6R4/24p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Richter Dr. Pscheidl als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Nigl, LL.M., und Mag. Klenk im Konkurs über das Vermögen der A* Holding GmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. Georg Unger, Rechtsanwalt in Wien, Masseverwalter Dr. B*, Rechtsanwalt in Wien, über den Rekurs der C* Holding ** GmbH , FN **, **, vertreten durch Grama Schwaighofer Vondrak Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 15.12.2023, 6 S 201/23k-7, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Text
Begründung
Die A* Holding GmbH ( Schuldnerin; vormals A* Holding AG bzw D* Holding AG) ist seit 12.10.2005 zu FN ** mit Sitz in ** im Firmenbuch eingetragen. Seit 3.1.2023 ist ihr selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer DI Dr. E*, geboren am **, der ab Ersteintragung mit einer Unterbrechung (von ca Anfang 2013 bis 10.2.2015) als Vorstand bzw Geschäftsführer eingesetzt war. Als Gesellschafter sind seit Umwandlung der Schuldnerin von einer AG in eine GmbH im Firmenbuch eingetragen:
- F* Vermögensverwaltungs-Gesellschaft m.b.H. (FN **; voll geleistete Stammeinlage EUR 115.562,-);
- C* Holding ** GmbH ( Rekurswerberin , FN **; voll geleistete Stammeinlage EUR 51.103,- = 25,55%);
- G* Gesellschaft m.b.H. (FN **; voll geleistete Stammeinlage EUR 33.333,-).
Am 14.12.2023 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen. Sie sei die Holdinggesellschaft der H* (Marktführer für Fertighäuser in Russland) mit Sitz in Russland und der I* GmbH ( I* ), FN **, mit Sitz in **, die seit 2017 von H* produzierte Fertighäuser in Österreich und Deutschland vertrieben habe. Bis 2022 sei die Schuldnerin auch Gesellschafterin der J* GmbH (J * ) mit Sitz in Deutschland gewesen.
Aufgabe der Schuldnerin sei die operative Führung der Tochtergesellschaften sowie die Finanzierung und das Controlling für die Gruppe. Die Finanzierung sei über Umlagen oder Dividenden der Tochtergesellschaften erfolgt.
K* habe sich im Dezember 2019 an der Schuldnerin beteiligt. Mit ihm sollte der deutsche Markt für die H* erschlossen werden. Völlig überraschend habe er im September 2021 seine Firmengruppe verkauft und erklärt, kein Interesse mehr an einer Beteiligung an der Schuldnerin zu haben. Zur Verbreiterung der Finanzierungsbasis habe die Schuldnerin im Herbst 2021 von Crowdfunding-Investoren ein nachrangiges Darlehen über EUR 1,05 Mio aufgenommen. Der Ukrainekrieg habe ab Februar 2022 die Geschäftsbasis der Schuldnerin grundlegend verändert. I* habe ab April 2022 aufgrund der Sanktionen keine Fertighäuser mehr aus Russland beziehen können. Die Abwicklung der bestehenden Aufträge habe Mehrkosten von rund EUR 800.000,- verursacht. J* habe keine Produkte mehr von H* beziehen können. Die jährliche Dividende von H* von EUR 600.000,- habe nach Beginn der EU-Sanktionen und dem Ausschluss der russischen Banken vom L* nicht mehr transferiert werden können. Zur Aufrechterhaltung der Liquidität habe J* verkauft werden müssen. Der Liquiditätszufluss sei allerdings um EUR 600.000,- geringer gewesen als geplant. Die erste Rückzahlung (EUR 260.000,-) für die Crowdfunding-Investoren sei im November 2023 fällig geworden. Im August 2023 sei dem Vertreter der Crowdfunding-Investoren mitgeteilt worden, dass eine volle Bedienung der Zinsen und der Tilgungsrate nicht möglich sein werde. Es sei vereinbart worden, die Zinszahlungen vorerst auszusetzen und auf Gesellschafterebene außergerichtliche Sanierungsmöglichkeiten zu suchen. Zur Überbrückung der Finanzierung bis zum Ende der Sanktionen gegen Russland habe der Geschäftsführer einen Nachschuss der Gesellschafter im Verhältnis der Kapitalbeteiligungen vorgeschlagen, was von den Mitgesellschaftern abgelehnt worden sei. Auch der Vorschlag, die Geschäftsanteile der H* zur Gänze bzw zu 62% zu verkaufen oder im Wege der freiwilligen Feilbietung zur Versteigerung zu bringen, sei von den Mitgesellschaftern abgelehnt worden. Eine Weiterfinanzierung der Schuldnerin sei nicht gegeben, sämtliche Bemühungen, das Unternehmen still zu liquidieren, seien gescheitert.
Diesem Antrag war eine Gläubigerliste angeschlossen, in der auch die Rekurswerberin mit einem Darlehen von EUR 67.000,- und einem gerichtlich bestrittenen Darlehen von EUR 775.000,- und Zinsen von EUR 132.341,- angeführt ist. Als weitere Gläubiger sind darin genannt:
- F* Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH (Darlehen, Zinsen, Verrechnungskonten, Verkaufspreis M*, Crowdfunding Darlehen und Zinsen),
- N* GmbH (Crowdfunding-Darlehen und Zinsen),
- Dr. O* (Crowdfunding-Darlehen und Zinsen),
- Dr. P* Beteiligungsgesellschaft mbH (Crowdfunding Darlehen und Zinsen),
- Q* UG (haftungsbeschränkt, Darlehen und Zinsen),
- G* Gesellschaft m.b.H. (Verkaufspreis M*),
- R* GmbH (Beratungsleistungen),
- S* GmbH ( S* ; monatliche Infrastrukturleistungen),
- T* GmbH (Darlehen) und
- U* (Sonstiges).
Weiters war ein vorläufiger Insolvenzstatus per 30.11.2023 zu Buchwerten angeschlossen, woraus sich Aktiva von EUR 3,593.433,72 und Passiva von EUR 3,682.731,66 ergeben. An Verbindlichkeiten sind auf Passivseite im Einzelnen ausgewiesen:
Nachrangige Darlehen Crowdfunding 1.167.701,07
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 23.986,10
Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern 2.300.694,97
Sonstige Verbindlichkeiten 190.349,52
Ein Überweisungsbeleg bezüglich des Kostenvorschusses von EUR 4.000,- war angeschlossen.
Abfragen des Erstgerichtes im Grundbuch (mit A* Holding G* und A* Holding AG) und im Exekutionsregister (mit A* Holding AG) verliefen negativ.
Mit dem angefochtenen Beschluss eröffnete das Erstgericht den Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte Dr. B* zum Masseverwalter. Die allgemeine Prüfungstagsatzung beraumte es für 27.2.2024 an und bestimmte das Ende der Anmeldefrist mit 13.2.2024. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergebe sich aus § 69 IO.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der C* Holding ** GmbH mit dem Antrag, ihn aufzuheben und den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Schuldnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt .
I. Zur Zulässigkeit des Rekurses:
1. Die Rekurswerberin verweist zu ihrer Rekurslegitimation auf ihre Stellung als Minderheitsgesellschafterin sowie als (nachrangige) Insolvenzgläubigerin aufgrund zweier Kredite an die Schuldnerin und legte zur Bescheinigung die Kreditverträge vor. Die Kreditbeträge samt Zinsen seien seit 30.6.2023 zur Rückzahlung an die Rekurswerberin fällig und würden bis dato unberichtigt aushaften. Zu 20 Cg 56/23y sei vor dem Erstgericht dazu ein Verfahren anhängig, infolge der Insolvenzeröffnung aber unterbrochen.
Die Rekurswerberin sei beschwert, weil eine Verwertung des wesentlichen Assets der Schuldnerin, nämlich der mittelbaren Beteiligung der Schuldnerin an der H*, im Rahmen des Konkursverfahrens aufgrund der Russlandsanktionen aktuell nur mit erheblichen preislichen Abschlägen vorgenommen werden könne. Die wirtschaftliche Situation der H* sei zuletzt besonders gut gewesen. Eine Verwertung zum jetzigen Zeitpunkt liefe den Interessen der Gesellschaftsgläubiger massiv zuwider. Die Schuldnerin sei weder zahlungsunfähig noch überschuldet, ein Zuwarten mit der Verwertung bis sich die politische und wirtschaftliche Lage in Russland entspanne und die Sanktionen gelockert bzw wegfallen würden, sei rechtlich und wirtschaftlich geboten. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wäre so schnell wie möglich und ohne Rücksicht auf eine spätere bessere Verwertbarkeit zu veräußern.
Zu ON 11 rot vom 13.2.2024 nahm die Rekurswerberin die Anmeldung ihrer aus diesen Kreditverträgen resultierenden Forderungen im Insolvenzverfahren vor (EUR 775.000,- samt Zinsen, insgesamt EUR 889.991,78).
2. In den von der Rekurswerberin (darin wird sie als „V*“ bezeichnet) vorgelegten Kreditverträgen vom 7.2.2022 über EUR 300.000,- und EUR 475.000,- lautet es:
„ 4. RÜCKZAHLUNG
…
4.2. Der Kredit wird längstens bis zum 30.06.2023, jedenfalls aber bis 14 Tage nach zum (sic!) Ausscheiden von V* als Aktionärin der A* eingeräumt. …
…
6. NACHRANGIGKEIT
Eine Auszahlung des Kreditbetrages ist jedenfalls erst nach Beseitigung eines negativen Eigenkapitals (§ 225 Abs. 1 UGB) oder im Fall der Liquidation nach Befriedigung aller Gläubiger (mit Ausnahme von Verbindlichkeiten von anderen Gesellschaftern) möglich; wegen der Kreditverbindlichkeit ist kein Insolvenzverfahren zu eröffnen.“
3. Die Schuldnerin führt in ihrer Rekursbeantwortung ausdrücklich aus: „ Wie die Rekurswerberin selbst ausführt, ist sie lediglich nachrangige Gläubigerin. “. Eine Rekurslegitimation stehe nachrangigen Gläubigern nicht zu.
4. Bezüglich der Rekurslegitimation gilt folgendes:
4.1. Beschlüsse des Gerichtes, womit das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgewiesen wird, können von allen Personen, deren Rechte dadurch berührt werden, sowie von den bevorrechteten Gläubigerschutzverbänden angefochten werden (§ 71c Abs 1 IO).
Die Rechtsmittellegitimation beantwortet die Frage, wer abstrakt zur Erhebung des Rechtsmittels befugt ist. Zu beachten ist, dass die Rechtsmittellegitimation nicht mit der Beschwer zu vermengen ist, die die konkrete Rechtsmittelbefugnis klärt. Diese Trennung wird teilweise nicht beachtet, sondern die Rechtsmittellegitimation dadanach beurteilt, ob der Rekurswerber ein „rechtliches Interesse“ hat bzw durch die Entscheidung „beschwert“ ist. Die notwendige Trennung der beiden besonderen Rechtsmittelvoraussetzungen kann dazu führen, dass zwar die Rechtsmittellegitimation zu bejahen ist, aber der Rekurs mangels Beschwer unzulässig ist ( Schneider in Konecny , InsG § 71c IO Rz 5). Die Rechtsmittelbefugnis als Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist von Amts wegen zu prüfen ( Sloboda in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 514 ZPO Rz 30).
4.2. Insolvenzgläubiger sind grundsätzlich im Eröffnungsverfahren rechtsmittellegitimiert. Die Rekurslegitimation folgt aus dem Eingriff in ihre rechtliche Stellung. Das Insolvenzverfahren dient im Grundsatz der Haftungsverwirklichung. Ob die Rechtsdurchsetzung in weiterer Folge im Wege des Insolvenzverfahrens erfolgt, wird durch die Eröffnung entschieden. Davon betroffen sind in erster Linie Insolvenzgläubiger ( Schneider aaO § 71c IO Rz 23). Nach hM sind auch die nicht antragstellenden Insolvenzgläubiger rekurslegitimiert. Die Anfechtungsbefugnis folgt daraus, dass die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechte der Insolvenzgläubiger unmittelbar berührt. Ihnen kommt ein Haftungsanspruch an der Insolvenzmasse zu, vorrangige Rechte bestehen weiter, es besteht die Gefahr der Anfechtung, wenn Leistungen erbracht werden, die Insolvenzgläubiger werden von den Verfahrenssperren der §§ 6 ff IO in der Einzelrechtsverfolgung betroffen udgl. Die Insolvenzgläubiger haben aufgrund dieser rechtlichen Eingriffe Rekurslegitimation sowohl beim stattgebenden als auch beim abweisenden Beschluss ( Schneider aaO § 71c IO Rz 25; vgl auch Konecny ZIK 2012, 163). Verlangt wird bei Insolvenzgläubigern eine Bescheinigung der Insolvenzforderung ( Schumacher in KLS 2 § 71c IO Rz 8 mwN; vgl RS0059461). Die Nachweispflicht ist zwar nicht ausdrücklich normiert, folgt aber daraus, dass sie erforderlich ist, um die rechtliche Beeinträchtigung (also die materielle Betroffenheit) beurteilen zu können.
4.3. Gläubiger Eigenkapital ersetzender Leistungen sind nach § 70 Abs 1 IO zur Stellung eines Eröffnungsantrags befugt. Daraus folgt ihre formelle Beteiligtenstellung und daraus resultierend ihre Rekursbefugnis. Rechtsmittellegitimation kommt ihnen auch dann zu, wenn sie den Antrag nicht gestellt haben, weil sie in ihren Rechten berührt werden. Aufgrund der weitreichenden Beschränkungen bei der Durchsetzung ihrer Forderungen, insbesondere als nachrangig iSd § 57a IO, haben sie eine Rechtsmittelbefugnis ( Schneider aaO § 71c IO Rz 30; vgl auch Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 71c KO Rz 6).
Das Antragsrecht nach § 70 Abs 1 IO bezweckt, dass der Gläubiger einer Eigenkapital ersetzenden Forderung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dann beantragen kann, wenn bei der Schuldnerin eine Zahlungsunfähigkeit selbst bei Außerachtlassung seiner Eigenkapital ersetzenden Leistung vorliegt, somit die beabsichtigte Sanierung gescheitert ist (OLG Wien, 28 R 118/12x).
§ 57a IO regelt sowohl die Einordnung der Forderungen aus Eigenkapital ersetzenden Leistungen als nachrangig (Abs 1), also dass sie nach den Insolvenzforderungen zu befriedigen sind, als auch die Durchsetzung der nachrangigen Forderungen im Insolvenzverfahren (Abs 2). Abs 2 knüpft zwar an Abs 1 an, stellt jedoch auf alle nachrangigen Forderungen ab, also nicht nur auf die in Abs 1 genannten Forderungen aus Eigenkapital ersetzenden Leistungen. Sonstige nachrangige Forderungen sind insbesondere solche, die durch Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner den Charakter einer nachrangigen Forderung haben, unabhängig davon, ob eine qualifizierte Nachrangvereinbarung iSd § 67 Abs 3 IO vorliegt ( Mohr in Konecny , InsG § 57a IO Rz 1).
4.4. Die Stellung der Rekurswerberin als (nachrangige) Insolvenzgläubigerin ist hier jedenfalls unstrittig. Zum Einen ergibt sie sich aus den bereits mit dem Rekurs vorgelegten Kreditverträgen. Zum Anderen führte die Schuldnerin die Rekurswerberin auch in der mit ihrem Antrag dem Erstgericht übermittelten Gläubigerliste an und gab selbst ausdrücklich in ihrer Rekursbeantwortung an, die Rekurswerberin sei nachrangige Gläubigerin.
Die Rekurslegitimation ist damit gegeben. Die Rekurswerberin ist durch die Insolvenzeröffnung auch rechtlich beschwert, da dadurch in ihre (Durchsetzungs)Rechte (solche Forderungen werden von der Prozesssperre nach §§ 6 und 7 IO erfasst, vgl Mohr aaO § 57a IO Rz 8; vgl unten II. 5.6.) eingegriffen wird. Der von der Rekurswerberin erhobene Rekurs ist daher zulässig.
II. Zur Berechtigung des Rekurses:
1. Die Rekurswerberin macht geltend, der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit sei nicht erfüllt. Unter Zugrundelegung des Jahresabschlusses zum 31.12.2022 und der Zahlungsflüsse bis 27.7.2023, habe die Schuldnerin per 27.7.2023 über EUR 281.503,15 verfügt. Nach 27.7.2023 habe es keine größeren Investitionen oder Aufwendungen gegeben. Die Schuldnerin habe im Zeitpunkt ihres Eröffnungsantrags ihren laufenden Zahlungsverpflichtungen nachkommen können und könne dies auch aktuell. Sämtliche von der Schuldnerin angegebenen Verbindlichkeiten – mit Ausnahme etwaiger Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt oder der Sozialversicherung - seien (qualifiziert) nachrangig. Die meisten Gläubiger seien Crowdfunding-Investoren, die qualifizierte Nachrangdarlehen gewährt hätten. Auch die Forderungen der Gesellschaftergläubiger auf Rückzahlung von Krediten gegen die Schuldnerin seien nachrangig.
Es liege auch keine Überschuldung vor, das Eigenkapital der Schuldnerin sei nicht negativ. Die Schuldnerin habe Rückzahlungsansprüche gegen Gesellschafter bzw nahestehende Dritte aus Verstößen gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr: Dies betreffe (überhöhte) Zahlungen in den Jahren 2022 und 2023 an die S*, deren Alleingesellschafterin die Mehrheitsgesellschafterin der Schuldnerin sei, deren Gesellschafter wiederum der Geschäftsführer der Schuldnerin und die F* Privatstiftung seien. Auch W* habe als ehemaliges Vorstandsmitglied der Schuldnerin überhöhte monatliche Zahlungen und eine Prämie erhalten. Aufgrund dieser Verstöße gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr und anderer massiver Pflichtverletzungen des Geschäftsführers der Schuldnerin sei ein Verfahren zu dessen Abberufung aus wichtigem Grund beim Erstgericht anhängig. Die Schuldnerin habe damit einen werthaltigen und durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Rückzahlung überhöhter Leistungen gegen liquide Dritte.
Der Jahresabschluss zum 31.12.2022 entspreche nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und weise nur deshalb ein (geringes) negatives Eigenkapital aus. Der Wert der 88%-Beteiligung an der H* betrage aktuell mindestens rund EUR 3,3 Mio. Die vorgenommenen Abwertungen auf 0 seien nicht nachvollziehbar. Die H* erwirtschafte ein relativ konstantes EBIT von EUR 2 Mio. Die Abschreibungen hätten demnach nicht in diesem Ausmaß vorgenommen werden dürfen. Darüber hinaus hätte die Schuldnerin die Forderungen gegen die S*, die Mehrheitsgesellschafterin und W* im Jahresabschluss zum 31.12.2022 bzw in der Zwischenbilanz zum 30.6.2023 entsprechend aktivieren müssen. Der Jahresabschluss zum 31.12.2022 sei aufgrund der falschen Bilanzierungsansätze nicht rechtswirksam festgestellt.
2. Die Schuldnerin verweist in ihrer Rekursbeantwortung darauf, dass ihr wesentliches Asset eine mittelbare Beteiligung an der H* sei. Aufgrund der Russlandsanktionen und der Retorsionsmaßnahmen Russlands könnten Dividenden und Konzernumlagen nicht transferiert werden, sodass es keine laufenden Einnahmen gebe. Ein Ende des Krieges sei nicht in Sicht, sodass keine Aussicht bestehe, diesen Zustand in absehbarer Zeit zu beseitigen. Es obliege den Gesellschaftern, die Gesellschaft durch Zuschüsse am Leben zu erhalten. Ein Einvernehmen zwischen den Gesellschaftern dazu sei nicht möglich gewesen. Es gebe laufende Kosten wie MindestKöSt, Aufwand für Buchhaltung, Steuerberatung, Domizilierung, Telefon, Internet. Eine positive Fortbestehensprognose setze eine Finanzierung voraus, die die Schuldnerin nicht habe.
Die Gesellschaft sei im Sinne des § 67 IO zahlungsunfähig. Nachdem es keine positive Fortbestehensprognose und keine Aussicht auf Finanzierung der laufenden und zukünftigen Kosten gebe, seien ausnahmsweise auch die zukünftigen, zwingend anfallenden Zahlungen in Ansatz zu bringen. Die Schuldnerin dürfe mit dem Insolvenzantrag nicht so lange zuwarten, bis Gläubiger geschädigt würden.
3. Der Masseverwalter verwies in seinem Erstbericht (ON 11) auf einen zwischen den Gesellschaftern herrschenden Streit. Bei Insolvenzeröffnung seien drei Arbeitnehmer angemeldet gewesen, sämtliche allerdings ohne aktuellen Entgeltanspruch. Die Schuldnerin habe auf dem Geschäftskonto über liquide Mittel von EUR 11.377,95 verfügt.
Der Buchwert der Beteiligung an der I* betrage EUR 1,-. Laut Buchhaltung bestünden Forderungen der Schuldnerin gegen die I* von EUR 644.944,-, die nach Darstellung des Geschäftsführers zumindest derzeit nicht bezahlt werden könnten. Aktuell sei der Kontakt zum Beteiligungsunternehmen H* im Wesentlichen abgerissen. Diese Beteiligung sei in den Büchern der Schuldnerin mit EUR 2,4 Mio bewertet.
Eine erste Durchsicht der vorliegenden Unterlagen habe als einzigen wirtschaftlich relevanten weiteren Vermögenswert eine Forderung aus einem Besserungsschein im Zusammenhang mit dem Verkauf der Beteiligung an der (deutschen) J* ergeben. Mit einer kurzfristigen Zahlung sei nach den Angaben des Geschäftsführers nicht zu rechnen. Angebliche Ansprüche der Schuldnerin aus dem Titel der Einlagenrückgewähr gegen die dem Mehrheitsgesellschafter zuzurechnende S* würden von dieser bestritten.
Nach der Gläubigerliste bestünden Verbindlichkeiten über EUR 3,983.559,-. Nach erster Erörterung dürften nachrangige Verbindlichkeiten (deutlich) dominieren. Die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie die sonstigen Verbindlichkeiten würden im Finanzstatus mit rund EUR 213.000,- beziffert. Den überwiegend „nachrangigen“ Verbindlichkeiten stünden illiquide Vermögenswerte, insbesondere die aktuell kaum verwertbare Beteiligung an der russischen H*, gegenüber.
Mit den aktuell zur Verfügung stehenden liquiden Mitteln sei weder eine vertiefte Untersuchung der Ursachen des Vermögensverfalles und der Vermögenslage der Schuldnerin noch ein einigermaßen professioneller Verwertungsprozess hinsichtlich der Beteiligungen finanzierbar.
In seiner aufgetragenen Äußerung zum Rekurs (ON 12) führte der Masseverwalter aus, im Insolvenzantrag werde kein Insolvenzgrund explizit angeführt. Bisher habe sich kein Hinweis auf fällige Verbindlichkeiten gegenüber Abgabengläubigern ergeben (das Guthaben auf dem Geschäftskonto resultiere im Wesentlichen aus einer Rückzahlung durch das Finanzamt). Gegen die Schuldnerin seien derzeit keine Konkursanträge (von Gläubigerseite) und – nach bisherigen Erhebungen – auch keine Exekutionsverfahren anhängig. Die von der Rekurswerberin selbst gegen die Schuldnerin geltend gemachten Forderungen würden von dieser bestritten. Zur Frage der rechnerischen Überschuldung sei vor dem Hintergrund der Bestimmung des § 67 Abs 3 IO über die Berücksichtigung „nachrangiger“ Verbindlichkeiten eine abschließende Beurteilung nicht möglich, da ein Überschuldungsstatus nicht vorliege. Eine abschließende Beurteilung, ob zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung Insolvenzgründe tatsächlich vorgelegen seien, könne nicht abgegeben werden.
4. Im Insolvenzverfahren erfolgten bisher folgende Forderungsanmeldungen (Kapitalbeträge ohne Zinsen):
ON 1 rot:
X* GmbH
Honorar für November 2023 EUR 3.600,-
ON 2 rot:
R* GmbH (Honorar)
4.10.-27.10.2023 EUR 6.726,24
29.6.-20.11.2023 EUR 15.561,26
ON 3 rot:
Dr. P* Beteiligungsgesellschaft mbH
Nachrangdarlehen vom 17.1.2022 EUR 50.000,-
ON 4 rot:
Finanzamt Österreich
vorläufiges Ergebnis einer Lohnabgabenprüfung
für 1.1.2023 – 15.12.2023 EUR 2.570,68
ON 5 rot:
Finanzamt Österreich
Rückstandausweis, fällig am 15.1.2024 EUR 4.451,-
ON 6 rot:
Österreichische Gesundheitskasse
Ansprüche aus Beendigung der Beschäftigungs-
verhältnisse, geschätzt EUR 20.000,-
ON 7 rot:
Y*
Kommunalsteuer/Dienstgeberabgabe EUR 5.000,-
ON 8 rot:
T* GmbH
(vertreten durch W*,
ohne Angabe von Tatsachen, auf die sich
die Forderung gründet) EUR 2.000,-
ON 9 rot:
Q* GmbH (zuvor Q* UG
haftungsbeschränkt; vertreten durch
W*, ohne Angabe von Tatsachen,
auf die sich die Forderung gründet) EUR 115.349,52
ON 10 rot:
Z* AG
Kreditkartenvertrag EUR 4.131,69
ON 11 rot:
Rekurswerberin
Nachrangige Kreditforderungen EUR 775.000,-
ON 12 rot:
BA* AG
Haftung für Kreditkartenausnützungen EUR 1.562,40
In seinem Bericht vom 14.2.2024 führt der Masseverwalter dazu aus, bei Ablauf der Anmeldefrist würden neun Forderungsanmeldungen vorliegen, mit welchen Insolvenzforderungen von EUR 230.249,49 angemeldet worden seien. Nach bisherigem Stand der Forderungsprüfung seien davon Insolvenzforderungen von rund EUR 30.500,- anzuerkennen. Sollte es bei der Insolvenzeröffnung bleiben, müsste versucht werden, eine konkursmäßige Verwertung der Beteiligungen im derzeitigen Marktumfeld zu vermeiden, da eine solche für die nachrangigen Gläubiger nachteilig wäre.
5. Folgendes war zu erwägen:
5.1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt voraus, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist (§ 66 IO). Bei juristischen Personen ist der Eröffnungsgrund der Überschuldung nach § 67 IO der Zahlungsunfähigkeit gleichzuhalten.
5.2. Zum Eigenantrag bestimmt § 69 Abs IO, dass auf Antrag eines Schuldners das Insolvenzverfahren „sofort zu eröffnen“ ist (Grundsatz der Insolvenzeröffnung ohne Insolvenzprüfung). Grundsätzlich hat daher der Schuldner, der die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen beantragt, weder seine Zahlungsunfähigkeit noch in Fällen des § 67 Abs 1 IO die Überschuldung glaubhaft zu machen, weil im Allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass kein Schuldner grundlos die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen beantragen werde, sodass ein derartiges Einbekenntnis grundsätzlich den Anschein der Richtigkeit für sich hat (vgl RS0119683 [T1]; Dellinger in Konecny/Schubert , InsG § 69 KO Rz 58; Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 69 KO Rz 30; Mohr, IO 11 § 69 E 7, E 8, E 10). Das Insolvenzgericht hat daher idR vor der Eröffnung auch keine diesbezüglichen Erhebungen zu pflegen ( Kodek , Privatkonkurs 3 Rz 6.11). Stellt ein Schuldner einen Insolvenzeröffnungsantrag, so hat es grundsätzlich nur seine Zuständigkeit, die Antragsbefugnis des Schuldners und das Vorhandensein von kostendeckendem Vermögen zu prüfen ( Dellinger , aaO § 69 KO Rz 60). Das Vorliegen der anderen Konkursvoraussetzungen wird dabei ohne Erhebungen angenommen (RS0064982; Schumacher aaO § 69 KO Rz 30).
Anderes gilt dann, wenn die Unwahrheit der Angaben des Schuldners feststeht oder es Anzeichen für eine missbräuchliche Konkursantragstellung durch einen solventen Schuldner gibt. Das Insolvenzgericht ist dann berechtigt und verpflichtet, seinen allfälligen Bedenken gegen das Zutreffen der Konkurseröffnungsvoraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung von Amts wegen (§ 254 Abs 5 IO) nachzugehen (vgl RS0064997 [T1]). Ergeben sich derartige Zweifel an der Insolvenz des Schuldners – im Hinblick auf § 260 Abs 2 IO allenfalls auch erst im Rekursverfahren – so hat das Gericht auch bei Vorliegen eines Schuldnerantrags alle für seine Beurteilung erheblichen Tatsachen von Amts wegen zu erheben und festzustellen (RS0064982 [T1]; vgl RS0064997 [T2]; Schumacher , aaO § 69 KO Rz 31; Dellinger , aaO § 69 KO Rz 59; Mohr , IO 11 § 69 E 9, E 11; Kodek , aaO Rz 6.11). Dem Gericht sind für seine amtswegigen Erhebungen aber auch hier Grenzen gesetzt. Keinesfalls besteht eine uferlose Nachforschungspflicht (RS0120938 [T1]). Die gebotene Raschheit des Eröffnungsverfahrens und das Prinzip der bloßen Glaubhaftmachung der Insolvenzvoraussetzungen macht eine Ermittlung mit einer über diesen Überzeugungsgrad hinausgehenden Tiefe nicht erforderlich (vgl 8 Ob 18/12y; OLG Wien, 6 R 30/21g = ZIK 2021/277).
5.3. Ob hier tatsächlich eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin vorlag/vorliegt oder nicht bzw ob eine missbräuchliche Antragstellung erfolgte, kann derzeit aus den folgenden Erwägungen nicht abschließend beurteilt werden:
5.4. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner infolge eines nicht bloß vorübergehenden Mangels an bereiten Zahlungsmitteln seine fälligen Schulden in angemessener Frist nicht erfüllen und sich die dafür erforderlichen Mittel auch nicht alsbald beschaffen kann (RS0064528). Maßgeblich für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit ist ein aktuelles Unvermögen des Schuldners, die zum Prüfungszeitpunkt fälligen Verbindlichkeiten zu zahlen ( Dellinger in Konecny/Schubert , InsG § 66 KO Rz 23 mwN). Da die Frage der Zahlungsunfähigkeit auf die Verpflichtung des Schuldners zur Rückzahlung von Schulden abstellt, sind eigenkapitalersetzende Leistungen, die vom Gläubiger nicht eingefordert werden können, nicht zu berücksichtigen. Das Verbot des § 14 Abs 1 EKEG (Rückzahlungssperre), in der Krise Gesellschafterforderungen aus eigenkapitalersetzenden Krediten zurückzubezahlen, führt dazu, dass solche Forderungen in der Krise nicht fällig sind ( Schumacher in KLS 2 zu § 66 IO Rz 14).
5.5. Eine gesetzliche Definition der Überschuldung fehlt, doch liegt diese nach herrschender Ansicht dann vor, wenn die Schulden insgesamt die Aktivbestandteile des Vermögens übersteigen („rechnerische Überschuldung“) und keine positive Fortbestehensprognose möglich ist ( Dellinger/Oberhammer/Koller , InsR 5 Rz 71, 75; Dellinger in Konecny/Schubert , InsG § 67 KO Rz 1). Eine insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung einer Kapitalgesellschaft ist also nicht schon beim Überwiegen der Passiven über die Aktiven anzunehmen, sondern es muss zur rechnerischen Überschuldung (das ist ein Überschuldungsstatus nach Liquidationswerten) eine ungünstige Fortbestehensprognose hinzutreten, die eine künftige Zahlungsunfähigkeit als wahrscheinlich erscheinen lässt (RS0064962; OLG Wien 6 R 30/21g ua). Mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ist der insolvenzrechtlich relevante Sachverhalt jedenfalls verwirklicht, ohne dass es dann noch auf die Fortbestehensprognose ankäme (RS0064962 [T7]). Bei aufrechter Zahlungsfähigkeit fehlt es an der insolvenzrechtlich relevanten Überschuldung ( Schumacher in KLS 2 § 67 IO Rz 8).
Die Überschuldung iSd Insolvenzrechts kann nicht einfach auf Basis der Buchwerte in der Jahresbilanz ermittelt werden ( Dellinger aaO § 67 KO Rz 25). Mithilfe sorgfältiger Analysen der Verlustursachen, eines Finanzierungplans sowie der Zukunftsaussichten des Unternehmens ist die wahrscheinliche Zahlungsunfähigkeit zu prüfen ( Dellinger aaO § 67 KO Rz 35; Schumacher aaO § 67 IO Rz 4). Die Wiederherstellung eines positiven Eigenkapitals in der Jahresbilanz oder gar eine Beseitigung der rechnerischen Überschuldung verlangt die Rechtsprechung dafür nicht ( Dellinger, aaO § 67 KO Rz 81).
Der Fortbestehensprognose ist eine realistische Einschätzung der künftigen Erträge und Aufwendungen zu Grunde zu legen; aufgrund einer solchen realistischen Zukunftserwartung muss für eine positive Fortbestehensprognose die Zahlungsfähigkeit und Lebensfähigkeit des Unternehmens mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein (6 Ob 19/15k). Die Erhaltung der Zahlungsfähigkeit ist wahrscheinlich, wenn eine Planung der zukünftigen Zahlungsströme ein ausgeglichenes Verhältnis der Ein- und Auszahlungen ausweist ( Dellinger, aaO § 67 KO Rz 77).
5.6. Nach dem Bericht des Masseverwalters dominieren nachrangige Verbindlichkeiten:
Nachrangige Forderungen können solche aus Eigenkapital ersetzenden Leistungen, aber auch sonstige nachrangige Forderungen sein (§ 57a IO, vgl oben I. 4.3.).
Nachrangige Forderungen sind gemäß § 57a Abs 2 IO wie Insolvenzforderungen geltend zu machen, also nach §§ 102 ff IO anzumelden. Der Verweis auf die Insolvenzforderungen bedeutet, dass das insolvenzrechtliche Prüfungsverfahren anzuwenden ist und dass die Forderungen von der Prozesssperre nach §§ 6 und 7 IO erfasst werden. Der Prozess kann nach § 7 Abs 3 IO erst nach der Prüfungstagsatzung wiederaufgenommen werden ( Mohr aaO § 57a IO Rz 8).
Der Inhalt der Anmeldung ergibt sich aus § 103 IO. Nach § 103 Abs 1 IO sind der Betrag der Forderung und die Tatsachen, auf die sie sich gründet, anzugeben. Ergänzend hierzu hält Abs 2 fest, dass bei der Anmeldung solcher Forderungen auf den Nachrang hinzuweisen ist ( Mohr aaO § 57a IO Rz 14).
Wann eine Forderung Eigenkapital ersetzend ist, wird nicht in der IO, sondern im EKEG geregelt ( Mohr aaO § 57a IO Rz 3). Ein Kredit, den eine Gesellschafterin oder ein Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise gewährt, ist Eigenkapital ersetzend (§ 1 Abs 1 EKEG). Die Gesellschaft befindet sich in der Krise, wenn sie zahlungsunfähig oder überschuldet ist, oder bei bestimmtem Reorganisationsbedarf (§ 2 Abs 1 EKEG). Erfasst sind unter anderem Gesellschafter, die – wie die Rekurswerberin - an einer Gesellschaft mit einem Anteil von zumindest 25% beteiligt sind (vgl § 5 Abs 1 EKEG; Mohr aaO § 57a IO Rz 3). Rechtsfolge der Qualifikation eines Kredites als Eigenkapital ersetzend ist die Rückzahlungssperre nach § 14 EKEG: Der Gesellschafter kann einen Eigenkapital ersetzenden Kredit samt den darauf entfallenden Zinsen nicht zurückfordern, solange die Gesellschaft nicht saniert ist und, wenn das Insolvenzverfahren nach einem bestätigten Sanierungsplan aufgehoben ist, soweit der Rückzahlungsanspruch die Sanierungsplanquote übersteigt. Die Gesellschaft ist nicht saniert, solange sie zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder Reorganisationsbedarf besteht oder einer dieser Umstände durch Rückzahlung des Eigenkapital ersetzenden Kredits eintreten würde. Dennoch geleistete Zahlungen hat der Gesellschafter der Gesellschaft rückzuerstatten.
Ob die Kredite der Rekurswerberin dem Regime des EKEG unterliegen, lässt sich gegenwärtig nicht mit Sicherheit beantworten: Es steht nicht fest, ob sich die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Kreditgewährung (noch vor Beginn des Ukrainekrieges) in der Krise im Sinne des § 2 EKEG befunden hat.
Bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit ist die Rückzahlungssperre des § 14 EKEG zu berücksichtigen. Diese bewirkt eine gesetzlich angeordnete reine Zwangsstundung. Auch die zulässig verrechneten Zinsen unterliegen der Rückzahlungssperre ( Mohr in Dellinger/Mohr , EKEG § 14 Rz 3). Daraus folgt, dass bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners die von der Rückzahlungssperre erfassten Forderungen nicht zu berücksichtigen sind ( Vogt in Schopper/Vogt , EKEG § 70 KO Rz 2). Andernfalls bestünde die Gefahr, die Rückzahlungssperre durch einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu unterlaufen und eine Rückzahlung noch vor der Sanierung zu erhalten (wenn auch gemäß § 57a IO nachrangig gegenüber Insolvenzforderungen; OLG Wien, 28 R 118/12x).
Für den Insolvenzgrund der Überschuldung gilt dies nicht gleichermaßen. Bei der Prüfung, ob rechnerische Überschuldung vorliegt, sind Verbindlichkeiten – auch solche aus Eigenkapital ersetzenden Leistungen - dann nicht zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger erklärt, dass er Befriedigung erst nach Beseitigung eines negativen Eigenkapitals (§ 225 Abs 1 UGB) oder im Fall der Liquidation nach Befriedigung aller Gläubiger begehrt und dass wegen dieser Verbindlichkeiten kein Insolvenzverfahren eröffnet zu werden braucht (§ 67 Abs 3 IO). Ein solches Darlehen kann nur insofern einen Einfluss auf das Vorliegen einer Überschuldung haben, als es eine abweichende Beurteilung der Fortbestehensprognose erlaubt (vgl 6 Ob 235/99y).
Rangrücktrittserklärungen wurden in der Praxis zwar mit differierendem Inhalt abgegeben ( Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger, InsR 4 § 67 KO Rz 109; vgl auch 9 Ob 58/11m). Zu verlangen war aber jedenfalls, dass der Gesellschafter ausdrücklich oder stillschweigend erklärt haben muss, dass seine Darlehensforderung nur aus künftigen Jahresüberschüssen oder aus einem Liquidationsüberschuss nach Befriedigung aller Gläubiger bezahlt werden soll ( Dellinger aaO § 67 KO Rz 67) bzw dass der Gläubiger die Befriedigung seiner Forderung gegenüber anderen Gläubigern zurückstellt (9 Ob 58/11m). An die exakte Formulierung der Rangrücktrittserklärung sollten keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden. Wichtig ist, dass der Anspruch hinter die Ansprüche der übrigen Gläubiger treten soll und dass sich der Gläubiger keine Berücksichtigung seiner Forderung in einem Konkursverfahren erwartet (EBRV 124 BlgNR 22. GP 16; 9 Ob 58/11m).
5.7. Punkt 6. der Kreditverträge zwischen der Schuldnerin und der Rekurswerberin wird daher bei Prüfung des Vorliegens von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu beurteilen sein. In den Forderungsanmeldungen ON 8 rot und 9 rot, hinter denen W* steht, wurden keine der angemeldeten Forderung zugrundeliegenden Tatsachen vorgebracht und auch kein Bescheinigungsmittel dazu vorgelegt. Der Forderungsanmeldung ON 3 rot wurde ausdrücklich ein Nachrangdarlehen vom 17.1.2022 zugrunde- und der bezughabende Vertrag vorgelegt.
6. Zwar bescheinigt die Rekurswerberin die behaupteten Forderungen der Schuldnerin gegen liquide Dritte aus Verstößen gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nicht, doch begründet der Rekurs beim Rekursgericht Zweifel am Vorliegen der Insolvenzeröffnungsvoraussetzungen, die zu deren amtswegiger Prüfung führen. Tatsächlich stützte sich die Schuldnerin in ihrem Eröffnungsantrag nicht explizit auf einen konkreten Insolvenzgrund, worauf auch der Masseverwalter verweist. In ihrer Rekursbeantwortung bringt sie vor, iSd § 67 IO „ zahlungsunfähig “ [offenbar gemeint: überschuldet; Anmerkung des Rekursgerichtes] zu sein, da es keine positive Fortbestehensprognose gebe, ohne eine solche vorzulegen. In ihrem Antrag brachte sie vor, ihre Finanzierung sei über Umlagen oder Dividenden der Tochtergesellschaften erfolgt, um im weiteren nur noch darauf abzustellen, dass eine Transferierung von Dividenden und Umlagen von der H* nicht möglich sei. Warum auch von der I* keine Dividenden und Umlagen mehr geleistet werden, bleibt offen. Erhebungen des Rekursgerichtes ergaben in diesem Zusammenhang etwa kein anhängiges Insolvenzverfahren gegen I*. Die bloße Angabe des Geschäftsführers gegenüber dem Masseverwalter, die I* könne die offenen Forderungen der Schuldnerin zumindest derzeit nicht zahlen und auch mit einer kurzfristigen Zahlung der Forderung gegen die (deutsche) J* sei nicht zu rechnen, reicht für eine nachvollziehbare Begründung nicht aus. Dass die Schuldnerin über keine Finanzierung verfügt, ist damit nicht bescheinigt.
Diese Erwägungen machen es erforderlich, dass das Erstgericht eine breitere Tatsachengrundlage zur amtswegigen Prüfung des Vorliegens eines Insolvenzgrundes schafft. Insgesamt kann eine im Hinblick auf den Gesellschafterstreit möglicherweise rechtsmissbräuchliche Einbringung des Eigenantrags nicht ausgeschlossen werden. Ob dies hier tatsächlich der Fall ist, lässt sich nach der Aktenlage nicht eindeutig beantworten.
Die Schuldnerin geht in ihrer Rekursbeantwortung von einer negativen Fortbestehensprognose aus, ohne eine solche vorzulegen. Aufgrund der bisherigen Aktenlage kann das Vorliegen der Eröffnungsvoraussetzungen nicht abschließend beurteilt werden.
7. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die Schuldnerin zur Behauptung eines konkreten Insolvenzgrundes und dessen Bescheinigung aufzufordern, sodann angebotene und sonstige für erforderlich erachtete Bescheinigungsmittel aufzunehmen und auf deren Grundlage eine Tatsachengrundlage (im Sinne einer Glaubhaftmachung) zur Überprüfung der Berechtigung des Insolvenzantrags zu schaffen haben. Die erforderlichen Ermittlungen werden hier insbesondere in der Vernehmung des Antragstellers liegen. Allenfalls ist ihm die Vorlage von Unterlagen, die zur Prüfung des Insolvenzgrundes erforderlich erscheinen, aufzutragen. Können die Bedenken über den Eintritt des Insolvenzgrundes nicht ausgeräumt werden oder steht das Fehlen dieser Konkursvoraussetzung fest, dann ist der Konkursantrag abzuweisen ( Schumacher aaO § 69 KO Rz 31).
III. Ein Kostenersatz findet im Insolvenzverfahren nicht statt (§ 254 Abs 1 Z 1 IO). Dies gilt auch für das Rechtsmittelverfahren ( Pesendorfer in KLS 2 § 254 Rz 2).