JudikaturOLG Wien

6R81/24m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. März 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Nigl, LL.M., und Mag. Klenk im Konkurs über das Vermögen der A* GmbH , FN* **, **, vertreten durch Bachmann Bachmann Rechtsanwälte in Wien, Masseverwalterin Dr. B*, Rechtsanwältin in Wien, über den Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 30.1.2024, 28 S 21/24b 1 (28 Se 411/23d; 28 Se 450/23i), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung:

Die Österreichische Gesundheitskasse (Ersta ntragstellerin ) stellte am 2.11.2023 beim Erstgericht zu 28 Se 411/23d den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des A* GmbH, FN ** ( Antragsgegnerin bzw. Schuldnerin ) und brachte vor, diese schulde ihr laut vollstreckbarem Rückstandsausweis vom 2.11.2023 EUR 2.849,19 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen. Die Zahlungsunfähigkeit werde mit dem Zeitraum der rückständigen Beiträge unter Bedachtnahme auf § 69 Abs 2 IO glaubhaft gemacht. Der Geschäftszweig der Schuldnerin sei „Beteiligungsgesellschaften“. Dem angeschlossenen Rückstandsausweis vom 2.11.2023 war ein Beitragsrückstand von EUR 2.849,19 für den Zeitraum 05/23 bis 09/23 zu entnehmen.

Die C*, FN ** ( Zweitantragstellerin ), stellte am 21.11.2023 beim Erstgericht zu 28 Se 450/23i den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin und brachte vor, sie habe gegen sie „schon lange“ eine offene titulierte Forderung von EUR 2.753,30. Das zu 9 E 758/21x des Bezirksgerichts Floridsdorf geführte Exekutionsverfahren sei bisher ergebnislos verlaufen. Die Schuldnerin habe auch die im Juli 2021 getroffene Ratenvereinbarung nicht eingehalten. Es sei davon auszugehen, dass die Schuldnerin auch anderen Gläubigern namhafte Beträge schulde. Dem Antrag beigelegt war der vollstreckbare Zahlungsbefehl des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 11.1.2021 zu 9 C 6/21d, die Bewilligung der Fahrnis- und Forderungsexekution vom 2.3.2021 des Bezirksgerichts Floridsdorf zu 9 E 758/21x und ein Vollzugsbericht vom 9.6.2021, wonach die Pfändung nicht vollzogen werden konnte, weil die angeführte Vollzugsadresse tatsächlich kein Vollzugsort sei.

Die A* GmbH (vormals D* mbH) ist seit 13.5.2009 im Firmenbuch zu FN ** mit Sitz in ** eingetragen. Der alleinige Geschäftsführer ist Dr. E*, geboren **. Mit jeweils zur Gänze eingezahlten Stammeinlagen hat die Schuldnerin folgende Gesellschafter:

- F* mit EUR 2.570

- G* GmbH mit EUR 3.720

- H* GmbH mit EUR 4.085

- I* Privatstiftung mit EUR 4.085

- J* Beteiligungs GmbH mit EUR 4.450

- K* GmbH mit EUR 16.090.

Eine Abfrage im Gewerbeinformationssystem Austria zur Schuldnerin verlief ergebnislos (ON 3 in 28 Se 411/23d; ON 3 in 28 Se 450/23i); ebenso wie eine Abfrage im Grundbuch (ON 5 in 28 Se 411/23d; ON 5 in 28 Se 450/23i), zur offenkundigen Zahlungsunfähigkeit, im Pfändungsregister und in der Liste der Vermögensverzeichnisse (ON 6 in 28 Se 411/23d; ON 6 in 28 Se 450/23i).

Auf Anfrage des Erstgerichts erstattete die Bauarbeiter , Urlaubs und Abfertigungskasse eine Leermeldung (ON 7 in 28 Se 411/23d).

Die Erstantragstellerin teilte am 12.12.2023 mit, dass auf dem Beitragskonto der Antragsgegnerin weiterhin Beiträge für den Zeitraum Mai 2023 bis November 2023 von derzeit EUR 4.291,24 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen unberichtigt aushaften, ein Dienstnehmer zur Sozialversicherung gemeldet sei und keine aufrechte Zahlungsvereinbarung bestehe (ON 8 in 28 Se 411/23d).

In ihrer schriftlichen Eingabe vom 12.12.2023 brachte die Antragsgegnerin vor, dass sie weder überschuldet noch zahlungsunfähig sei. Sie verfüge über ein konsolidiertes Nettoreinvermögen bzw. Eigenkapital von rund EUR 5,000.000, das im Jahr 2022 durch Gesellschafterzuschüsse sogar um rund EUR 800.000 weiter gestiegen sei. Die Antragsgegnerin sei auch für die Wahrnehmung ihrer künftigen Aufgaben ausreichend finanziert und in der Lage, alle ihre Verbindlichkeiten abzudecken. Unter anderem verfüge sie über einen aufrechten Zahlungsanspruch gegen die L* GmbH, an der sie mit 57,5% mehrheitlich beteiligt sei, aus dem bestehenden Verrechnungskonto von EUR 300.000. Den Anspruch der Antragstellerin und auch alle übrigen fälligen Verbindlichkeiten könne die Antragsgegnerin jederzeit vollständig abdecken (ON 9 in 28 Se 411/23d = ON 8 in 28 Se 450/23i).

Eine vom Erstgericht mit Stichtag 18.12.2023 durchgeführte Abfrage im Exekutionsregister ergab seit 2018 insgesamt 17 aktuell anhängige Exekutionsverfahren diverser Gläubiger gegen die Schuldnerin; Gläubiger waren neben der Erstantragstellerin noch Öffentliche Notare M*, N* GmbH, O* Gesellschaft m.b.H., Mag. P*, Q*, Republik Österreich Einbringungsstelle, R* GmbH Co KG, DDr.S * und Öffentliche Notare T* Partnerschaft (ON 10 in 28 Se 411/23d).

Bei der Einvernahmetagsatzung am 19.12.2023 gestand die Schuldnerin den Bestand der Forderungen der Antragsteller als richtig zu, bestritt jedoch das Vorliegen der Insolvenzvoraussetzungen mit der Begründung, dass eine vorübergehende Zahlungsstockung vorliege. Sie legte Auftragsbestätigungen zu einer Zahlungsanweisung an die Erstanstragstellerin von EUR 2.849,19 und an die Zweitantragstellerin von EUR 1.376,65 vor. Das Erstgericht gab der Schuldnerin eine Frist bis 15.1.2024 für den Nachweis der Regelung der Forderungen der beiden Antragsteller, des Dr. U* und der Notare M* (ON 9 in 28 Se 411/23d).

Am 3.1.2024 teilte die Erstantragstellerin mit, dass auf dem Beitragskonto der Antragsgegnerin EUR 1.442,05 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen unberichtigt aushaften, ein Dienstnehmer zur Sozialversicherung gemeldet sei und keine aufrechte Zahlungsvereinbarung bestehe (ON 11 in 28 Se 411/23d).

Mit Eingabe vom 15.1.2024 brachte die Antragsgegnerin neuerlich vor, das Verrechnungskonto bei der L* GmbH weise ein Guthaben von EUR 250.000 zu ihren Gunsten auf. Aufgrund einer Finanzierungszusage der V* über einen Kredit von EUR 1,8 Mio könne die L* GmbH das Verrechnungskonto auch abdecken. Im Übrigen seien alle Verbindlichkeiten entweder durch Vollzahlung oder Raten- bzw Stundungsvereinbarungen geregelt. Die Forderungen der beiden Antragstellerinnen seien durch Zahlung des zweiten Teils am 15.1.2024 vollständig befriedigt. Zur Forderung des Finanzamts von EUR 41.061,89 liege ein Bescheid über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen vom 10.10.2023 vor. Zur Forderung der Mag. P* sei am 29.12.2023 Vollzahlung geleistet worden. Zur Forderung der Notare M* liege eine Stundung in voller Höhe vor und eine Zustimmung zur Ratenzahlung. Zur Forderung des Notars Dr. U* liege eine Stundungsvereinbarung bis zum 24.1.2024 vor. Die Notare T* hätten einer Stundung bis 31.1.2024 zugestimmt. Die O* GmbH habe einer Zahlung in zwei Raten am 31.1.2024 und 28.2.2024 zugestimmt. Die N* GmbH habe einer Zahlung bis 15.2.2024 zugestimmt, sodass dazu ebenfalls eine Stundung vorliege. Die Zahlung der Restforderung des Q* erfolge bis 31.1.2024 (ON 12 in 28 Se 411/23d = ON 10 in 28 Se 450/23i). Mit dieser Eingabe legte die Schuldnerin folgende Urkunden vor:

- E-Mail der L* GmbH vom 15.1.2024 an Dr. U*, wonach aufgrund der zuletzt geführten Telefonate davon augegangen wede, dass der Zahlungstermin 24.1.2024 für die Vollzahlung in Ordnung sei

- E-Mail-Korrespondenz vom 11.1.2024, wonach die Öffentlichen Notare T* Partnerschaft das Ansuchen der L* GmbH auf Zahlung der Forderung bis 31.1.2024 bewilligt

- E-Mail der L* GmbH vom 13.1.2024 an O* mit der Anfrage, ob die Zahlung in zwei Raten am 31.1.2024 und 28.2.2024 vorgenommen werden könne

- E-Mail des Rechtsanwalts Dr. W* in Sachen N* GmbH vom 15.1.2024, in dem festgehalten wurde „Vereinbarungsgemäß werden Sie den Betrag von EUR 87.735,82 bis spätestens 15.02.2024 auf mein Konto […] zur Überweisung bringen.“

- Schriftstück ohne Aussteller und Adressat, wonach sich die Schuldnerin verpflichtet, den Restbetrag von 616,86 bis 31.1.2024 an Q* zahlt

- Finanzierungszusage der V* AG vom 17.8.2023 über EUR 1,8 Mio an die L* GmbH

- Auftragsbestätigung über eine Zahlungsanweisung über EUR 1.376,65 an die Zweitantragstellerin

- Auftragsbestätigung über eine Zahlungsanweisung über EUR 1.932,48 an die Erstantragstellerin

- E-Mail der L* GmbH vom 29.12.2023 an P*, wonach der offene Restbetrag wie angekündigt gezahlt worden sei samt Auftragsbestätigung über die Zahlung von EUR 1.341,17 an P* am 29.12.2023

- E-Mail-Korrespondenz vom 15.1.2024, wonach die Öffentlichen Notare M* ua der vorgeschlagenen Ratenvereinbarung zustimmen.

Am 18.1.2024 legte die Schuldnerin eine Transaktionsbestätigung vom 17.1.2024 über EUR 1.376,65 zur Zweitantragstellerin vor (ON 13 in 28 Se 450/23i).

Am 23.1.2024 teilte die Erstantragstellerin mit, dass auf dem Beitragskonto der Antragsgegnerin weiterhin Beiträge für den Zeitraum September 2023 bis Dezember 2023 von derzeit EUR 1.927,75 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen unberichtigt aushaften, ein Dienstnehmer zur Sozialversicherung gemeldet sei und keine aufrechte Zahlungsvereinbarung bestehe. Die behauptete Zahlung vom 15.1.2024 von EUR 1.932,48 habe bis dato nicht bestätigt werden können (ON 14 in 28 Se 411/23d = ON 14 in 28 Se 450/23i).

Am 26.1.2024 legte die Schuldnerin eine Transaktionsbestätigung vom 26.1.2024 über EUR 1.932,48 zur Erstantragstellerin vor (ON 15 in 28 Se 411/23d).

Am 25.1.2024 teilte das Handelsgericht Wien als Firmenbuchgericht dem Erstgericht mit, dass zu den Geschäftszahlen 73 Fr 55069/23w, 73 Fr 55068/23v und 73 Fr 25710/21b vollstreckbare Beschlüsse zu Zwangsstrafen aus 2021-2023 gegen die Schuldnerin von jeweils EUR 350 vorliegen und bis dato keine Zahlungen eingegangen seien (ON 16 in 28 Se 411/23d).

Mit Aktenvermerk vom 30.1.2024 hielt das Erstgericht fest, dass laut Telefonat mit der Erstantragstellerin keine Zahlung eingelangt sei und der Kostenvorschuss erlegt werde (ON 14 in 28 Se 450/23i).

Mit dem angefochtenen Beschluss eröffnete das Erstgericht das Konkursverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte Rechtsanwältin Dr. B* zur Masseverwalterin. Es legte das Ende der Anmeldungsfrist mit 20.3.2024 fest und beraumte die Berichts- und allgemeine Prüfungstagsatzung für den 3.4.2024 an. Begründend führte es aus, dass die Schuldnerin offene Rückstände bei der Antragstellerin von EUR 1.932,48 habe. Daneben bestünden noch Rückstände bei der Republik Österreich aus Zwangsstrafverfügungen über zumindest EUR 4.200. Dr. U* führe Exekution gegen die Schuldnerin wegen EUR 1.254,80, wobei insgesamt ein Außenstand von EUR 2.518,76 bestehe. Es sei daher von Zahlungsunfähigkeit auszugehen. Kostendeckendes Vermögen habe das Verfahren nicht ergeben, aber die Antragstellerin habe erklärt, einen Kostenvorschuss von EUR 4.000 direkt an den Insolvenzverwalter zu erlegen.

Mit Eingabe vom 31.1.2024 brachte die Schuldnerin vor, dass der Rückstand bei der Erstantragstellerin vollständig bezahlt worden sei. Dem Erstgericht sei am 30.1.2024 irrtümlich die unrichtige Auskunft gegeben worden, dass die Bezahlung der Rückstände nicht erfolgt sei (ON 19 in 28 Se 411/23 = ON 16 in 28 Se 450/23i). Angeschlossen waren die bereits am 26.1.2024 vorgelegte Transaktionsbestätigung vom 26.1.2024 über EUR 1.932,48 zur Erstantragstellerin, ein Schreiben der Erstantragstellerin vom 31.1.2024, wonach derzeit kein Rückstand bestehe und die Zahlung vom 30.1.2024 von EUR 1.932,48 die Beiträge bis einschließlich Dezember 2023 abdecke, sowie ein Aktenvermerk der Schuldnerin über ein Telefonat mit der Erstantragstellerin.

Am 1.2.2024 legte die Schuldnerin die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom 31.1.2024 zu 73 Fr 55069/23w, 73 Fr 55068/23v und 73 Fr 25710/21b über die Bewilligung der Ratenzahlung vor (ON 20 in 28 Se 411/23 = ON 17 in 28 Se 450/23i).

Gegen den Konkurseröffnungsbeschluss richtet sich der Rekurs der Schuldnerin mit einem auf Abweisung des Konkurseröffnungsantrags gerichteten Abänderungsantrag; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

1. In ihrem ersten Bericht vom 6.2.2024 teilte die Masseverwalterin mit, der Geschäftsführer der Schuldnerin habe weder Buchhaltungsunterlagen noch sonstige von der Masseverwalterin verlangte Unterlagen vorgelegt. Der vom Geschäftsführer namhaft gemachte Steuerberater habe mitgeteilt, dass er nie für die Schuldnerin tätig gewesen sei. Das Geschäftskonto der Schuldnerin weise einen Sollsaldo von EUR 112,49 auf. Die Ehefrau des Geschäftsführers der Schuldnerin sei als einzige Dienstnehmerin aufrecht zur Sozialversicherung gemeldet. Bisher seien Forderungen von sechs Gläubigern im Gesamtvolumen von EUR 455.000 angemeldet worden.

2. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 8.2.2024 wurde die Schließung des Unternehmens durch die Insolvenzverwalterin gemäß § 115 IO bewilligt und die Anzeige der Masseunzulänglichkeit in der Ediktsdatei veröffentlicht.

3. Am 27.2.2024 teilte die Masseverwalterin mit, dass bisher zehn Gläubiger Forderungen mit einer Gesamtsumme von EUR 589.498,13 angemeldet hätten.

4. Die Rekurswerberin bringt vor, sie habe den Rückstand bei der Erstantragstellerin (ÖGK) am 26.1.2024 vollständig bezahlt. Dazu legte sie ein Schreiben der Erstantragstellerin vom 31.1.2024 vor, wonach derzeit kein Rückstand auf dem Beitragskonto der Schuldnerin bestehe und durch die Zahlung vom 30.1.2024 von EUR 1.932,48 die Beiträge bis einschließlich Dezember 2023 abgedeckt seien.

Zur Forderung der Republik Österreich, Einbringungsstelle, bringt die Rekurswerberin vor, dass diese entgegen den Feststellungen im angefochtenen Beschluss lediglich EUR 1.050 betrage und bereits am 29.1.2024 eine Stundung durch den Rechtspfleger beim Handelsgericht Wien zugesagt worden sei.

Lediglich die Forderung des Dr. U* sei irrtümlich – und nicht aus wirtschaftlichen Gründen – ungeregelt geblieben. Dieser „kleine“ Betrag von EUR 1.254,80 bzw EUR 2.518,76 könne jederzeit gezahlt werden und rechtfertige nicht die Annahme der Zahlungsunfähigkeit.

Ergänzend zum Vorbringen vom 15.1.2024, wonach alle Verbindlichkeiten entweder geregelt oder bezahlt worden seien, lege die Rekurswerberin ein E-Mail des DDR. S* vom 13.2.2024 und ein Schreiben vom 24.7.2021 über die Vollzahlung gegenüber der R* GmbH Co KG vor.

Dem Rekurs sind neben einem Einzahlungsbeleg über EUR 1.932,48 an die ÖGK und dem genannten Schreiben der ÖGK vom 31.1.2024 folgende Unterlagen angeschlossen:

- Antrag der Schuldnerin vom 29.1.2024 auf Bewilligung der Ratenzahlung an das Handelsgericht Wien

- Bewilligung der Ratenzahlung zu 73 Fr 55069/23w, 73 Fr 55068/23v und 73 Fr 25710/21b je des Handelsgerichts Wien vom 31.1.2024

- E-Mail des DDr. S* vom 13.2.2024, wonach seine Forderungen gegen die Schuldnerin und die Exekutionsverfahren 9 E 393/20 des Bezirksgerichts Floridsdorf und 2 E 851/20s des Bezirksgerichts Lilienfeld seit 2021 erledigt seien

- E-Mail der L* GmbH vom 24.7.2021, wonach in der Anlage der Beleg über die Vollzahlung samt Zinsen von EUR 1.426,13 übermittelt werde und um Bestätigung des Erhalts und Einstellung des Exekutionsverfahrens zu 3 E 827/21t des Bezirksgerichts St. Pölten ersucht werde.

5. Gemäß § 70 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren auf Antrag einer Gläubigerin unverzüglich zu eröffnen, wenn sie eine – wenngleich nicht fällige - Insolvenzforderung und die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners glaubhaft macht. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner infolge eines nicht bloß vorübergehenden Mangels an bereiten Zahlungsmitteln seine fälligen Schulden in angemessener Frist nicht erfüllen und sich die dafür erforderlichen Mittel auch nicht alsbald verschaffen kann (RS0064528, insbesondere [T4]; 3 Ob 99/10w mwN).

5.1 Die Erstantragstellerin (ÖGK) bescheinigte durch den Rückstandsausweis zum einen die Insolvenzforderung und zum anderen wegen der Dauer des Rückstands auch die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Die Nichtzahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen und Abgaben ist ein ausreichendes Indiz für das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit, weil es sich bei diesen Forderungen um Betriebsführungskosten handelt. Diese werden von den zuständigen Behörden und Institutionen bekanntlich so rasch in Exekution gezogen, dass sich ein Zuwarten mit ihrer Zahlung bei vernünftigem wirtschaftlichem Vorgehen verbietet und im Allgemeinen nur aus einem Zahlungsunvermögen erklärbar ist ( Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 66 KO Rz 69).

5.2 Es ist daher nicht wesentlich, dass der Zweitantragstellerin eine ausreichende Behauptung und Bescheinigung der Zahlungsunfähigkeit nicht gelungen ist. Die Nichtzahlung auch von titulierten Forderungen stellt nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Rekursgerichts keinen ausreichenden Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten dar ( Mohr , IO 11 § 70 E 78,79). Dafür genügt auch die Behauptung von gegen den Schuldner erwirkten Exekutionsbewilligungen nicht (vgl Mohr , IO 11 § 70 E 83-85), weil sie auch Folge einer bloßen Zahlungsunwilligkeit sein könnten. Selbst das Vorbringen einer erfolglos geführten Exekution reicht für die Behauptung der Zahlungsunfähigkeit nicht aus, weil – wie häufig zu beobachten ist - der Vollzug einer Pfändung auch an der Unauffindbarkeit des Schuldners an der vom Gläubiger angegebenen Adresse scheitern kann. Dies lässt aber nur auf das Fehlen eines Vollzugsortes an jener Adresse schließen.

5.3 Wird - wie hier - von der Gläubigerin (ÖGK) die Zahlungsunfähigkeit fürs Erste bescheinigt, liegt es an der Schuldnerin, die Gegenbescheinigung zu erbringen, dass sie zahlungsfähig ist. Um die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit zu entkräften, ist der Nachweis erforderlich, dass die Forderungen sämtlicher Gläubiger - nicht nur jene der Antragstellerin - bezahlt werden konnten bzw. die Schuldnerin über die zur Tilgung aller fälligen Verbindlichkeiten nötigen Geldmittel verfügt ( Mohr , IO 11 § 70 E 239 f) oder zumindest mit allen Gläubigern Zahlungsvereinbarungen getroffen hat, die sie auch einzuhalten im Stande ist ( Mohr , IO 11 § 70 E 243, 271 f). Bei der Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist nicht zu berücksichtigen, dass die Gläubigerin den Antrag auf Insolvenzeröffnung zurückgezogen hat oder ihre Forderung nach dem Antrag befriedigt oder geregelt worden ist. Die Befriedigung einer solchen Forderung reicht alleine nicht aus, um das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit zu entkräften (§ 70 Abs 4 IO).

6. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Insolvenzvoraussetzungen vorliegen, ist im Rechtsmittelverfahren wegen der Neuerungserlaubnis des § 260 Abs 2 IO die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz – hier der 30.1.2024 – und die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend.

6.1 Grundsätzlich gilt im Insolvenzverfahren für die Rekursausführungen kein Neuerungsverbot (RS0043943; Erler in KLS ², § 260 Rz 33). Die Neuerungserlaubnis findet jedoch ihre Grenze in § 259 Abs 2 IO, wonach Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden können (RS0115313; RS0110967 [T6] = 8 Ob 36/04h). Gleiches gilt für Personen, die zwar erschienen sind, aber ein entsprechendes Vorbringen unterlassen haben (vgl 8 Ob 56/01w).

6.2 Hier steht der Schuldnerin die Neuerungserlaubnis insoweit offen, als es sich um Tatsachen handelt, die nach der Einvernahmetagsatzung am 19.12.2023 eingetreten sind. Auch unter Berücksichtigung derartiger zulässiger Neuerungen gelingt der Schuldnerin aber nicht der Nachweis der Zahlungsfähigkeit. So wird etwa mit dem am 15.1.2024 vorgelegten E-Mail der L* GmbH (!) an O* keine Vereinbarung über Zahlungserleichterungen bescheinigt, sondern lediglich ein derartiges Angebot der L* GmbH. Auch zum Gläubiger Q* ist die behauptete Stundungsvereinbarung nicht bescheinigt, weil das dazu vorgelegte Schriftstück nicht vom Gläubiger stammt.

6.3 Damit war im Zeitpunkt der Fassung des angefochtenen Beschlusses die Regelung sämtlicher Verbindlichkeiten nicht bescheinigt.

7. Die Schuldnerin gesteht in ihrem Rekurs zu, dass die Forderung des Dr. U* nach wie vor nicht geregelt ist, bringt aber vor, diese könne „jederzeit“ bezahlt werden. Auf das Vorliegen einer Zahlungsstockung im Zusammenhang mit dem Guthaben auf dem Verrechnungskonto der Schuldnerin bei der L* GmbH stützt sich die Schuldnerin in ihrem Rekurs nicht mehr.

7.1 Eine Zahlungsstockung liegt vor, wenn der Schuldner „voraussichtlich“ und „alsbald“ seine fälligen Schulden zur Gänze bezahlen können wird ( Mohr , IO 11 § 66 IO E 50). Sie ist ex ante für den Zeitpunkt zu prüfen, zu dem der Schuldner nicht in der Lage ist, alle fälligen Schulden zu zahlen ( Mohr , IO 11 § 66 IO E 51). Ob – bei Bejahung einer Liquiditätslücke - nur eine Zahlungsstockung vorliegt, richtet sich danach, ob der objektive Zustand der Zahlungsunfähigkeit voraussichtlich einen Dauerzustand bildet oder dieser nur kurzfristiger Natur ist. Welche Frist zur Überbrückung einer Zahlungsstockung angemessen ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl dazu 8 Ob 117/15m; 3 Ob 99/10w, 10 Ob 90/04i). Die Frist beginnt mit dem Fälligkeitszeitpunkt der gegen den Schuldner bestehenden Forderungen ( Schumacher in KLS 2 § 66 IO Rz 23).

7.2 Eine Registerabfrage durch das Rekursgericht (§ 254 Abs 5 IO; RS0065221) ergab, dass zum Stichtag 25.3.2024 nach wie vor zehn Exekutionsverfahren aktuell anhängig sind, darunter eines der Republik Österreich, Einbringungsstelle, mit einem betriebenen Anspruch von EUR 2.927 aufgrund eines vollstreckbaren Zahlungsauftrags des Handelsgerichts Wien vom 21.7.2021 zu 56 Cg 52/20w (17 E 453/24t des BG Favoriten) und ein offenes Exekutionsverfahren der Öffentlichen Notare M* über EUR 5.623,82 (9 E 4198/23g des BG Floridsdorf), in dem nach einer Verwalterbestellung gemäß § 79 EO am 20.12.2023 eine Zuteilung zum Vollzug an den Gerichtsvollzieher am 1.2.2024 erfolgte. Auch das Exekutionsverfahren jener Gläubigerin, zu der die Schuldnerin Vollzahlung behauptet hat, ist nach wie vor anhängig (Mag. P*).

7.3 Auch mit dem Rekurs wird eine Zahlung oder Regelung der Forderung des Dr. U* weder behauptet noch bescheinigt. Dass diese Forderung „jederzeit bezahlt“ werden kann, und somit nur eine Zahlungsstockung vorliege, hat die Schuldnerin weder in erster Instanz noch im Rekurs bescheinigt. Davon ist nach dem ersten Bericht der Masseverwalterin auch nicht auszugehen, wenn das Geschäftskonto einen Sollsaldo von EUR 112,49 aufweist und per 6.2.2024 Forderungen von sechs Gläubigern über gesamt EUR 455.000 angemeldet wurden.

Die mit Stichtag 25.3.2024 20 Forderungsanmeldungen zeigen, dass die Schuldnerin nicht über ausreichend liquide Mittel verfügt, um ihre laufenden Verbindlichkeiten bezahlen zu können.

7.4 Darüber hinaus legte die Schuldnerin weder sämtliche Verbindlichkeiten offen, noch dokumentierte bzw. bescheinigte sie das Vorhandensein ausreichender Mittel zu deren Begleichung. Es wäre nämlich zu bescheinigen, dass trotz des laufenden Geschäftsbetriebs ein ausreichender Betrag zur Zahlung der fälligen Verbindlichkeiten herangezogen hätte werden können, ohne dass dies zu Lasten anderer Gläubiger gegangen wäre ( Mohr , IO 11 § 70 E 238). Abgesehen davon war die von der Rechtsprechung gewährte Frist für eine Zahlungsstockung von drei bis fünf Monaten (3 Ob 99/10w), deren Beginn mit dem Fälligkeitszeitpunkt der gegen die Schuldnerin bestehenden Forderungen (hier Mai 2023) anzusetzen ist ( Schumacher in KLS ², § 66 Rz 23), bereits im Zeitpunkt der Antragstellung abgelaufen.

8. Das Erstgericht hat die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu Recht angenommen.

9. Die weitere Konkursvoraussetzung des § 71 IO, das Vorhandensein von kostendeckendem Vermögen, hat das Erstgericht ebenfalls zu Recht aufgrund der Zusage der Zahlung eines Kostenvorschusses von EUR 4.000 durch die Erstantragstellerin angenommen.

10. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 252 IO, § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

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