JudikaturOLG Wien

5R191/23d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
18. März 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schrott-Mader als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Guggenbichler und die Richterin Mag. Aigner in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A* GmbH , FN **, **, 2. B* GmbH , FN **, **, beide vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien 1.C C* SE , FN ** 2. D* AG, FN **, beide **, beide vertreten durch die Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP Co KG in Wien, und die Beitrittswerberin auf Seiten der beklagten Parteien E* GesmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. Franz Stenitzer, LL.M. Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 600.281,88 sA, (hier: wegen Nebenintervention), über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 15.11.2023, 24 Cg 15/23y 48, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der Beitrittswerberin binnen 14 Tagen die mit EUR 3.520,94 (darin enthalten EUR 586,82 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .

Text

Begründung:

Die Erstklägerin begehrt die Zahlung von EUR 247.788,96 sA, die Zweitklägerin von EUR 352.662,07 sA jeweils zur ungeteilten Hand von den Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes. Die Klage beziehe sich auf zwei Bauvorhaben, bei welchen die Klägerinnen zu Opfern eines Baukartells geworden seien, weshalb ein Anspruch auf Schadenersatz aufgrund eines Kartelldeliktes nach dem KartG in Höhe des Klagsbetrages gegeben sei.

Die Beklagten seien gemeinsam mit neun weiteren Bauunternehmen Hauptbeteiligte am sogenannten, in der österreichischen Bauwirtschaft zumindest seit Juli 2002 bis Oktober 2017 bestehenden "Baukartell" gewesen, das seit 2016 Gegenstand von umfangreichen Ermittlungen sowohl der Bundeswettbewerbsbehörde ("BWB") als auch der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sei. Die Zweitbeklagte sei deswegen (solidarisch mit ihrer Tochtergesellschaft) vom OLG Wien als Kartellgericht ("Kartellgericht") rechtskräftig zu einer Geldbuße von EUR 45,37 Mio verurteilt worden und habe gegenüber dem Kartellgericht anerkannt, dass sich Führungskräfte und Mitarbeiter der Beklagten an rechtswidrigen Absprachen in Bezug auf zumindest 1.127 Bauvorhaben beteiligt haben.

Zu den betroffenen Bauprojekten zählen unter anderem das Bauvorhaben "G*" mit einem Auftragsvolumen von rund EUR 2,6 Mio, bei welchem die Erstklägerin Auftraggeberin gewesen sei. Am 12.07.2012 sei der Zuschlag zugunsten der Zweitbeklagten ergangen. Der Schaden bestehe in der kartellbedingten Überhöhung des Erstangebots der Zweitbeklagten im Ausmaß von 9,7%. Ferner sei das Bauvorhaben "H*" mit einem Auftragsvolumen von rund EUR 1,5 Mio mit der Zweitklägerin als Auftraggeberin betroffen. Am 05.10.2012 habe die I* GmbH den Zuschlag erhalten. Der Schaden bestehe in der kartellbedingten Überhöhung des Erstangebots der I* GmbH im Ausmaß von 32,4%. Der Schaden sei jeweils spätestens mit Legung der Schlussrechnungen eingetreten, das sei beim Bauvorhaben "G*" am 31.1.2014, 14.11.2014 und 14.9.2015 gewesen, beim Bauvorhaben "H*" am 19.6.2013.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung. Es fehle an einem konkreten Schaden, der kausal auf eine konkrete Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot zurückgeführt werden könne. Beim Projekt „G*“ sei zwar davon auszugehen, dass es im Vorfeld der Vergabe zu kartellrechtswidrigen Kontakten mit zwei kleineren Anbietern gekommen sei. Es sei jedoch unklar, ob diese Kontakte zu einer konkreten Abstimmung über die Vergabe des Bauvorhabens geführt haben. An der Vergabe hätten sich zudem noch andere Unternehmen beteiligt, mit denen es keine Koordinierungskontakte gegeben habe. Die endgültigen Angebotspreise seien jedenfalls unter äußerst kompetitiven Bedingungen zustande gekommen und der letztendlich erzielte Preis habe sich für die Auftraggeberin als besonders vorteilhaft erwiesen. Beim Projekt „H*“ könne es unter Umständen zu Zuwiderhandlungen gegen das Kartellverbot gekommen sein. Im wettbewerbsbehördlichen Verfahren sei dieses Projekt nicht mehr näher untersucht worden, auch das anhängige Strafverfahren habe bisher keine konkreten Erkenntnisse über Zuwiderhandlungen gebracht. Das Projekt sei letztlich auch nicht wie angeboten durchgeführt worden, da über die Bestanbieterin kurz nach der Vergabe der Konkurs eröffnet worden sei. Es gebe ferner Anhaltspunkte dafür, dass auch dieses Projekt zu einem wettbewerbskonformen Preis vergeben worden sei. Die Beklagten erhoben ferner die Einrede der Schadensüberwälzung nach § 37f KartG.

Mit der Klagebeantwortung vom 28.06.2023 (ON 7) verkündeten die Beklagten ua der E* GesmbH den Streit. Bei beiden klagsgegenständlichen Bauvorhaben werde diese als möglicherweise beteiligtes Unternehmen genannt. Im Falle des Obsiegens der Klägerinnen hätten die Beklagten einen Regressanspruch gegenüber den anderen, an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen, zu denen auch die E* GesmbH gehöre, weshalb jene ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Beklagten habe.

Mit Schriftsatz vom 16.10.2023 (ON 28) erklärte die E* GesmbH , dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten als Nebenintervenientin beizutreten. Das rechtliche Interesse bestehe darin, dass für den Fall der Bejahung einer Haftung der Beklagten die Geltendmachung von Regressansprüchen ihr gegenüber nicht ausgeschlossen werden könne. Im Fall des Obsiegens sei derartigen Regressansprüchen von vornherein der Boden entzogen.

Mit Schriftsatz vom 20.10.2023 (ON 34) beantragten die Klägerinnen die Zurückweisung der Nebenintervention, da die Beitrittswerberin ihr rechtliches Interesse nicht schlüssig dargelegt habe. Die Beitrittswerberin habe bei der Aufdeckung des Baukartells als Kronzeugin umfassend mit der BWB kooperiert. § 37e Abs 3 KartG sehe eine Haftungsprivilegierung für Kronzeugen vor, wonach diese nur ihren (un-)mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten haften. Gemäß § 37e Abs 4 KartG schlage diese Haftungsprivilegierung auch auf die Ausgleichshaftung im Innenverhältnis durch, sodass ein Rechtsverletzer nur dann vom Kronzeugen einen Ausgleich verlangen könne, wenn es sich um Schäden der (un-)mittelbaren Abnehmer oder Lieferanten des Kronzeugen handle. Das sei nicht der Fall, da die Beitrittswerberin bei keinem der beiden klagsgegenständlichen Projekte den Zuschlag erhalten habe. Ein Regressanspruch der Beklagten ihr gegenüber scheide daher ex lege aus. Unabhängig davon stütze sich die Klage maßgeblich auf die prozessrechtliche Bindungswirkung der Entscheidung des Kartellgerichts. Da die Beitrittswerberin am kartellgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt gewesen sei, könne sich die Bindungswirkung nicht auf sie erstrecken und könne sie auch nicht an das Urteil in einem (hier gegenständlichen) zivilrechtlichen Folgeprozess gebunden sein. Die Beitrittswerberin wolle offenbar mit ihrem Streitbeitritt ihre argumentative Position in eigenen follow-on Schadenersatzverfahren, zu denen es noch kommen könnte, verbessern. Potenzielle Kläger könnten sich dabei auf den vom Kartellgericht gegenüber der Beitrittswerberin erlassenen Beschluss stützen, in dem (ohne Antrag auf Bußgeld) kartellrechtliche Zuwiderhandlungen festgestellt worden seien. Darin liege aber bloß ein Interesse an einer bestimmten Beweislage und der Lösung von Rechtsfragen in einem Musterprozess, was zur Begründung eines rechtlichen Interesses nicht ausreiche.

In der abgesonderten Verhandlung über die Zulässigkeit der Nebenintervention vom 23.10.2023 (ON 38) brachte die E* GesmbH vor (ON 38.2), das rechtliche Interesse ergebe sich schon aus dem Vorbringen der Klägerinnen, wonach die Beitrittswerberin an den Vergabeverfahren zu den klagsgegenständlichen Bauvorhaben teilgenommen habe. Es bestehe eine solidarische Haftung mehrerer an einem Kartellrechtsverstoß beteiligter Unternehmen nach § 1302 ABGB. Die Beitrittswerberin bestreite weder bei den klagsgegenständlichen Bauvorhaben Bieter gewesen zu sein, noch die Teilnahme an kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen. Die Beklagten hätten eine Regressforderung in ihrer Streitverkündung bereits explizit in den Raum gestellt. Die von den Klägerinnen ins Treffen geführte Rechtsansicht zur Haftungsprivilegierung von Kronzeugen sei noch nicht ausjudiziert. Darüber hinaus seien diese Bestimmungen gemäß § 86 Abs 9 KartG "auf den Ersatz von Schäden anzuwenden, die nach dem 26. Dezember 2016 entstanden sind." Solche Schäden machten die Klägerinnen nicht geltend. Insofern scheide daher ein Regressanspruch der Beklagten gegenüber der Beitrittswerberin nicht aus. Der Umstand, dass die Beitrittswerberin nicht in der an die Beklagten gerichteten Kartellentscheidung angeführt sei, sondern gegen sie eine gesonderte Entscheidung des Kartellgerichts ergangen sei, beruhe auf einer Ermessensentscheidung der dort antragstellenden BWB, vor dem Kartellgericht Einzelverfahren zu führen. Es hätte ebenso ein einheitliches Verfahren mit einer einheitlichen Entscheidung gegen alle beteiligten Unternehmen geführt werden können. Wie die BWB das ihr zukommende Ermessen in Bezug auf die Einleitung und Führung von Einzelverfahren oder einheitlichen Verfahren ausübe, könne für die Beurteilung des rechtlichen Interesses eines (möglichen) Nebenintervenienten in einem (dem kartellgerichtlichen Verfahren nachfolgenden) Schadenersatzprozess keinen Unterschied machen.

Die Klägerinnen replizierten zur (zeitlichen) Anwendung der Kronzeugenprivilegierung mit der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie 2014/104 (idF: „Schadenersatzrichtlinie“). Durch das Urteil des EuGH vom 22.6.2022, C-267/20, Volvo , werde bestätigt, dass bei materiell-rechtlichen Bestimmungen der Richtlinie darauf abzustellen sei, ob die Zuwiderhandlung nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie weiterhin angedauert habe.

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 48) wies das Erstgericht den Antrag der Klägerinnen auf Zurückweisung der Nebenintervention ab und verpflichtete sie zum Ersatz der Kosten des Zwischenstreits an diese.

Rechtlich führte das Erstgericht zusammengefasst aus, ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten am Streitbeitritt bestehe dann, wenn sich die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich - rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig auswirke. Ein bloß wirtschaftliches Interesse sei nicht ausreichend. Im Allgemeinen sei ein rechtliches Interesse dann gegeben, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert werde. Bei der Beurteilung sei kein strenger Maßstab anzulegen. Es genüge, dass der Rechtsstreit die Rechts sphäre des Nebenintervenienten berühre, wobei die bloße Möglichkeit nicht ausreiche, das rechtliche Interesse müsse konkret sein. Ein rechtliches Interesse habe beispielsweise ein Solidarschuldner im Rechtsstreit des Gläubigers gegen den anderen Solidarschuldner. Der Nebenintervenient habe als unbedingtes Erfordernis die Tatsachen, aus denen er sein rechtliches oder gesetzliches (§ 17 Abs 2 ZPO) Interventionsinteresse ableite, im Falle der Bestreitung durch den Antragsteller zu bescheinigen, wobei kein Beweiserfordernis bestehe. Eine Nebenintervention komme bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses auch dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für eine Bindungswirkung nicht vorliegen, da eine Bindungswirkung nur eine mögliche Folge einer Nebenintervention (oder ihrer Unterlassung) sei, nicht aber Voraussetzung für ihre Zulässigkeit.

Die Beitrittswerberin habe ihr rechtliches Interesse ausreichend bescheinigt, weil sich ein Obsiegen der Klägerinnen aufgrund angekündigter Regressforderungen unter anderem wegen der Solidarhaftung mit den Beklagten ungünstig auf ihre Rechtsposition auswirken könnte. Gemäß § 86 Abs 9 KartG sei § 37e KartG (idF BGBl I Nr 56/2017) auf den Ersatz von Schäden anzuwenden, die nach dem 26.12.2016 entstanden seien. Nach dem Klagsvorbringen seien die Schäden jedoch bereits 2012 eingetreten, so dass die in § 37e Abs 3 und Abs 4 KartG normierten Haftungsprivilegierungen für Kronzeugen nicht zur Anwendung gelangen. Aus der von den Klägerinnen zitierten Entscheidung 10 ObS 83/14z sei für ihren Prozessstandpunkt mangels vergleichbarer Sachlage nichts zu gewinnen. Auch das Vorbringen zur lediglich prozessrechtlichen Bindungswirkung der Entscheidung des Kartellgerichts ändere an der Beurteilung nichts, da diese Entscheidung gerade nicht den behaupteten Regressanspruch zwischen den Beklagten und der Beitrittswerberin begründe. Zudem stütze sich die Beitrittswerberin auf § 1302 ABGB. Abgesehen davon sei die Bindungswirkung einer kartellgerichtlichen Entscheidung von der Bindungswirkung eines zivilgerichtlichen Urteils zu trennen, durch welches im Fall des Obsiegens der Klägerinnen allfällige Regressansprüche der Beklagten entstehen könnten. Selbst die Klägerinnen wiesen auf eine solidarische Haftung der Beklagten hin, die ihrerseits auf Grund dessen Regressansprüche für den Fall des Unterliegens gegen die Nebenintervenientin behaupten. Letztere stütze ihr rechtliches Interesse genau auf diese zu befürchtenden Regressforderungen aus solidarischer Haftung.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den von der Einschreiterin erklärten Beitritt als Nebenintervenientin als unzulässig zurückzuweisen.

Die Beitrittswerberin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Wie das Erstgericht bereits zutreffend dargelegt hat, hat ein Nebenintervenient ein rechtliches Interesse dann, wenn sich die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privat- oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig auswirkt. Das rechtliche Interesse muss ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über ein bloß wirtschaftliches Interesse hinausgeht (RS0035724). Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen; es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RS0035638). Im Allgemeinen wird ein rechtliches Interesse daher gegeben sein, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RS0035724 [T3]). Das ist insbesondere im Fall drohender Regressnahme in einem Folgeprozess als Folge des Prozessverlustes der streitverkündenden Partei im Hauptprozess zu bejahen (RS0106173 [T1]). Das bloße Interesse an einer bestimmten Beweislage berührt aber nur wirtschaftliche Interessen und rechtfertigt daher eine Nebenintervention nicht (3 Ob 7/19d; RS0035565 [T1]).

Die Nebenintervention ist zurückzuweisen, wenn schon aus den vorgebrachten Tatsachen kein rechtliches Interesse zu erkennen ist (RS0035638 [T6]). In diesem Sinn hat der Beitretende sein rechtliches Interesse iSd § 18 Abs 1 ZPO zu spezifizieren, insbesondere auch dahingehend, dass es am Obsiegen derjenigen Prozesspartei besteht, auf deren Seite der Nebenintervenient beitritt (3 Ob 7/19d; 3 Ob 211/10s). Die Zulässigkeit der Nebenintervention darf nicht aus anderen als den vom Nebenintervenienten zum Beitritt vorgebrachten Tatsachen abgeleitet werden (RS0035678 [T1]). Soweit über die Erklärung des Nebenintervenienten hinausgehende Tatsachen und Rechtsüberlegungen der Entscheidung zugrundelegt werden, ist dies nicht zulässig (3 Ob 7/19d; 3 Ob 197/19w; RS0035678 [T3]).

2. Grundlage der hier vorzunehmenden Prüfung sind daher allein die von der Nebenintervenientin vorgebrachten Tatsachen.

3. Nach ständiger Rechtsprechung des OGH reicht es aus, wenn der Nebenintervenient einen zu befürchtenden Rückgriff plausibel darstellen kann. Die denkbaren rechtlichen Schritte in einem drohenden Regressprozess sind vom Nebenintervenienten nicht im Einzelnen konkret darzustellen (RS0035724 [T9], RS0106173 [T5, T7]). Eine detaillierte Vorwegprüfung möglicher Regressansprüche hat im Streit um die Zulässigkeit des Beitritts als Nebenintervenient gerade nicht zu erfolgen (6 Ob 140/12z, 6 Ob 219/12t).

4. Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze hat die Beitrittswerberin ihr rechtliches Interesse am Obsiegen der Beklagten schlüssig dargelegt:

4.1. Die Beitrittswerberin leitet ihr Beitrittsinteresse aus bereits in der Streitverkündung im Fall des Unterliegens der Beklagten ausdrücklich angekündigten Regressansprüchen der Beklagten ab. Im Hinblick darauf muss die Beitrittswerberin ernsthaft mit ihrer künftigen Inanspruchnahme rechnen. Die Gefahr der künftigen Inanspruchnahme im Regressweg bildet iSd oben dargestellten Rsp grundsätzlich ein ausreichendes rechtliches Interesse für den Beitritt.

4.2. Im Sinne der zitierten Rsp (s Punkt 3.) hat eine detaillierte Vorwegprüfung, ob sich die Regressansprüche in einem allfälligen Regressprozess als berechtigt erweisen, nicht zu erfolgen, weshalb eine Auseinandersetzung mit den (höchstgerichtlich nicht ausjudizierten) Argumenten der Klägerinnen zur Frage, ob für die Beitrittswerberin die Haftungsprivilegierung für Kronzeugen nach der RL 2014/104 zeitlich zur Anwendung gelangt, nicht erforderlich ist. In einem derartigen Regressverfahren wäre im Übrigen ferner zu prüfen, ob die dort in Anspruch genommene (hier) Beitrittswerberin (neben den hier fraglichen zeitlichen auch) die inhaltlichen Voraussetzungen eines „Kronzeugen“ iSd der Definition des Art 2 Z 15 der RL 2014/104 erfüllt (vgl Gänser/Egger in Egger/Harsdorf-Borsch, Kartellrecht § 37e KartG 2005 Rz 29 [Stand 30.6.2022, rdb.at]; J.P. Gruber, Kartellrecht 3 § 37e KartG 2005 Anm 2 [Stand 1.1.2020, rdb.at]; ErlRV 1522 BlgNR XXV. GP, 7f). Aus diesem Grund ist auch aus der von den Klägerinnen ins Treffen geführten Entscheidung EuGH 22.6.2022, C 267/20, Volvo, für ihren Rechts-standpunkt nichts zu gewinnen. Ebensowenig bedarf es im Zwischenstreit über die Zulassung der Nebenintervention einer Auseinandersetzung mit der Frage der (richtlinienkonformen) Interpretation der Übergangsbestimmung des § 86 Abs 9 KartG. All diese Umstände betreffen die (erst) im Regressverfahren zu prüfende Berechtigung des Regressanspruches.

4.3. Der Vollständigkeit halber sei zum (hier aufgrund obiger Ausführungen aber ohnehin nicht relevanten) zeitlichen Anwendungsbereich der Kronzeugenprivilegierung angeführt, dass das in Umsetzung der SchadenersatzRL in Österreich mit BGBl I Nr 56/2017 erlassene KaWeRÄG 2017 in § 86 Abs 8 KartG das Inkrafttreten der § 30 Abs 3, §§ 37a bis 37m mit 27.12.2016 festsetzt, und § 86 Abs 9 KartG normiert, dass die neuen Bestimmungen der §§ 37a bis 37g auf den Ersatz von Schäden anzuwenden sind, die nach dem 26.12.2016 entstanden sind.

4.3.1 Nach dem Vorbringen in der Klage wurde der Zuschlag bei den Bauvorhaben, deren Auftraggeberinnen die Klägerinnen waren, am 12.7.2012 und am 5.10.2012 erteilt, die Schlussrechnungen wurden (zuletzt) am 14.9.2015 und am 19.6.2013 gelegt. Nach den Behauptungen in der Klage ist der Schaden spätestens mit Legung der Schlussrechnungen entstanden.

Da eine Schadenersatzpflicht (nur) dann besteht, wenn dem Geschädigten bereits ein konkreter Schaden entstanden ist (RS0022464) und der Schaden schon durch das Entstehen der Verbindlichkeit auf Seite des Geschädigten und nicht erst durch die Erfüllung dieser Verbindlichkeit gegeben ist (RS0022568 [T15]), wäre nach dem von den Klägerinnen behaupteten Schadenseintritt spätestens mit Legung der Schlussrechnungen rein nach dem Gesetzeswortlaut des § 86 Abs 9 KartG die Kronzeugenregelung nicht anzuwenden.

4.3.2. Doch selbst im Anwendungsbereich des KaWeRÄG 2017 kann davon, dass der Status des Kronzeugen ihn ex lege vor allen Regressansprüchen anderer schützen würde (weshalb nach Dafürhalten der Klägerinnen ein Streitbeitritt ausscheiden müsse) keine Rede sein. Zum Regressanspruch eines in Anspruch genommenen Rechtsverletzers gegen einen Kronzeugen normiert § 32e Abs 4 KartG idF des KaWeRÄG 2017 (entspricht Art 11 Abs 5 der RL 2014/104), dass ein solcher auch für den Schaden besteht, der den unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten der Rechtsverletzer entstanden ist, jedoch gedeckelt ist mit der Höhe des Schadens, den der Kronzeuge seinen eigenen unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten verursacht hat. Die Rechtsansicht der Klägerinnen, ein Rechtsverletzer könne nur dann vom Kronzeugen einen Ausgleich verlangen, wenn es sich um Schäden der (un-)mittelbaren Abnehmer oder Lieferanten des Kronzeugen handle, findet weder im Wortlaut des § 37e Abs 4 KartG noch in jenem des Art 11 Abs 5 der SchadenersatzRL Deckung. Auch aus Erwägungsgrund 38 der SchadenersatzRL ist Derartiges nicht abzuleiten.

Art 11 Abs 5 und in dessen Umsetzung § 32e Abs 4 KartG beinhalten vielmehr keinen generellen Ausschluss des Regressanspruches gegen den Kronzeugen, sondern lediglich eine Deckelung des im Innenregress vom Kronzeugen zu ersetzenden Ausgleichsbetrages der Höhe nach mit dem Schaden, den der Kronzeuge seinen eigenen unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten verursacht hat (vgl Gänser/Egger in Egger/Harsdorf-Borsch, Kartellrecht § 37e KartG 2005 Rz 50f [Stand 30.6.2022, rdb.at]).

5. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist auch die Frage der Bindungswirkung der Entscheidung gegenüber der Beitrittswerberin nicht maßgeblich für die Zulassung als Nebenintervenientin. Denn eine derartige Bindungswirkung ist nur eine mögliche Folge einer Nebenintervention bzw der Streitverkündung, nicht aber Voraussetzung für deren Zulässigkeit (RS0126074).

6. Die Klägerinnen relevieren schließlich, die Zulassung der Nebenintervention widerspreche dem unionsrechtlichen Effizienzgebot. Sie hätten sich durch Inanspruchnahme lediglich der Beklagten und nicht sämtlicher Kartellbeteiligter bewusst für eine schlanke Prozessführung entschieden, um den Verfahrensaufwand möglichst gering zu halten und zu einem raschen Urteil zu gelangen. Mögliche zukünftige Regressprozesse zwischen den Kartellanten würden es im Lichte des Effektivitätsgrundsatzes und der dazu ergangenen Rsp des EuGH nicht rechtfertigen, das Verfahren durch Zulassung einer Vielzahl von Nebenintervenienten aufzublähen. Dies wäre als ein erhebliches Hindernis zu werten, welches die Durchsetzung der von den Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche übermäßig erschwere. Ein Interesse am Streitbeitritt könne iS des Effizienzgebotes nur dann bestehen, wenn die Beteiligung des Nebenintervenienten erheblich zur materiellen Wahrheitsfindung beitrage und insoweit auch im Interesse der Kläger liege und nicht nur im subjektiven Interesse des Beitretenden oder der von ihm unterstützten Beklagten.

6.1. Mangels einer unionsrechtlichen Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts ist die Regelung der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Dabei haben die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass die innerstaatlichen Regelungen nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzprinzip), und dass sie die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip) (vgl dazu   EuGH 7.12.2017, C 598/15, Banco Santander, Rn 38, EuGH 18.2.2016, C 49/14, Finanmadrid EFC Rn 40, EuGH 14.6.2012, C 618/10 Banco Español de Crédito, Rn 46 ua). In der SchadenersatzRL wurden diese Grundsätze in Art 4 und dem darauf bezogenen Erwägungsgrund 11 eigens angeführt.

6.2. Da es im Ausgangsverfahren um Schadenersatzansprüche geht, die nach dem Klagsvorbringen auf Art 101 AEUV gegründet sind (vgl 16 Ok 7/15p zur weiten Auslegung des Kriteriums der Zwischenstaatlichkeit), dient die Klage der Durchsetzung unionsrechtlicher Ansprüche, ihre Durchsetzungsmodalitäten im nationalen Recht müssen den unionsrechtlichen Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität genügen.

Nach der Rsp des EuGH erzeugt Art 101 Abs 1 AEUV in den Beziehungen zwischen Einzelnen unmittelbare Wirkungen und lässt in deren Person Rechte entstehen, die die nationalen Gerichte zu wahren haben. Die volle Wirksamkeit von Art 101 AEUV und insbesondere die praktische Wirksamkeit des in seinem Abs 1 ausgesprochenen Verbots wären beeinträchtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist. Daher kann jedermann Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen, wenn zwischen dem Schaden und einem nach Art 101 AEUV verbotenen Kartell oder Verhalten ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Das Recht eines jeden, Ersatz eines solchen Schadens zu verlangen, erhöht die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union und ist geeignet, Unternehmen von – oft verschleierten – Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschränken oder verfälschen können; damit trägt es zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Europäischen Union bei. Dabei dürfen speziell im Bereich des Wettbewerbsrechts die nationalen Vorschriften über die Modalitäten für die Ausübung des Rechts, Ersatz des sich aus einem nach Art 101 AEUV verbotenen Kartell oder Verhalten ergebenden Schadens zu verlangen, die wirksame Anwendung dieser Bestimmung nicht beeinträchtigen (zu alldem C 435/18 Otis GmbH ua/Land Oberösterreich ua, Rn 21ff mwN; C 557/12 Kone AG ua/ÖBB-Infrastruktur AG Rn 20ff mwN).

Der OGH erachtet die Wertung, wonach nationale Rechtsvorschriften die Erlangung von Schadenersatz für Wettbewerbsverstöße nicht praktisch unmöglich machen dürfen, als verallgemeinerungsfähig und auf Verstöße gegen das österreichische Kartellrecht übertragbar (16 Ok 9/14f; 16 Ok 10/14b; vgl 16 Ok 1/22s; 16 Ok 8/23k).

6.3. Die Frage, ob eine nationale Vorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert (Grundsatz der Effektivität), ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie zB der Schutz der Verteidigungsrechte , der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (EuGH 16.7.2020, C 224/19 und C-259/19, Caixabank ).

6.4. Nach Art 1 der SchadenersatzRL soll durch die darin normierten Vorschriften gewährleistet werden, dass jeder den vollständigen Ersatz eines durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens wirksam geltend machen kann (Art 1 Abs 1 Satz 1).

Art 11 der SchadenersatzRL (umgesetzt mit § 37e KartG) sieht eine gesamtschuldnerische Haftung der Kartellanten vor und umschreibt in Abs 1 das Recht des Geschädigten, „von jedem von ihnen vollständigen Schadenersatz zu verlangen, bis der Schaden vollständig ersetzt ist “.

Wenn die Klägerinnen damit argumentieren, dass dem Geschädigten im Hinblick darauf ermöglicht werden müsste, nur einen der Kartellanten mit Klage in Anspruch zu nehmen, so wird dies in der österreichischen Rechtsordnung, die in § 37e KartG iSd SchadenersatzRL eine solidarischer Haftung der Kartellanten normiert, ohnehin gewährleistet. Im Fall einer Solidarhaftung ist die Inanspruchnahme eines der Solidarschuldner oder aller gemeinsam möglich (vgl § 1302 ABGB).

6.5. Nach Art 3 Abs 3, Art 12 Abs 1 und Art 15 Abs 1 der SchadenersatzRL soll ua auch eine Überkompensation verhindert werden, indem ein Kartellant Ersatz für einen nicht erlittenen Schaden leisten muss, ebenso soll eine Nichthaftung des Rechtsverletzers vermieden werden. Laut Erwägungsgrund 44 sollen die Mitgliedstaaten zur Verhinderung der Überkompensation geeignete Verfahrensmittel wie zB die Verbindung von Klagen vorsehen. Dabei sollen sie jedoch „ Grundrechte auf Verteidigung, einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren derjenigen, die nicht Partei der Gerichtsverfahren waren, sowie die Vorschriften über die Beweiskraft von in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen unberührt lassen.“ (ErwGr 44).

Dies sieht der nationale Gesetzgeber durch das Institut der Streitverkündung gewährleistet und führt in den Erläuternden Bemerkungen zu § 37f KartG (BGBl I Nr 56/2017) ua aus (vgl ErlRV 1522 BlgNR XXV. GP, 8):

„Nach der ständigen Rechtsprechung erstrecken sich die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils auf den nach Streitverkündung beigetretenen Nebenintervenienten und auf eine trotz Streitverkündung nicht beigetretene Person insofern, als in einem Folgeverfahren keine Einwendungen erhoben werden können, die mit notwendigen Elementen der Vorentscheidung im Widerspruch stehen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Interventionswirkung nicht nur im Verhältnis zwischen der Haftung des Streitverkünders und der Regresspflicht des Empfängers der Streitverkündung (Anm: Hervorhebung durch das Rekursgericht) besteht, sondern auch bei materiell-rechtlichen Alternativverhältnissen, die einander gegenseitig ausschließend bedingen, bei denen also die positiven Voraussetzungen des einen Rechtsverhältnisses gleichzeitig die negativen Voraussetzungen des anderen sind (5 Ob 68/11b). Um diese Grundsätze zu verdeutlichen, sollen in Abs. 4 jene Situationen angeführt werden, in denen der in Anspruch genommene Kartellant durch Streitverkündung sein Risiko vermindern kann, den Schaden mehrfach zu ersetzen (...)“

§ 37f Abs 4 KartG regelt die Streitverkündung „zur Frage der Schadensüberwälzung“ und führt Situationen an, in denen der in Anspruch genommene Kartellant durch Streitverkündung das Risiko vermindern kann, den Schaden mehrfach zu ersetzen. Keiner der dort angeführten Fälle liegt gegenständlich vor, da der Streit nicht zur Frage der Schadensüberwälzung verkündet wurde. Im vorliegenden Fall sind die Klägerinnen nach ihrem Vorbringen unmittelbare Abnehmer, die Beitrittswerberin ist kein mittelbarer Abnehmer iSd Abs 4 Z 1 leg cit, sondern weiterer Kartellant.

Mit den oben zitierten Ausführungen in den ErlRV zu § 37f KartG hat der Gesetzgeber jedoch verdeutlicht, dass das Institut der Streitverkündung im kartellrechtlichen Schadenersatzverfahren auch neben den in § 37f Abs 4 KartG normierten Fällen nach den geltenden Grundsätzen anwendbar sein soll.

6.6. Nach Art 11 Abs 5 der SchadenersatzRL müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass ein Rechtsver letzer von anderen Rechtsverletzern einen Ausgleichsbetrag verlangen, somit Regress nehmen kann. Der interne Regress zwischen Solidarschuldnern wurde mit § 37e Abs 4 KartG umgesetzt.

6.7. Unter Zugrundelegung all dieser Grundsätze liegen aufgrund nachstehender Erwägungen keinerlei Anhaltspunkte für eine Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes durch die Möglichkeit der Streitverkündung an einen Solidarschuldner im kartellrechtlichen Schadenersatzverfahren vor:

6.7.1. Der Richtliniengesetzgeber hat zum einen selbst in Art 11 Regressansprüche normiert und zum anderen im Erwägungsgrund 44 klargestellt, dass zur Verhinderung der Überkompensation geeignete Verfahrensmittel vorzusehen sind, wobei er ausdrücklich als Beispiel die Verbindung von Klagen anführte. Gerade eine solche Verbindung mehrerer Verfahren, die nach dem genannten Erwägungsgrund selbst in grenzüberschreitenden Rechtssachen ermöglicht werden soll, führt aber, ebenso wie eine Streitverkündung, zu der von den Klägerinnen beanstandeten Erhöhung des Verfahrensaufwandes. Sie führt vielmehr sogar zu einem weitaus höheren Verfahrensaufwand als eine Streitverkündung, da Streitgegenstand in den verbundenen Verfahren alle Ansprüche der verbundenen Einzelverfahren sind, während im Fall der Streitverkündung die (nur) der Rechtsposition des Nebenintervenienten zugrundeliegenden Tatsachenfragen gerade nicht Gegenstand des durchzuführenden Verfahrens sind. Auch die prozessuale Befugnis des Nebenintervenienten umfasst nur jene Prozesshandlungen, die der Unterstützung der Hauptpartei dienen (RS0118499). Die Grenze für seine Intervention ist zufolge § 19 ZPO durch den Rahmen des Prozesses gegeben; nur in diesem kann er für und namens der Hauptpartei und nur zu dem Zwecke handeln, damit diese in dem Rechtsstreit obsiegt (RS0097156).

6.7.2. In der von den Klägerinnen ins Treffen geführten Entscheidung EuGH 16.2.2023, C 312/21, Tráficos Manuel Ferrer SL , geht es um die Frage, ob eine konkrete zivilprozessuale Kostenersatzregelung im spanischen Recht den Effektivitätsgrundsatz verletzt, was vom EuGH in dem zur Vorlage gelangten Sachverhalt verneint wurde. In den Schlussanträgen der Generalanwältin hebt diese die den Rechten der Kartellgeschädigten gegenüber stehenden Verteidigungsrechte der beklagten Kartellanten hervor (Rz 108): „Das Recht der Kartellgeschädigten, alle, oder nur bestimmte, Kartellmitglieder zu verklagen, ist aber eine wichtige Komponente der effektiven Durchsetzung des Rechts auf Kartellschadensersatz und darf nicht ohne Grund eingeschränkt werden. Vielmehr muss es unter Achtung sämtlicher relevanter Grundsätze ausgeübt werden, zu denen auch die Verteidigungsrechte der beklagten Kartellmitglieder gehören.“

Auf die zu wahrenden Grundrechte der Verteidigung bezieht sich auch die SchadenersatzRL selbst im Erwägungsgrund 44.

6.7.3. Das Institut der Streitverkündung dient im vorliegenden Fall der Wahrung dieser – auch im Rahmen des Grundsatzes der Effektivität zu berücksichtigenden (s oben Punkt 6.3.) – Verteidigungsrechte der Kartellanten im Hinblick auf einen allfälligen Regressprozess nach Art 11 Abs 5 der SchadenersatzRL.

Bei einem Rückgriffsanspruch treffen Solidarschuldner untereinander Sorgfaltspflichten, wie zB eben gerade die Streitverkündung. Diese ermöglicht es den Teilnehmern an einer Zuwiderhandlung, die Verteidigung gegen Schadenersatzansprüche in einem gewissen Ausmaß zu koordinieren und dadurch mitunter Probleme beim Ausgleich im Innenverhältnis zu vermeiden (vgl Gänser/Egger in Egger/Harsdorf-Borsch, Kartellrecht § 37e KartG 2005 Rz 41 [Stand 30.6.2022, rdb.at]). Die Nebenintervention ermöglicht, dass sich der Streitverkündete bereits am Vorprozess beteiligt und durch seine Mitwirkung schon diesen Anspruch zum Scheitern bringen kann, was den Regressprozess überhaupt vermeidet. Der Zweck dieser Unterstützung ist kein (rein) altruistischer; zulässig ist die Nebenintervention vielmehr nur, wie bereits ausgeführt, wenn der Nebenintervenient selbst ein rechtliches Interesse am Prozesserfolg der unterstützten Partei hat (vgl Domej in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 17 ZPO Rz 1 [Stand 9.10.2023, rdb.at]).

Ein Beitrag zur materiellen Wahrheitsfindung ist entgegen der Rechtsansicht der Klägerinnen nicht Voraussetzung für die Nebenintervention, sondern allein das – hier zu bejahende – rechtliche Interesse des Beitrittswerbers.

6.8. Zusammengefasst legten die Klägerinnen keine Umstände dar, die den Schluss zuließen, dass eine Streitverkündung an die Nebenintervenientin als nach dem Klagsvorbringen solidarisch mithaftende Kartellantin eine Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen übermäßig erschwert und daher der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz verletzt wäre.

7. Ob allenfalls der durch den Beitritt der Nebenintervenientin entstehende bzw drohende Kostenaufwand für die Klägerinnen als Geschädigte die Geltendmachung ihres (behaupteten) Schadenersatzanspruchs iSd unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes praktisch verunmöglicht oder übermäßig erschwert, stellt eine das Hauptverfahren betreffende Frage des zivilprozessualen Kostenersatzrechtes dar und ist daher nicht im Zwischenverfahren über die Zulässigkeit der Nebenintervention zu klären.

8. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Es handelt sich um einen Zwischenstreit zwischen der Beitretenden und den die Zulässigkeit des Beitritts bestreitenden Klägerinnen (Obermaier, Kostenhandbuch³ Rz 1.382 mwN).

Der Zulässigkeitsausspruch beruht auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.

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