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres aus Gründen der Rechtssicherheit im Hinblick auf die hieraus resultierende Gefährdung von Gläubigerinteressen generell unstatthaft sei. Auch eine Ausnahme insoweit, als zur Fristwahrung die Anmeldung der Satzungsänderung vor Geschäftsabschluss genüge, sofern die Eintragung alsbald erfolge, sei nicht zulässig.
Hingegen reicht nach Ulmer/Casper (GmbHG § 53 Rz 125) zur Fristwahrung die Anmeldung der Satzungsänderung vor Geschäftsjahresabschluss aus, sofern nur die Eintragung alsbald erfolgt.
3.5. Das Oberlandesgericht Graz (4 R 28/07f) lässt eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres durch Satzungsänderung mit Gesellschafterbeschluss insoweit zu, als der Beschluss vor Ablauf des neuen gebildeten Rumpfgeschäftsjahres gefasst wird und auch der Antrag auf Eintragung der Satzungsänderung vor diesem Zeitpunkt bei Gericht einlangt.
Auch das Oberlandesgericht Wien (zuletzt 28 R 44/11p; 28 R 194/12y; 28 R 390/14z) judiziert, dass eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres durch Satzungsänderung nur dann zulässig ist, wenn der Änderungsbeschluss vor Ablauf des neu gebildeten Rumpfgeschäftsjahres gefasst wurde und auch der Antrag auf Eintragung der Satzungsänderung vor diesem Zeitpunkt bei Gericht einlangt. Diesen Entscheidungen lagen jedoch Sachverhalte zu Grunde, in denen bereits die Antragstellung nach Ablauf des beschlossenen Rumpfgeschäftsjahres erfolgte, sodass die Frage, ob auch eine Eintragung im Firmenbuch vor Ablauf des Rumpfgeschäftsjahres erforderlich ist, nicht zu klären war.
3.6. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 24/94; 6 Ob 184/05k; zuletzt 6 Ob 235/12w unter Ablehnung der Kritik von Kalss/Eckert, aaO) ist jedenfalls im Verhältnis zu Dritten eine Rückwirkung der Satzungsänderung auf einen vor der Eintragung gelegenen Zeitpunkt ausgeschlossen. Nach Ablauf des Geschäftsjahres ist ein Satzungsänderungsbeschluss auf Änderung des Geschäftsjahres nicht mehr in Rückbezug auf das abgelaufene Geschäftsjahr im Firmenbuch eintragbar. Der Jahresabschluss hat insbesondere für die Information Dritter Bedeutung, sodass eine rückwirkende Eintragung nicht in Betracht kommt.“
Der zur Entscheidung 6 Ob 235/12w veröffentlichte Rechtssatz (RIS-Justiz RS0060426 [T3]), wonach eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres durch Satzungsänderung nur dann zulässig sei, wenn der Änderungsbeschluss vor Ablauf des neu gebildeten Rumpfgeschäftsjahres gefasst wurde und auch der Antrag auf Eintragung der Satzungsänderung vor dem Stichtag bei Gericht einlangt, lässt sich den Entscheidungsgründen, nach denen für ein Abgehen von der bisherigen (auf die Eintragung abstellenden) Rechtsprechung kein Grund bestehe, nicht entnehmen.
3.7. Ziel der Offenlegungsvorschriften ist die Unterrichtung Dritter über geschäftsrelevante Umstände, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht hinreichend kennen oder kennen können (RS0113090). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist daher zu fordern, dass nicht nur die Beschlussfassung und die Anmeldung zum Firmenbuch, sondern auch die entsprechende Eintragung vor Ablauf des Rumpfgeschäftsjahres erfolgen muss, weil im Hinblick auf die Publizität des Firmenbuchs sowie die Bedeutung des Bilanzstichtages und des Jahresabschlusses dem Informationsbedürfnis Dritter eben erst mit der Eintragung der Änderung des Geschäftsjahres und nicht bereits mit der Anmeldung entsprochen wird.
Dass die Gesellschaft keinen Einfluss auf die Dauer des Eintragungsverfahrens hat, ist zwar richtig, aber nicht entscheidend, weil einerseits Firmenbucheintragungen in der Regel ohnehin binnen weniger Tage erfolgen. Andererseits wird auch im Rahmen der Drittwirksamkeit eines Haftungsausschlusses nach § 38 Abs 4 UGB, wo es ebenso auf das Informationsbedürfnis Dritter ankommt, nicht auf die Anmeldung, sondern auf die Eintragung im Firmenbuch beim Unternehmensübergang abgestellt (6 Ob 79/19i).