JudikaturOLG Wien

32Bs286/23b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie den Richter Dr. Farkas und den fachkundigen Laienrichter Oberstleutnant Posch-Fahrenleitner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* über dessen Beschwerde gegen den Bescheid der Generaldirektion beim Bundesministerium für Justiz vom 2. November 2023, GZ VOÄ-2023/010493-7, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Beschwerdeführer verbüßt derzeit in der Justizanstalt St. Pölten Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von drei Jahren, drei Monaten und 11 Tagen. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 29. Juni 2024.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab das Bundesministerium für Justiz Anträgen des Beschwerdeführers vom 15. Mai 2023 sowie 27. September 2023 auf Änderung des Vollzugsorts in die Justizanstalt Salzburg nicht Folge.

Begründend wurde – soweit hier relevant - zusammengefasst ausgeführt, dass der Strafgefangene mit Entscheidung vom 20. Dezember 2021 für die Justizanstalt Ried im Innkreis klassifiziert worden sei, weil sowohl zu diesem Zeitpunkt, als auch anhaltend die Belagssituation in der Justizanstalt Salzburg massiv angespannt gewesen sei. Im Zeitraum von 2. März 2022 bis 13. Juni 2022 habe sich der Insasse in der Justizanstalt Ried im Innkreis befunden. Seinem Ansuchen um Rückverlegung in die Justizanstalt Salzburg sei mit Entscheidung vom 7. Juni 2022 stattgegeben worden. Aufgrund des Verdachtes, dass er unerlaubte Gegenstände in die Justizanstalt einbringen würde bzw einbringen lasse, sei er jedoch vorerst am 15. März 2023 als Passant aus Sicherheitsgründen in die Justizanstalt St. Pölten überstellt worden. Dem aufgrund von Sicherheitsbedenken gestellten Antrag der Justizanstalt Salzburg auf Verlegung von Amtswegen sei mit Entscheidung vom 11. Mai 2023 stattgegeben worden, wobei diese Entscheidung nicht hauptsächlich vom Ausgang der Klärung der Verdachtslage beeinflusst worden sei, sondern von der zu diesem Zeitpunkt bestehenden angespannten Belagssituation. Die Justizanstalt Salzburg beschreibe in ihrer aktuellen Stellungnahme, dass weiterhin Sicherheitsbedenken gegen eine neuerliche Rückverlegung sprechen würden. Auch in der Justizanstalt St. Pölten sei dem Insassen zwischenzeitlich aufgrund einer Ordnungswidrigkeit (Nichtbefolgen von Anordnungen und unerlaubter Verkehr) die Arbeitsmöglichkeit als Hausarbeiter entzogen worden. Dieser Umstand bestätige die Sicherheitsbedenken der Justizanstalt Salzburg.

Zur Besuchssituation könne festgehalten werden, dass der letzte Besuch von Bekannten am 2. Jänner 2023 erfolgt sei. Seitdem sei der Insasse trotz seines Aufenthalts bis zum 15. März 2023 in der Justizanstalt Salzburg nicht mehr besucht worden. Inwieweit sich der gewünschte Besuchskontakt zu den Kindern tatsächlich einstellen würde, bleibe fraglich, da es laut Schreiben des Rechtsanwaltes Obsorgestreitigkeiten mit der ehemaligen Lebensgefährtin geben dürfte. Laut IVV-Besucherliste habe sie den Insassen am 5. Oktober 2022 das letzte Mal besucht.

Das Vollzugsverhalten des Insassen, das nach wie vor auf eine Gefährdung der Sicherheit schließen lasse, sowie die wesentlich stärkere Auslastung der Justizanstalt Salzburg mit 111,96 Prozent auf den Abteilungen für männliche Strafgefangene würden gegen eine Rückverlegung in die mit 104,80 Prozent geringer ausgelastete Justizanstalt St. Pölten sprechen.

Aus den angeführten Gründen, im Sinne einer zweckmäßigen und bestmöglichen Ausnützung der Vollzugseinrichtungen sei daher dem Begehren des Strafgefangenen um Änderung des Vollzugsorts in die Justizanstalt Salzburg nicht Folge zu geben gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die rechtzeitige (am 20. November 2023 eingebrachte) Beschwerde des A*, der - unter Vorlage eines Schreibens der Kinder- und Jugendhilfe Stadt Salzburg der vom 29. September 2023 - darauf verweist, dass sich auch die Kinder- und Jugendhilfe ausdrücklich für seine Verlegung in die Justizanstalt Salzburg ausspreche. Grund dafür sei die aktuelle Kindeswohlgefährdung von B*, seinem minderjährigen Sohn. Dieser sei aufgrund des kürzlichen Verlustes seiner Großmutter schwer depressiv und gestalte sich der Zugang zu ihm äußerst schwierig. Insbesondere habe es bereits in der Vergangenheit Phasen gegeben, in denen sich der Minderjährige gegenüber seiner Mutter verschlossen und den Kontakt zu ihr verweigert habe. Die mütterliche Großmutter sei die Haupterziehungsperson des Minderjährigen gewesen, seit er in Haft gewesen sei.

Aufgrund des nunmehrigen Todes der mütterlichen Großmutter sei er die einzig verbliebene enge Bezugsperson des Minderjährigen. Besuche in der Justizanstalt St. Pölten seien für seine Familienangehörigen nicht möglich.

Aufgrund des jüngsten Todesfalles bedürfe es umso mehr an persönlichen Kontakten zwischen ihm und seinem Sohn, was aktuell aufgrund der weiten Distanz jedoch nicht möglich sei.

Jedes Kind habe Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies stehe seinem Wohl entgegen. Im gegenständlichen Fall werde regelmäßiger Kontakt sogar dringend empfohlen.

Es bestehe vielmehr die Hoffnung, dass sich die Beziehung des Minderjährigen zu seiner Mutter wesentlich verbessere, wenn sie diejenige sei, die den Minderjährigen zukünftig zu Terminen in die Anstalt Puch bei Hallein bringe und dadurch Vertrauen gewinne, welches derzeit kaum vorhanden sei. Aus dem Grund des Kindeswohls werde daher eine Überstellung beantragt.

Mittlerweile spreche sich sogar die ehemalige Lebensgefährtin ausdrücklich für eine Verlegung in die Justizanstalt Puch bei Hallein aus. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass es für ihre Beziehung zum minderjährigen B* förderlich sei, wenn dieser erkenne, dass ihm seine Mutter hinsichtlich des Kontaktes zu seinem Vater Unterstützung zusichere und den Besuch ermögliche.

Von Sicherheitsbedenken sei bei ihm jedenfalls abzusehen, zumal die gegen ihn erhobenen Vorwürfe mehr als sechs Monate in der Vergangenheit liegen würden und sich der Verdacht gegen seine Person nicht erhärten habe können. Ferner sei nicht ersichtlich, welche Sicherheitsbedenken in der Justizanstalt Salzburg bestehen würden, die in der Justizanstalt St. Pölten hingegen nicht bestünden. Bei der festgestellten Ordnungswidrigkeit in der Justizanstalt St. Pölten habe es sich um einen einmaligen Fehltritt eines ansonsten vorbildlichen Häftlings gehandelt.

Auch allfällige Kapazitätsgründe könnten die dringend zu berücksichtigenden Kindeswohlaspekte keinesfalls überwiegen. Im Übrigen beantrage er die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

In seiner weiteren Beschwerdeausführung vom 17. November 2023 verweist er - unter Vorlage bezughabender Urkunden - überdies darauf, dass die Stellungnahme der Justizanstalt Salzburg nicht richtig sei, wenn darin festgehalten werde, dass er dort keine Besuche erhalten habe. Bis zu seiner Verlegung/Klassifizierung als Freigänger habe er wöchentlich Besuch von seinem Sohn erhalten. Seit 2. Jänner 2023 sei er Freigänger, diese könnten aber keine Besuche empfangen. Vermutlich nehme die Justizanstalt Salzburg deswegen an, dass keine Besuche stattgefunden hätten; tatsächlich habe er sämtliche Freigänge mit seinem Sohn verbracht. Ursprünglich sei er aufgrund eines Ermittlungsverfahrens wegen gefährlicher Drohung in die Justizanstalt St. Pölten verlegt worden. Wie sich im Laufe des Verfahrens herausgestellt habe, sei er falsch verdächtigt worden bzw sei es zu einer Verwechslung gekommen. Dies habe insbesondere der Bedrohte in seiner Vernehmung am 23. März 2023 angegeben. Daraufhin sei das Strafverfahren gegen ihn eingestellt worden. Somit sei festzuhalten, dass der ursprüngliche Verlegungsgrund nicht mehr gegeben sei.

Weitere Anhaltspunkte, weshalb er Sicherheitsbedenken auslösen sollte, seien nicht dargelegt worden und lägen solche auch nicht vor. Ausdrücklich festzuhalten sei, dass er seinen Sohn zumindest einmal wöchentlich sehen wolle. Dies sei auch mit der Kinder- und Jugendhilfe besprochen worden und bestehe die Möglichkeit, dass sein Vater mit seinem Sohn in die Justizanstalt Salzburg auf Besuch komme. Zusammenfassend bleibe daher festzuhalten, dass zum Wohle seines minderjährigen Sohnes eine Überstellung in die Justizanstalt Salzburg geboten wäre. Die Justizanstalt St. Pölten erhebe dagegen keine Einwände, die Bedenken der Justizanstalt Salzburg hätten aufgrund obiger Ausführungen widerlegt werden können. Insbesondere sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass mit der Ablehnung der Änderung des Vollzugsorts nicht nur in seine Rechte eingegriffen, sondern damit auch die Verschlechterung der psychosozialen Entwicklung seines minderjährigen Sohnes billigend in Kauf genommen werde. In Anbetracht der verbleibenden Reststrafe von sieben Monaten erscheine dieser Eingriff weder gerechtfertigt noch verhältnismäßig.

Nach § 16a Abs 1 Z 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Bescheid der Generaldirektion des Bundesministeriums für Justiz.

Gemäß § 10 Abs 1 StVG hat das Bundesministerium für Justiz allgemein oder im Einzelfall die Zuständigkeit einer anderen als der nach § 9 StVG zuständigen Anstalt anzuordnen, wenn dies unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des Strafvollzugs (§ 20 StVG) zur besseren Ausnützung der Vollzugseinrichtungen oder aus Gründen der Sicherheit des Strafvollzugs zweckmäßig ist (Z 1) oder wenn dadurch die Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft gefördert wird und weder das Erfordernis einer zweckmäßigen Ausnützung der Strafvollzugseinrichtungen noch Gründe der Sicherheit des Strafvollzugs entgegenstehen (Z 2).

Darüber hinaus hat die Generaldirektion bei der Bestimmung der Strafvollzugsanstalt auf die Wesensart des Strafgefangenen, sein Vorleben, seine persönlichen Verhältnisse und die Beschaffenheit der Straftat, deren er schuldig erkannt worden ist, insoweit Bedacht zu nehmen, als es erforderlich ist, um die Erreichung der Strafzwecke des Strafvollzugs unter bestmöglicher Ausnützung der Vollzugseinrichtungen zu gewährleisten (§ 134 Abs 2 StVG).

Überdies ist eine Strafvollzugsortsänderung nur dann zulässig, wenn dadurch die Resozialisierung des Strafgefangenen gefördert wird und gleichzeitig weder die zweckmäßige Auslastung der Vollzugseinrichtungen noch Sicherheitsbedenken dagegen sprechen. Hier sind die Gründe nicht gegeneinander abzuwägen, sondern bereits ein dagegen sprechender Grund schließt eine Strafvollzugsortsänderung aus (Erkenntnisse des VwGH vom 24. Juni 2004, 2003/20/0275 und vom 22. Juli 2004, 2001/20/0666; OLG Wien 33 Bs 64/15a).

Die Justizanstalt Salzburg war zwar zum Zeitpunkt der Entscheidung der Generaldirektion am 2. November 2023 mit 103,52 Prozent etwas geringer ausgelastet als die Justizanstalt St. Pölten mit 103,93 (vgl zur Auslastung, die aus der Integrierten Vollzugsverwaltung beigeschaffte Belagsübersicht per 2. November 2023). Da aber zum Zeitpunkt der Entscheidung des Vollzugssenats (Auslastung der Justizanstalt St. Pölten 101,31 Prozent; vgl Belagsübersicht per 26. Februar 2024 [beigeschafft aus der Integrierten Vollzugsverwaltung]) eine weit höhere Auslastung der Wunschanstalt Salzburg (111,45 Prozent) gegeben war, steht – mit Blick auf die aktuellen Belagszahlen - schon die zweckmäßige Auslastung der Vollzugseinrichtungen einer Änderung des Vollzugsorts entgegen.

Allenfalls bessere Besuchsmöglichkeiten von Familienangehörigen in der Justizanstalt Salzburg mögen zweifellos der Resozialisierung des Beschwerdeführers (und damit verbunden auch der Intensivierung des Kontakts zu seinem Sohn) dienen. Da aber bereits ein dagegen sprechender Grund eine Strafvollzugsortsänderung ausschließt, ist die ablehnende Entscheidung der Generaldirektion nicht zu beanstanden.

Dem Begehren auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung ist zu entgegnen, dass es gemäß § 39 Abs 2 zweiter Satz AVG, der nach § 17 Abs 2 Z 1 StVG zur Anwendung kommt, im Ermessen der Behörde liegt, von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Fallkonkret ist aber weder aus dem Vorbringen noch dem Akteninhalt abzuleiten, dass dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs dadurch besser und effizienter entsprochen werden kann (vgl Hengstschläger/Leeb , AVG § 39 Rz 26 mwN).

Der gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Bescheid gerichteten Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.

Rückverweise