JudikaturOLG Wien

6Nc13/24w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
07. März 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Klenk in der Rechtssache der Antragstellerin A* , **, vertreten durch die Hausverwaltung B*, **, diese vertreten durch Pitzal/Cerny/Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wider den Antragsgegner C * , geboren **, **, wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners, aufgrund der Vorlage des Aktes 25 S 2/24i des Bezirksgerichts Mödling zur Entscheidung eines Zuständigkeitsstreits gemäß § 47 JN den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Als das zur Entscheidung über die im Spruch genannte Schuldenregulierungssache zuständige Gericht wird das Bezirksgericht Hernals bestimmt, dessen Beschluss vom 29.12.2023, GZ 31 S 67/23h-10, aufgehoben wird.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrem am 29.6.2023 beim Bezirksgericht Hernals eingebrachten Antrag begehrte die A* ( Antragstellerin ), das Insolvenzverfahren über das Vermögen des C*, geboren ** ( Antragsgegner, Schuldner ) zu eröffnen, und gab dessen gewöhnlichen Aufenthalt mit „D*“ bekannt. Eine vom Bezirksgericht Hernals am 30.6.2023 eingeholte ZMR-Auskunft ergab dieselbe Adresse als Hauptwohnsitz des Schuldners.

Die Ladung der für den 24.8.2023 anberaumten Tagsatzung wurde dem Schuldner am 12.7.2023 durch Hinterlegung an dieser Adresse zugestellt, wobei die Ausfolgung am 28.7.2023 an den Schuldner persönlich erfolgte. Da der Schuldner zum Zeitpunkt der Tagsatzung erkrankt war, erfolgte eine neuerliche Ladung für den 12.10.2023, die dem Schuldner am 13.9.2023 an die Adresse E*, nachgesendet wurde. Bei der Tagsatzung am 12.10.2023 gab der Schuldner an, dass er im September 2023 aus der D*, ausgezogen sei und vorübergehend bei seinen Enkelkindern in der E*, aufhältig sei. Eine am 1.12.2023 erfolgte ZMR-Abfrage durch das Bezirksgericht Hernals ergab eine neue Meldeadresse des Schuldners ab 23.11.2023 in der F*.

Das Bezirksgericht Hernals erklärte sich mit Beschluss vom 29.12.2023 für unzuständig und überwies die Sache dem offenbar nicht unzuständigen Bezirksgericht Mödling gemäß § 44 Abs 1 JN, weil der Schuldner im Sprengel des Bezirksgerichts Mödling gemeldet sei (ON 10).

Das Bezirksgericht Mödling erklärte sich mit Beschluss vom 8.1.2024 für örtlich unzuständig und lehnte die Annahme des mit Beschluss vom 29.12.2023 überwiesenen Insolvenzverfahrens ab. Der Antragsgegner sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung nicht im Sprengel des Bezirksgerichts Mödling aufhältig gewesen (ON 11).

Beide Beschlüsse (ON 10 und ON 11) wurden den Parteien zugestellt und sind mittlerweile in Rechtskraft erwachsen.

Das Bezirksgericht Mödling legte daraufhin den Akt mit dem Ersuchen um Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit vor.

1. Die in den Sprengeln verschiedener Landesgerichte gelegenen Bezirksgerichte haben jeweils rechtskräftig ihre örtliche Zuständigkeit verneint, sodass die Voraussetzungen des § 47 JN für die Entscheidung des (negativen) Kompetenzkonflikts durch das Oberlandesgericht Wien gegeben sind (RS0118692; RS0046354; RS0046332; RS0046299).

2. Im Allgemeinen ist bei der Entscheidung eines Zuständigkeitsstreits auf die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses bzw. der rechtskräftigen Unzuständigkeitsentscheidung Bedacht zu nehmen (RS0002439; RS0046315). Für das Insolvenzverfahren gilt dies allerdings nicht. Für diese besondere Verfahrensart ist anerkannt, dass gemäß § 46 Abs 1 JN nur die die sachliche Zuständigkeit betreffende rechtskräftige Unzuständigkeitsentscheidung bindend ist, während ein rechtskräftiger Beschluss des überweisenden Gerichts über die örtliche Zuständigkeit deren Überprüfung im Rahmen der Entscheidung eines negativen Kompetenzkonflikts nicht hindert (RS0114074; Schneider in Fasching / Konecny 3 § 47 JN Rz 30; Schneider in Konecny , InsG § 63 IO Rz 177). Dieser Grundsatz wird aus § 63 Abs 1 IO abgeleitet, aus dem sich ergibt, dass der Gesetzgeber der Nähe des Insolvenzgerichts zum Betriebsort bzw. zum gewöhnlichen Aufenthalt des Schuldners im Sinn einer effizienten Abwicklung des Insolvenzverfahrens besondere Bedeutung beimisst (OGH 8 Nc 47/14z). Diese Überlegung gilt auch für das Schuldenregulierungsverfahren, zumal die Zuständigkeitsnorm des § 182 IO auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Schuldners nach § 63 Abs 1 IO verweist ( Mohr in Konecny / Schubert , InsG § 182 KO Rz 9; OGH 8 Nc 46/15d).

3. Maßgebender Zeitpunkt für die Entscheidung der Zuständigkeitsfrage ist der Zeitpunkt der Antragstellung (OGH 8 Nc 46/15d; 8 Nc 47/14z; 8 Nc 41/03a; Schneider in Konecny , InsG § 63 IO Rz 139). Dies wird einerseits aus dem Wortlaut des § 182 IO ( „zum Zeitpunkt der Antragstellung“ ) abgeleitet und andererseits damit begründet, dass ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Folge hätte, dass eine Bestimmung der Zuständigkeit für das Eröffnungsverfahren nicht möglich wäre.

4. Nachträgliche Änderungen der Umstände sind gemäß § 29 JN, der auch im Insolvenzverfahren zur Anwendung kommt, aufgrund des Prinzips der perpetuatio fori grundsätzlich unbeachtlich (OGH 8 Nc 46/15d mwN).

5. Im Anlassfall bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts daher nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Schuldners zum Zeitpunkt der Antragstellung. Nach der Aktenlage hatte der Schuldner zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Hernals. Der für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit nach § 182 iVm § 63 Abs 1 IO maßgebliche Anknüpfungspunkt lag daher im Sprengel dieses Bezirksgerichts. Die nachträgliche Änderung des Wohnsitzes des Schuldners ist gemäß § 29 JN für die örtliche Zuständigkeit unbeachtlich.

6. Für die Schuldenregulierungssache ist somit das Bezirksgericht Hernals örtlich zuständig, weshalb dessen Beschluss vom 29.12.2023 aufzuheben war (OGH 8 Nc 47/14z; 8 Nc 46/15d).

7. Gemäß § 47 Abs 3 JN ist ein Rekurs gegen diese Entscheidung nicht zulässig.

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