JudikaturOLG Wien

6R93/24a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
22. März 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende, den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Nigl, LL.M., im Konkurs über das Vermögen des A* , geboren am **, Elektroinstallationen, **, vertreten durch Lindenhofer.Luegmayer Rechtsanwälte GesbR in Amstetten, Masseverwalter Mag. B*, LL.M., Rechtsanwalt in Amstetten, über die Rekurse des Schuldners und der Gläubigerin Mag. C*, **, gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 6.2.2024, 14 S 23/24h-2, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Rekurs der Gläubigerin Mag. C* vom 15.2.2024 wird zurückgewiesen .

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,-.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

II.

1. Die Urkundenvorlagen vom 16.2.2024 (ON 6) und vom 19.2.2024 (ON 8) zum Rekurs des Schuldners sowie der Nachtrag zum Rekurs des Schuldners vom 6.3.2024 (ON 12) werden zurückgewiesen .

2. Dem Rekurs des Schuldners wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

Am 20.12.2023 beantragte Mag. C* ( Antragstellerin; antragstellende Gläubigerin ) zu 14 Se 457/23f die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von A* ( Schuldner ), geboren am **. Dieser habe ihr gegenüber eine Judikatschuld vor dem Bezirksgericht Amstetten und schulde ihr laut Kanzleikontoauszug EUR 6.641,64. Bisherige Exekutionsversuche zu 22 E 3293/21b seien erfolglos verlaufen, gegen den Schuldner würden weitere Exekutionen laufen, er sei zahlungsunfähig. Aus dem zuletzt abgegebenen Vermögensverzeichnis des Schuldners gehe hervor, dass er als Elektriker selbständig tätig sei und über einen Gewerbeschein für E-Installationen und Handel verfüge. Auf seinem Konto würden sich laut Vermögensverzeichnis EUR 3.000,- befinden.

Diesem Antrag angeschlossen waren ein Vermögensverzeichnis nach § 47 EO vom 5.3.2023 zu 22 E 3293/21b des Bezirksgerichtes Amstetten und ein Kanzleikontoauszug vom 20.12.2023.

Eine vom Erstgericht durchgeführte Abfrage im Firmenbuch verlief ergebnislos. Die Namensabfrage im Exekutionsregister vom 2.1.2024 ergab ein beim Bezirksgericht Amstetten anhängiges Exekutionsverfahren der Wirtschaftskammer Niederösterreich gegen den Schuldner (22 E 3758/23p).

Eine Grundbuchsabfrage ergab Alleineigentum des Schuldners an der Liegenschaft EZ **, KG **, Bezirksgericht Amstetten. Diese Liegenschaft ist mit Höchstbetragspfandrechten (EUR 110.000,- bzw EUR 65.000,-) und Wohnungsrechten für D*, E* und F* belastet.

Mit Beschluss vom 2.1.2024 beraumte das Erstgericht die Einvernahmetagsatzung für den 1.2.2024 an. Die Zustellung der Ladung an den Schuldner erfolgte durch Hinterlegung am 9.1.2024.

Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) teilte am 6.1.2024 mit, dass derzeit kein Rückstand bestehe, gleiches gab das Finanzamt Österreich am 8.1.2024 bekannt. Der zuständige Gerichtsvollzieher beim Bezirksgericht Amstetten teilte dem Insolvenzgericht am 10.1.2024 mit, dass ihm der Schuldner aus bisherigen Vollzügen bekannt sei, nicht mit kostendeckendem Vermögen gerechnet werden könne und der Schuldner in den letzten sechs Monaten kein Vermögensverzeichnis abgelegt habe.

Am 25.1.2024 gab die Antragstellerin bekannt, dass der Schuldner den Gesamtsaldo mit 24.1.2024 beglichen habe und sie daher den Antrag vom 20.12.2023 zurückziehe.

Am 29.1.2024 teilte die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) dem Erstgericht einen offenen Rückstand von EUR 20.077,46 mit. Es werde zu 22 E 255/24t und 22 E 3074/22y jeweils des Bezirksgerichtes Amstetten Exekution geführt. Es bestehe keine aufrechte Zahlungsvereinbarung.

Eine am 1.2.2024 vom Erstgericht durchgeführte Namensabfrage im Exekutionsregister ergab die bereits bekannten Exekutionsverfahren der SVS zu 22 E 255/24t und der Wirtschaftskammer Niederösterreich zu 22 E 3758/56p jeweils des Bezirksgerichtes Amstetten.

Die Einvernahmetagsatzung am 1.2.2024 blieb unbesucht.

Mit dem angefochtenen Beschluss eröffnete das Erstgericht den Konkurs über das Vermögen des Schuldners und bestellte Mag. B*, LL.M., zum Masseverwalter. Die allgemeine Prüfungstagsatzung beraumte es für 9.4.2024 an und bestimmte das Ende der Anmeldefrist mit 26.3.2024. Begründend führte es aus, dem Schuldner sei in der Einvernahmetagsatzung Gelegenheit gegeben worden, seine Zahlungsfähigkeit zu bescheinigen. Er sei nicht einmal erschienen. Zwar habe er die Forderung der Antragstellerin bezahlt, nicht jedoch jene der SVS (Rückstand EUR 20.077,-). Angesichts der Höhe und Dauer des Rückstandes bei der SVS und der offenen Exekutionsverfahren sei davon auszugehen, dass der Schuldner zahlungsunfähig sei. Kostendeckendes Vermögen sei in Form von Anfechtungsansprüchen vorhanden.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Rekurse des Schuldners und der Antragstellerin jeweils mit dem Antrag, dem Rekurs stattzugeben und die Konkurseröffnung aufzuheben.

Der Masseverwalter beantragt, den Rekurs der Antragstellerin zurückzuweisen und dem Rekurs des Schuldners nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Antragstellerin ist unzulässig , der Rekurs des Schuldners nicht berechtigt .

I. Zum Rekurs der Antragstellerin:

1. Beschlüsse des Gerichtes, womit das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgewiesen wird, können von allen Personen, deren Rechte dadurch berührt werden, sowie von den bevorrechteten Gläubigerschutzverbänden angefochten werden (§ 71c Abs 1 IO).

2. Die Rechtsmittellegitimation beantwortet die Frage, wer abstrakt zur Erhebung des Rechtsmittels befugt ist. Zu beachten ist, dass die Rechtsmittellegitimation nicht mit der Beschwer zu vermengen ist, die die konkrete Rechtsmittelbefugnis klärt. Diese Trennung wird teilweise nicht beachtet, sondern die Rechtsmittellegitimation danach beurteilt, ob der Rekurswerber ein „rechtliches Interesse“ hat bzw durch die Entscheidung „beschwert“ ist. Die notwendige Trennung der beiden besonderen Rechtsmittelvoraussetzungen kann dazu führen, dass zwar die Rechtsmittellegitimation zu bejahen ist, aber der Rekurs mangels Beschwer unzulässig ist ( Schneider in Konecny , InsG § 71c IO Rz 5). Die Rechtsmittelbefugnis als Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist von Amts wegen zu prüfen ( Sloboda in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 514 ZPO Rz 30). Rechtsprechung und Lehre differenzieren zwischen verschiedenen Arten der Beschwer und unterscheiden in erster Linie die formelle Beschwer und die materielle Beschwer ( Sloboda aaO § 514 ZPO Rz 43). Wurde mit dem angefochtenen Beschluss über einen Sachantrag erkannt, so muss der Rekurswerber als Voraussetzung eines zulässigen Rechtsmittels im Regelfall formell beschwert sein. Eine formelle Beschwer des Rekurswerbers liegt dann vor, wenn der angefochtene Beschluss von seinem Sachantrag rein äußerlich abweicht. Das ist allein durch einen Vergleich zwischen dem Sachantrag des Rechtsmittelwerbers und dem Spruch der bekämpften Entscheidung zu klären ( Sloboda aaO § 514 ZPO Rz 44). In Ermangelung eines (eigenen) Sachantrags des Rekurswerbers, über den abgesprochen worden wäre, kann nur dessen materielle Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsmittels von Bedeutung sein. Eine solche liegt vor, wenn der Rekurswerber durch den angefochtenen Beschluss in seiner materiellen oder prozessualen Rechtsstellung unmittelbar beeinträchtigt wird, es also zu einem nachteiligen Eingriff in seine Rechtssphäre kommt. Das kann durch die Schmälerung von Rechten, die Auferlegung von Pflichten oder die Präklusion eines bestimmten Sachvorbringens in zukünftigen Verfahren geschehen ( Sloboda aaO § 514 ZPO Rz 45). Nach ganz herrschender Auffassung muss ein Rechtsmittelwerber grundsätzlich formell beschwert sein, was bedeutet, dass die Entscheidung von dem Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweichen muss (RS0041868 [T5]). Unabhängig von der Frage materiell-rechtlicher Beschwer erfordert eine Rechtsmittelzulässigkeit daher immer jedenfalls die formelle Beschwer (RS0041868 [T13]). Die formelle Beschwer reicht aber nicht immer aus. Widerspricht die angefochtene Entscheidung dem vom Rechtsmittelwerber in der Vorinstanz gestellten Antrag, dann ist, wenn die Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung nicht beeinträchtigt wird, sein Rechtsmittel dennoch zurückzuweisen (vgl RS0041868). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist somit nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Beschwer (RS0041868 [T14]).

3. Insolvenzgläubiger sind grundsätzlich im Eröffnungsverfahren rechtsmittellegitimiert. Die Rekurslegitimation folgt aus dem Eingriff in ihre rechtliche Stellung. Das Insolvenzverfahren dient im Grundsatz der Haftungsverwirklichung. Ob die Rechtsdurchsetzung in weiterer Folge im Wege des Insolvenzverfahrens erfolgt, wird durch die Eröffnung entschieden. Davon betroffen sind in erster Linie Insolvenzgläubiger ( Schneider aaO § 71c IO Rz 23; vgl auch Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 71c KO Rz 5). Dem antragstellenden Insolvenzgläubiger kommt aufgrund seiner formellen Beteiligtenstellung die Befugnis zur Rechtsmittelerhebung zu ( Schneider aaO § 71c IO Rz 24).

4. Im konkreten Fall mangelt es der (ursprünglich) antragstellenden Gläubigerin schon an der formellen Beschwer, weil das Erstgericht, ihrem Sachbegehren folgend, den Konkurs über das Vermögen des Schuldners eröffnet hat (vgl Konecny in ZIK 1998, 145 f). Aber auch das Vorliegen der materiellen Beschwer erscheint zweifelhaft, da sie in ihrem Antrag von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ausging. Dass sie nunmehr infolge der Konkurseröffnung allenfalls der Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen ausgesetzt ist (vgl Schumacher aaO § 71c KO Rz 7, der auch die potentiellen Anfechtungsgegner zum Rekurs legitimiert sieht, also jene Personen, gegen die durch die Konkurseröffnung ein [außerhalb des Konkursverfahrens nicht verfolgbarer] Anfechtungsanspruch entsteht; aA Schneider aaO § 71c IO Rz 37), entspricht vielmehr ihrem Vorbringen der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der deshalb von ihr erwarteten nur anteiligen Befriedigung ihrer Forderung. Daran kann auch die unwirksame Antragsrückziehung im Eröffnungsverfahren (§ 70 Abs 4 IO) nichts ändern (vgl Konecny in ZIK 1998, 145; Schumacher in KLS 2 § 70 IO Rz 54; ders in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 70 KO Rz 83).

Der Rekurs der antragstellenden, befriedigten Gläubigerin gegen die Konkurseröffnung über das Vermögen des Schuldners war somit mangels (formeller) Beschwer als unzulässig zurückzuweisen.

5. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes und die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses beruht auf § 252 IO iVm den §§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 1 und 3 sowie 528 Abs 1 ZPO. Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinne der zuletzt genannten Gesetzesstelle waren nicht zu lösen.

II. Zum Rekurs des Schuldners:

1. Der Zulässigkeit der weiteren, ergänzenden Urkundenvorlagen des Schuldners zum Rekurs vom 15.2.2024 steht der auch im Insolvenzverfahren geltende Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels entgegen. Nachträge, Ergänzungen oder Berichtigungen eines Rechtsmittels sind, selbst wenn sie noch innerhalb der Rekursfrist erfolgen, nicht zulässig. Schon aus diesem Grund waren die Urkundenvorlagen und der Nachtrag zum Rekurs des Schuldners zurückzuweisen ( Kodek in Fasching/Konecny 3 II/2, §§ 84, 85 ZPO Rz 141 mwN; RS0041666).

2. Der Schuldner bringt in seinem Rekurs vor, er sei zahlungsfähig. Die Forderung der Antragstellerin sei vor Eröffnung des Konkursverfahrens vollständig bezahlt worden. Auch die Forderung der SVS sei vollständig bezahlt. Bescheinigungsmittel waren diesem Rekurs nicht angeschlossen.

3. Nach dem ersten Bericht des Masseverwalters vom 22.2.2024 befindet sich auf dem Massekonto ein Betrag von EUR 224,63. Der Schuldner betreibe ein Einzelunternehmen und übe das Gewerbe der Elektrotechnik aus, wobei er überwiegend Leistungen für die Firma G* GmbH im Verteilerbau erbringe. Daneben erfülle er kleine Aufträge von privaten Auftraggebern, vor allem die Errichtung von Photovoltaikanlagen. Ein ehemaliger Mitarbeiter bzw Geschäftspartner, H*, habe angeblich ohne sein Wissen und ohne seine Zustimmung, demnach in betrügerischer Absicht, in seinem Namen mehrfach (Bau-)Aufträge abgeschlossen, aber nicht ordnungsgemäß erfüllt und Zahlungen nicht geleistet. Aus solchen Geschäften seien Forderungen an ihn gestellt worden, die ihm unbekannt seien und mit denen er in Wahrheit nichts zu tun habe. Bspw werde eine Forderung des Mag. I* von EUR 43.666,54 sA genannt, diesbezüglich liege ein Versäumungsurteil des Landesgerichtes Linz vom 22.1.2024 vor. Ein Dienstnehmer sei geringfügig beschäftigt. Das schuldnerische Unternehmen werde fortgeführt, zumal nur mit geringem Aufwand, aber aufgrund der laufenden Tätigkeit für die G* GmbH mit einigermaßen regelmäßigen Umsätzen gerechnet werden könne.

4. Gemäß § 70 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung hat und der Schuldner zahlungsunfähig ist.

Bei der Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist nicht zu berücksichtigen, dass der Gläubiger den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zurückgezogen hat oder die Forderung des Gläubigers nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befriedigt worden ist. Wenn der Schuldner eine solche Befriedigung oder das Vorliegen einer Stundungsvereinbarung mit dem Gläubiger bescheinigt, so reicht dies allein nicht aus, um das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit zu entkräften (§ 70 Abs 4 IO).

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner infolge eines nicht bloß vorübergehenden Mangels an bereiten Zahlungsmitteln seine fälligen Schulden in angemessener Frist nicht erfüllen und sich die dafür erforderlichen Mittel auch nicht alsbald beschaffen kann (RS0064528). Maßgeblich für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit ist ein aktuelles Unvermögen des Schuldners, die zum Prüfungszeitpunkt fälligen Verbindlichkeiten zu zahlen ( Dellinger in Konecny/Schubert , InsG § 66 KO Rz 23 mwN). Zahlungsunfähigkeit ist auch dann anzunehmen, wenn nicht nur eine zeitlich befristete Zahlungsstockung oder die Zurückhaltung einzelner Schulden aus einem bestimmten Grund vorliegt, sondern der Schuldner in Wahrheit nicht in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten grundsätzlich seinen Verpflichtungen entsprechend regelmäßig zu befriedigen.

Die auf konkreten Tatsachenfeststellungen über die wirtschaftliche Situation des Schuldners beruhende Beurteilung, ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt, stellt eine Rechtsfrage dar (RS0043677).

5. Die Antragstellerin bescheinigte mit ihrem Antrag eine offene Forderung gegen den Schuldner aus dem Titel zu 6 Cga 40/21z [Landesgericht St. Pölten] sowie ein gegen ihn geführtes Exekutionsverfahren zu 22 E 3293/21b (Antrag auf neuerlichen Vollzug der Fahrnisexekution am 11.7.2023). Die infolge dieses Eröffnungsantrags vom Erstgericht von Amts wegen unter Beiziehung des Schuldners durchgeführten Erhebungen ergaben einen Rückstand des Schuldners von EUR 20.077,46 bei der SVS, dessentwegen diese bereits im Jahr 2022 Exekution gegen ihn führte. Die Nichtzahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen oder Abgaben ist ein ausreichendes Indiz für das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit, weil es sich bei Sozialversicherungsbeiträgen und Abgaben um Betriebsführungskosten handelt. Diese werden von den zuständigen Behörden und Institutionen bekanntlich so rasch in Exekution gezogen, dass sich ein Zuwarten mit ihrer Zahlung bei vernünftigem wirtschaftlichem Vorgehen verbietet und im Allgemeinen nur aus einem Zahlungsunvermögen erklärbar ist ( Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 66 KO Rz 69; Mohr , IO 11 § 70 E 70, E 74).

Das Erstgericht hat daher zu Recht die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners fürs Erste als bescheinigt angenommen. In diesem Fall liegt es am Schuldner, die Gegenbescheinigung zu erbringen, dass er zahlungsfähig ist. Diese hat er von sich aus zu erbringen.

6. Um die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit zu entkräften, ist der Nachweis erforderlich, dass die Forderungen sämtlicher Gläubiger – nicht allein jene der Antragstellerin bzw der Hauptgläubigerin – bezahlt oder zumindest mit allen Gläubigern Zahlungsvereinbarungen getroffen werden konnten, die der Schuldner auch einzuhalten im Stande ist (vgl Mohr, IO 11 § 70 E 214, E 239, E 243, E 244 mwN). Ebenso stünde es ihm offen, die Möglichkeit der Überwindung seines Zahlungsunvermögens durch den Nachweis eines ausreichenden Zahlungseinganges in naher Zukunft, somit das bloße Vorliegen einer Zahlungsstockung, zu bescheinigen ( Mohr, IO 11 § 70 IO E 235; Dellinger aaO, § 66 KO Rz 55; Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 70 KO Rz 13).

7. Im Rechtsmittelverfahren ist für die Beurteilung der Frage, ob die Insolvenzvoraussetzungen vorliegen, wegen der Neuerungserlaubnis des § 260 Abs 2 IO die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz – hier der 6.2.2024 – und die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend (RS0065013 [T1]); grundsätzlich gilt im Insolvenzverfahren für die Rekursausführungen kein Neuerungsverbot (RS0043943; Erler in KLS², § 260 Rz 33). Die Neuerungserlaubnis findet jedoch ihre Grenze in § 259 Abs 2 IO, wonach Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden können (RS0115313; RS0110967 [T6] = 8 Ob 36/04h).

Da der Schuldner in seinem Rekurs die Gegenbescheinigung aber nicht antritt, sondern lediglich seine Zahlungsfähigkeit behauptet, ohne diese zu bescheinigen, kommt es hier auf das Neuerungsverbot gar nicht an.

8. Erhebungen des Rekursgerichtes (§ 254 Abs 5 IO; RS0065221) ergaben im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz mehrere beim Bezirksgericht Amstetten gegen den Schuldner anhängige Exekutionsverfahren; zwei der SVS (22 E 3074/22y, 22 E 255/24t), eines der J* Versicherungs AG (22 E 949/23z), eines der K* GmbH (22 E 3518/23v) und eines der „L* GmbH“ (22 E 161/24v). Im Exekutionsverfahren der Wirtschaftskammer Niederösterreich (22 E 3758/23p) langte am 7.2.2024 beim Bezirksgericht Amstetten der Antrag auf Einstellung ein, in zwei Exekutionsverfahren der M* GmbH (22 E 2157/23x, 22 E 4294/23t) langte bereits am 6.2.2024 der Antrag auf Einstellung wegen Tilgung ein, sodass von einer Zahlung vor Beschlussfassung über den Insolvenzeröffnungsantrag in erster Instanz auszugehen ist.

Auf die Forderungen der „L* GmbH“, der K* GmbH und der J* Versicherungs AG geht der Schuldner überhaupt nicht ein. Forderungsanmeldungen von diesen Gläubigern liegen bisher zwar noch nicht vor, es gibt aber bereits (Stand 21.3.2024) Forderungsanmeldungen von der N* GmbH aus einem Kreditvertrag (FA 2, EUR 56.732,41), vom Gemeinde O* (FA 3, EUR 163,56), von der P* AG (FA 4, EUR 83.725,49), der Wirtschaftskammer Niederösterreich (FA 5, EUR 828,50), der Q* AG (FA 6, EUR 2.286,87) und der R* GmbH (FA 7, EUR 23.663,39). Die Forderungsanmeldung über EUR 32.173,21 zog die SVS am 26.2.2024 zurück (FA 1).

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz – hier der 6.2.2024 – waren somit nicht sämtliche Verbindlichkeiten des Schuldners erfüllt oder geregelt.

9. Die nach ständiger Rechtsprechung von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung des Vorhandenseins kostendeckenden Vermögens nach § 71 Abs 1 IO ergibt sich hier aus den der Anfechtung unterliegenden Zahlungen des Schuldners bzw dem Bestehen eines lebenden Unternehmens (stRsp des Rekurssenates, vgl 28 R 142/08w, 6 R 87/18k, 6 R 131/22m uva).

10. Das Erstgericht hat daher zu Recht den Konkurs über das Vermögen des Schuldners eröffnet, weswegen der Rekurs ohne Erfolg bleibt. Der Schuldner ist auf die Möglichkeiten der Aufhebung des Konkurses mit Zustimmung aller Gläubiger nach Regelung aller Forderungen gemäß § 123b IO oder den Abschluss eines Sanierungsplans nach den §§ 140 ff IO zu verweisen.

11. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

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