JudikaturOLG Wien

32Bs25/24x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Vetter und den Richter Dr. Farkas als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 24. November 2023, GZ 42 Hv 54/23v-35.2, gemäß §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO nichtöffentlich zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Berufung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm §§ 471, 489 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in amtswegiger Wahrnehmung der Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO im Schuldspruch b), demzufolge auch im Strafausspruch, aufgehoben und die Strafsache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* „unter Anwendung des § 27 Abs 2 SMG“ „mehrfach“ wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall SMG (gemeint: [zu a] der Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG und [zu b] der Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 2 SMG) verurteilt und nach dem Strafsatz des § 27 Abs 2 SMG (US 3) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A*

a) „in einem noch festzustellenden Tatzeitraum“, jedoch zumindest bis zum 2. Februar 2023 eine „noch festzustellende“ Menge, jedoch zumindest 10 Gramm brutto THC-hältiges Marihuana, 1,30 Gramm brutto Cannabisharz, erworben und besessen;

b) „in einem noch festzustellenden Tatzeitraum“, jedoch zumindest ab Herbst 2022 bis Dezember 2022 eine „noch festzustellende“ Menge an Compensan 300mg, jedoch zumindest ca. 4 Stück pro Monat, zu einem Stückpreis in der Höhe von 20 Euro dem gesondert verfolgten B* überlassen.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht das „inhaltliche“ Geständnis sowie die Sicherstellung des Suchtgiftes als mildernd, erschwerend hingegen das Vorliegen zweier einschlägiger Vorstrafen.

Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte rechtzeitig Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe an (ON 34). Mit Schriftsatz vom 15. Jänner 2024 wurde die Berufung wegen Strafe ausgeführt, in puncto Nichtigkeit und Schuld zurückgezogen (ON 36.1).

Aus Anlass der Berufung überzeugte sich das Berufungsgericht, dass das angefochtene Urteil mit nicht geltend gemachter materieller Nichtigkeit (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm §§ 471, 489 Abs 1 StPO) behaftet ist, die zum Nachteil des Angeklagten wirkt (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).

Strafrechtlich relevantes Verhalten nach dem Suchtmittelgesetz bezieht sich nur auf konkrete, in der Suchtgiftverordnung oder Psychotropenverordnung erfasste Wirkstoffe, weshalb Feststellungen zur Beschaffenheit, nämlich der Wirkstoffart (und -menge) tatverfangener Substanzen unabdingbar sind (RIS-Justiz RS0128204).

In Ansehung des Schuldspruchs b) sind dem Urteil jedoch – auch bei verschränkter Lesart des Spruchs mit dem Entscheidungsgründen - keine Konstatierungen zu entnehmen, ob und bejahendenfalls welche in den Anhängen zur Suchtgiftverordnung (BGBl II 1997/374 idgF) oder zur Psychotropenverordnung (BGBl II 1997/375 idgF) angeführten Wirkstoffe in den „Compensan-Tabletten“ enthalten waren. Der bloße Hinweis auf die schlichte Bezeichnung veräußerter Arzneimittel mit deren Marken- oder Handelsnamen (hier: „Compensan“) samt Bezifferung der Anzahl derartiger (allenfalls ein Suchtgift oder einen psychotropen Stoff enthaltender) Tabletten vermag diesen Feststellungserfordernissen nicht zu genügen. Dass die Inhaltsstoffe dieser Medikamente allenfalls gerichtsnotorisch sind, ändert daran nichts, zumal es für notorische Tatsachen zwar keiner Beweisaufnahme, wohl aber deren Feststellung bedarf (vgl 15 Os 150/11i mwN; RIS-Justiz RS0114428).

Die vom Erstgericht vorgenommene Subsumtion leidet daher zu b) an einem Rechtsfehler mangels Feststellungen, der die mit dem Auftrag zur Verfahrenserneuerung verbundene Kassation des Schuldspruchs zu b) und somit auch des Strafausspruchs erfordert.

Mit seiner Berufung wegen Strafe war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Im fortgesetzten Verfahren werden Feststellungen dahingehend zu treffen sein, ob und bejahendenfalls welche in den Anhängen zur Suchtgiftverordnung (BGBl II 1997/374 idgF) oder zur Psychotropenverordnung (BGBl II 1997/375 idgF) angeführten Wirkstoffe in den „Compensan-Tabletten“ enthalten waren.

Rückverweise