JudikaturOLG Wien

32Bs276/23g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie den Richter Dr. Farkas und den fachkundigen Laienrichter Oberstleutnant Posch-Fahrenleitner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 6. November 2023, GZ 192 Bl 10/23z-5, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .

Text

B e g r ü n d u n g:

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Erstgericht einer Beschwerde des A* vom 9. Mai 2023 (ON 1) nicht Folge.

Das Erstgericht hielt dazu wortwörtlich fest wie folgt:

Der am ** geborene und gemäß § 21 Abs 2 StGB (zweifach) eingewiesene, in der Justizanstalt Stein untergebrachte A* beschwert sich mit der am 12.05.2023 eingelangten Eingabe vom 09.05.2023 zusammengefasst unter anderem darüber, durch die Entscheidung des Anstaltsleiters der Verlegung in einen anderen Haftraum in seinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden zu sein. Auch die Betreuung, und zwar das Therapieangebot, lasse zu wünschen übrig. (ON 1).

[…]

Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Beschwerdeführer, welcher seit 2008 gemäß § 21 Abs 2 StGB in den Maßnahmenvollzug (nun: strafrechtliche Unterbringung) eingewiesen worden ist, bewohnte bis auf wenige Wochen seit 10.11.2021 in der JA Stein einen Doppelhaftraum im Einzelbelag. Am 02.05.2023 und in weiterer Folge täglich wurde ihm aufgrund einer Entscheidung der Anstaltsleitung durch die diensttuenden Beamten ein Wechsel des Haftraumes in einen Einzelhaftraum angeordnet, welchen er verweigerte. Mit 03.05.2023 meldete der Beschwerdeführer einen Hungerstreik im Zusammenhang mit der Verlegung in einen Einzelhaftraum an. Am 10.05.2023 wurde er in einen videoüberwachten Haftraum verlegt, weil er Selbstmordabsichten geäußert und sich nicht davon distanziert hatte. Am 16.05.2023 wurde der Beschwerdeführer in den Einzelhaftraum verlegt.

Zwischen 25.04.2022 und 23.01.2023 wurde ein einzelpsychotherapeutischer Behandlungsversuch mit dem Beschwerdeführer unternommen, wobei er die wöchentlichen Termine zuverlässig wahrnahm. Am 23.01.2023 wurde die Therapie vom zuständigen Psychotherapeuten beendet, weil der Beschwerdeführer nicht bereit war, sich mit den am 17.10.2022 vereinbarten Therapiezielen auseinanderzusetzen.

Von 03.01.2023 bis 12.06.2023 hatte der Beschwerdeführer außerdem zehn Kontakte mit dem Psychologischen Dienst, 32 Kontakte mit dem Sozialen Dienst, neun Kontakte mit der Departmentleitung Maßnahmenvollzug sowie am 15.05.2023 mit dem Psychiater.

[…]

Die gegen die Entscheidung des Anstaltsleiters vom 02.05.2023 am 09.05.2023 erhobene und am 12.05.2023 beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingelangte Beschwerde ist rechtzeitig gemäß § 120 Abs 2 StVG.

Aus § 40 StVG lässt sich nach ständiger Rechtsprechung kein subjektiv-öffentliches Recht auf Unterbringung in einem bestimmten Haftraum (LGSt Wien 193 Bl 9/21g; LG Linz 21 Bl 12/21w, 21 Bl 127/17a; LGSt Graz 25 Bl 3/21b, 25 Bl 53/19b) oder darauf, einen bestimmten Haftraum zu behalten (LG Linz 21 Bl 12/21w; OLG Wien 2 Vk 51/11) ableiten ( Drexler/Weger , StVG 5 § 40 Rz 1).

Im - behaupteten – Unterlassen der Anordnung der erforderlichen Betreuung ist ein der Beschwerdemöglichkeit des § 121 Abs 1 StVG unterliegendes Verhalten des Anstaltsleiters zu ersehen (vgl VwGH, 25. November 2008, 2005/06/0029; OLG Wien 33 Bs 33/16v).

Bei Untergebrachten nach § 21 Abs 2 StGB liegt das Schwergewicht in der Erreichung der Vollzugszwecke gemäß § 164 StVG - daher bei der ärztlichen, insbesondere psychiatrischen, psychotherapeutischen, psychohygienischen und erzieherischen (pädagogischen) Betreuung (§ 56 StVG), die – mit Blick auf § 164 StVG, den Zustand des Untergebrachten so weit bessern soll, dass die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen nicht mehr zu erwarten ist und diesem zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verholfen wird. Gleichzeitig hat der Untergebrachte ein subjektiv-öffentliches Recht auf entsprechende Behandlung ( Drexler , StVG³ § 166 Rz 1).

Vorliegend wurde der Beschwerdeführer von den Fachdiensten der Anstalt (Sozialer Dienst, psychologischer Dienst, Departmentleitung MNV) regelmäßig betreut, von einem Psychiater jedoch nur einmal, nach der Einbringung der Beschwerde. Der zuletzt unternommene Versuch einer Einzeltherapie musste vom Therapeuten am 23.01.2023 mangels Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Mitarbeit bei der Erreichung der Therapieziele abgebrochen werden. Dies ist kein neuer Umstand: Auch die vom Beschwerdeführer selbst ins Treffen geführte, teilweise zitierte Entscheidung des OLG Wien zu 19 Bs 65/21d kommt bereits zu dem Schluss, dass die Therapien am Beschwerdeführer scheitern, was daher mangels neuer Entwicklungen als geradezu notorisch gelten muss. Aufgrund seiner im Gutachten Dr.is B* vom 17.04.2023 attestierten, chronifizierten Persönlichkeitsstörung liegen auch weiterhin keine überzeugenden Befunde vor, die die Effektivität von psychotherapeutischen Maßnahmen zeigen würden[.]

Da sich aus dem aus § 166 StVG abgeleiteten subjektiv-öffentlichen Recht auf die oben angesprochene erforderliche Behandlung aber nicht schließen lässt, dass auch ein subjektiv-öffentliches Recht auf eine nicht den Vollzugszwecken dienende Behandlung bestünde, ist in der Verweigerung einer Psychotherapie, die im Hinblick auf die Erreichung des Vollzugsziels nicht erfolgversprechend ist, auch vor dem Hintergrund regelmäßiger klinisch-psychologischer Betreuung, keine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts zu erkennen.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* vom 20. November 2023 (ON 7), der – soweit hier relevant - darauf verweist, dass es vorliegend nicht um die Beibehaltung des bisherigen Haftraumes gehe, sondern um die erfolgte Verlegung „zur Seite des Westhofes“, wo 24 Stunden am Tag ein unbeschreiblicher „Lärmterror“ durch andere Strafgefangene herrsche. Der Anstaltsleiter sei nicht fähig, die Ruhe und Ordnung herzustellen. Es sei die Aufgabe des Vollzugsgerichts, den Anstaltsleiter anzuleiten, die Durchsetzung der Hausordnung richtig vorzunehmen, um insbesondere die Ruhe innerhalb der Anstalt herzustellen.

In Bezug auf das Vorbringen zur mangelnden Betreuung schenke das Vollzugsgericht den unglaubwürdigen Schutzbehauptungen des Anstaltsleiters ungeprüft Glauben. Innerhalb der letzten sechs Wochen habe es im ORF vier Sendungen gegeben, in denen festgestellt worden sei, dass es weder geeignete Betreuung gebe noch der gesetzlich normierte Resozialisierungsauftrag auch nur annähernd stattfinde.

Im Übrigen sei es die Pflicht des Vollzugsgerichts zu seinem Schutz zu verhindern, dass der Anstaltsleiter der Justizanstalt Stein, ihn „urteils- und rechtswidrig“ zu einem Sexualstraftäter erkläre. Der Anstaltsleiter halte die vom Oberlandesgericht Wien zu AZ 19 BS 65/21d aufgetragene Durchführung geeigneter Therapien nicht ein. Eine „Kinderschändertherapie“, die Dr. C* allen aufzwinge, sei für ihn als Bankräuber auf jeden Fall eine nicht geeignete Therapie. Selbst das Vollzugsgericht habe erkannt, dass die von Dr. C* „aufgenötigte Kinderschändertherapie“ rechtswidrig und ungeeignet sei. Da dies vom Anstaltsleiter geduldet werde, breche er im Vorsatz geltendes Recht und mache er dies im „vollen Wissen“ um die Rechtswidrigkeit seines Tuns.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 16a Abs 1 Z 1 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat (Abs 2).

Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.

Wie vom Vollzugsgericht ins Treffen geführt, liegt bei Untergebrachten nach § 21 Abs 2 StGB das Schwergewicht in der Erreichung der Vollzugszwecke gemäß § 164 StVG, sohin bei der ärztlichen insbesondere psychiatrischen, psychotherapeutischen, psychohygienischen und erzieherischen (pädagogischen) Betreuung (§ 56 StVG). Diese soll – mit Blick auf § 164 StVG - den Zustand des Untergebrachten soweit bessern, dass die Begehung einer mit Strafe bedrohter Handlung nicht mehr zu erwarten ist, und diesem zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen. Die Verpflichtung zur genannten Betreuung richtet sich an die Vollzugsbehörden. Gleichzeitig hat jedoch auch der Untergebrachte ein subjektiv-öffentliches Recht auf entsprechende Behandlung ( Drexler/Weger , StVG 5 § 166 Rz 1 mwN).

Im – behaupteten – Unterlassen der Anordnung der erforderlichen Betreuung ist ein der Beschwerdemöglichkeit des § 121 Abs 1 StVG unterliegendes Verhalten des Anstaltsleiters zu ersehen (vgl VwGH 25. November 2008, 2005/06/0029; OLG Wien 32 Bs 51/21a).

Mit seinen Behauptungen, dass ihm nachweislich die für ihn erforderliche Behandlung nicht angeboten werde, vermag der Beschwerdeführer die nachvollziehbaren Annahmen des Erstgerichts, das aus der Stellungsnahme der Anstaltsleitung der Justizanstalt Stein vom 19. Juni 2023 (ON 3 S 13 ff) schloss, dass der zuletzt unternommene Versuch einer Einzeltherapie vom Therapeuten am 23. Jänner 2023 mangels Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Mitarbeit bei der Erreichung der Therapieziele abgebrochen werden musste (ON 5 S 3), nicht in Frage zu stellen. In diesem Zusammenhang verweist das Erstgericht auch zutreffend darauf, dass mit Blick auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. B* in seinem Gutachten vom 17. April 2023 keine überzeugenden Befunde vorliegen würden, die die Effektivität von psychotherapeutischen Maßnahmen beim Beschwerdeführer annehmen ließen.

Nachdem – wie bereits vom Erstgericht ausgeführt – ein subjektiv-öffentliches Rechts auf eine den Vollzugszwecken nicht dienende Behandlung nicht besteht (OLG Wien, AZ 32 Bs 51/21s mwN), war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

Gegen die weiteren rechtlichen Ausführungen des Vollzugsgerichts, wonach ein subjektiv-öffentliches Recht auf Unterbringung in einem bestimmten Trakt oder in einem bestimmten Haftraum tatsächlich nicht besteht ( Drexler/Weger , StVG 5 § 40 Rz 1), bestehen ebensowenig Bedenken. Auch ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Hausordnung durch andere Insassen ist dem StVG nicht zu entnehmen.

Da der angefochtene Beschluss sohin der Sach- und Rechtslage entspricht, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.

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